Verführung - Der Geiger David Garrett öffnet die klassische Musik
eBook - ePub

Verführung - Der Geiger David Garrett öffnet die klassische Musik

  1. 240 Seiten
  2. German
  3. ePUB (handyfreundlich)
  4. Über iOS und Android verfügbar
eBook - ePub

Verführung - Der Geiger David Garrett öffnet die klassische Musik

Über dieses Buch

Klassik in der Krise? Für den Geiger David Garrett gilt das nicht. Ausverkaufte Konzerthallen, ein Sturm auf die Klassikcharts und eine riesige Fangemeinde zeugen vom Erfolg seines Engagements für den Erhalt der klassischen Violinmusik. Was ist sein Geheimnis? Er hat ein Konzept. Diesem Konzept nachzuspüren ist spannend und aufregend.

Häufig gestellte Fragen

Ja, du kannst dein Abo jederzeit über den Tab Abo in deinen Kontoeinstellungen auf der Perlego-Website kündigen. Dein Abo bleibt bis zum Ende deines aktuellen Abrechnungszeitraums aktiv. Erfahre, wie du dein Abo kündigen kannst.
Derzeit stehen all unsere auf mobile Endgeräte reagierenden ePub-Bücher zum Download über die App zur Verfügung. Die meisten unserer PDFs stehen ebenfalls zum Download bereit; wir arbeiten daran, auch die übrigen PDFs zum Download anzubieten, bei denen dies aktuell noch nicht möglich ist. Weitere Informationen hier.
Perlego bietet zwei Pläne an: Elementar and Erweitert
  • Elementar ist ideal für Lernende und Interessierte, die gerne eine Vielzahl von Themen erkunden. Greife auf die Elementar-Bibliothek mit über 800.000 professionellen Titeln und Bestsellern aus den Bereichen Wirtschaft, Persönlichkeitsentwicklung und Geisteswissenschaften zu. Mit unbegrenzter Lesezeit und Standard-Vorlesefunktion.
  • Erweitert: Perfekt für Fortgeschrittene Studenten und Akademiker, die uneingeschränkten Zugriff benötigen. Schalte über 1,4 Mio. Bücher in Hunderten von Fachgebieten frei. Der Erweitert-Plan enthält außerdem fortgeschrittene Funktionen wie Premium Read Aloud und Research Assistant.
Beide Pläne können monatlich, alle 4 Monate oder jährlich abgerechnet werden.
Wir sind ein Online-Abodienst für Lehrbücher, bei dem du für weniger als den Preis eines einzelnen Buches pro Monat Zugang zu einer ganzen Online-Bibliothek erhältst. Mit über 1 Million Büchern zu über 1.000 verschiedenen Themen haben wir bestimmt alles, was du brauchst! Weitere Informationen hier.
Achte auf das Symbol zum Vorlesen in deinem nächsten Buch, um zu sehen, ob du es dir auch anhören kannst. Bei diesem Tool wird dir Text laut vorgelesen, wobei der Text beim Vorlesen auch grafisch hervorgehoben wird. Du kannst das Vorlesen jederzeit anhalten, beschleunigen und verlangsamen. Weitere Informationen hier.
Ja! Du kannst die Perlego-App sowohl auf iOS- als auch auf Android-Geräten verwenden, um jederzeit und überall zu lesen – sogar offline. Perfekt für den Weg zur Arbeit oder wenn du unterwegs bist.
Bitte beachte, dass wir keine Geräte unterstützen können, die mit iOS 13 oder Android 7 oder früheren Versionen laufen. Lerne mehr über die Nutzung der App.
Ja, du hast Zugang zu Verführung - Der Geiger David Garrett öffnet die klassische Musik von Maria L. Schöner im PDF- und/oder ePub-Format sowie zu anderen beliebten Büchern aus Mezzi di comunicazione e arti performative & Musica. Aus unserem Katalog stehen dir über 1 Million Bücher zur Verfügung.

