Vom Sämann
Die Saat der Liebe
Anni und ihr Großvater lesen gemeinsam den Artikel:
Sich (neu) verlieben? Sich (ganz) öffnen? Oder sich doch lieber die Ohren zuhalten, verschließen oder verstopfen?
Eine echte Liebeserklärung, die keinen täuschen oder überrumpeln will, kann überwältigend sein. Wer ihr sein Ohr schenkt, begibt sich auf eine innere Entdeckungsreise. Sie ist der Schlüssel, der zu neuen Räumen gemeinsamen und sinnstiftenden Glücks führt.
Ähnliches geschieht im Reich Gottes.
Jesus, gleichsam der Sämann dieses Reiches, sät, indem er die Liebe Gottes „erklärt“: Dein Schöpfer liebt dich unendlich. Du bist und bleibst deshalb Träger einer unantastbaren und unverlierbaren Würde. Du bist einzigartig und unverwechselbar, nicht austauschbar, auch nicht verhandelbar.
Jesus war kein Schwärmer, sondern Realist.
Er weiß, dass es Menschen gibt, bei denen seine Botschaft ins eine Ohr hinein und durchs andere gleich wieder herausgeht. Die Saat fällt bei diesen Menschen auf einen ausgetretenen Weg und die Vögel, die vielen Zufälle mit ihren „bösen“ Überraschungen, fressen es auf.
Die Botschaft ist gleichsam eine Stichflamme, die nur kurz aufflackert, weil der mächtige Zeitgeist keine Chance auf weitere Lichterfahrungen zulässt.
Jesus sind auch Menschen bekannt, bei denen seine gute Nachricht nur ein Strohfeuer der Gefühle entfacht, das dann aber angesichts der Wurzellosigkeit nicht von Dauer ist. Die Saat fällt auf felsigen Grund mit wenig Erde, geringem geistigem Tiefgang und viel bequemer Oberflächlichkeit.
Und auch das gehört für Jesus zur Realität: Seine Liebeserklärung wird von Dornen erstickt, von neuen Gottheiten mit menschlichen Masken, von heuchlerischen und gewieften Täuschern, die die Ohren anderer zu dröhnen. Die einen geistigen Schwelbrand verursachen, der glimmt, aber nicht richtig zum Brennen kommt, weil es zu wenig Sauerstoff gibt, zu wenig Offenheit, Wahrhaftigkeit und Vertrauen.
Was für Jesus von seiner Liebeserklärung auf „gutes Land“ fällt, bringt jedoch vielfältige Frucht, weil es durch das Ohr ins Herz geht und dort reift. Es entsteht gleichsam ein inneres Lagerfeuer, das die Kälte einer Seele erwärmt, die Dunkelheit des Geistes erleuchtet und die trägen Füße des sozialen Miteinanders bewegt.
Was nicht ausdrücklich im Gleichnis vom Sämann in der Bibel steht, kann aber trotzdem gemeint sein: Gehören nicht zu ein und demselben Menschen verschiedene Anteile - die eines ausgetretenen Weges, eines felsigen Grundes, einer Fülle von Dornen? Und kommt es nicht darauf an, diese verschiedenen Herausforderungen und Gegebenheiten zunächst anzunehmen sowie dann mit Geduld und Besonnenheit so zu gestalten, dass sie sich miteinander versöhnen, um „gutes Land“ zu werden, neu und fruchtbar?
Wer der Liebeserklärung sein Ohr ganz öffnet, der kann sogar etwas ganz Neues, noch nie Erlebtes, hören und sehen, schmecken und fühlen – wie freundlich der Schöpfer ist.
Indem der Hörende sich in die Liebe selbst – vielleicht sogar ganz neu - verliebt, kommt er dem Geheimnis der Liebe Gottes auf die Spur.
Vom Schalksknecht
Vergeben?
Anni und ihr Großvater lesen gemeinsam den Artikel:
Gibt es einen Schatten in jedem Menschen? Hoch und heilig ist alles versprochen worden. Doch das Versprechen wird nicht eingehalten. Ein Mensch fühlt sich getäuscht und ist enttäuscht, gekränkt und verletzt, wütend und zornig. Jetzt in die Offensive gehen, genau aufrechnen und abrechnen? Alte Kamellen aufs Butterbrot schmieren? Das gemeinsame Tischtuch endgültig zerschneiden?
Aber hat da nicht jemand etwas vergessen?
