Was macht die Digitalisierung mit den Hochschulen?
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Was macht die Digitalisierung mit den Hochschulen?

Einwürfe und Provokationen

  1. 204 Seiten
  2. German
  3. ePUB (handyfreundlich)
  4. Über iOS und Android verfügbar
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Was macht die Digitalisierung mit den Hochschulen?

Einwürfe und Provokationen

Über dieses Buch

«Wir danken der Gerda Henkel Stiftung (Düsseldorf, https://www.gerda-henkel-stiftung.de/ ), dem Stifterverband für die deutsche Wissenschaft (Essen, https://www.stifterverband.org/ ), der Artemed-Klinikgruppe (Tutzing, https://www.artemed.de/de/ ) und der Pädagogischen Hochschule FHNW (Basel/Brugg-Windisch, https://www.fhnw.ch/de/die-fhnw/hochschulen/ph ) für die großzügige Finanzierung der Dießener Klausur Mensch|Maschine|Zukunft 2019 und damit auch für die Ermöglichung dieses Buches.»

Die Digitalisierung von Schule und Hochschule ist keine Frage von digitalen Endgeräten, sondern von Wissen, Ideen und Infrastrukturen.
Der Band versammelt Essays von Expertinnen und Experten aus Schulen und Hochschulen, Politik, Journalismus und Computerwelt. Sie formulieren mit aufmerksamer Nachdenklichkeit Konzepte und Erwartungen an Lernen und Lehren der Zukunft, wenn alles digital wird.
Das Buch richtet sich an alle, denen die Zukunft der Schule eine Aufgabe und ein Anliegen ist.

Häufig gestellte Fragen

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Post-digitale Bildung

Robin Schmidt

1 – Was heißt post-digital?

