Reisen im Inneren von Süd-Afrika
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Reisen im Inneren von Süd-Afrika

Zu den Ruinen von Great Zimbabwe. 1865 - 1872

  1. 240 Seiten
  2. German
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Reisen im Inneren von Süd-Afrika

Zu den Ruinen von Great Zimbabwe. 1865 - 1872

Über dieses Buch

"Forschungsdrang kennt keine Schwierigkeiten, keine Schranken."Petermanns Geografische MittheilungenKarl Mauch gibt 1864 seine Stellung als Lehrer auf, und begibt sich auf eine siebenjährige Forschungsreise nach Süd-Afrika. In Begleitung des Elefantenjägers Henry Hartley durchquert er das Matabele-Königreich und kartiert, lediglich mit einem Taschenkompass ausgerüstet, das riesige Gebiet nördlich des Limpopo. Damit schafft er die Grundlage für die Kartierung Südostafrikas. 1867 entdeckt er zwei große verlassene Goldfelder im Mashonaland; reist weiter durch die Transvaal-Republik und an die Delagoa-Bucht in Mosambik - diesmal allein. Trockenperioden und das Misstrauen der Einheimischen lassen ihn immer wieder Rückschläge erleiden. Unterstützung erhält er all die Jahre vom großen Geographen August Petermann. Bevor eine Malaria-Erkrankung und die prekäre finanzielle Lage ihn 1872 endgültig zur Rückkehr nach Deutschland zwingen, macht er auf seiner letzten Reise 1871 seine größte Entdeckung: die Ruinen von Great Zimbabwe. Er hält sie für das biblische Goldland Ophir.

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REISEN IM INNEREN
VON
SÜD-AFRIKA

ZU DEN RUINEN VON
GREAT ZIMBABWE

KAPITEL I

VON PORT NATAL NACH
RUSTENBURG

Gefahrvolle Landung

Nach einer günstig verlaufenen Fahrt von 75 Tagen traf der Dreimastschoner, auf dem ich mich dem Ziel meiner Wünsche entgegentragen ließ, auf der Reede von Natal ein. Bereits befanden sich drei Segelschiffe, welche am gleichen Tag angekommen waren, vor Anker. Ihr heftiges Schwanken zeugte von besonders aufgeregter See, und nicht ohne ernste Bedenken gab der Kapitän meines Schiffs den Befehl, den einen von den beiden Ankern fallen zu lassen; kurze Zeit darauf hatte die Mannschaft die Segel festgemacht und versah jene noch übrigen Arbeiten, die bei bevorstehendem Landen üblich sind. Ich selbst aber überließ mich völlig der Betrachtung des vor mir liegenden Küstenteils. Da befand sich denn links ein ziemlich vorstehender, dicht bewaldeter Hügel, der auf seiner Spitze in einer Lichtung eine Flaggenstange trug, an seinem Fuß zeigten sich große Felsblöcke, gegen welche der Schaum der tobenden Wellen emporschlug, die Trümmer eines Schiffskörpers wurden zeitweise sichtbar und bekundeten, dass man, wenn auch vor Anker, denn doch noch nicht außer Gefahr des Strandens ist. Gerade vor mir brachen sich die mächtigen Wogen über der sehr veränderlichen Sandbarre der inneren Bai, dem eigentlichen Hafen zu. Rechts ist das Ufer flach und sandig, gegen seine aufgeworfenen Dünen branden die rastlos sich überstürzenden Wellen. Der Hintergrund ist abgeschlossen durch einen wenig erhabenen, sehr dicht bewachsenen Hügelrand, an welchem hie und da ein weißer Punkt in einer Lichtung eine Villa bezeichnet. Über dem Niveau der Baumgipfel im Vordergrund wiegt in seltenen Exemplaren eine Palme ihr gefiedertes Haupt. Wie sehr wünschte ich mir den Zeitpunkt herbei, wo ich zum ersten Mal den fremdländischen Boden betreten durfte! Aber wie es stand, dieser Zeitpunkt wurde weiter hinausgerückt; bei dermaliger hoch gehender See und heftigem Seewind wäre es ein tollkühnes Wagnis gewesen, im Boot ans Land zu kommen; ich musste mich ins Unvermeidliche fügen und mir vornehmen, geduldig zu harren. In der Betrachtung der neuen Gegend verweilte ich, bis es bereits zu dunkeln begann. Plötzlich verspüre ich – und mit mir alle im Schiff – einen plötzlichen Ruck, ein leichtes Rasseln der Ankerkette lässt sich zugleich vernehmen und bald gewahren wir mit Schrecken, dass wir treiben, dass wir unseren Anker durch den Bruch der Kette verloren hatten. Die Richtung, in welcher wir trieben, war die nach dem Wrack zu und dabei bedrohten wir eines der vor Anker liegenden Schiffe mit einem derben Zusammenstoß. In größter Eile gelingt es noch, das große Segel und das Focksegel zu entfalten, der starke Wind erfasst sie noch im rechten Moment, um uns vom bedrohten Schiff abzulenken. Nach mehrmaligem Wenden konnte das offene Meer wieder gewonnen werden, und erst vier Tage später, bei leichter Brise und wenig bewegter See, durften wir uns wieder nähern, um endlich vom kleinen Schleppdampfer ins Tau genommen und über die Barre weg in den Hafen bugsiert zu werden. Das war am 15. Januar 1865.
Auf diese Weise am Ziel meiner sehnlichsten Wünsche, einem Schiffbruch entgangen zu sein, durfte ich als ein gutes Omen betrachten, und daher führte ich gleich am ersten Tag eine kleine Rundreise um die Bai von Natal aus, um mir vorläufig einen oberflächlichen Blick über die neuen Formen der Natur zu verschaffen.

