Wie kann dem zunehmenden Problem von Diabetes in der Schwangerschaft praxisnah begegnet werden? Diese Darstellung aus diabetologischer, geburtsmedizinischer und neonatologischer Sicht, die sowohl theoretische Grundlagen als auch praxisrelevante Therapiestrategien und -standards sowie Fallbeispiele erläutert, ist ein praxisorientierter Leitfaden für Geburtsmediziner, Neonatologen, Hebammen, Diabetologen und Diabetes-Berater.
Der Gestationsdiabetes (GDM) zählt zu den häufigsten Erkrankungen in der Schwangerschaft mit steigender Tendenz. Seit 2012 wird jeder Schwangeren als Kassenleistung eine Zweistufendiagnostik im 2. Trimenon angeboten, bei hohem Risiko sollte bereits in der Frühschwangerschaft nach einem präexistenten Diabetes gesucht werden. Die Therapie kann meist durch Ernährungsumstellung und körperliche Bewegung, eventuell zusätzlich durch Insuline erfolgen. Präventive Maßnahmen wie Stillen, Aufklärung über Lebensstiländerung und postpartale Kontrollen zielen auf eine Vermeidung der Konversion in einen manifesten Diabetes mellitus Typ 2 (T2D). Demgegenüber stellen für Frauen mit einem präexistenten Diabetes mellitus (T1D oder T2DT) Kinderwunsch und Schwangerschaft eine Herausforderung dar, bei der präkonzeptionelle Stoffwechseloptimierung als auch Nachbetreuung ebenso wichtig sind wie die engmaschige Betreuung und optimale Insulineinstellung während der Schwangerschaft.
Dieses Buch beschreibt, wie Diabetes in der Schwangerschaft durch gute Kommunikation und Zusammenarbeit eines interdisziplinären Teams gemeistert wird.
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1.1 Diabetes und Schwangerschaft: Definition und Klassifikation
Jens H.Stupin
Der Begriff „Diabetes mellitus“ (Wortschöpfung aus altgriech. διαβήτης bzw. διαβαίνειν „hindurchgehen, durchfließen“ und lat. mellitus „honigsüß“), umfasst heterogene Störungen des Stoffwechsels, denen eine Hyperglykämie als Leitsymptom gemein ist. Die Ursache ist eine gestörte Insulinsekretion oder eine gestörte Insulinwirkung infolge Insulinresistenz bzw. eine Kombination aus beidem [1,2].
Die ätiologische Klassifikation unterscheidet nach der Amerikanischen Diabetesgesellschaft (ADA) vier Hauptkategorien [3]:
1.
Diabetes mellitus Typ 1 (T1DM): infolge einer autoimmun-vermittelten β-Zellzerstörung, die zu einem absoluten Insulinmangel führt.
2.
Diabetes mellitus Typ 2 (T2DM): infolge eines progressiven Verlusts der Insulin-Sekretion der β-Zelle mit einer Insulinresistenz bzw. einer vorwiegenden Insulinresistenz mit relativem Insulinmangel unter meist ursächlicher Begleitung durch ein Metabolisches Syndrom.
3.
Andere spezifische Diabetes-Typen: Genetische Defekte der β-Zell-Funktion, z. B. MODY (Maturity-Onset Diabetes of the Young)-Formen, Erkrankungen des exokrinen Pankreas, Endokrinopathien oder medikamentös-chemisch induzierte Typen.
4.
Gestationsdiabetes (GDM).
Der Gestationsdiabetes mellitus (GDM, ICD-10: O24.4 G) wird definiert als eine „Glukosetoleranzstörung, die erstmals in der Schwangerschaft mit einem 75 g-oralen Glukosetoleranztest (oGTT) unter standardisierten Bedingungen und qualitätsgesicherter Glukosemessung aus venösem Plasma diagnostiziert wird.“ Bereits ein erhöhter Glukosewert ist für die Diagnose ausreichend.
Ein Gestationsdiabetes liegt vor, wenn zwischen 24 und 28 Schwangerschaftswochen (SSW) einer der folgenden Werte im 75 g-oGTT erreicht wird:
Diese Grenzwerte wurden im Jahr 2010 durch eine internationale Konsensbildung von Experten der International Association of Diabetes and Pregnancy Study Groups (IADPSG) erarbeitet [4]. Sie beruhen auf den Ergebnissen der HAPO (Hyperglycemia and Adverse Pregnancy Outcome)-Studie, einer multizentrischen Beobachtungsstudie an weltweit mehr als 23.000 Schwangeren, die einen oGTT erhalten hatten [5]. Als primäre Endpunkte wurden die Häufigkeiten maternaler, fetaler und neonataler Komplikationen (primäre Sektiones, Geburtsgewicht > 90. Perzentile, C-Peptid im Nabelschnurblut > 90. Perzentile [fetaler Hyperinsulinismus] und neonatale Hypoglykämie) erfasst, an denen sich die Grenzwerte orientieren. Mit ansteigenden Blutglukosewerten stiegen im Sinne eines Kontinuums zwischen „gesund“ und „krank“ zugleich die Raten geburtshilflicher Komplikationen.
ie diagnostischen Kriterien nach IADPSG wurden seit 2013 durch die WHO, die FIGO (International Federation of Gynecology and Obstetrics) und die ADA übernommen, sodass bis auf wenige Ausnahmen weltweit einheitliche Diagnosekriterien gelten.