„Like air and drinking water, being digital will be noticed only by its absence, not its presence.“ (Negroponte 1998). Dass Nicholas Negroponte mit seiner Prognose aus The Wired vor zwanzig Jahren recht hatte, bemerke ich schmerzhaft genau in diesem Moment: auf dieser Bahnfahrt, wo das WLAN mal wieder nicht funktioniert und das Smartphone gefühlt stundenlang nur EDGE-Netz hat, ich selbstverständlich weiter in meinen Laptop diesen Text tippe, während die digitale Bahnlogistik vermutlich gerade die wegen der Verspätung noch zu erreichenden Anschlüsse am nächsten Bahnhof kalkuliert.
Diese gefühlte Selbstverständlichkeit des Digitalen, die nur noch bei Abwesenheit und Fehlfunktionen bemerkt wird, scheint Lebensgefühl geworden zu sein. Jedenfalls bestätigen Jugend- und Sozialstudien der letzten Jahre: für Jugendliche und junge Erwachsene der hochindustrialisierten Gesellschaften ist heute online ein dauernder, diffuser, nicht eigens reflektierter Zustand geworden, während umgekehrt offline-Sein zur Entscheidung geworden ist. In neueren Studien wird hier daher auch nicht mehr die Online-Zeit, sondern nur noch die Offline-Zeit vermessen. Diese Jugendliche und junge Erwachsene erwarten im Hinblick auf Digitalisierung keine Überraschungen mehr. Sie gehen mehrheitlich davon aus, dass alles ‚irgendwie so weiter geht‘ und da ohnehin alle durchgehend irgendwie online sind, fällt es ihnen schwer, sich eine Steigerungslogik auszumalen (Bos et al. 2016, mpfs 2016, Calmbach et al. 2016). Die binären Unterscheidungen wie digital/analog, online/offline, medial/nicht-medial, die den digitalen Wandel in seinem Entstehen verständlich gemacht haben, erscheinen unter solchen Voraussetzungen weder kategorial (wie z. B. Cramer 2014 nahelegt), noch empirisch (z. B. DIVSI 2014: 64 ff) weiter haltbar. Es handelt sich um „Blurring Boundaries“ (Genner 2017, 45 ff). Mit Baudrillard kann man dann sagen, dass das Digitale eigentlich schon wieder dabei ist zu verschwinden (Baudrillard 2012).
Der Zustand einer Gesellschaft, in dem der Unterschied zwischen digital und analog sich auflöst oder redundant wird, weil das einstmals neue Digitale bereits zu ihrer inhärenten Voraussetzung geworden ist, kann post-digital genannt werden. Wie im Begriff der Postmoderne in seiner philosophischen Prägung bei Jean-François Lyotard (Lyotard 1996, Lyotard 2009) das ‚Post-‘ den historischen und mentalen Zustand der permanenten Produktion der Moderne meint, der nicht mehr sinnvoll von anderen Zuständen abgegrenzt werden kann (und nicht etwa deren Ende), so kann der Ausdruck ‚post-‘ in Anlehnung daran auf den gegenwärtigen gesellschaftlichen Zustand angewendet werden.
Der Ausdruck post-digital ist – Florian Cramer bringt es prosaisch auf den Punkt – „a term that sucks, but is useful“ (Cramer 2015, 13). Er ist, wie alle post-Diskurse disparat, seinerseits hypend, aber zugleich auch eine Perspektive eröffnend, da er ermöglicht, ein herrschendes Diskursdispositiv auszuhebeln (Labaco 2013, Cramer 2015, Berry/Dieter 2015, Cramer 2016b, Horx 2018, Jandrić et al. 2018).
Bereits in den 2000er-Jahren wurde das Konzept ‚post-digital‘ in der Kunstreflexion verwendet und als die Zeit bestimmt, in der der Unterschied zwischen Kunst, die ohne digitale Technologien zustande kommt, und digitaler Kunst entweder nicht mehr zu machen ist oder nicht mehr relevant oder uninteressant erscheint. Von dort aus wurde das Konzept auch in andere Diskurse übertragen und verwendet, um beispielsweise deutlich zu machen, dass Digitaltechnologie nicht automatisch Fortschritt und Zukunft bedeutet und Digitalität selbst kein Auszeichnungskriterium mehr für irgendeine Praxis ist (Cramer 2014, Cramer 2015, Cramer 2016a).
Der Ausdruck ‚post-digital‘ soll hier jedenfalls nicht auf das das Ende des Digitalen, sondern auf das Ende der Auffassung des Digitalen als spezifisches kulturelles (gesellschaftliches, anthropologisches, künstlerisches, soziales, technologisches, politisches, pädagogisches usw.) Differenzkriterium gegenüber einer nicht-digitalen Weise des Seins deuten und die Frage aufwerfen, was Bildung dann ausmachen könnte. Also: Kann auch Bildung post-digital konzipiert werden, im Unterschied zu einem Modernisierungsnarrativ, das sich über Digitalisierung definiert?

2 – Morgen vor 40 Jahren – was war das postmoderne Wissen?

