Die Entstehung der Governance der hybriden Organisationsform Genossenschaft
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Die Entstehung der Governance der hybriden Organisationsform Genossenschaft

Eine empirische Untersuchung am Beispiel von Energiegenossenschaften in Deutschland

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Die Entstehung der Governance der hybriden Organisationsform Genossenschaft

Eine empirische Untersuchung am Beispiel von Energiegenossenschaften in Deutschland

Über dieses Buch

Die Frage nach den Ursachen für die bestehende Vielfalt an Organisationsformen ist heute ein zentraler Teil der wirtschaftswissenschaftlichen Forschung und Ausgangspunkt der Transaktionskostentheorie, an welche die vorliegende Arbeit mit ihrer Fragestellung anknüpft: Wie entsteht die Governance der hybriden Organisationsform Genossenschaft?

Dabei handelt es sich um eine Frage, die bislang auch deshalb unzureichend beantwortet geblieben ist, weil die transaktionskostentheoretische Forschung der genossenschaftlichen Heterogenität und deren Ursachen kaum Aufmerksamkeit gewidmet hat. Dieses Desiderat ist umso gewichtiger, als die Organisationsform der Genossenschaft für die Koordination von Transaktionen weltweit große Bedeutung besitzt. Die Organisationsform Genossenschaft weist einzigartige Merkmale auf wie die Identität von Nutzer und Eigentümer oder das one-member-one-vote Prinzip. Beide Eigenschaften verschaffen der Genossenschaft gegenwärtig neue Popularität in der gesellschaftlichen Debatte über alternative Wirtschaftsformen.

Ein tieferes Verständnis der genossenschaftlichen Governance und der Ursachen ihrer vielfältigen Erscheinungsformen trägt dazu bei, die Funktionsweise und Verbreitung von Genossenschaften besser zu erklären. Die vorliegende Arbeit verfolgte daher die drei Ziele, 1. den Governance-Entstehungsprozess von Genossenschaften besser zu verstehen, 2. die Genossenschaft hinsichtlich ihrer Governance zu differenzieren und 3. Faktoren zu identifizieren, die die Entstehung der genossenschaftlichen Governance beeinflussen.

Um diese Ziele zu erreichen, wurde ein anspruchsvoller Mixed-Methods-Ansatz angewendet. Zunächst konnte mittels der qualitativ-explorativen Grounded-Theory-Methode eine Gegenstandstheorie zum Prozess der Governance-Entstehung von Energiegenossenschaften entwickelt werden. Auf dieser Grundlage und unter weitergehender Berücksichtigung der einschlägigen Literatur wurde sodann ein Modell der Governance-Entstehung abgeleitet, das anhand einer großzahligen Population von Energiegenossenschaften quantitativ-empirisch getestet wurde.

Im Ergebnis konnte der Governance-Entstehungsprozess als Neukontextualisierung beschrieben werden, bei dem zahlreiche Einflussfaktoren über einen in der Arbeit näher spezifizierten Wirkzusammenhang die Governance-Entstehung der Genossenschaft determinieren. Im Gegensatz zu den Aussagen der klassischen Transaktionskostentheorie stellte sich die Entstehung von Governance in der durchgeführten Untersuchung nicht als Auswahl generischer Governance-Strukturen dar, sondern vielmehr als Anpassung der Governance-Struktur an die Besonderheiten der Gründungssituation. Die Entstehung der Governance konnte daher insbesondere unter Bezugnahme auf die Notwendigkeit erklärt werden, fehlende Handlungssicherheit auszugleichen, um ausreichend Mitglieder für die beabsichtigte Transaktion zu gewinnen. Die Handlungssicherheit variiert dabei in Abhängigkeit der Ausprägung unterschiedlicher Einflussfaktoren, die sich nach der Art der Transaktion, dem Gründungskontext und dem gestaltender Akteur gliedern lassen. Die Ausprägungen dieser Einflussfaktoren sind ursächlich für die Vielfalt genossenschaftlicher Governance, die in der Arbeit anhand des für Genossenschaften zentralen Governance-Attributs der Mitgliederbindung untersucht worden ist, anhand dessen sich die Governance der Genossenschaft differenzieren lässt.

Zusammenfassend tragen die Ergebnisse dieser Arbeit zur Weiterentwicklung der Transaktionskostentheorie bei, indem die Entstehung der Governance nicht pauschal auf Verhaltensannahmen und daraus resultierende Transaktionskosten zurückgeführt wird, sondern ein Modell entwickelt wird, in dessen Mittelpunkt ein komplexer Ausgleich von Handlungssicherheit steht, um Transaktionspartner zu überzeugen, in eine Transaktion einzuwilligen.