Jesus erzählt seinem Freund Petrus eine Geschichte, die im Matthäusevangelium überliefert ist. Ein Statthalter, die Bibel kennt dafür den Begriff „Knecht“, schuldet seinem König eine astronomische Summe Geld. Da der Schuldner die große Schuld nicht begleichen kann, soll er alles verkaufen, was er hat – auch sich selbst, seine Frau und Kinder in die Sklaverei. Da bittet ihn der Schuldner innig, Geduld zu haben, bis er alles bezahlen kann. Der König als Gläubiger zeigt Mitgefühl und Menschlichkeit, lässt ihn frei und erlässt ihm sogar seine ganze Schuld.
Die Mitknechte staunen jedoch nicht schlecht, als derselbe Knecht einen anderen Knecht, der ihm einen geringfügigen Geldbetrag schuldig ist, ihn angreift, würgt und auffordert, seine Schuld zu begleichen. Auch der bittet ihn innig um Geduld und Aufschub – jedoch ohne Erfolg und landet im Gefängnis.
Als die Mitknechte den König über den Vorgang informieren, stellt dieser den Statthalter zur Rede. Er habe ihm doch auf seine Bitte hin seine Schuld erlassen: Hätte er sich da nicht auch über seinen Mitknecht erbarmen können?! Der „Schalksknecht“, der selbst Barmherzigkeit empfangen hat, aber sich unbarmherzig verhielt, landet im Gefängnis.
Bevor Jesus diese Geschichte mit einem fehlenden Happy End erzählt, hat Petrus Jesus nach der Häufigkeit der Vergebung gefragt („siebenmal“?). Und Jesus gab ihm als Antwort, dass die Vergebungsbereitschaft unbegrenzt sein sollte („siebenzigmal siebenmal“!).
Vielleicht hat Petrus auch die Botschaft der sich anschließenden Geschichte verstanden: Mach dir bewusst, dass jeder Mensch von dem Geschenk der Barmherzigkeit seines Schöpfers lebt, um auch barmherzig gegenüber seinem Nächsten sein zu können. Denn die Grundlage eines gelingenden und glücklichen Lebens ist nicht Berechnung oder Taktik, Selbstgerechtigkeit oder Perfektion, sondern die Grundhaltung der Barmherzigkeit, die das gemeinsame Suchen nach humanen und rationalen Lösungen sowie Neuanfängen ermöglicht.
Und keiner sollte dabei vergessen, den eigenen Schatten, den Schalksknecht in ihm, in das Licht göttlicher Wahrheit zu stellen. Um zur Liebe befreit zu werden.
Vom Verlorener Sohn
Einladung an alle
Anni und ihr Großvater lesen gemeinsam den Artikel:
Was für ein Mensch! Er bevormundet nicht, auch gängelt er nicht. Er schenkt seinen beiden Söhnen vielmehr Vertrauen und Zutrauen – gratis und ermöglicht dadurch Gemeinschaft mit ihm - freiwillig und aus freien Stücken. Der Vater kann verstehen, dass beide Söhne glücklich sein wollen – der eine allerdings durch Selbstbehauptung, Maß- und Grenzenlosigkeit in der Ferne, der andere durch Überanpassung und Veränderungsängste in der Nähe. Beide befreit der Vater durch seine bedingungslose Liebe – den einen von der Fessel seiner Bindungsunfähigkeit und seinem Ego-Trip, den anderen von der Fessel seiner Selbstgerechtigkeit und seines Neides.
Die Rede ist von der Parabel vom „Guten Vater und seinen zwei Söhnen“, die Jesus erzählt hat und die im Lukasevangelium überliefert ist.
Aber der Reihe nach: Der jüngere Sohn bekommt auf dessen Wunsch sein Erbteil, eine Abfindung vom verfügbaren Vermögen. Und wandert aus. Unbekannt ist, ob er Abenteuerlust verspürte, einfach selbstständig werden wollte oder die Nase von der Familie voll hatte. Auf jeden Fall bringt er „sein Gut um mit Prassen.“ Als er anfängt, Hunger zu leiden, erinnert er sich an seinen Vater. Hatte sein Vater nicht für seine Mitarbeiter immer etwas zu essen? Ging der nicht stets wertschätzend mit ihnen um?
Also beschließt er, zurückzukehren und ihn um Arbeit zu bitten: Ich habe Mist gebaut und nicht verdient, dein Sohn zu heißen. Aber bitte mach mich zu einem Mitarbeiter von dir.
