Bibliodrama
eBook - ePub

Bibliodrama

Ein Lehr- und Praxisbuch

  1. 340 Seiten
  2. German
  3. ePUB (handyfreundlich)
  4. Über iOS und Android verfügbar
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Bibliodrama

Ein Lehr- und Praxisbuch

Über dieses Buch

In diesem Lehr- und Arbeitsbuch, das Lust macht auf das vom Psychodrama abgeleitete Bibliodrama, beschreibt Helmut Kreller nach einer theoretischen Grundlegung detailliert und spürbar praxiserfahren Arrangements und Methoden, geordnet nach den drei Schritten >Erwärmung – Im Textraum – Integration<, die sich im Rahmen bibliodramatischer Arbeit bewährt haben. Dadurch bietet er Einsteigern wie erfahrenen Bibliodramatiker/innen ein weites Spektrum an Theorie, Praxis und weiterführenden Informationen. Einige ausgeführte Beispiele zu Ausschreibungen, verschiedenen Anwendungfeldern und Seminarverläufen, runden das Buch ab.

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Information

1 Grundlegung

1.1 Was ist Bibliodrama?

1.1.1 Allgemeines

»Es gibt nichts Neues unter der Sonne. Geschieht etwas, von dem man sagen könnte: ›Sieh, das ist neu‹? Es ist längst vor uns geschehen in den Zeiten, die vor uns geschehen sind«, meint der Prediger Salomo (Koh 1,9b.10). Und in Goethes Faust II sagt Mephisto zu den Zuschauern: »Auch hier geschieht, was längst geschah, denn Naboths Weinberg war schon da.«1
Und tatsächlich: Es gibt keine wirklich neue menschliche Erfahrung. Die großen menschlichen Erfahrungen, die existentiellen Erfahrungen, sind immer gleich. Und es gibt keine dieser Erfahrungen, die nicht auch schon in der Bibel stünde. Alles, was Menschen miteinander und mit Gott erlebt haben und erleben können, ist in diesem Buch bereits Schrift geworden. Die Bibel wird so als Schrift gewordener Niederschlag der von Menschen erlebten Gotteserfahrung verstanden. Was Menschen Jahrhunderte vor uns in ihrem Leben vom Handeln Gottes erfahren haben, ihre Antworten und Gebete, all das ist in der Bibel gleichsam zu Schrift »geronnen«. Jacob Levy Moreno, der Begründer des Psychodramas, nennt diesen Niederschlag, diese Verschriftlichungen menschlicher Erfahrungen »Kulturkonserven.«2
Bibliodrama (der Begriff »Bibliodrama« setzt sich aus den beiden griechischen Worten »biblion« = »Buch« und »drama« = »Handlung« zusammen und ist wohl Ende der 60er Jahre in Analogie zu Psychodrama gebildet worden) ist der Versuch, die alten biblischen Geschichten mit den vermeintlich »neuen« Lebenserfahrungen heutiger Menschen zusammenzubringen, so dass mein heutiges Leben den biblischen Text deutet und der biblische Text mein Leben. Menschen von heute schlüpfen in die Rollen der Menschen von damals und verlebendigen und vergegenwärtigen so die alten biblischen Geschichten. Auch die in den biblischen Geschichten gespeicherten Heilszusagen können dadurch heute in mein je eigenes Leben einfließen und dieses verändern. »Bibliodrama ist die lebendige Auslegung eines biblischen Textes in die emotionale, politische und religiöse Gegenwart der Teilnehmenden hinein. Im Gemeinsamen und Dissonanten trägt es einen Lebensimpuls in sich.«3
Kurz gefasst kann man sagen:
  • Bibliodrama ist ein kreativer und spontaner Prozess
    Jedem Menschen, der »gesund« geboren wird, sind nach Moreno Kreativität und Spontaneität geschenkt worden. Die Kreativität ist dabei der Anteil, den der Mensch an Gottes Schöpferkraft hat. Wie Gott die Menschen und die Welt erschaffen hat, so kann und soll der Mensch mitschaffen, mitbauen an Gottes neuer Welt.
    Die Spontaneität ermöglicht es dem Menschen, dabei auch Neues zu schaffen, nicht immer nur Altbekanntes zu wiederholen. Durch das Vermeiden dieser immer gleichen Muster machen Kreativität und Spontaneität das menschliche Handeln in jedem Moment unvorhersehbar und nicht planbar. Es wird zu einem lebendigen Prozess. Dieser kreative und spontane Prozess soll auch im Bibliodrama die altbekannten biblischen Texte aus der ewig gleichen Rezitation erlösen, neu zum Leben erwecken und neu fruchtbar machen für ein besseres Leben und eine bessere Welt.
  • Bibliodrama ist eine Haltung
    Diese Prozesshaftigkeit des Bibliodramas hat zur Folge, dass die Leitung eines Bibliodramas nicht das Erlernen einiger weniger Methoden erfordert, sondern das Erlernen und Einnehmen einer bestimmten Haltung – den Menschen und dem biblischen Text gegenüber. Diese Haltung wird unter 1.1.18 näher beschrieben.
  • Bibliodrama ist Slow Motion mit intensiver Beteiligung möglichst vieler Sinne und Gefühle
