Bruder Philipps 'Marienleben' im Norden
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Bruder Philipps 'Marienleben' im Norden

Eine Fallstudie zur Überlieferung mittelniederdeutscher Literatur

  1. 339 Seiten
  2. German
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Bruder Philipps 'Marienleben' im Norden

Eine Fallstudie zur Überlieferung mittelniederdeutscher Literatur

Über dieses Buch

Die Arbeit nimmt sich Bruder Philipps 'Marienleben' an, der meistüberlieferten Reimpaardichtung des deutschen Mittelalters, und untersucht seine Rezeption und Weitertradierung in niederdeutscher Schreibsprache. Am Beispiel dieses religiösen Epos wird ein detailliertes Bild des niederdeutschen Sprachraums als Literaturraum gezeichnet und mit dem in der Forschung dominanten Vorurteil einer bloßen Wiederholungsarbeit im deutschsprachigen Norden aufgeräumt. Ausgangspunkt sind neun Textzeugen, die das 'Marienleben' in niederdeutscher Schreibsprache erhalten. Sie werden im Sinne der 'New Philology' als doppelter Untersuchungsgegenstand gelesen. Der erste Part der Studie stellt den Objektcharakter in den Vordergrund: Die Überlieferungsgeschichte wird anhand der materiellen Beschaffenheit, Mitüberlieferung und Historie der einzelnen Handschriften und Fragmente erfasst. Danach folgt die Textgeschichte: Die jeweils mit einem Medium konservierte Textfassung wird analysiert und Nahbeziehungen innerhalb des Korpus aufgezeigt. Die Ergebnisse der Überlieferungs- und Textgeschichte werden dann zueinander in Beziehung gesetzt. So zeigt sich eine 'Marienleben'-Tradition, die durchaus von Kontinuität, aber gerade auch von Singularität geprägt ist.

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1 Bruder Philipps ‚Marienleben‘

‚Die Bedeutung der mittelniederdeutschen Literatur in der deutschen Geistesgeschichte‘ – Mit einem Vortrag unter diesem Titel tritt Wolfgang Stammler im Jahr 1924 vor die Mitglieder des ‚Vereins für niederdeutsche Sprachforschung‘. In seinen Ausführungen widmet er sich der verbreiteten Annahme, dass Literatur im deutschsprachigen Norden vor allem eine „rezeptive Tätigkeit ausgeübt“1 habe. Er versteht diese These als Kritik und versucht sie zu entkräften, indem er „eine quantitativ gleiche Menge von originalen Schriftdenkmälern“2 identifiziert und der niederdeutschen Literatur des Mittelalters so Relevanz verleiht. Bevor er zu diesem Unterfangen ansetzt, verweist Stammler in wenigen kurzen Sätzen auch auf Bruder Philipps ‚Marienleben‘:3 Dieses Werk entstamme zwar keineswegs dem niederdeutschen Norden, liege aber bemerkenswerterweise auch in unterschiedlichen Fassungen in niederdeutscher Schreibsprache vor.
Stammlers kurzer Hinweis verdient eine ausführlichere Beschäftigung. Denn Philipps Dichtung ist nicht nur irgendeine Dichtung unter vielen: Sie ist die erfolgreichste deutschsprachige Übertragung der ‚Vita beatae virginis Mariae et salvatoris rhythmica‘ und die meistüberlieferte Reimpaardichtung des Mittelalters. Die Forschung zu diesem literaturhistorisch signifikanten religiösen Epos hat in den vergangenen Jahren zwar an Fahrt aufgenommen, den niederdeutschen Handschriften und Fragmenten wurde aber weiterhin kaum Beachtung geschenkt. Das von Stammler genannte Vorurteil gegen diesen Sprachraum – mehrheitlich rezeptive, kaum produktive Auseinandersetzung mit Literatur – stand einer wissenschaftlichen Untersuchung des niederdeutschen Überlieferungszweigs stets im Weg.
Doch lediglich der Befund, dass eine Dichtung auch in niederdeutscher Sprache vorliegt, schließt keinen differenzierten Umgang mit ihr aus. Denn erstens ist niederdeutsche Literatur nicht per se ausgenommen von Bernard Cerquiglinis bekanntem Postulat „Or l’écriture médiévale ne produit pas de variantes, elle est variance“4. Und zweitens lässt auch eine mehrheitlich rezeptive, nicht nur eine produktive Auseinandersetzung mit Literatur Rückschlüsse auf einen Sprachraum als Literaturraum zu.
Es ist Anliegen der vorliegenden Studie, das Vorurteil einer bloßen Wiederholungsarbeit im deutschsprachigen Norden zu hinterfragen und am Beispiel von Philipps religiösem Epos ein detailliertes Bild der Rezeption und Weitertradierung von Literatur in niederdeutscher Sprache zu zeichnen.5 Ausgangspunkt der Analyse sind diejenigen Textzeugen, die das ‚Marienleben‘ in niederdeutscher Schreibsprache erhalten. Sie dienen nicht als bloße ‚Mittel zum Zweck‘, um die Person des Autors besser zu greifen oder eine autornahe Textfassung zu rekonstruieren, sondern – im Sinne der ‚New Philology‘ und in den Worten Karl Stackmanns – als Text- und Bedeutungsträger mit „Eigenwert“6. Ich verstehe die mittelalterliche Handschrift als zweigeteilte Einheit, als Objekt und als Medium:7 Als Objekt rückt ihre Überlieferungsgeschichte in den Vordergrund, die sich über ihre Materialität, aber auch über ihre Reise vom Zeitpunkt und Ort der Abfassung bis zu ihrem jetzigen Aufbewahrungsort rekonstruieren lässt. Als Medium steht ihre Textgeschichte im Fokus, d. h. die jeweilige Fassung, in der ein Werk erhalten ist. Die Kategorien ‚Objekt‘ und ‚Medium‘ sind nicht strikt voneinander zu trennen, denn: „Materiality may be intimately bound to the ideas it expresses and carries.“8 Indem die Ergebnisse der Überlieferungs- und Textgeschichte miteinander in Beziehung gesetzt werden, geben sich die einzelnen Handschriften als „cultural agents“9 zu erkennen, die eine „construction and reconstruction of culture“10 ermöglichen.
Zu diesem Zweck soll die niederdeutsche Überlieferung nicht in strenger Opposition zur mittel- und oberdeutschen Überlieferung gesehen werden, um so in einem Vergleich ‚typisch niederdeutsche‘ Elemente der Literaturrezeption zu ermitteln. Ein derartiger Ansatz ist zwar auch denkbar, angesichts des Forschungsstandes zur Rezeption des ‚Marienleben‘ im ober- und mitteldeutschen Raum derzeit aber noch nicht zu leisten. Stattdessen wird die niederdeutsche Überlieferung für sich in den Blick genommen, um auf diese Weise einen Beitrag zur Erforschung des niederdeutschen Sprachraums als Literaturraum zu leisten.11 Es soll gezeigt werden, dass eine rezeptive Tätigkeit keineswegs eine produktive Tätigkeit ausschließt und nicht im Sinne einer bloßen Replik gedacht werden darf: Neun distinkte Textzeugen geben eine vielfältige Beschäftigung mit Philipps Werk zu erkennen und erlauben Rückschlüsse auf die Rezeption und Weitertradierung dieses mittelalterlichen Überlieferungsschlagers in niederdeutscher Schreibsprache.