Um solches post-digitales Wissen zu charakterisieren, kann es zunächst vom post-modernen Wissen unterschieden werden. Ein zentraler, für den philosophischen Begriff der Postmoderne prägender Text war der 1979 von Jean-François Lyotard publizierte Bericht für den Universitätsrat der Regierung von Quebec La condition post-moderne (Lyotard 2009). Der zentrale Gegenstand des Berichts war „Das Wissen in den informatisierten Gesellschaften“, wenngleich die Rezeption in der Folge insbesondere die dort auch verhandelte Bedeutung der schwindenden Macht der großen Legitimationserzählungen für die Wissenschaften fokussierte. Die dort vorgelegte Analyse und Prognose der Entwicklung eines vollständig informatisierten Bildungswesens ist von geradezu hellsichtiger Treffsicherheit und lohnt einen kurzen Exkurs, um deutlicher zu unterscheiden, von wo aus heute weitergedacht werden könnte.
Die Einleitung liest sich abgesehen von einzelnen Vokabeln wie ein heutiger Bildungsbericht: die Auswirkungen der „technologischen Transformationen auf das Wissen“ erscheint „erheblich“. Durch die „Computer und ihre Sprachen, die Probleme der Sprachübersetzung, und die Suche nach Vereinbarkeiten zwischen Sprachen – Automaten, die Probleme der Speicherung und die Datenbanken, die Telematik und die Perfektionierung ‚intelligenter‘ Terminals“ verändert sich die Forschung und die Übermittlung der Erkenntnisse fundamental (Lyotard 2009, 30). Bereits 1979 war für mehr als die Hälfte der High-School Schüler in Quebec ein Computer in der Schule zugänglich und wurde genutzt, 1980 soll dies dann in allen Schulen der Fall sein; transatlantische, satellitenübertragene Videokonferenzen und weltweite, zeitgleiche Nachrichtenübermittlung zwischen den Nachrichtenagenturen wurden zur Gewohnheit (Lyotard 2009, 159). Und durch die weitere „Normierung, Miniaturisierung und Kommerzialisierung der Geräte“ werden die „Verfahren des Erwerbs, der Klassifizierung, der Verfügbarmachung und Ausbeutung der Erkenntnisse verändert“ (Lyotard 2009, 30). Lyotard diskutiert insbesondere folgende Auswirkungen:
  • Hegemonie des informatisierbaren Wissens: Nur solches Wissen, das sich in „Informationsquantitäten“ übersetzen lässt, kann künftig Teil des Diskurses sein, und „all das, was vom überkommenen Wissen nicht in dieser Weise übersetzbar ist, [wird] vernachlässigt“ (30 f.).
  • Verlust der Bildung als Selbstzweck: „Das alte Prinzip, wonach der Wissenserwerb unauflösbar mit der Bildung des Geistes und selbst der Person verbunden ist, verfällt mehr und mehr. […] [Wissen] hört auf, sein eigener Zweck zu sein, es verliert seinen ‚Gebrauchswert’“ (31). Die Ausbildung dient fortan im Wesentlichen der Leistungsfähigkeit der Gesellschaft. Das Ausbildungssystem muss daher für das soziale System „die diesem […] unentbehrlichen Kompetenzen ausbilden“ (119). Die Universität muss künftig neben der Berufsqualifizierung auch die Umschulung und lebenslange Weiterbildung leisten. Ihr kommt zu, eine neue „Rolle im Rahmen der Verbesserungen der Leistungen des Systems zu spielen, und zwar jene des Recyclings oder der permanenten Ausbildung“ (122).
  • Kommerzialisierung des Wissens: „Das Wissen ist und wird für seinen Verkauf geschaffen werden, und es wird für seine Verwertung in einer neuen Produktion konsumiert und konsumiert werden: in beiden Fällen, um getauscht zu werden“ (31). Das geht mit einer starken Veräusserlichung des Wissens gegenüber dem Wissenden einher. In der höheren Ausbildung gilt nicht mehr zu fragen: „Ist das wahr? sondern: Wozu dient es?“ (125)
  • Multinationale Informations-Unternehmen stellen den Staat in Frage: Wenn multinationale Unternehmen wie IBM beispielsweise Kommunikationssatelliten installieren, wer definiert dann erlaubte und verbotene Daten und Kanäle, wer hat Zugriff auf die Daten und werden dann Staaten Kunden wie andere Kunden sein? Die Rechtsprobleme solcher Situationen seien völlig ungeklärt (33).
  • Krieg um die Beherrschung von Informationen: Die Nationalstaaten werden um die Beherrschung von Informationen kämpfen, wie sie früher um Territorien, Verfügbarkeit von Rohstoffen oder billige Arbeitskräfte kämpften (32).
  • Die Didaktik kann Maschinen anvertraut werden: Die reine Vermittlung von einem organisierbaren Bestand von Kenntnissen kann in der höheren Ausbildung an Maschinen übertragen werden: „Sofern die Kenntnisse in eine informatorische Sprache übersetzbar sind und der traditionelle Lehrende einem Speicher vergleichbar ist, kann die Didaktik Maschinen anvertraut werden, die klassische Speicher (Bibliotheken usw.) ebenso wie Datenbanken an intelligente Terminals anschließen, die den Studenten zur Verfügung gestellt werden.“ (124)
  • Pädagogik muss Programmiersprachen wie Fremdsprachen lehren: Die Pädagogik müsse darunter nicht notwendig leiden, denn sie wird den Studenten etwas anderes lehren: „Nicht die Inhalte, sondern den Gebrauch von Terminals.“ – „In dieser Perspektive müsste eine Grundausbildung in Informatik und insbesondere in Telematik zwangsläufig Teil einer höheren Propädeutik sein, unter demselben Anspruch, wie zum Beispiel die Erlangung der fließenden Beherrschung einer Fremdsprache.“ (124)
  • Wissenschaft wird zum Spiel mit vollständiger Information: Wenn grundsätzlich alle „hier und jetzt“ Zugriff auf das ganze Wissen haben, kann Wissenschaft als „Spiel mit vollständiger Information“ (126) gelten. Nur solange sie ein Spiel mit unvollständiger Information war, kam denen ein Vorteil zu, die über das Wissen verfügen und sich einen Zusatz an Informationen verschaffen konnten. Aus dem Besitz von Wissen allein erwächst dem Wissenden jetzt kein Vorteil mehr.
  • Der Ära des Professors läuten die Grabesglocken: Wenn es somit kein wissenschaftliches Geheimnis mehr gibt, hängt der Zuwachs an Leistung der Wissenschaft nicht mehr an der Produktion des Wissens und dessen Erwerb, sondern ist davon abhängig, die Regeln des Spiels zu ändern oder einen neuen Spielzug durchzuführen, kurz: erfinderisch oder phantasiereich neue Verbindungen herzustellen. Daher wird Interdisziplinarität und Teamarbeit aufgewertet. „Was aber sicher scheint, ist, dass […] der Ära des Professors die Grabesglocken läuten: Er ist nicht kompetenter zur Übermittlung des etablierten Wissens als die Netze der Speicher, und er ist nicht kompetenter zur Erfindung neuer Spielzüge oder neuer Spiele als die interdisziplinären Forschungsteams“ (129).
So werden in einer informatisierten Gesellschaft die Datenbanken zur neuen Weltumgebung. So wie durch die industrielle ...