Bei einer auf diese Weise diagnostizierten Glukosetoleranzstörung kann es sich um einen GDM handeln oder einen präexistenten Diabetes mellitus, der dann als erstmals „in der Schwangerschaft diagnostizierter Diabetes“ bezeichnet und durch Bestimmung der Auto-Antikörper gegen β-Zellen bzw. einer Genanalyse in T1DM oder T2DM bzw. monogenen Diabetes GCK (Glukokinase)-MODY differenziert wird [6].
Für die Diagnose des präexistenten Diabetes mellitus gelten die Kriterien des 75 g-oGTT für einen Diabetes außerhalb der Schwangerschaft [1,2]:
–
Nüchtern-Plasmaglukose: ≥ 126 mg/dl (7,0 mmol/l) – Zweitmessung am folgenden Tag oder HbA1c als Bestätigung nötig – oder
–
2-Stunden-Plasmaglukose: ≥ 200 mg/dl (11,1 mmol/l) und / oder
–
HbA1c ≥ 6,5 %.
Ein präkonzeptioneller Diabetes mellitus muss immer dann angenommen werden, wenn die Kriterien für einen manifesten Diabetes bereits vor der 20. SSW erfüllt werden.
Das mehrfach modifizierte Klassifikationssystem diabetischer Schwangerschaften nach Manifestationsalter, Diabetesdauer und mütterlichen Komplikationen, das von Priscilla White eingeführt wurde (White Classification of Diabetic Pregnancies) [7] hat heute für die klinische Entscheidungsfindung keine Bedeutung mehr.
Literatur
[1] Nauck M, Petersmann A, Müller-Wieland D, Schleicher E, Müller UA, et al. Definition, Klassifikation und Diagnostik des Diabetes mellitus. Diabetologie. 2018;13(2):S90-6.
[2] Bundesärztekammer (BÄK), Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF). Nationale VersorgungsLeitlinie Therapie des Typ-2-Diabetes – Langfassung. 1. Aufl. Version 4; 2013. zuletzt geändert: November 2014. Im Internet: http://www.deutsche-diabetes-gesellschaft.de/fileadmin/Redakteur/Leitlinien/Evidenzbasierte_Leitlinien/dm-therapie-1aufl-vers4-lang.pdf; Zugriff: 01.05.2019.
[3] American Diabetes Association (ADA). 2. Classification and diagnosis of diabetes. Diabetes Care. 2017;40(1):S11-24.
[4] International Association of Diabetes and Pregnancy Study Groups Consensus Panel, Metzger BE, Gabbe SG, Persson B, Buchanan TA, et al. International association of diabetes and pregnancy study groups recommendations on the diagnosis and classification of hyperglycemia in pregnancy. Diabetes Care. 2010;33(3):676-82.
[5] HAPO Study Cooperative Research Group, Metzger BE, Lowe LP, Dyer AR, Trimble ER, et al. Hyperglycemia and adverse pregnancy outcomes. N Engl J Med. 2008;358:1991-2002.
[6] Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG), Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG). S3-Leitlinie Gestationsdiabetes mellitus (GDM), Diagnostik, Therapie und Nachsorge. 2. Aufl. AWMF-Registernummer 057–008; 2018. Im Internet: https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/057-008l_S3_Gestationsdiabetes-mellitus-GDM-Diagnostik-Therapie-Nachsorge_2018-03.pdf; Zugriff: 01.05.2019.
[7] Hare JW, White P. Gestational diabetes and the White classification. Diabetes Care. 1980;3:394.
1.2 Pathophysiologie und Risikofaktoren
Jens H.Stupin
1.2.1 Pathophysiologie des Gestationsdiabetes und des Diabetes mellitus Typ 2
Gestationsdiabetes (GDM) und Diabetes mellitus Typ 2 (T2DM) teilen sowohl Risikofaktoren wie Übergewicht / Adipositas und Lebensstilfaktoren wie Bewegungsmangel und hochkalorische Ernährung als auch das gemeinsame Leitsymptom Hyperglykämie.
Das klinische Krankheitsbild entwickelt sich auf der Grundlage einer genetischen Prädisposition. Genomweite Assoziationsstudien zeigten, dass Kandidatengene für T2DM auch beim GDM wirken, u. a. Varianten in TCF7L2, MTNR1B, KCNJ11, IGF2BP2, CDKAL1, GCK und KCNQ1 [1,2].
