1Einführung in die SAC-Klassifikation
A. Dawson, S. Chen, D. Buser
1.1Einleitung
Die zahnärztliche Implantologie ist dank ihrer Fortschritte in den vergangenen 15 Jahren zum Versorgungsstandard für die Rehabilitation von voll- und teilbezahnten Patienten herangereift. Klinische und technische Entwicklungen haben das Indikationsspektrum für Implantatbehandlungen erweitert und diese Art der zahnärztlichen Versorgung auch niedergelassenen Praktikern zugänglicher gemacht. Parallel dazu werden Patienten immer komplexere Behandlungen angeboten. Umso wichtiger ist es geworden, dass sich die zahnärztliche Implantologie bei ihren chirurgischen und restaurativen Arbeiten weiterhin auf einem adäquaten Versorgungsniveau bewegt.
Dass klinische Situationen unterschiedlich schwierig sind und unterschiedlich hohe Risiken von ästhetischen, restaurativen und chirurgischen Komplikationen bergen, ist bekannt. Dennoch existierten in der zahnärztlichen Implantologie bislang keine einheitlichen Definitionen für den Schwierigkeitsgrad von Behandlungen und das Risiko von Komplikationen. Zur Unterstützung der Behandler in diesen Fragen organisierte das ITI (International Team for Implantology) vom 13. bis zum 15. März 2007 eine Konsensuskonferenz in Palma de Mallorca. Ziel der Zusammenkunft war die Erarbeitung von Richtlinien für restaurative und chirurgische Behandlungsszenarien nach Maßgabe eines Klassifikationssystems mit der Bezeichnung SAC. Dieses unterscheidet zwischen einfachen (S = straightforward), anspruchsvollen (A = advanced) und komplexen (C = complex) Behandlungen.
Diese Richtlinien sollen allen Behandlern als Richtschnur zur bedarfsgerechten Indikationsstellung und implantologischen Behandlungsplanung dienen. Ferner eignet sich dieses Buchs zur Konzeption von Ausbildungsprogrammen in der zahnärztlichen Implantologie mit ansteigendem Schwierigkeitsgrad und wird somit auch ein wertvolles Hilfsmittel für die Lehre darstellen.
1.2Liste der Teilnehmer der Konsensuskonferenz
Dieser Band dokumentiert die Ergebnisse der SAC-Konsensuskonferenz, die vom 13. bis 15. März 2007 vom ITI (International Team for Implantology) in Palma de Mallorca abgehalten wurde. Beiträge zu den Konsensuserklärungen der Konferenz und zum Inhalt dieses Buchs stammen von den folgenden Teilnehmern:
| Urs Belser |
Schweiz |
Alessandro Januário |
Brasilien |
| Daniele Botticelli |
Italien |
Simon Jensen |
Dänemark |
| Daniel Buser |
Schweiz |
Hideaki Katsuyama |
Japan |
| Stephen Chen |
Australien |
Christian Krenkel |
Österreich |
| Luca Cordaro |
Italien |
Richard Leesungbok |
Südkorea |
| Anthony Dawson |
Australien |
Will Martin |
USA |
| Anthony Dickinson |
Australien |
Lisa Heitz-Mayfield |
Australien |
| Javier G. Fabrega |
Spanien |
Dean Morton |
USA |
| Andreas Feloutzis |
Griechenland |
Helena Rebelo |
Portugal |
| Kerstin Fischer |
Schweden |
Paul Rousseau |
Frankreich |
| Christoph Hämmerle |
Schweiz |
Bruno Schmid |
Schweiz |
| Timothy Head |
Kanada |
Hendrik Terheyden |
Deutschland |
| Frank Higginbottom |
USA |
Adrian Watkinson |
Großbritanien |
| Haldun Iplikcioglu |
Türkei |
Daniel Wismeijer |
Niederlande |