Inhaltsverzeichnis

  1. Title Page
  2. Copyright
  3. Contents
  4. Einleitung
  5. Ist das Digitalisierung oder kann das weg?
  6. Einfach alles richtig machen: 14 leicht fassliche Ratschläge zur Zukunft der Hochschule
  7. Skalierte Kontingenz. Der disruptive Prozess der Digitalisierung und wie man (nicht) darüber sprechen sollte. Ein Plädoyer
  8. Post-digitale Bildung
  9. Zählen versus Erzählen? Gedanken zu Digitalisierung und Bildung
  10. Gibt es digitales Lernen?
  11. Vision als Prozess. Gedanken zur Zukunft der Hochschule im Spiegel der Trias Mensch – Maschine – Zukunft
  12. Wie Veränderung gelingt
  13. Überlegungen und zehn Thesen zur Bedeutung der Hochschulen im Zuge der digitalen Revolution
  14. Hochschule als tragende Säule von Gesellschaft
  15. Die Social Media-Hochschule
  16. Das Ende der Universität als Ort der Lehre?
  17. Zehn Thesen zu Bildung und Digitalisierung
  18. Was wir von Google Books über die Zukunft der Hochschulen lernen können
  19. Der Hunger nach Talent im Silicon Valley und die damit einhergehenden Gefahren für die unabhängige Hochschule in Deutschland
  20. Quo ante. Die natürliche Resilienz gegenüber radikalen Veränderungen und die digitale Transformation
  21. Verzeichnis der Autorinnen und Autoren
  22. Abbildungsverzeichnis