Als ihn sein Vater aus der Ferne zurückkehren sieht, hat sein Vater Mitleid mit ihm, läuft ihm entgegen, fällt ihm um den Hals und küsst ihn. Damals war das für orientalische Ohren außergewöhnlich, „unter seiner Würde“, jemandem entgegen zu kommen. Und zudem kennt der Vater zu diesem Zeitpunkt auch nicht die Motive seines Sohnes, zurückzukehren.
Der Vater geht jedoch noch einen Schritt weiter. Als der Sohn sein Anliegen vorgetragen hat, nur ein normaler Mitarbeiter zu werden, lässt der Vater seinen Sohn überraschenderweise mit Festgewand („Ehrengast“), Ring („Vollmacht“), Schuhe („Freier Mann“) ausstatten und ein fröhliches und üppiges Fest feiern.
Denn sein verlorener Sohn, so der Vater, war tot, ist wiedergefunden und lebendig geworden.
Als der ältere Sohn davon erfährt wird er zornig und beschließt, der Feier fernzubleiben. Doch auch zu ihm geht der Vater und versucht ihn zu überzeugen, mitzufeiern. Doch dieser Sohn hat kein Verständnis für das Verhalten seines Vaters und erhebt stattdessen schwere Vorwürfe: Die Feierlichkeiten und die Wiederaufnahme seines Bruders, der „dein Gut mit Dirnen“ verprasst habe, seien ihm gegenüber ungerecht, da er dem Vater viele Jahre gedient habe, immer gehorsam gewesen sei und nie ein Fest ermöglicht bekommen habe.
Der Vater reagiert wieder überraschend. Er verurteilt den älteren Sohn nicht, sondern versucht ihn erneut zu gewinnen: „Du bist allezeit bei mir, und alles, was mein ist, das ist dein.“ Und gäbe es nicht auch für ihn einen überzeugenden Grund, fröhlich und guten Mutes zu sein, da sein verlorener Bruder wiedergefunden worden ist. Und noch lebt, wieder lebt?!
Was für ein guter Vater?! Er erinnert an Jesus selbst wie er wegen seiner Tischgemeinschaft mit Zöllnern und Sündern von den frommen Gutmenschen der damaligen Zeit heftig kritisiert wurde. Weil sie nicht verstehen wollten, dass die Liebe Gottes von Fesseln befreit und eine vorauseilende und – provozierende – bedingungslose Einladung an alle ist, in der frohmachenden Bindung an Gott frei zu werden – und zu bleiben.
Von Maria und Marta
Im Hamsterrad
Großvater und Anni lesen gemeinsam einen Artikel:
Er rackert sich ab, kommt aber nicht von der Stelle. Das Tempo kann beschleunigt, der Einsatz und die Aufwendungen können erhöht werden. Um bloß nichts zu verpassen, zu verlieren oder zu vergessen.
Aber ein wirklicher Erfolg stellt sich nicht ein.
Im Hamsterrad des Lebens gibt es keinen echten Fortschritt. Auf Dauer nur (Selbst-) Täuschungen, Schwindelgefühle, Erschöpfung. Und im schlimmsten Fall liegt der Getriebene (selbst-) zerstört am Boden.
Hilft es, das Tempo im Laufrad zu verlangsamen, wenn die Angst und die Gier im Nacken sitzen, das eigene Denken zensiert, das korrekte Verhalten vorgeschrieben wird, Termine die Herrschaft übernommen haben?
Soll sich ein gedankenloser Raser zu einem denkfaulen Döser häuten, um im Laufrad zu überleben? Reicht ein kleines Ruhekissen aus - in der schnellen, schnelllebigen und immer bunter werdenden Zeit mit dem Wahn der Gleichzeitigkeit und dem postmodernen Anders-sein-Können?
Von einer neuen Perspektive im Hamsterrad berichtet das Lukasevangelium. Jesus war Gast in einem Haus, in dem sich zwei Frauen unterschiedlich verhielten.
Die eine Frau kümmerte sich vor allem um das Gastmahl. Ihre Schwester hörte „nur“ den Worten Jesu zu.
Die „Aktive“ beschwerte sich daraufhin bei Jesus - über die „Passive“: „Warum hilft sie nicht?“ Und vielleicht hat sie noch hinzugefügt: „Kannst du ihr nicht ins Gewissen reden?!“
Doch Jesus tut ihr nicht diesen Gefallen. Er wird nicht zum einfachen Parteigänger des Dienens. Zwar anerkennt er die „Sorge und Mühe“ einer aktiven Frau. Aber er verherrlicht nicht ihre Aktivität, jedoch auch nicht das Zuhören, das Nachdenken über „Gott und die Welt“. Jesus gib...