Bisher sind die zugrundeliegenden pathophysiologischen Mechanismen des GDM nicht vollständig geklärt. Die physiologischen Adaptationen von Insulinsekretion und -sensitivität während der Schwangerschaft sind entscheidend für die Aufrechterhaltung der Glukosehomöostase und stellen eine adäquate Versorgung des wachsenden Fetus sicher.
Zu einer häufig präkonzeptionell vorhandenen chronisch verminderten Insulinsensitivität gesellt sich jenseits der 20. Schwangerschaftswoche (SSW) eine zunehmende physiologisch bedingte Insulinresistenz durch Anstieg kontra-insulinärer Hormone (z. B. Progesteron, Östriol, Prolaktin, Kortisol, plazentares Laktogen), die auch in nicht diabetischen Schwangerschaften auftritt [3]. Zusätzlich wirkt das plazentaspezifische Wachstumshormon GH-V (growth hormone variant) als Insulinantagonist und vermindert dessen Wirkung [4]. Die Insulinresistenz erleichtert die Energiezufuhr zum Fetus bei bis um das Vierfache steigendem Insulinbedarf. Eine für den GDM typische veränderte Freisetzung von Zytokinen aus Fettgewebe und Plazenta führt zu einem Anstieg von z. B. TNF-α, IL-6 und IL-1β und löst eine subklinische Inflammation aus, die die Insulinresistenz verstärkt [5,6]. Ebenso findet man eine Veränderung im Sekretionsmuster von Adipokinen mit einer Verminderung von Adiponektin im Fettgewebe und einer Zunahme von Leptin in Fettgewebe und Plazenta, die nicht nur zur peripheren Insulinresistenz beitragen, sondern auch zentral im Hypothalamus wirken und eine erhöhte Nahrungsaufnahme fördern kann [7,8].
Die Insulinresistenz wird bei stoffwechselgesunden Schwangeren durch eine Hypertrophie und -plasie der β-Zellen des Pankreas, die einen Anstieg der Insulinsekretion bewirkt, kompensiert. Schwangere mit einer eingeschränkten β-Zellkapazität sind hingegen zu dieser Adaptation nicht in der Lage [9,10]. Der GDM wird daher auch als eine Form des Prä-Typ-2-Diabetes angesehen. Glukoseintoleranz und Anstieg der Blutglukosespiegel bzw. Hyperglykämie werden durch eine Kombination aus Insulinresistenz und relativem Insulinmangel, d. h. verminderter Insulinsekretion durch die β-Zellen, hervorgerufen [9–12] (Abb. 1.1).
Abb. 1.1: β-Zellen, Blutglukose und Insulinsensitivität. (a) während normaler Schwangerschaft: β-Zellen entwickeln Hyperplasie und Hypertrophie, um die metabolischen Anforderungen der Schwangerschaft zu erfüllen. Die Blutglukose steigt, während die Insulinsensitivität fällt. Nach der Schwangerschaft Rückkehr zum Normalzustand. (b) während GDM: β-Zellen versagen bei der Kompensation der Anforderungen durch die Schwangerschaft. Wenn gleichzeitig eine verminderte Insulinsensitivität vorliegt, resultiert eine Hyperglykämie. Nach der Schwangerschaft Rückkehr zum Normalzustand oder bleibende Schädigung, die zu GDM in der Folgeschwangerschaft und T2DM im späteren Leben führen kann (nach [9]).
Die Ursachen des T2DM sind ähnlich wie beim GDM in unzureichender Insulinsekretion, unzureichender Insulinwirksamkeit (Insulinresistenz) oder einer Kombination aus beiden Störungen zu suchen. Eine Insulinresistenz in Verbindung mit einer gestörten Insulinsekretion führt zu einer Hyperglykämie. Bei Krankheitsbeginn ist die Insulinsekretion nach einem Sekretionsreiz in der Frühphase verspätet bzw. unzureichend, während das Insulin im Blut basal und in der Spätphase normal oder sogar erhöht sein kann (Hyperinsulinämie). Die endogene Insulinsekretion nimmt im Krankheitsverlauf um ca. 4 %/Jahr ab und kann in der Spätphase zum Erliegen kommen [13].
Auch der Protein-, Lipid- und Elektrolytstoffwechsel und nachfolgend zahlreiche Körperfunktionen sind betroffen. Typische Folgekomplikati...
Inhaltsverzeichnis
Title Page
Copyright
Contents
Vorwort
Autorenverzeichnis
Verzeichnis der Abkürzungen
1 Diabetes und Schwangerschaft
2 Diabetes mellitus Typ 1/2 und Schwangerschaft
3 Monogener Diabetes
4 Gestationsdiabetes (GDM)
5 Schwangerenvorsorge und -betreuung sowie geburtshilfliche Überwachung
6 Postpartale Therapie und Langzeitprognose
7 Diabetes und Schwangerschaft bei Migrantinnen
8 Einsatz neuer Technologien in Diagnostik und Therapie: Diabetes-Smartphone-Apps
9 Fallbeispiele aus der Praxis
10 Länderspezifische Besonderheiten im deutschsprachigen Raum