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Der Aufstieg der Manager
Wertewandel in den FĂŒhrungsetagen der westdeutschen Wirtschaft, 1949-1989
- 524 Seiten
- German
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Der Aufstieg der Manager
Wertewandel in den FĂŒhrungsetagen der westdeutschen Wirtschaft, 1949-1989
Ăber dieses Buch
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Manager auch in der Bundesrepublik zur prĂ€genden Figur moderner Unternehmen. Bernhard Dietz erklĂ€rt diesen Aufstieg der Manager und setzt ihn in Beziehung zu sich wandelnden Idealen und Leitbildern. Indem er untersucht, wie sich "Arbeit", "Leistung" und "FĂŒhrung" zwischen Nationalsozialismus und Neoliberalismus verĂ€nderten, leistet er einen ganz neuen Beitrag zu einer Kulturgeschichte des Kapitalismus.
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Information
1 Einleitung
1.1 Thema und Fragestellung
Alles begann mit den groĂen Streiks im Winter 1918/19. Im Zuge der Novemberrevolution legten auch die Angestellten der Berliner Metall- und Elektroindustrie die Arbeit nieder, um fĂŒr höhere GehĂ€lter und bessere Arbeitsbedingungen zu protestieren. Streikposten, die ein gemeinsames Vorgehen aller Angestellten sicherstellen sollten, verwehrten daher auch Direktoren, Prokuristen, Oberingenieuren und Abteilungsleitern einer Reihe von Berliner Firmen den Zutritt zu den Fabriken. Somit mussten auch die leitenden Angestellten gegen ihren Willen vor den Werkstoren bleiben. Das Verhalten der Streikposten lag durchaus in der Logik der Entwicklung der letzten Kriegsjahre, in denen eine breitere Angestelltenbewegung Gestalt angenommen und organisatorischen Vertretungen in den Betrieben und kollektiven Gehaltsforderungen zum Durchbruch verholfen hatte.1 Von den neuen AngestelltenausschĂŒssen sollte sich nun auch jene Gruppe vertreten fĂŒhlen, die sich vor dem Krieg als betriebliche Oberschicht herauskristallisiert hatte. Wer mehr als 5000 Mark im Jahr verdiente, durfte sich dieser Betriebselite zugehörig fĂŒhlen â denn so hatte das Angestelltenversicherungsgesetz von 1911 zum ersten Mal die Gruppe der leitenden Angestellten abgegrenzt.2
Nun, am Ende des Weltkriegs, war diese Sonderstellung in Gefahr. Die Angst vor einer Kollektivierung in einer einheitlichen Angestelltenschaft ging schon lĂ€nger um. Aus Sicht der betroffenen MĂ€nner zeigte der Streik, dass ihre soziale und betriebliche Sonderstellung akut bedroht war, und so nahm eine Reihe von leitenden Angestellten von Siemens, der AEG und anderen Berliner GroĂbetrieben ihr Schicksal selbst in die Hand. Am 22. Dezember 1918 grĂŒndeten sie die VELA â die Vereinigung der leitenden Angestellten in Handel und Industrie.3 Deren erste Aktion bestand in Verhandlungen mit den Gewerkschaften und den Firmenleitungen, um den leitenden Angestellten wieder Zugang zu ihren BĂŒros zu ermöglichen. Geradezu symbolhaft steht am Beginn der Organisation der leitenden Angestellten dieser durch eine neue Solidargemeinschaft erwirkte Bruch mit den anderen Arbeitnehmern. Sie wollten nicht zur restlichen Angestelltenschaft gehören und waren daher bereit, sich mit anderen MĂ€nnern4 ihrer Position zusammenzuschlieĂen â nicht auf der Basis des gemeinsamen Berufs oder der gemeinsamen Branche, sondern auf der Basis ihrer Funktion bzw. ihres Status in der Betriebshierarchie, beispielsweise als Abteilungsleiter.