Erster Eindruck der fremden Natur – Der
Hafenort Durban – Komische Begegnung
– Urwald und tropisches Gewitter

Vom Landungsplatz aus, wo es bereits rüstig und lärmend herging mit dem Ausladen zweier Schiffe und wo mir zumal ein zwar bekanntes, aber noch ungewohntes Idiom, das Englische, und zwei ganz fremde Sprachen, nämlich der von Indien eingeführten Kulis und der in Natal einheimischen Kaffern, ans Ohr tönten, begab ich mich an den wenigen, zu Hafenzwecken aufgeführten Gebäuden vorüber auf die Straße, wenn ich die von Baum und Busch entblößten Durchhaue mit diesem Namen bezeichnen darf. Bis zu den Knöcheln im feinen losen Meeressand mühsam watend folgte ich diesem Waldweg, begab mich bald von der einen auf die andere Seite, teils um mir gänzlich fremde Pflanzenformen zu besehen, teils um zu versuchen, das Genus dieser oder jener mir bekannt vorkommenden Blüte zu erraten. Einzudringen in das Dickicht selbst, war eine Unmöglichkeit, und enge Schlüpfe führten meist bald zu einem Kafferndörfchen oder einer Bananenpflanzung. Solche Eingänge waren gewöhnlich durch auffallend große Exemplare baumartiger Euphorbien bezeichnet. Das Auge weidete sich an der Pracht der Blüten und den fremdartigen Gestalten, und zwar um so mehr, weil ja die lange eintönige Seefahrt zwischen dem Bild der bereits in Schnee gehüllten Landschaft, von der ausgesegelt worden war, und dem jetzigen Anblick einer subtropischen Gegend keine Vermittlung hergestellt hatte. Wenn nun aber auch dem Auge voller Genuss zuteilwurde, dem Ohr ward durchaus kein Schmaus bereitet in dem durchdringenden, das Trommelfell erschütternden Zirpen der großen dunkelgefärbten Zikaden oder in dem lästigen monotonen Geschrei der kleinen grünen Papageien, welche pärchenweise oder in Familien die höheren Bäume in großen Kreisen umflogen.
Nach etwa einer Stunde erreichte ich einen Eisenbahnübergang, ein Zeichen weit vorgeschrittener Zivilisation; noch eine kurze Strecke und ich befand mich in der Hauptstraße des Hafenorts Durban, nicht wenig überrascht, solch stattliche Gebäude zu sehen. Bevor ich mich jedoch der Stadt vollends näherte, hatte ich noch eine höchst komische Begegnung. An einem Gartenzaun vorübergehend wurde meine Aufmerksamkeit in Anspruch genommen durch ein Chamäleon, jenes bekannte rätselhafte Tierchen, das in seinem ganzen Wesen etwas Absonderliches hat: sein behelmter Kopf mit den eigentümlich geformten, nach allen Richtungen und unabhängig voneinander drehbaren Augen, sein auffallender Gang, als ob es bei jedem Schritt zwei Tempi zu machen hätte, seine sonderbare Farbenänderung, wenn es auf verschieden gefärbte Gegenstände übergeht, die unbeholfene Eilfertigkeit, wenn es bei Berührung flüchten will oder zur Verteidigung das weite Maul aufreißt, die Schnelligkeit und nie fehlende Sicherheit, mit der es seine gelbe verdickte Zunge hervorstößt, um eine Fliege zu haschen. Doch ist es nicht dieses Chamäleon, das ich eine komische Begegnung nennen möchte, vielmehr die Störung, welche in der näheren Betrachtung eintrat.
