Risikomanagement in der Notaufnahme
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Risikomanagement in der Notaufnahme

  1. 268 Seiten
  2. German
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Über dieses Buch

Keine medizinische Maßnahme ist frei von Risiken. Dies gilt insbesondere in Notaufnahmen, die durch nicht planbaren Patientenzustrom und enorme Leistungsverdichtung zunehmend unter Druck geraten. Dieser Druck begünstigt Fehler in der Patientenversorgung mit teilweise katastrophalen Folgen und bedarf daher systematischer und wirksamer Gegenmaßnahmen. Dies ist der Ansatzpunkt des Klinischen Risikomanagements: Organisationen zu befähigen, relevante Risiken der Patientenversorgung zu identifizieren, zu analysieren, zutreffend zu bewerten und effektiv zu bewältigen. Das Buch führt fundiert in das Thema ein und zeigt differenziert und kritisch Lösungsansätze für relevante klinische Risiken in der Notaufnahme auf.Das Werk wurde vom Gesundheitswirtschaftskongress als Buchtipp 2019 ausgezeichnet.

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1 Risikomanagement im Spannungsfeld Notaufnahme

1.1 Notfallmedizin als besonderes Handlungsfeld des Risikomanagements

Reinhard Strametz und Martin Pin

Keine medizinische Maßnahme ist frei von Risiken. Diese zentrale Erkenntnis wurde bereits in der hippokratischen Medizin unter dem Grundsatz »primum nil nocere, secundum cavere, tertium sanare« zusammengefasst. Gleichzeitig erkannte jedoch Seneca in seinen Epistulae morales, die grundsätzliche Fehlbarkeit des Menschen (Seneca 62 n. Chr., VI,57,12). Was in der verkürzten Darstellung dieser Erkenntnis durch das berühmte Zitat »errare humanum est«, also »irren ist menschlich« jedoch nicht berücksichtigt wird, ist die damit verbundene Aufforderung, aus Fehlern zu lernen:
Errare humanum est, sed in errare perseverare diabolicum. Seneca (4 v. Chr.–65 n. Chr) Irren ist menschlich, aber im Fehler zu verharren teuflisch.
Die Medizin vergangener Jahrhunderte ging durch nebenwirkungsreiche, oft schädliche Therapieansätze und mangelnde Kenntnisse über biologische Abläufe oder hygienische Grundanforderungen teilweise hohe Risiken für Patienten ein. Nach zahlreichen Meilensteinen in der medizinischen Versorgung, wie der Einführung von Impfungen, einer allgemeinen Hygiene bzw. sterilem Arbeiten im OP und der Entdeckung von Antibiotika reduzierten sich Risiken in der Patientenversorgung nachweisbar deutlich.
Die Tatsache, dass Risikomanagement und Gefährdungen der Patientensicherheit in unseren Tagen von wachsendem Interesse und wachsender Bedeutung sind, basiert auf einer Entwicklung, die insbesondere die notfallmedizinische Versorgung vor neue Herausforderungen stellt und im Wesentlichen auf vier Faktoren zurückzuführen ist (Strametz 2017): Zunehmende Komplexität in der Versorgung, gestiegene Erwartungen von Patienten, Angehörigen und Dritten, intensiver, teils ruinöser Wettbewerb und medizinisch-technischer Fortschritt.
Die zunehmende Komplexität der medizinischen Versorgung ergibt sich aus dem schnell steigenden medizinischen Wissenszuwachs und der damit einhergehenden Spezialisierung innerhalb der Fachdisziplinen. Als Konsequenz hieraus sind oftmals zahlreiche zusätzliche Akteure unterschiedlicher Gesundheitsfach- und Heilberufe, zunehmend hochspezialisiert auf einzelne Aspekte, gemeinsam an der Versorgung eines Patienten beteiligt. So ist es evident, dass gut trainierte, interdisziplinär agierende Teams im Schockraum eine zeitnahe Versorgung von Notfallpatienten gewährleisten, die insbesondere bei schwerstverletzten Patienten das Outcome deutlich verbessert (Schoeneberg 2014). Mit jedem zusätzlichen Prozessbeteiligten steigen jedoch die Risiken für Informationsverluste und Missverständnisse, die wiederum negative Auswirkungen auf die Patientensicherheit nach sich ziehen können. Es bedarf also speziell notfallmedizinisch breit ausgebildeter Ärztinnen, Ärzte und Pflegender in der klinischen Notfallversorgung, um die Patientensicherheit zu erhöhen. Die Einführung der Zusatzweiterbildung »Klinische Akut- und Notfallmedizin« in der Musterweiterbildungsordnung durch den 121. Deutschen Ärztetag 2018 (BÄK 2018) und die Einführung der Weiterbildung Notfallpflege (DKG 2016) sind wichtige Maßnahmen zur weiteren Professionalisierung der Notfallmedizin und somit zur Steigerung der Patientensicherheit.
