Mauerschau - Die DDR als Film
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Mauerschau - Die DDR als Film

Beiträge zur Historisierung eines verschwundenen Staates

  1. 318 Seiten
  2. German
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  4. Über iOS und Android verfügbar
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Mauerschau - Die DDR als Film

Beiträge zur Historisierung eines verschwundenen Staates

Über dieses Buch

30 Jahre nach dem Mauerfall gilt es kulturwissenschaftlich aufzuarbeiten, in welcher Form Filme aus der und über die DDR unsere Vorstellung von diesem inzwischen verschwundenen Staat prägen.
Im Kontext kollektiver Erinnerungsprozesse übernehmen Fiktionen, die Zeitgeschichte narrativ aufgreifen, wichtige kulturelle Funktionen, auch und sogar dann, wenn realweltliches Geschehen im Zuge einer Aufbereitung für breite Zuschauerinnen- und Zuschauerkreise verdichtet und zugespitzt wird. Fiktionale Bildmedien bieten dabei eine spezifische Form der Aufarbeitung. Die Prägekraft von (Spiel-)Filmhandlungen übersteigt den Gehalt der Nachrichten, die mit dem Tagesgeschäft verschwinden, um ein Vielfaches, ja sie verdrängt sogar die eigene Erfahrung. Die von entsprechenden Erzählungen tradierten Motive und Themen sind oftmals diskursbestimmend, wenn über die ehemalige Deutsche Demokratische Republik gesprochen und geschrieben wird – unabhängig davon, wie nah oder fern sie sich tatsächlich an der Historie messen lassen können.
Der Band stellt sich daher der Aufgabe, wirksame Bilder aus und über die DDR in Einzelanalysen von DEFA-Klassikern sowie BRD- und Hollywood-Produktionen vor und nach 1989 nachzuzeichnen.

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1 Frühgeschichte – Genese des ‚antifaschistischen Schutzwalls‘

Wie anfangen? ‚Vergangenheitsbewältigung‘ und ‚Neubeginn‘ nach 1945 in Die Mörder sind unter uns (1946)