Es rannte nämlich fast atemlos eine Person von schwarzer Hautfarbe auf mich zu, überreichte mir ein Stöckchen, in dessen oberem geschlitztem Ende ein Brief steckte; seine Sprache war weder Englisch noch »Kafferisch«, sondern wohl eine Mischung beider, jedenfalls aber für mich unverständlich. Ich merkte, dass er gern die Wohnung des Adressaten bedeutet haben möchte, ein Ding der Unmöglichkeit für mich; ich suchte ihm durch Zeichen begreiflich zu machen, dass er mich vergeblich frage. Vor sich hin singend oder murmelnd setzte er seinen Weg fort und gab mir dadurch Gelegenheit, seine einfache, aber höchst gewählte Kleidung anzustaunen. Außer den gewöhnlichen Streifen aus den Fellen einer Zibetkatzenart, wie sie die Zulu-Kaffern um die Lenden tragen, hatte er seine wolligen Haare mit einem hohen, seidenhaarigen, weißen Zylinderhut bedeckt, seinen Hals aber mit einem papiernen Kragen umgeben. Ihm entgegen kommt ein anderes merkwürdiges Subjekt, angetan mit einem krebsroten englischen Waffenrock mit großen Messingknöpfen. Beide müssen intime Bekannte gewesen sein, denn schon aus einiger Entfernung riefen sie sich einander freudig zu, hielten mit ihrer Eile inne, setzten sich nebeneinander auf den Boden nieder und begannen zu schnupfen, bis ihnen entweder ihr schallendes Gelächter oder aber der starke Tabak die Tränen in die Augen trieb. Damals dachte ich mir, dass sie höchst wichtige Begebenheiten einander zu erzählen wüssten, spätere Beobachtungen ähnlicher Fälle belehrten mich vom Gegenteil.
Mein Chamäleon war inzwischen unsichtbar geworden, es hatte sich ins dichte Gebüsch gerettet; ich verfolgte meinen Weg weiter durch das Städtchen, zunächst am gut instand gehaltenen Stadtpark vorüber, an dessen Ecke ein Gedenkstein, eine Fontaine mit Bassin darstellend, angebracht ist, mit der Aufschrift: »Wasser ist das Beste«, womit man sich auch ganz einverstanden erklären könnte, wenn gutes Wasser oder überhaupt Wasser daraus flösse. Bei der ersten Häuserreihe fiel mir zunächst eins auf, das mit der Aufschrift: Aude, vide, tace in großen Buchstaben versehen war. Diese Regel, die mir schon beim erstmaligen Betreten afrikanischen Bodens so dringend anempfohlen wird, muss ich beherzigen, dachte ich bei mir selbst und schritt weiter. Ich begnügte mich für diesmal mit dem nur flüchtigen Beschauen des Städtchens und seiner geschäftigen Bewohner und gelangte bald wieder ins Freie. Mich unmittelbar am Rande der Bai zu halten, wo bald die Flut den Boden bedeckt, bald die Ebbe ihn bloßlegt, wo dichte Mangrovebüsche eine anwidernde Malaria aushauchen, wollte ich für den ersten Tag noch vermeiden, obwohl mir die zahllosen Krabben mit ihren unförmigen Scheren und ihrem seitlichen Davoneilen viel Stoff zu näherer Betrachtung gegeben hätten. Ich hielt mich mehr dem Weg entlang, der um die Bai führt. Bald hatte ich einen Bach zu passieren, den ich, weil weder Brücke noch Fußsteig vorhanden war, barfuß zu durchwaten hatte. Jenseits desselben lockten mich eine große Anpflanzung von Zuckerrohr und das Geräusch einer Zuckermühle zu einigem Aufenthalt.