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Information

1 Einleitung

1.1 Problemstellung und Relevanz der Untersuchung

„Lenken wir unseren Blick auf [die, J. M.] […] ‚Genossenschaft‘, so zeigen sich bereits bei oberflächlicher Betrachtung viele Unterschiedlichkeiten […] Es ist wohl verständlich, dass dieser Fülle der Erscheinungsformen nicht mit Definitionen beizukommen ist“1, konstatiert Draheim in seiner wegweisenden Schrift zur Genossenschaft2 als Unternehmungstyp bereits 1952.
Die Vielfalt der Genossenschaften ist ebenso bemerkenswert3 wie ihre herausragende wirtschaftliche und kulturelle Bedeutung.4 Wie die International Co-operatives Alliance (ICA) schreibt, sind 10 % der Arbeitnehmer weltweit bei Genossenschaften angestellt und alleine die 300 größten Genossenschaften erwirtschaften einen kumulierten Umsatz von circa 2,2 Billionen Dollar.5 Genossenschaften sind ein kulturübergreifendes Phänomen, das sich auf alle Kontinente erstreckt und oft breite Teile der nationalen Gesellschaften als Mitglieder organisiert.6 Auch in Deutschland kommt der Genossenschaft in der Wirtschaft eine wichtige Rolle zu. Mehr als 21,4 Mio. Bundesbürger sind Mitglieder7 in 8861 Genossenschaften8. Die große Bedeutung von Genossenschaften wird vor dem Hintergrund des mit ihnen verbundenen Zwecks noch deutlicher: Genossenschaften dienten Menschen retrospektiv als Organisationsform zur Selbsthilfe und Bewältigung elementarer Herausforderungen der Daseinsvorsorge, wie beispielsweise der gemeinschaftlichen Nahrungsmittelproduktion,9 der Etablierung eines Bankwesens10 oder der Elektrifizierung des ländlichen Raums11. In jüngster Zeit ist eine Renaissance der Organisationsform Genossenschaft zu beobachten.12 In Deutschland zeigt sich insbesondere im Bereich der Energiewirtschaft eine beachtliche Dynamik. Die Anzahl der Energiegenossenschaften13 ist in den vergangenen Jahren stark gestiegen14 und sie gelten mittlerweile als ideales Modell zur Bürgerbeteiligung15 am gesamtgesellschaftlichen Transformationsprojekt16 Energiewende.
Ein Schlüssel zum großen Erfolg der Genossenschaft ist ihre Governance. Mit dem Governance-Konzept ist übergeordnet das Zusammenwirken handlungsleitender Mechanismen – sogenannter Governance-Mechanismen – gemeint, die dafür sorgen, dass die notwendige Kooperation17 zwischen den beteiligten Akteuren18 wahrscheinlich wird.19 Die Genossenschaft wird vor diesem Hintergrund als Governance-Struktur20 aufgefasst, die unterschiedliche Governance-Mechanismen zur Regelung von Transaktionen bereithält. Die richtige Konfiguration einzelner Governance-Mechanismen ist folglich eine Voraussetzung dafür, dass die beabsichtigte Transaktion21 umgesetzt wird. Wie also entsteht die Governance der Genossenschaft?
Einschlägige wirtschaftswissenschaftliche Lehrbücher bieten keine Antwort auf diese Frage.22 Eine mangelnde Beachtung von Genossenschaften gilt auch für die anerkannte Transaktionskostentheorie,23 deren Kernanliegen es ist, die Vielfalt an unterschiedlich ausgestalteten Governance-Strukturen zu erklären.24 Genossenschaften werden in der Transaktionskostentheorie zwar als hybride Organisationsform25 eingeordnet,26 ohne dass der Variation ihrer Governance jedoch hinreichend Rechnung getragen wird.27 Denn die im Eingangszitat von Draheim problematisierte Heterogenität der Genossenschaft gilt nicht bloß hinsichtlich der organisierten Geschäftsmodelle, ihrer Größenunterschiede oder basaler Gründungsmotive, sondern insbesondere auch für die Governance dieser Organisationsform.28 Die Transaktionskostentheorie wird diesem Umstand bislang nicht gerecht und großzahlige empirische Untersuchungen zu den Ursachen unterschiedlich ausgestalteter genossenschaftlicher Governance fehlen weitgehend.29 Dabei sprechen neben der oben skizzierten wirtschaftlichen Relevanz der Genossenschaft weitere Gründe für eine transaktionskostentheoretische Auseinandersetzung mit ihrer Governance:
Ein tieferes Verständnis der genossenschaftlichen Governance und der Ursachen für ihre Vielfalt würde dazu beitragen, die Funktionsweise und Verbreitung von Genossenschaften besser erklären zu können. Die langfristige Parallelexistenz von Genossenschaften, Investor-orientierten Firmen (IOF)30 und Unternehmen aus dem öffentlich-rechtlichen Sektor fordert die Transaktionskostentheorie heraus,31 die davon ausgeht, dass sich eine transaktionskostenoptimale Governance-Struktur durchsetzt.32 Das für Genossenschaften charakteristische Merkmal der Identität von Nutzer und Eigentümer33 und ein einzigartiges Governance-Regime34 verschaffen ihr eine singuläre Stellung unter den hybriden Organisationsformen und sprechen gleichermaßen für ihre wissenschaftliche Evaluation. Das steuernde Zusammenwirken von genossenschaftlichen Prinzipien, einem Genossenschaftsgesetz (GenG)35 sowie den Genossenschaftsverbänden ist ebenso einmalig wie das prägende Pro-Kopf-Stimmrecht36 oder die typische Mitgliederförderung.37 Die Untersuchung der Ursachen für die Heterogenität der genossenschaftlichen Governance würde die Transaktionskostentheorie daher in einem besonderen und bislang weitgehend unbeachteten Bereich erweitern.
Vor dem Hintergrund der ausgeführten Relevanz der Genossenschaft, den skizzierten Forschungsdesideraten und den angedeuteten Lücken in der Transaktionskostentheorie soll mit dieser Arbeit ein Beitrag zum besseren Verständnis genossenschaftlicher Governance geleistet werden. Diese Arbeit zielt daher auf die Beantwortung der Hauptforschungsfrage ab: Wie entsteht die Governance der hybriden Organisationsform Genossenschaft?