Martin Nies

Die ‚Stunde Null‘ der deutschen Filmproduktion

Am Beginn der deutschen Filmproduktion nach dem Kriegsende 1945 und der Befreiung vom Nationalsozialismus steht mit Wolfgang Staudtes Die Mörder sind unter uns der erste Nachkriegsfilm als ein von der sowjetischen Militärregierung in Deutschland beauftragtes und kontrolliertes Werk. Obwohl die DDR zu diesem Zeitpunkt noch nicht existiert, fragt sich, worin sich deren Ursprung legitimiert, wenn nicht genau an diesem Punkt, der in einem der zentralen kulturellen und politischen nachkriegszeitlichen Diskurse als ‚Stunde Null‘, also als Signum eines systemischen Neubeginns ausgerufen wurde. Eckhard Pabst schreibt dazu:
Unabhängig davon, ob die Begriffsbildungen von der ‚Stunde Null‘ und dem ‚Untergang‘ zeitgenössische sind, wird man davon ausgehen dürfen, dass beide Metaphern Wahrnehmungen bezeichnen, die im Zeitraum zwischen Kriegsende und Gründung beider deutscher Staaten Aktualität besaßen. Wenn das so ist, dann wird unmittelbar einsichtig, vor welchen Schwierigkeiten die Kultur steht, wenn es darum geht, konsensfähige – was hier vor allem meint: erträgliche – Selbstbilder zu entwerfen, die in einer Phase ohne rechten Anknüpfungspunkt und ohne Perspektive eben dies doch zu geben vermögen: Orientierung über die Herkunft und Aussicht auf eine Zukunft.
(Pabst 2012, S. 26)
Diese Problematik des Wiederanfangens, des Wiederetablierens einer Ordnung nach dem ‚Untergang‘ – einer Wiederherstellung von basalen Infrastrukturen, aber auch der Konstituierung einer ethisch-moralischen Ordnung nach dem Unrechtssystem der Nationalsozialisten ist ein explizites Thema dieser ersten Filmproduktion. Der Titel Die Mörder sind unter uns skizziert dabei das Bild einer Nachkriegsgesellschaft, die noch unterwandert ist von NS-Verbrechern, somit das Image einer fundamental aus der Ordnung geratenen Gesellschaft, deren Normalität von einer Allgegenwart des Unrechts dominiert ist. Damit ist impliziert, dass der Erfolg einer jeglichen sozialen Neuordnung davon abhängt, zunächst diese Verbrecher zu identifizieren und rechtsstaatlich zu sanktionieren oder, wie es im Film bezogen auf die Perspektive der Opfer heißt, „Sühne zu fordern“ (TC 1:19:22).1 Wenn in diesem Kontext hier die einen völligen Abschluss mit der NS-Vergangenheit suggerierenden Begriffe ‚Vergangenheitsbewältigung‘, ‚Stunde Null‘ und ‚Neubeginn‘ Verwendung finden, dann mit der Einschränkung, dass diese lediglich auf diejenigen produktionszeitlichen Deutungsmuster und Diskurse abzielen, zu denen sich die filmische Argumentation verhält. Mit den so genannten Trümmerfilmen, also „in einer engeren Extension des Begriffes Filme[n], die auf der Ebene der dargestellten Wirklichkeit Trümmerlandschaften und das sich in ihnen abspielende Leben abbilden“ (Pabst 2012, S. 30), begründet Die Mörder sind unter uns zugleich ein neues nachkriegszeitliches filmisches Genre, dessen motivische, narrative und strukturelle Grundzüge Eckhard Pabst (2012) ausführlich dargelegt hat und auf dessen Beitrag hier und im Folgenden des Öfteren verwiesen werden kann. Zur institutionellen Dimension der Filmproduktion nach 1945 schreibt er:
Nach der Viermächte-Deklaration vom 5. Juni 1945 lag die Vollzugsgewalt in dem in vier Sektoren aufgeteilten Deutschland bei den jeweiligen Besatzungsmächten.2 Neben der Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung, der Inhaftierung der Verantwortlichen für Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit und der Entnazifizierung lag ein wesentlicher Schwerpunkt der Bemühungen um den Aufbau der Nachkriegsgesellschaft darauf, die ideologische Neuorientierung der deutschen Bevölkerung im Sinne einer „reeducation“ zu gewährleisten. Großes Augenmerk lag dabei auch auf der Produktion und Distribution entsprechender Kinofilme.
(Ebd., S. 26)
Oberst Tulpanov, Leiter der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland, sagte anlässlich der Gründungssitzung der Deutschen Film AG DEFA in Potsdam-Babelsberg am 17. Mai 1946:
Die Filmgesellschaft DEFA hat wichtige Aufgaben zu lösen. Die größte von ihnen ist der Kampf für den demokratischen Aufbau Deutschlands, das Ringen um die Erziehung des deutschen Volkes, insbesondere der Jugend, im Sinne der echten Demokratie und Humanität, um damit Achtung zu wecken für andere Völker und Länder. Der Film als Massenkunst muß eine scharfe und mächtige Waffe werden gegen die Reaktion und für die in der Tiefe wachsende Demokratie, gegen den Krieg und den Militarismus und für Frieden und Freundschaft aller Völker der ganzen Welt.
(Film in der DDR – zit. n. ebd., S. 27)
Diese Rede definiert also gleichsam die Programmatik, unter der der erste deutsche Nachkriegsfilm realisiert werden wird.