Nochmals setzte ich meinen Spaziergang fort, und zwar versuchend, an dem Ufer der Bai zu bleiben; ich geriet nach und nach in dichteres Gebüsch und zuletzt in förmlichen Urwald, worin mir aber weiteres Vordringen unmöglich gemacht wurde durch sumpfigen Boden und ein Flüsschen von heimtückischem Aussehen. Ich befand mich an einer recht unheimlichen Stelle. Die hohen Bäume waren mit ihren dunkel belaubten Kronen so in ineinandergewachsen, dass sie nur wenigen Sonnenstrahlen einen Durchgang erlaubten, also ein gewisses Düster herrschte; auch das kleinste Geräusch konnte deutlich vernommen werden. Offen gestanden, ein Gefühl von Furcht bemächtigte sich meiner. Ich fühlte mich so ganz verlassen inmitten der mich umgebenden fremdartigen Natur, in jeder breitblättrigen Sumpfpflanze oder in jedem dichten Busch glaubte ich ein Versteck eines mir feindlichen Tieres sehen zu müssen; jeden sich bewegenden Gegenstand deutete ich als einen demnächst erfolgenden Angriff auf mich; in jedem längeren Holzstückchen, durch Flechten bunt gefärbt, sah ich ein giftiges Gewürm; das kaum zu vernehmende Geräusch eines an der Oberfläche des Wassers platzenden Luftbläschens schlug unheimlich an mein Ohr; beim Fallen eines dürren Zweigchens oder Rindenstückchens in eine Pfütze hinter meinem Rücken fuhr ich zusammen; das Herabrollen eines Steins vom nahen Abhang nahm ich für die Folge unsicheren Auftretens einer größeren Schleichkatze, kurz alles trug dazu bei, das Gefühl der Bangigkeit in mir zu vermehren, und dennoch hielt es mich unwiderstehlich fest. Ein fernes Rollen des Donners veranlasste mich endlich, an den Rückweg zu denken. Ich verließ die unheimliche Stätte und eilte, das Schiff wieder zu erreichen, bevor es Abend würde. Kaum angekommen brach denn auch bald das angekündigte Gewitter über der Gegend los; grell gelbe Blitze, die oft mehrmals den Weg von der Wolke zur Erde nieder und wieder zurück machten, andere, die sich in mehrere Strahlen teilten, wieder andere, die das ganze Firmament in rotem Licht zeigten, folgten sich unaufhörlich, schrecklich harte Schläge übertönten den beständig rollenden Donner und ein gewaltiger Regen strömte hernieder, als ob ein Wolkenbruch sich einstellen wollte; es war ein echt tropisches Gewitter und hielt mehrere Stunden an, aber darauf erglänzte der südliche Himmel mit seinen prächtigen Sternbildern.
So war dieser erste Tag in der Tat überaus reich an Erfahrungen für mich und noch lange hatte ich, auf meinem Lager ausgestreckt, den bunten Wechsel der verschiedensten Eindrücke zu bewundern; ich freute mich inniglich, an einem Teil der Küste Afrikas gelandet zu sein, der so viel des Interessanten für den Forscher bietet, es tat mir aber auch leid, dass ja eben dieser Teil bereits ziemlich genau erforscht sein musste, und ernstlicher Kummer beschlich mich, als ich daran dachte, auf welche Weise ich denn zunächst meinen Lebensunterhalt zu verdienen haben werde, um mich zu akklimatisieren und Tüchtiges im Forschen leisten zu können.