1.2 Zielsetzung der Arbeit

Aus der Hauptforschungsfrage ergibt sich als primäre Zielsetzung dieser Arbeit, einen Beitrag zur Weiterentwicklung der Transaktionskostentheorie zu leisten. Die Entstehung der Governance der Genossenschaft bildet dabei den Untersuchungsgegenstand. Die Auseinandersetzung mit dem Untersuchungsgegenstand ermöglicht es, die Ursachen für die spezielle Konfiguration einzelner Governance-Mechanismen der Genossenschaft zu verstehen und die Forschungsfrage zu beantworten. Drei Subziele werden in Bezug auf die Theorieentwicklung differenziert:
Das erste Ziel besteht darin, den Prozess der Governance-Entstehung von Genossenschaften zu untersuchen. Dieser Fokus ist zum einen sinnvoll, weil zum Verständnis der Governance hybrider Organisationsformen dem Entstehungsprozess in der Literatur eine hohe Bedeutung beigemessen wird.38 Zum anderen ist eine Prozessperspektive auf die Governance-Entstehung in der Transaktionskostentheorie bislang eher ein Randthema.39 Die Transaktionskostentheorie versucht in der Regel post hoc die Existenz der vorzufindenden unterschiedlichen Governance-Strukturen zu erklären.40 Die Analyse des Prozesses der Governance-Entstehung bei Genossenschaften verspricht damit, sowohl ein tieferes Verständnis über die Ursachen ihrer Ausgestaltung zu gewinnen als auch einen bislang in der Transaktionskostentheorie unterbelichteten Aspekt auszuleuchten.
Das zweite Ziel besteht darin, die Governance der Genossenschaft – insbesondere in Form ihrer Satzung – besser zu verstehen. Dabei geht es nicht um einen Vergleich der Governance von Genossenschaften mit jener von Markt oder Unternehmen,41 sondern darum, die Variation der Satzungsausgestaltung bei Genossenschaften zu ergründen.42 Der Vergleich diskreter Governance-Strukturalternativen in Form von Markt, Genossenschaft und Unternehmen würde zu kurz greifen, um die interne Heterogenität der genossenschaftlichen Governance erklären zu können.43 Daher befasst sich diese Arbeit in ihrem empirischen Teil ausschließlich mit dem Vergleich von Genossenschaften, insbesondere mit Unterschieden in ihren Satzungen. Ein solcher Fokus ist auch deshalb interessant, weil die empirische Untersuchung von Genossenschaftssatzungen im Rahmen der Transaktionskostentheorie in der Literatur bislang nicht zu finden ist.
Zur Beantwortung der Hauptforschungsfrage ist es außerdem erforderlich, die im Zusammenhang mit der Entstehung der genossenschaftlichen Governance relevanten Einflussfaktoren zu identifizieren, woraus sich ein drittes Ziel dieser Arbeit ergibt. Es sollen Faktoren ermittelt werden, die die Heterogenität in den Genossenschaftssatzungen erklären. Obwohl die Transaktionskostentheorie hier mit den Transaktionsdimensionen Einflussfaktoren nennt,44 gilt es in dieser Arbeit, speziell für Genossenschaften gültige Governance-Determinanten zu entdecken. Zur Differenzierung der E...

Inhaltsverzeichnis

  1. Title Page
  2. Copyright
  3. Contents
  4. Geleitwort
  5. Vorwort und Danksagung
  6. Abkürzungsverzeichnis
  7. 1 Einleitung
  8. 2 Theoretische Grundlagen
  9. 3 Modellentwicklung und Prüfung
  10. 4 Diskussion
  11. 5 Fazit
  12. Verzeichnisse