    Wer mit seinem Auto auf der Autobahn dahinrast, kann die Blumen und Insekten auf den Wiesen neben der Autobahn nicht erkennen – und will es wahrscheinlich auch nicht. Wer es aber möchte, der braucht Verlangsamung, Slow Motion. Dazu muss ich die Autobahn verlassen, mich auf die Wiese begeben und in Muße die Schönheit und die Einzelheiten der Wiese erkunden. So ist es auch mit biblischen Texten. Auch das einfache Verlesen eines vermeintlich bekannten Textes ist immer noch sehr schnell. Erst wenn ich einsteige in den Text, mich mit viel Zeit und allen Sinnen einlasse auf seine Bilder und seine Schönheit, wenn ich seine Rollen ausprobiere und die Patina durchdringe, die er in der langen Tradition angelegt hat, erst dann werden die Blumen und Farben des Textes neu erstrahlen.
Bibliodrama hat sich Anfang der 70er Jahre entwickelt – auch aus einem spürbaren Unbehagen an den festgefahrenen Traditionen kirchlicher Verkündigung. Vieles wurde damals probiert, um biblische Texte zu demokratisieren. Es war die Zeit der narrativen Theologie, der feministischen Aufbrüche, des politischen Engagements der Gläubigen.
Dennoch hat sich bis heute an den Strukturen der Verkündigung nicht wirklich viel verändert. Von der Aufbruchsstimmung des Kirchentags in Nürnberg 1979 beispielsweise ist in der Kirche nur noch wenig zu spüren. Noch immer ist Predigt und Religionsunterricht eher eine Einbahnstraße, noch immer liegt die Deutungshoheit von biblischen Texten nahezu ausschließlich beim Pfarrer oder der Religionslehrerin 4.
Bibliodrama wollte dem ein prozessuales Gruppengeschehen entgegensetzen, das demokratisch und herrschaftsfrei ist, erfahrungsorientiert und ergebnisoffen. Menschen von heute, möglichst Menschen jeden Alters und jeder sozialen Schicht, sollten herausfinden, was ihnen die alten Texte der Heiligen Schrift konkret in ihrem je eigenen Leben zu sagen hätten – und ob sie ihnen noch etwas zu sagen hätten. Nicht von außen erklärt mir jemand, der mein Leben gar nicht wirklich kennt, die Bedeutung dieser Perikope für mich und mein Leben, sondern ich selbst – als der einzige wirkliche Spezialist für mein Leben, als die »größte eigene Autorität«5 für mich selbst – verwebe mich spielerisch, spontan und kreativ hinein in den alten Text und finde selbst heraus, wo der Text auf mein Leben trifft und umgekehrt.
Es hat nicht an Kritik gefehlt an dieser »neuen« Methode. Sie wurde als bloße Spielerei und pseudotherapeutische Methode abgetan oder als pseudotheologisch verteufelt. Ihr wurde vorgeworfen, sie gehe respektlos mit den biblischen Texten um und sie gebe diese der Beliebigkeit oder gar der Gefühlsduselei preis.
Zugleich erlebte Bibliodrama in den folgenden Jahren einen Boom, der bis heute nicht vorbei ist. Und schon 1989 hieß es in der Berliner taz: »Der bibliodramatische Zauber lässt sich nur erleben, nicht erklären, nur erfühlen, nicht ergründen, nur erfahren, nicht erfassen, nur verspüren, keinesfalls verstehen.«6 Und in den Nachrichten der Bayerischen Landeskirche stand 1989: »Insgesamt könnte Bibliodrama die um sich greifende Bibelmüdigkeit und die Unkenntnis biblischer Geschichten (auch bei Theologie-Studierenden!) durchbrechen und wieder Lust machen auf Schönheit und Wahrheit biblischer Geschichten. Wer sich auf das Spielen im Bibliodrama einlässt, der spielt sich jetzt schon hinein in das Heil und die Ewigkeit unseres Gottes. Skeptiker seien deshalb gewarnt: Bibliodrama-Erfahrungen sind ansteckend!«7
Was so vor Jahren aus Methoden von Psychodrama, Theater der Unterdrückten, Rollenspiel, Theaterpädagogik, Gestalttherapie u.a. zusammenfloss und sich als »Bibliodrama« manifestierte, hat sich heute längst kirchlich und religionspädagogisch etabliert. An vielen Orten werden Kurz- und Langzeitausbildungen angeboten, in vielen Kirchengemeinden, Bibelgruppen und Hauskreisen gibt es immer wieder Bibliodramaseminare. Viele Einrichtungen greifen für Workshops, Kurse oder Jahreskonferenzen auf Bibliodrama zurück.8
In unzähligen Lehrplänen für alle Schularten und Altersstufen werden »Bibliodrama«9 oder die Arbeit mit »bibliodramatischen Elementen«10 als Vorschlag zur ganzheitlichen Unterrichtsgestaltung empfohlen.
Durch die (in manchen Bundesländern noch im Entstehen befindlichen) neuen Lehrpläne für den Religionsunterricht mit Schwerpunkt Kompetenz- und Erfahrungsorientierung und durch das Voranschreiten des Ganztagsschulbetriebs wird Bibliodrama noch erheblich verstärkt einzusetzen sein und zunehmend im Religionsunterricht verankert werden.
Mit Sitz in Bielefeld versucht die »Gesellschaft für Bibliodrama e.V. (GfB)«11 die vorhandenen Angebote öffentlich zu machen und zu strukturieren und in der Zeitschrift »textraum« den Diskurs über Bibliodrama lebendig zu halten. Die Gesellschaft für Bibliodrama ist es auch, die sich bemüht, die verschiedenen Ansätze und Schulen von Bibliodrama ins Gespräch und den Austausch voranzubringen. Durch das Formulieren von Standards für Bibliodramaleiter und Lehrbibliodramaleiterinnen sichert sie die Qualität der Leiter und Weiterbildnerinnen. Zugleich fördert sie den Austausch in Europa über die Landesgrenzen hinweg, beispielsweise durch die Teilnahme und Veranstaltung des »Europäischen Bibliodramakongresses«.