Der Weg landeinwärts – Neudeutschland
– Ein Sonderling

Ich darf hier wohl erwähnen, dass ich von allen Geldmitteln entblößt war, denn so nur erklärt sich, warum ich, anstatt meinem gesteckten Ziel direkt zuzusteuern, mich gleichsam wie vom Wind habe umherwerfen lassen. Es hatte übrigens die unentschiedene Lebensweise während der folgenden Monate ihr Gutes, denn neben der Akklimatisation wurde ich mit Land und Leuten näher bekannt und erwarb mir dadurch schätzenswerte Kenntnisse zur Forschung im weiten Inneren und gewöhnte mich leichter an Entbehrungen. Die ersten Versuche, für das tägliche Brot zu arbeiten, schlugen fehl oder gefielen mir nicht. Daher kam mir die Nachricht erwünscht, dass nur eine kurze Strecke landeinwärts eine kleine deutsche Kolonie existiere, woselbst hauptsächlich zwei Personen wohnten, die schon über 20 Jahre in der Küstengegend gelebt, welche also mit allen Verhältnissen des Landes am meisten bekannt sein mussten und mir selbst auch die beste Auskunft geben und guten Rat erteilen konnten. Ich beschloss daher, diese Herren aufzusuchen.
Schon am Morgen danach, als ich diese Neuigkeit in Erfahrung gebracht hatte, verließ ich Durban mit dem Vorsatz, wo möglich nicht so bald wieder meinen Fuß dareinzusetzen. Aus der unregelmäßig begrenzten, tiefsandigen Waldstraße wird allmählich die verbesserte Landstraße, auf deren beiden Seiten in regelmäßig abgeteilten und eingezäunten Erbstücken teilweise niedliche, villenartig gebaute Wohnhäuser stehen, die sich an den dichten Wald anlehnen und ein wohlkultiviertes Gärtchen vor sich haben. Bananen und Ananas bilden nebst Gemüsen und einigen Zierpflanzen die Gegenstände des Anbaus darin und beweisen durch ihr üppiges Wachstum, dass Boden und Klima ihm äußerst günstig sind. Über den sandigen, stark beholzten, niedrigen Hügelrand, die Berea genannt, führt eine mit vielen Kosten hergestellte harte Straße. Immer ansteigend erweitert sich der Horizont, bis endlich in der Nähe von dem Dorf Pinetown eine der schönsten Aussichten auf die Bai und den Indischen Ozean sich dem Auge darbietet. Auch hat sich mit der Erhebung die Landschaft verändert, nicht mehr finden sich zusammenhängende, undurchdringliche Waldpartien, sie wechseln nun ab mit fast kahlen Bergwiesen und Ackergeländen; hochgewachsene Eukalypten mit tannenartigem Wuchs bilden öfters die Alleen, welche zu den Wohngebäuden führen, verschiedene Aurantiaceen, Bananen, Kaffee- und Obstbäume dienen ebenso wohl zum Nutzen der fleißigen Eigentümer als zur Verschönerung ihrer Landgüter. Wenige Minuten auf einem Feldweg entlang, der mich rechts von der Hauptstraße abführte, brachten mich zwischen die ziemlich zerstreut liegenden Gehöfte der erwähnten Kolonie von Deutschen, Neudeutschland genannt. Bald hatte ich die Wohnung der einen Person erfahren und nach eingenommenem kräftigem Frühstück, dem ich zum ersten Mal die schmackhaften Früchte der Bananen beifügen durfte, wurde mir in zuvorkommender Weise das Haus bedeutet.
Von einem lebendigen Zaun aus Granatapfelgesträuch, der aber häufige Lücken zeigt, ist ein bedeutendes Grundstück eingeschlossen, worin jedoch nur Unkraut prachtvoll wuchert; ein großes, aber baufälliges Haus, umgeben von einer niedrigen Veranda, wurde mir als das Domizil des erfragten Herrn bezeichnet. Ich konnte kaum den Eingang dazu finden, auch boten die Fenster den Beweis, dass es dem Bewohner um viel frische Luft zu tun war, denn die meisten Scheiben fehlten. Er musste mich durch seine Gucklöcher bemerkt und aus meiner Unschlüssigkeit einzutreten geschlossen haben, dass ich ein Fremder und also mit der Lokalität nicht vertraut sei. Bald erschien er vor seiner halbversteckten