Die semiotische Dimension: Filmischer Weltentwurf und narrative Prozesse

Die filmische Ausgangssituation

Der Icestorm-Filmverleih vertreibt die aktuelle DVD-Fassung mit der folgenden Inhaltsangabe:
Berlin 1945. Susanne Wallner, eine junge Fotografin, kehrt aus dem Konzentrationslager zurück, doch ihre Wohnung ist besetzt. Hier lebt seit kurzem der aus dem Krieg heimgekommene Chirurg Mertens, der seine furchtbaren Erinnerungen mit übermäßigem Alkoholgenuss zu verdrängen sucht. Die beiden arrangieren sich, und mit Susannes Hilfe findet Dr. Mertens langsam wieder zu sich selbst. Da begegnet ihm sein ehemaliger Hauptmann Brückner, nun ein aalglatter Geschäftsmann, dem es egal ist, ob er aus Stahlhelmen Kochtöpfe macht oder umgekehrt. Mertens[’] Gewissen rebelliert, und am Weihnachtsabend 1945 will er Sühne fordern für ein von Brückner drei Jahre zuvor im Osten befohlenes Massaker an Frauen, Kindern und Männern.3
Dieser Überblick verdeutlicht bereits, dass der Film nur ein Jahr nach dem Ende des Nationalsozialismus in Explikation von – aus heutiger Sicht vielleicht unerwartet – brisanten Themen handelt: von Konzentrationslagern, von Kriegstraumata, der Schuld- und Sühnefrage hinsichtlich deutscher Kriegsverbrechen und von den Bedingungen des Wiederaufbaus. Damit zielt er unmittelbar auf die drängenden Fragen und Probleme seiner Produktionsgegenwart. Als ein narratives Konstrukt, das über erzählte Prozesse in der dargestellten Welt zentrale kulturelle Konflikte und Problemstellungen modellhaft verhandelt und mit bestimmten Semantiken korreliert, vermittelt der Film Konzeptionen von wünschenswertem und nicht-wünschenswertem Figurenverhalten und darüber auch Problemlösungsstrategien. In diesem Sinne erfüllt er eine konkrete soziale Funktion: Er dient durch die explizite oder implizite Vermittlung von Normen und Werten der ethischen Orientierung und Erziehung der deutschen Rezipienten in dieser Zeit des Übergangs, die nach dem Unrechtssystem neue ethische Maßstäbe finden und den Umgang mit der eigenen Vergangenheit im Sinne der alliierten Siegermächte erlernen sollen. In dieser didaktischen Funktion (und nur darin) ist der Film mit Einschränkungen aber durchaus noch nationalsozialistischen Propagandafilmen vergleichbar: dass dem Medium damit primär die Funktion einer expliziten Normen-, Werte- und Ideologievermittlung unter politischer Kontrolle zukommt. Umso mehr stellt sich die Frage, wie er die Probleme seiner Zeit behandelt, in welche Kontexte er diese narrativ und semantisch stellt und welche Konzeptionen von ‚Vergangenheitsbewältigung‘ und ‚Neubeginn‘ er modellhaft vermittelt.
Im thematischen Kontext von ‚Beginnen‘ muss dem Anfang des Films, der in die dargestellte Welt und Handlung einführt, eine besondere Bedeutung zukommen – der Auftakt des ersten deutschen Filmes nach dem Krieg, der nicht zuletzt selbst einen neuen Abschnitt in der deutschen Mediengeschichte begründet, ist somit hochgradig semiotisiert. Zu Beginn wird die Diegese mit einem Schriftinsert „Berlin 1945 – Die Stadt hat kapituliert“ raumzeitlich und überdies im historischen Kontext des Kriegsendes situiert. Die erste Einstellung zeigt zwei provisorisch aufgeschüttete Gräber, Seite an Seite das eines Soldaten und eines Zivilisten, die ein vertikaler Schwenk, wie aus den Trümmern aufsteigend, dann auf einer Straße inmitten städtischer Ruinen verortet. Die noch nicht auf einen Friedhof überführten Leichname inmitten des öffentlichen Lebensraumes verdeutlichen einerseits die Allgegenwart des Todes in der zerstörten Stadt, andererseits indizieren sie, dass seit dem Ende des Kriegsgeschehens noch nicht viel Zeit vergangen sein kann und das Aufräumen noch nicht allerorten umfassend im Gange ist. Pabst stellt dazu fest, dass dieser Filmanfang zwar in Bezug auf die Kamera als Erzählinstanz, die sich aus den Ruinen erhebt, und somit den Neubeginn filmischen Erzählens versinnbildlicht, aber eben nicht hinsichtlich der dargestellten Welt einen ‚Neubeginn‘ im Sinne einer ‚Stunde Null‘ definiert (Pabst 2012, S. 34 f.), sondern das Bild einer Welt zeichnet, die sich in den Trümmern, in einer Normalität aus der Ordnung bereits wieder eingerichtet hat – angezeigt etwa durch die spielenden Kind...

Inhaltsverzeichnis

  1. Title Page
  2. Copyright
  3. Contents
  4. Mauerschau – Die DDR als Film: Eine Einleitung
  5. 1 Frühgeschichte – Genese des ‚antifaschistischen Schutzwalls‘
  6. 2 Leben in der ‚entwickelten sozialistischen Gesellschaft‘
  7. 3 Nach der ‚Mauer‘, nach der ‚Wende‘