1.1 Autor und Werk

Auch wenn der Autor in Anschluss an Karl Stackmann im Folgenden nicht als „sinnstiftende Instanz für d[en] ihm zugeschriebenen Text[]“ verstanden wird, so gilt dennoch, „daß wir über Namen und biographische Daten von mittelalterlichen Autor-Individuen unterrichtet sein“, in diesem Fall sogar „den Autor eines Werkes als historische Person identifizieren können“12. Wer war Bruder Philipp und welche Informationen über sein Leben und Wirken sind bekannt? Um Antworten auf diese Fragen zu finden, ist der Text des ‚Marienleben‘ zu bemühen, „[d]enn ein Autor wird für uns erst durch die Überlieferung konstituiert“13.
Zunächst lohnt ein Blick in den Epilog. Hier macht Bruder Philipp Angaben zu seiner Person und nennt den Abfassungsort seiner Dichtung:
brůder Philip bin ih genant,
got ist mir leider wenich erkant.
in dem oͤrden von Kartus
geschriben han in dem huͣs
ze Seitz ditz selbe buͤchelin (V. 10122–10126)14
Philipp gibt sich demnach als Kartäusermönch zu erkennen.15 Die explizite Nennung der Kartause ze Seitz...

Inhaltsverzeichnis

  1. Title Page
  2. Copyright
  3. Contents
  4. Vorwort
  5. Abkürzungsverzeichnis
  6. 1 Bruder Philipps ‚Marienleben‘
  7. 2 Die niederdeutsche Überlieferung als Untersuchungsgegenstand
  8. 3 Die Überlieferungsgeschichte der niederdeutschen ‚Marienleben‘
  9. 4 Die Textgeschichte der niederdeutschen ‚Marienleben‘
  10. 5 Maria im Norden – Ergebnisse und Perspektiven
  11. 6 Anhang
  12. 6.3 Literaturverzeichnis
  13. Terms Index