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1.3Einführung in die SAC-Klassifikation
Die SAC-Klassifikation ermöglicht eine Beurteilung von therapeutischen Einzelfällen hinsichtlich der möglichen Schwierigkeiten und Risiken. Sie dient allen Behandlern als Richtschnur zur Indikationsstellung und Planung von Implantatbehandlungen. Die Klassifikation umfasst drei Stufen: einfach (S = straightforward), anspruchsvoll (A = advanced) und komplex (C = complex). Diese Einstufung kann für die restaurativen und chirurgischen Arbeiten im therapeutischen Gesamtzusammenhang separat getroffen werden. Einfache Arbeiten sind mit einem niedrigen, anspruchsvolle mit einem mittelhohen und komplexe mit einem hohen Ausmaß an Schwierigkeiten und Risiken verbunden. Allerdings haben diese Einstufungen je nach Wissen, Können und Erfahrung des Behandlers auch eine subjektive Komponente. Verschiedene Behandler können also Einzelfälle durchaus unterschiedlich beurteilen. Das vorliegende Buch soll hier anhand von “standardmäßigen” Falltypen/Behandlungsszenarien eine objektive Sicht der Dinge ermöglichen. Gleichzeitig muss man wissen, dass sich die Einstufung eines Behandlungsfalls ändern kann, wenn andere Einflussfaktoren hinzukommen. Diese werden im weiteren Verlauf ebenfalls skizziert.
Sailer und Pajarola verwendeten die SAC-Klassifikation erstmals in einem Atlas der Mundchirurgie [Sailer und Pajarola 1999]. Sie beschrieben detailliert verschiedene oralchirurgische Szenarien wie das Entfernen von dritten Molaren und unterbreiteten hierzu die Einteilung in S (simple), A (advanced) und C (complex). 1999 wurde diese Klassifikation von der Schweizerischen Gesellschaft für Implantologie (SGI) im Rahmen eines einwöchigen Kongresses zu zahnmedizinischen Qualitätsrichtlinien verabschiedet. Die Fachkommission der SGI erarbeitete diese SAC-Klassifikation für verschiedene klinische Szenarien der zahnärztlichen Implantologie aus chirurgischer und prothetischer Sicht. Dieses Schema wurde dann im Rahmen der ITI-Konsensuskonferenz 2003 im schweizerischen Gstaad vom ITI übernommen. In den Ergebnissen dieser Konferenz wurde die SAC-Klassifikation für chirurgische Arbeiten dargestellt [Buser et al. 2005]. 2006 entschied die Education Core Group des ITI eine Änderung in der Wortwahl gegenüber der ursprünglichen Klassifikation: Der Begriff simple (= einfach) wurde im Englischen durch straightforward (≈ einfach oder unkompliziert) ersetzt.
Das folgende Kapitel gibt einen Überblick über die SAC Klassifikation und darüber, wie sie angewendet wird und welchen Determinanten sie unterliegt. Es wurden Kriterien zur Einteilung von Falltypen erarbeitet und normative Einstufungen nach dem SAC-Schema getroffen. Definitionen für diese Begriffe folgen im nächsten Kapitel. Die weiteren Kapitel des Buches erläutern im Detail die Anwendungen der SAC-Klassifikation in den Teildisziplinen der zahnärztlichen Implantologie. Es wird gezeigt, wie man chirurgische und restaurative Arbeiten im Rahmen von Implantatbehandlungen nach diesem System einstuft. Ebenfalls behandelt werden die Auswirkungen von Einflussfaktoren und Komplikationen auf die jeweiligen normativen Einstufungen.