1.1.2 Die Konstituenten des bibliodramatischen Handlungsraumes

Vier Komponenten sind Voraussetzung dafür, dass ein Bibliodrama überhaupt stattfinden kann:
  • Es muss ein biblischer Text gefunden sein.
  • Es braucht einen geeigneten Raum (Bühne).
  • Es muss sich eine Gruppe eingefunden haben.
  • Es muss eine ausgebildete Bibliodrama-Leitung anwesend sein.

1.1.2.1 Der biblische Text

Der Schweizer Pfarrer und Dichter Kurt Marti assoziierte zu dem, was wir sonst so kurz »biblischen Text« nennen, Folgendes:
»1 Ein Buch?
Mehr noch: Eine Bücherei!
66 verschiedene Bücher von nicht nur 66 verschiedenen Autoren,
denn manch eines enthält (nach Art der hölzernen Babuschkas)
in sich wiederum drei, vier kleinere Bücher verschiedener Autoren.
2 Nicht zu vergessen
die namenlosen Scharen späterer Bearbeiter, Ergänzer, Verknüpfer,
der fromme Fleiß ihrer minutiösen Text-Finissage
während rund eines Jahrtausends jüdisch-urchristlicher Geschichte
3 Allmählich entstand so:
ein Bücherbuch vieler Stimmen,
die nacheinander, nebeneinander, durcheinander, gegeneinander, miteinander
reden, singen, murmeln, beten.
Dissonanzen? Jede Menge.
Widersprüche? Noch und noch.
Kein ausgeklügeltes Buch.
Hundert Stimmen Strom (selbst Schriftgelehrte ermessen ihn nicht) – wohin
will er tragen?
Über Schwellen, Klippen, Katarakte heimzu, heilzu (hoff ich).
4 Merklich oder unmerklich nämlich
strömen die verschiedenartigen, die verschiedenzeitlichen Stimmen
denn doch und stets wieder zu EINER Stimme zusammen:
»Das Wunder dieses Zusammenfließens ist größer als das Wunder eines
einzigen Autors.« (Emanuel Levinas)
5 Viel-Stimmen-Buch also,
geselliges Buch (geselligstes der Weltliteratur!):
in ihm wird die Eine, die verlässliche Stimme
der geselligen Gottheit laut.«12
Grundlegend für jedes Bibliodrama ist ein biblischer Text des Alten oder Neuen Testamentes, ein kleiner Teil dieses »Viel-Stimmen-Buches« also. Grundlage des Bibliodramas ist damit das Buch, das auch Grundlage der christlichen Religion ist.
Judentum, Islam und Christentum sind die drei großen Buchreligionen. Die Idee der Buchreligion geht wohl auf das jüdische Exil zurück. Das Buch (zuerst vermutlich das Deuteronomium, dann die Tora und schließlich der Kanon der Hebräischen Bibel) wurde zur Urkunde der Identität Israels. Die hebräische Bibel war den Juden »portatives Vaterland«13, mitnehmbare Heimat, die an die Stelle des untergegangenen Staates und des zerstörten Tempels treten konnte. In der Schrift konnte zuhause sein, wer im Exil, im Getto, in den Ländern der Gola nie ganz zu Hause war. »Portativ« war dieses Vaterland nicht nur darin, dass ein Buch ein transportierbarer Gegenstand ist, sondern auch dadurch, dass man es sich einverleiben konnte.
Jüdische wie christliche Heilige Schrift unterlagen einem Prozess der Kanonisierung. Unterschiedliche Strömungen versuchten, überlieferte Texte in einem...

Inhaltsverzeichnis

  1. Titelseite
  2. Inhaltsverzeichnis
  3. Vorwort
  4. 1 Grundlegung
  5. 2 Praxis
  6. 3 Beispiele
  7. 4 Literatur
  8. 5 Detailliertes Inhaltsverzeichnis
  9. Impressum