ElitÀres SelbstverstÀndnis und kollektive Interessenvertretung waren dabei nicht immer leicht zusammenzubringen:
Es klingt paradox, dass leitende Angestellte, die geistig schöpferischen, als WirtschaftsfĂŒhrer anzusprechenden Persönlichkeiten, die sich herausheben aus der Menge der ausfĂŒhrenden TĂ€tigkeiten, eine Organisation brauchen, eine KollektivitĂ€t ĂŒber die gegebene IndividualitĂ€t stellen mĂŒssen,
erklĂ€rte der HauptgeschĂ€ftsfĂŒhrer der VELA auf der Hauptversammlung der Organisation am 9. April 1921.5 Die Idee einer Art Gewerkschaft fĂŒr betriebliche FĂŒhrungskrĂ€fte stieĂ auf kulturelle Ablehnung, aber in einer komplexer werdenden und zunehmend verrechtlichten Wirtschafts- und Arbeitswelt war es auch fĂŒr die leitenden Angestellten notwendig geworden, ihre spezifischen Interessen gemeinsam zu vertreten. Mit ihrer leitenden TĂ€tigkeit, ihren âgeistigâschöpferischenâ Aufgaben und ihrer âbesonders gearteten seelischen Einstellung zur Arbeitâ rechtfertigten sie ihre Abgrenzung von den restlichen Angestellten. FĂŒr sie war die Arbeit ânicht nur reine Ware, in ihr liegt Ehre, innere Befriedigung, Stolzâ.6 Aber Angestellte waren sie dennoch. Obwohl sie aus ihrer Sicht âalle geistigen Herausforderungen des Unternehmertumsâ erfĂŒllten,7 gehörte ihnen die Fabrik nicht, ihre ökonomische Macht war ihnen nur ĂŒbertragen worden. Sie waren also Manager â auch wenn sie 1918 noch nicht so hieĂen und sich der Begriff in Deutschland erst 50 Jahre spĂ€ter durchsetzen sollte.8
Der Beginn der Geschichte der leitenden Angestellten ist also in der Weimarer Republik zu suchen, ihre eigentliche Bedeutung bekommt sie aber erst nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Emanzipationsbewegung der leitenden Angestellten ging in der Weimarer Zeit im Wesentlichen noch auf der Verbandsebene vonstatten. In den Betrieben wurden sie noch nicht als Zielgruppe identifiziert, eine systematische FĂŒhrungskrĂ€fterekrutierung gab es noch nicht. Die leitenden Angestellten wurden zwar erstmals als arbeitsrechtliches Problem und soziologisches PhĂ€nomen erkannt und wissenschaftlich vermessen, aber eine gröĂere gesellschaftliche Auseinandersetzung ĂŒber leitende Angestellte oder Manager fand noch nicht statt. Waren die VerbĂ€nde der leitenden Angestellten nach der MachtĂŒbernahme der Nationalsozialisten wie die aller anderen Arbeitnehmer zugunsten der Idee der Volksgemeinschaft aufgelöst oder gleichgeschaltet worden (wobei die VELA sich schon Ende 1932 ideologisch angepasst hatte)9, begann nun nach 1945 nicht nur der organisatorische Wiederaufbau, sondern auch eine soziale Erfolgsgeschichte, die von einer steigenden Zahl der leitenden Angestellten wie auch einer zunehmenden Anerkennung ihrer besonderen Position zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer geprĂ€gt ist. FĂŒr die Geschichte des Arbeitsrechts, der Mitbestimmung in den Betrieben und Unternehmen in der Bundesrepublik ist die Gruppe der leitenden Angestellten von zentraler Bedeutung. Dabei wurde um den Status dieser MĂ€nner (und bis zu den 1980er Jahren sehr wenigen Frauen) weiter gestritten und im Prinzip hatte sich an den Grundfragen, die im November 1918 vor den Werkstoren von Siemens und AEG diskutiert wurden, nicht viel geĂ€ndert: Sollen alle Arbeitnehmer gemeinsam ihre Interessen gegenĂŒber den Arbeitgebern vertreten oder gibt es eine Sondergruppe zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern mit eigenen Problemen und Interessen? Gehören die leitenden Angestellten zur Unternehmensleitung oder zu den ĂŒbrigen Angestellten und Arbeitern? Letztlich lief dies auf die entscheidende Frage hinaus: Wer kann und soll im Unternehmen fĂŒhren?