Das SAC-Schema soll primär als Leitfaden zur Einschätzung des Schwierigkeitsgrades von therapeutischen Einzelfällen dienen. Daneben ist es aber auch ein geeignetes Hilfsmittel zur Risikoanalyse und Patientenversorgung. Eine weitere Anwendung liegt in der Patientenaufklärung. Anhand des Schemas lässt sich gut vermitteln, mit welchen Einschränkungen, Komplikationen und Ergebnissen einer Behandlung zu rechnen ist. Patienten können auf dieser Basis realistische Erwartungen zu möglichen Behandlungsergebnissen entwickeln. Die SAC-Klassifikation ist also für unterschiedliche Personengruppen und Anwendungen von Nutzen. Angehenden Implantologen bietet sie Orientierung bei der Indikationsstellung und Behandlungsplanung, so dass sie verantwortungsvoll und schrittweise ihre Erfahrungen sammeln können. Implantologen mit größerer Erfahrung mögen weniger Bedarf an solch grundlegender Orientierung haben. Ihnen bietet das SAC-Schema nützliche Rahmenbedingungen zur Planung von Implantatbehandlungen sowie zur Erkennung und möglichen Vermeidung vorhandener Risiken.
Die SAC-Klassifikation bietet zu jedem Zeitpunkt des Behandlungsprozesses Einsatzmöglichkeiten. Eine normative Einstufung nach Kieferregionen und klinischen Manifestationen kann entsprechend der individuellen Patientensituation bei Bedarf angepasst werden. Das vorgestellte System ermöglicht Neueinstufungen nach Maßgabe von individuellen Faktoren bzw. entsprechend der Zwischenergebnisse der Behandlung.
2Determinanten der SAC-Klassifikation
A. Dawson, S. Chen
2.1Definitionen
Tabelle 1. Klassifikation und Umschreibungen für Implantationszeitpunkte nach Zahnextraktion [Chen und Buser 2009].
| Klassifikation | Terminologie | Wartezeit nach Extraktion | Angestrebter klinischer Zustand bei Implantation |
| Typ 1 | Sofortimplantation | Sofort nach Extraktion | Extraktionsalveole ohne Heilung von Knochen oder Weichgewebe |
| Typ 2 | Frühimplantation nach Weichgewe- beheilung | Normalerweise 4 bis 8 Wochen | Extraktionsalveole mit abgeheiltem Weichgewebe ohne nennenswerte Knochenheilung |
| Typ 3 | Frühimplantation nach partieller Knochenheilung | Normalerweise 12 bis 16 Wochen | Extraktionsalveole mit abgeheiltem Weichgewebe und deutlicher Knochenheilung |
| Typ 4 | Spätimplantation | Normalerweise ab 6 Monaten | Vollständig ausgeheilte Extraktionsalveole |
Prozess: Alle Arbeiten, die im therapeutischen Gesamtzusammenhang anfallen (einschließlich Planung, Administration und Folgetätigkeiten zur Erhaltung der des Zahnersatzes) und somit mehr als nur die klinische Behandlung umfassen.
Normativ: Hierunter ist zu verstehen, dass eine bestimmte Einstufung innerhalb des Klassifikationssystems einem “standardmäßigen” Falltyp bzw. Behandlungsszenario entspricht. Die normative Einstufung zeigt die wahrscheinlichste Variante an, wie ein bestimmter Falltyp innerhalb des Klassifikationssystems zu bewerten ist. Sie kann sich ändern, wenn andere beeinflussende Faktoren hinzukommen oder Komplikation auftreten.
Implantationszeitpunkte nach Zahnextraktion: Zur Beschreibung des Zeitpunktes von Implantationen nach Zahnextraktion wurden in der Vergangenheit unterschiedliche Klassifikationen verwendet. Grundlage für dieses Buch bildet die Klassifikation von Chen und Buser [2008]. Diese wiederum ist eine modifizierte Form der Klassifikation von Hämmerle et al. [2004]. Tabelle 1 zeigt die verwendete Einteilung im Überblick.
Belastungsprotokolle (Belastungszeitpunkte nach Implantation): Erörterungen zu Systemen der prothetischen Belastung von Implantaten nach deren Einsetzen beruhen auf den Definitionen von Cochran et al. [2004]. Diese sind in Tabelle 2 zusammengefasst.
Tabelle 2. Definitionen für Belastungsprotokolle (Belastungszeitpunkte nach Implantation) [Cochran et al. 2004].
| Belastungsprotokoll | Definition |
| Sofortver... |