Dem gegenüber stehen Ansprüche der Patienten an die medizinische Versorgung und deren Rahmenbedingungen, die in den letzten Jahren deutlich gestiegen sind und nicht selten, insbesondere im Spannungsfeld Notaufnahme, von einer hohen Erwartungshaltung geprägt sind. Dies wird durch die mediale Darstellung des Gesundheitswesens sowohl in der Fiktion, als auch der Berichterstattung über Ergebnisse der Grundlagenforschung als sogenannte »Durchbrüche« in der Behandlung bislang unheilbarer Erkrankungen ebenso wie der Skandalisierung mutmaßlicher Defizite zusätzlich befördert. Die teilweise bestehende und möglicherweise zunehmende Divergenz zwischen erwarteter und erlebter Leistung führt in der Notaufnahme zu besonderen Problemen. Die hohe psychische Anspannung des Notfallpatienten und/oder seiner Angehörigen, trifft auf Mitarbeitende mit qualitativ und quantitativ hoher Arbeitsbelastung. Durch die steigende Anzahl von Notfallpatienten, zum Beispiel durch den demografischen Wandel, aber auch durch die Inanspruchnahme von Notaufnahmen als Ersatz für vertragsärztliche Versorgungsstrukturen (Somasundaram 2016) entstehen neben direkt daraus resultierenden Risiken (
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Kap. 2.1.3) somit Brüche in der Erwartung der Beteiligten, die ihrerseits wiederum ein Risiko darstellen (
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Kap. 2.3.4).
Dies alles geschieht in der stationären Patientenversorgung unter einem zunehmenden ökonomischen Wettbewerbsdruck, der in den letzten Jahren kompensatorisch zu einer enormen Leistungsverdichtung geführt hat. So reduzierte sich die Zahl der Krankenhausbetten laut Statistischem Bundesamt von 1991 bis 2015 um 166.412 (-25%) bei gleichzeitigem Anstieg der Zahl jährlicher stationärer Behandlungsfälle um 32% auf 19.239.574 (DESTATIS 2017). Die Ausrichtung auf größtmögliche ökonomische Effizienz stellt auch die zentralen Notaufnahmen vor die Herausforderung, im Spannungsfeld zwischen reduzierten Belegungsressourcen und elektiver Patientenversorgung, die stationäre Aufnahme von Notfallpatienten sicher und zeitgerecht zu koordinieren.
Der medizinisch-technische Fortschritt bietet Patienten in der Notfallversorgung zusätzliche Chancen, auch lebensbedrohliche Zustände gut zu überstehen, birgt aber gleichzeitig auch Risiken. Durch die Verkürzung der Halbwertszeit medizinischen Wissens steigt bei allen Beteiligten der Bedarf an kontinuierlicher und zielgerichteter Fortbildung, was insbesondere im Kontext der oben beschriebenen Leistungsverdichtung Probleme aufwirft. Neben dem Wissen innerhalb einer Organisation, muss in einer Notaufnahme an 365 Tagen auch die Kompetenz vorgehalten werden, alle relevanten Prozessabläufe der Notfallversorgung – unabhängig von einzelnen Handelnden – verlässlich durchzuführen. Dies bringt jedoch insbesondere Notaufnahmen mit geringer Versorgungskapazität im ökonomischen Spannungsfeld unter zusätzlichen Druck (
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Kap. 2.2.1). Der Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) zu einem gestuften System von Notfallstrukturen in Krankenhäusern (G-BA 2018) trägt dem Rechnung und beschreibt die zukünftigen qualitativen Voraussetzungen von Krankenhäusern für die Teilnahme an der stationären Notfallversorgung.
Die eben genannten Punkte treten in der Notaufnahme eines Krankenhauses auch deswegen in besonderer Weise in Erscheinung, da letztlich alle Faktoren zusammentreffen, unter denen bei der medizinischen Versorgung eine erhöhte Häufigkeit und eine gravierendere Auswirkung von Risiken zu beobachten ist:
1. Die Patienten sind oftmals in einem kritischen bzw. gebrechlichen Gesundheitszustand und somit anfälliger gegen Fehler in der Versorgung.
2. Es handelt sich oftmals um zeitkritische Prozesse und es müssen Entscheidungen unter hohem Druck getroffen werden.