In der zweiten HĂ€lfte des 20. Jahrhunderts wurde der Manager auch in der Bundesrepublik zum Beruf. Die Unternehmensleitungen wurden professioneller, die Ausbildung der Manager systematischer. Bildung und innerbetrieblicher BewĂ€hrungsaufstieg und damit höhere Funktionen im unteren und mittleren Management waren vor allem seit den 1960er und 1970er Jahren fĂŒr breitere Bevölkerungsschichten zugĂ€nglich. Gleichzeitig kam es zu einer internationalen und zu einem groĂen Teil populĂ€rwissenschaftlichen Expansion von Managementwissen durch neue Managementverlage, -zeitschriften und -ausbildungsstĂ€tten. Diese Geschichte der Professionalisierung, Demokratisierung sowie spĂ€ter auch der Verwissenschaftlichung des Managerberufs steht im Zentrum dieser Arbeit. Es sollen anhand der FĂŒhrungskrĂ€fte empirische Antworten auf die Frage nach Idealen und Leitbildern in der Wirtschafts- und Arbeitswelt gegeben werden. Was bedeuten âArbeitâ, âLeistungâ und âFĂŒhrungâ 20, 30 und 40 Jahre nach dem Ende des Nationalsozialismus und der GrĂŒndung der Bundesrepublik, und welche Rolle spielt dabei der âWertewandelschubâ der spĂ€ten 1960er und frĂŒhen 1970er Jahre? Welche normativen Konzepte liegen der Wirtschafts- und Arbeitswelt zugrunde, woher kommen sie und wie verĂ€ndern sie sich? Welche Konflikte um die Benennung und Auslegung der normativen Ordnungen gab es? Konkret gefragt: Wie haben sich vor dem Hintergrund des gesellschaftlichen und ökonomischen Wandels Arbeitsethos, Leistungsvorstellungen und FĂŒhrungskonzepte verĂ€ndert?
Zur Beantwortung dieser Fragen verfolgt die Untersuchung vier miteinander verwobene thematische EntwicklungsstrÀnge:
- â erstens die Geschichte der leitenden Angestellten: Anhand dieser Gruppe lassen sich spezifische Aussagen ĂŒber sich verĂ€ndernde ökonomische Leitbilder, FĂŒhrungssemantiken und Arbeitswerte treffen. Den leitenden Angestellten kam eine SchlĂŒsselrolle zu, weil ihre unternehmensinternen Orientierungskulturen sich sowohl nach âobenâ als auch nach âuntenâ richteten: Als Chefs mussten sie Leistung einfordern und fĂŒhren, gleichzeitig waren sie selbst weisungsgebunden und mussten ihre eigene Leistung gegenĂŒber dem Unternehmer beziehungsweise dem Vorstand herausstellen. FĂŒr die Auseinandersetzungen ĂŒber AutoritĂ€t und FĂŒhrung in der bundesdeutschen Wirtschaft stellten sie somit eine soziale SchlĂŒsselgruppe dar.
- â zweitens die Geschichte der FĂŒhrungskrĂ€fteausbildung: Nach dem Zweiten Weltkrieg begannen westdeutsche Unternehmer intensiv ĂŒber die Ausbildung des eigenen Nachwuchses nachzudenken. Nachdem sie noch in den 1950er Jahren eine Amerikanisierung der Managementausbildung und Business Schools nach amerikanischem Vorbild strikt ablehnten, fĂŒhrte vor allem seit den mittleren 1960er Jahren kein Weg mehr an einer Professionalisierung der FĂŒhrungskrĂ€fteausbildung vorbei. Doch wie man FĂŒhrung lehren sollte, welche FĂŒhrungsmethoden zu vermitteln seien, blieb umstritten. Gerade deswegen erlaubt der historische Blick auf die verschiedenen AnsĂ€tze der Managerschulung einen Zugriff auf die normativen Konzepte von FĂŒhrung, Leistung und Arbeit. Hier wurde FĂŒhrungswissen aggregiert, kanonisiert und weitergegeben.