Tür, grüßte außerordentlich freundlich und lud mich ein, näher zu treten. Mit dem Zipperlein behaftet führte er mich mit schlotterndem Gang durch den äußeren größeren Raum in sein eigentliches Wohn-, Schlaf- und Arbeitszimmer, in welchem die verschiedenen Gegenstände in solcher Unordnung durcheinanderlagen, wie es nur bei einem alten Junggesellen reinsten Wassers der Fall sein kann. Auf seine höchst freundliche Einladung hin nahm ich ihm gegenüber Platz an einem kleinen Tischchen, auf dem eine zersprungene Porzellantasse ohne Henkel mit ein wenig schwarzem Kaffee den auffallendsten Gegenstand bildete, während einige fliegende Papierchen mit Registern von lateinischen Namen von Insekten, ein Schachteldeckel mit den Resten von Tabak und Asche, kleine Papierstreifen und mehrere kleine Dosen mit Insektennadeln so ziemlich die ganze Tischplatte bedeckten. Von einem Cavendishkuchen bemühte er sich eine kleine Portion abzuschneiden, in der Hand zu zerreiben, damit ein Pfeifchen zu stopfen, und dieses überreichte er mir. Er selbst füllte für sich ein anderes mit den Zeichen beständigen Gebrauchs, und zwar mit den augenscheinlich bereits mehrmals gerauchten und wieder gesammelten Überbleibseln früherer Quantitäten, und als nun beide Pfeifchen dampften, erkundigte er sich nach meinen näheren Verhältnissen, meinem Zweck und dergleichen.
Er bezeugte kindliche, ja kindische Freude über mein mitgeteiltes Vorhaben des Forschens, lobte die Gegend als überaus reich an den mannigfaltigsten Objekten, die sich für naturhistorische Sammlungen eignen würden; er wusste nur Gutes über die Bevölkerung, weiß oder schwarz, zu erzählen; er ließ sich herbei, mir einige seiner Sammlungen von Insekten zu zeigen und mich auf seltene Exemplare aufmerksam zu machen; er gestand mir, dass er durch den Verkauf seiner Kollektionen schon seit Jahren seine Lebensbedürfnisse bestritten habe und auch jetzt noch trotz seines kränklichen Körpers bestreite, die allerdings dem Anschein nach fast auf die Bedürfnislosigkeit eines Diogenes reduziert sein mussten. Wie vollkommen, wie nahe dem Himmel musste dieser Mann mit dem kindlichen Gemüt sein, wenn es wahr ist, was er mir mit Tränen in den Augen erzählte, dass selbst die Engel ihm oftmals beim Auffinden von sehr seltenen Käfern behilflich seien! Und wie zerfloss er fast in Tränen, als er mit mir Geistererscheinungen, von denen er eine Menge Photographien besaß, besprach!
Es zog mich wunderbar zu diesem Muster von Frömmigkeit und Herzensgüte hin, und ich war durch sein Wesen so sehr berührt worden, dass es mich ordentlich Anstrengung kostete, meine Tränen zurückzuhalten. Wie konnte ich anders, als den Entschluss fassen, wenigstens für einige Zeit in seiner Nähe zu weilen! Ich schätzte mich glücklich, als er mich beim Abschied einlud, am folgenden Tag, und so oft ich es wünsche, wieder bei ihm einzusprechen. Fröhlichen Herzens ging ich von ihm und die Freude über die prächtige Gelegenheit, meine Zwecke so rasch gefördert zu sehen, ließen keinen Schlaf in meine Augen kommen, als ich bei einem gastfreundlichen Kolonisten auf sanftem Lager übernachtete. Ich machte ihm auch am folgenden Morgen wieder einen Besuch, ich durfte sicher sein, dass er meinen während der Nacht gefassten Entschluss nur billigen werde, dass, wenn wir beide – er ein kranker Sechziger, reich an Erfahrungen und Kenntnissen, ich im best...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Über den Autor
  3. Zum Buch
  4. Titel
  5. Impressum
  6. INHALT
  7. Vorwort von Eva Maria Verst
  8. REISEN IM INNEREN VON SÜD-AFRIKA
  9. BERICHTERSTATTUNG ÜBER KARL MAUCHS REISEN IN »PETERMANNS GEOGRAPHISCHEN MITTEILUNGEN«
  10. Kontakt zum Verlag