3. Das Patientenaufkommen und damit verbunden die notwendigen vorzuhaltenden Ressourcen sind im Vorfeld nicht immer präzise planbar, es kommt somit zu Arbeitsspitzen.
4. Aufgrund der Variabilität der Versorgung und der multiplen Schnittstellen präklinisch und innerklinisch sind viele Personen und Professionen beteiligt, wodurch die Komplexität und der Abstimmungsbedarf zunehmen.
Somit ist davon auszugehen, dass einerseits eine höhere Anzahl relevanter Risiken vorhanden ist und andererseits auch das potentielle Schadensausmaß bei Verwirklichung eines Risikos deutlich höher ist als in Bereichen ohne die oben genannten Kriterien.
Das mutmaßliche Ausmaß von Patientenschäden dokumentierte der Bericht »To err is human« des Institute of Medicine (IOM) im Jahr 1999 eindrücklich (Kohn 1999). So wurde basierend auf den damals verfügbaren Daten angenommen, dass jährlich ca. 48.000–96.000 Menschen im US-amerikanischen Gesundheitssystem in der stationären Versorgung aufgrund vermeidbarer Fehler versterben. Im Jahr 2016 publizierten Makary und Daniel im British Medical Journal sogar eine Schätzung, nach der medizinische Fehler als TOP3-Todesursache anzusehen sind (Makary 2016). Die Publikation des IOM kann als Auslöser zahlreiche Aktivitäten im Bereich des klinischen Risikomanagements angesehen werden und führte auch in anderen Gesundheitssystemen zu Schätzungen bezüglich der Anzahl vermeidbarer Todesfälle und anderer Schäden (Klauber 2014, Stiftung Patientensicherheit 2017, Endel 2004). Hierbei ist kritisch anzumerken, dass eine Übertragung dieser Schätzwerte aus anderen Gesundheitssystemen ein vergleichsweise großes Konfidenzintervall aufweist und somit nicht als verlässlicher Mittelwert angesehen werden sollte. So schätzen Experten die Zahl der jährlich vermeidbaren Todesfälle in Deutschland auf 4.000–45.000 (Deutscher Bundestag 2014). Doch selbst bei konservativer bzw. optimistischer Schätzung der betroffenen Patienten bleibt das große Potential patientensicherheitssteigernder Maßnahmen erkennbar.
Neben den Patienten und deren Angehörigen sind auch die Mitarbeitenden und Organisationen bei Patientenschädigungen unmittelbar und teilweise gravierend betroffen. So ist durch zahlreiche tragische Fälle mittlerweile hinlänglich bekannt, dass neben dem geschädigten Patienten in der Regel auch der Schädigende als sogenanntes zweites Opfer (second victim) anzusehen ist (Wu 2000) und durch seinen, in der Regel unbeabsichtigten Fehler schwer geschädigt werden kann. Durch Selbstvorwürfe, arbeitsrechtliche Sanktionen und juristische Auseinandersetzungen besteht die Gefahr der posttraumatischen Belastungsstörung, die in zahlreichen Fällen bis hin zum Suizid des Schädigenden führten (Scott 2009, Grissinger 2014). Diese Problematik wird in Kapitel 1.8 nochmals ausführlicher thematisiert.
Ebenso wie Patienten und Mitarbeiter erleiden Krankenhäuser Schäden bei medialer Berichterstattung mutmaßlicher Patientenschädigung. Dass Notaufnahmen in diesem Zusammenhang ein besonders sensibler Bereich sind, zeigt sich beispielsweise in der Tatsache, dass ein Fall besonders langer Wartezeit in einer Notaufnahme auf der Titelseite einer bekannten Tageszeitung Deutschlands in entsprechender Aufmachung als »Uniklinik-Skandal« publiziert wurde (BILD 2015).
Neben der Schädigung der physischen und psychischen Integrität von Patienten und Personal sowie dem Reputationsverlust durch negative Berichterstattung stellen patientensicherheitsrelevante Probleme auch ein ökonomisches Problem dar. Neben steigenden Prämien der Haftpflichtversicherer bis hin zur fraglichen Versicherbarkeit einzelner Organisationbereiche publizierte die OECD 2017 eine Studie, die basierend auf den derzeit verfügbare...

Inhaltsverzeichnis

  1. Deckblatt
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Geleitwort
  5. Inhalt
  6. Vorwort
  7. 1 Risikomanagement im Spannungsfeld Notaufnahme
  8. 2 Bedeutende klinische Risiken in der Notaufnahme
  9. 3 Hilfestellungen zur Implementierung und Aufrechterhaltung von Risikomanagement in der Notaufnahme
  10. 4 Fazit der Herausgeber
  11. Autorenverzeichnis
  12. Sachwortverzeichnis