- â drittens die Geschichte von PersonalfĂŒhrungskonzepten, Motivationstechniken und Managementmodellen: Seit den 1920er Jahren wurde ausgehend von der amerikanischen HumanâRelationsâBewegung auch in den deutschen anwendungsorientierten Arbeitswissenschaften ĂŒber die ideale Gestaltung der Arbeitsumwelt und die Beteiligung von Arbeitern und Angestellten im Rahmen der betrieblichen Arbeitsorganisation geforscht. Nach 1945, vor allem aber um 1970 Ă€nderten sich nicht nur die Antworten der Personalexperten, sondern auch die Bereitschaft der Unternehmer, ihnen zuzuhören und die Ressource Mensch in den Mittelpunkt der betrieblichen Organisation zu stellen. Gerade in Verbindung mit der Geschichte der leitenden Angestellten und der Geschichte der FĂŒhrungskrĂ€fteausbildung erlaubt diese wissensgeschichtliche Perspektive neue Aussagen ĂŒber den schon lĂ€nger vermuteten Wandel von einer autoritĂ€râdiszipliniertâkontrollierten zu einer vertrauensvollâmotivierenden und auf Selbstverantwortung setzenden Arbeitswelt.
- â viertens die Konfliktgeschichte zwischen Unternehmen und Ăffentlichkeit: Was FĂŒhrung zu sein hatte und wie Leistung eingefordert und begrĂŒndet wurde, konnten schon bald die Unternehmer nicht mehr allein entscheiden, sondern die Diskussion wurde von einer zunehmend kritischer werdenden Ăffentlichkeit und sich verĂ€ndernden politischen, arbeitsrechtlichen und medialen Rahmenbedingungen begleitet. Gelang es den westdeutschen Unternehmern nach 1945 relativ schnell, aus der gesellschaftlichen Defensive herauszukommen, wurde im Laufe der 1960er Jahre der Legitimationsdruck durch Wissenschaft und Gesellschaft wieder gröĂer. Dieser verstĂ€rkte sich in den 1970er Jahren durch die Mitbestimmungsdiskussion und die Kritik der âneuen Linkenâ. Die Strategien der Unternehmen, auf diese Ăffentlichkeit nicht nur zu reagieren, sondern an der Formierung einer speziellen Wirtschaftsöffentlichkeit aktiv mitzuwirken und so dem Vertrauensverlust des Kapitalismus entgegenzuwirken, sind besonders aufschlussreich. Es zeigt sich, dass die alten Legitimationsstrategien um 1970 aus unterschiedlichen GrĂŒnden in eine Krise gerieten und es neuer Leitbilder bedurfte, bis auch diese um 1980 erodierten und der âGeist des Kapitalismusâ sich erneut wandelte.
Die Untersuchung versteht sich als eine sozialkulturelle Problemgeschichte bundesdeutscher Wirtschaftseliten. Erforscht werden die Einstellungen zu Arbeit, FĂŒhrung und Leistung und ihr Wandel in der zweiten HĂ€lfte des 20. Jahrhunderts. Damit ist die vorliegende Untersuchung erstens ein Beitrag zur Kulturgeschichte des Kapitalismus in der Bundesrepublik. MentalitĂ€ten, kulturelle Orientierungshorizonte und Rechtfertigungsformen westdeutscher Unternehmer und leitender Angestellter werden als historisch bedeutsame UntersuchungsgegenstĂ€nde ernst genommen, aber nicht losgelöst von ökonomischen Notwendigkeiten und ZwĂ€ngen interpretiert. Die Arbeit ist zweitens ein Beitrag zur Strukturbruchdebatte, also der vieldiskutierten Frage, ob sich um 1970 die ökonomischen FĂŒhrungs- und Organisationsideale fundamental wandelten und ob sich ein neues Produktionsregime (Postfordismus/Posttaylorismus) von einem Ă€lteren abgrenzen lĂ€sst. Diese Frage lĂ€sst sich sinnvoll nur durch eine Einbettung in die lĂ€ngerfristigen wirtschaftsgeschichtlichen ZusammenhĂ€nge beantworten. Drittens versteht sich die Arbeit als Beitrag zu einer historischen Wertewandelforschung, also einer historischen Betrachtungsweise, die Werte â verstanden als Ideen, Ideale oder Leitbilder â als zentrale Faktoren gesellschaftlichâkultureller Ordnung und epochentypischer MentalitĂ€t versteht und ihren Wandel zu erklĂ€ren sucht. Dabei grenzt sich diese historische Wertewandelforschung, die im Ăbrigen das ganze 20. Jahrhundert im Blick hat, von der sozialwissenschaftlichen Werteforschung nicht nur methodisch und theoretisch ab. Sie historisiert vielmehr auch die sozialwissenschaftliche Forschung der 1970er und 1980er Jahre und macht damit die wirklichkeitsformende QualitĂ€t ihrer Ergebnisse selbst zum Untersuchungsgegenstand.
1.2 Zum Forschungsstand
Wie oben schon erwĂ€hnt, ist die Thematisierung von âLeistungâ und âFĂŒhrungâ, von wirtschaftlichen MentalitĂ€ten und insbesondere der sich verĂ€ndernden Aufâfassungen von Unternehmertum nichts grundsĂ€tzlich Neues. Das gilt insbesondere fĂŒr die Frage nach dem Wandel von FĂŒhrungsstilen. Vor allem die Wirtschafts- und Unternehmensgeschichte diskutiert seit langem, wann nach 1945 und in welcher Form genau sich in Westdeutschland der Wandel vom stark autoritĂ€râpatriarchalischen âHerr-im-Hauseâ-Unternehmer zum tendenziell sozialpartnerschaftlichen Manager vollzogen hat. MaĂgeblich sind die Arbeiten des Historikers Volker Berghahn, der die Zeit des âWirtschaftswundersâ als eine Periode identifiziert, in der autoritĂ€re und paternalistische FĂŒhrungsstile eine neue Hochzeit erlebten und amerikanische EinflĂŒsse nur teilweise aufgenommen, nicht selten aber auch aktiv bekĂ€mpft wurden.10 Dies habe sich ab Mitte der 1960er Jahre geĂ€ndert. Berghahn brachte diese Entwicklung auf die Formel: âvom BetriebsfĂŒhrer zum âsozialverantwortlichenâ Managerâ.11 Eng verbunden mit der Frage nach den FĂŒhrungsstilen ist das Thema âAmer...
Inhaltsverzeichnis
- Title Page
- Copyright
- Contents
- 1âEinleitung
- 2âFĂŒhrung nach dem FĂŒhrer: Unternehmer und leitende Angestellte auf der Suche nach ihrer Rolle in den 1950er Jahren
- 3âDer lange Abschied von der AutoritĂ€t: Die Professionalisierung von FĂŒhrung in den 1960er Jahren
- 4âDas â1968â der Manager: Vetrauenskrise des westdeutschen Kapitalismus
- 5âDie dritte Kraft zwischen Arbeit und Kapital? Die leitenden Angestellten in den 1970er Jahren
- 6âZwischenfazit: âWertewandelschubâ oder âneuer Geist des Kapitalismusâ?
- 7âDie âAufwertung der Werteâ: Reflexiver Wertewandel, Flexibilisierungsparadigma und die FĂŒhrungskrĂ€fte in den 1980er Jahren
- 8âFazit: Der Aufstieg der Manager und der Wandel der normativen Konzepte von Arbeit, Leistung und FĂŒhrung
- Personenregister