The Stuff Of Legend

Den Geiger David Garrett hörte ich zum ersten Mal im Jahr 2011 im Rundfunk. Er spielte das Violinkonzert von Ludwig van Beethoven. Weil mich sein Spiel an Menuhin erinnerte, blieb mir der Name David Garrett im Gedächtnis haften. Über den Geiger selbst wusste ich nichts.
Das änderte sich schlagartig. Ich saß mit einigen Freunden nach dem Finale der Beethoven Competition für Klavier in Bonn zusammen. Bei dem Gedanken, einen solchen Wettbewerb in der Beethovenstadt auch für die Violine zu verankern, erzählte ich von meinem musikalischen Hörerlebnis mit dem Geiger David Garrett. Die Reaktion glich einer Explosion der Ablehnung. Ich war verblüfft. Was geschah hier? Hatten die Leute keine Ohren? In diesem Moment erwachte eine gewaltige Widerspruchslust in mir. Vor allem aber wurde ich neugierig darauf, wer dieser Geiger war und warum Menschen so leidenschaftlich auf ihn reagierten. Ich begab mich auf Spurensuche.
War ich in den Bann der Violine geraten, als ich Beethovens Violinkonzert mit Garrett hörte, so geriet ich bei meinen Recherchen in den Bann seiner Person. Dieser Bann steigerte sich, als ich ihn live auf den Bühnen spielen sah. Es geht einem durch und durch, wenn er so greifbar nah vor einem steht, sagte eine Freundin im Opernhaus von Neapel, als wir vorne im Parkett wenige Meter entfernt das Violinkonzert von Max Bruch mit ihm hörten.
Mehr und mehr wurde mir klar, was die klassische Musikwelt bei diesem Geiger bewegt. Er fordert zum Widerspruch geradezu heraus, denn er ist ein außergewöhnlicher Geiger und ein ungewöhnlicher Mensch.
Er macht wahr, was andere sich nicht trauen. Er setzt seinen Sexappeal ein, um sein Ziel zu erreichen: möglichst viele Menschen in seine Konzerte zu locken und sie für klassische Geigenmusik zu gewinnen. Wie dereinst Paganini. Nicht teuflisch wie dieser, sondern erotisch. Versinnbildlicht auf dem Foto der Rückseite der CD Virtuoso: kniend mit weit ausgebreiteten Armen, triumphierend die Geige in der hoch erhobenen linken Hand, den Bogen in der hoch erhobenen Rechten, mit offenem Hemd und fliegenden Haaren, aber mit geschlossenen Augen und einem entrückt begeisterten Gesichtsausdruck, in schwarzem Jackett und schwarzen Hosen, die das weiße Hemd strahlend hell leuchten lassen.
Ein Sinnbild der Öffnung Ein Sinnbild der Verführung.
Die Wahrnehmungen von Garrett und die Reaktionen auf sein Violinspiel sind zahllos. Was Musik einem Menschen geben kann, Freude, Glück, Träume, aber auch Zielstrebigkeit, Ernsthaftigkeit, Rückschläge, Arbeit und Einsamkeit gibt er mit der Violinmusik an seine Zuhörer weiter. Sein kometenhafter Aufstieg zum weltweit bekannten Violinisten wurde als Phänomen wahrgenommen und enthusiastisch beschrieben. »David Garrett is already the stuff of legend – in him is enshrined an entire Corpus of virtuoso violin art, expounded with a fearsome beauty beyond comprehension« schrieb das BBC Music Magazine in seiner Ausgabe im Januar 20142. Mit dieser poetischen (an entire Corpus of virtuoso violin art), fast religiös-ehrfürchtigen (in him is enshrined) und staunend-bewundernden (a fearsome beauty beyond comprehension) Beschreibung versuchte das BBC Magazine, diesem Musikphänomen nahezukommen, denn Garrett wurde und wird tatsächlich von vielen als die Verkörperung einer »umfassenden virtuosen Violinkunst« wahrgenommen, die sich mit einer »erschreckenden Schönheit über das Begreifbare hinaus« ausdrückt. Mit 34 Jahren hatte er nicht nur den Stoff zur Legende, sondern er war bereits eine Legende. Bis heute »klingeln die Kassen, hagelt es Preise, jubeln Zehntausende«, wo immer er auftritt. Beide, der Crossover-Star und der klassische Geiger Garrett, üben eine große Anziehungskraft auf viele Menschen weltweit aus. Viele nehmen Geigenunterricht, und manche Ältere kramen sogar ihre alten Violinen hervor, um wieder Etüden zu üben.
In einer Zeit, in welcher der Zustand der klassischen Musik allgemein als kritisch gilt, sticht dieser Geiger hervor. Denn beim Blick in seine Violinkonzerte kommt man nicht auf die Idee, dass sich die Musik, die er spielt, in einer Krise befindet. Die großen Konzertsäle sind voll und ausverkauft, das Publikum aus einem Gemisch aller Alters- und sozialen Klassen steht Schlange. Das gilt für alle seine Konzerte, nicht nur für seine Crossover-Konzerte, sondern auch für seine klassischen einschließlich seiner kammermusikalischen Konzerte. Er demokratisiert klassische Musik und macht sie Klassik-Neulingen mit scheinbar leichter Hand zugänglich. Sein Ziel sind besonders die jungen Leute.
Die Konzerte Garretts sind im klassischen Musikbetrieb immer noch eine Ausnahme. Denn ein Blick in die Zuhörerreihen der »normalen« klassischen Konzerte lehrt viele klassische Musiker das Fürchten. Ihre Musik ergraut. Der Blick in Konzerthallen und Opernhäuser zeigt: Grau in Grau, mit weißen Einsprengseln und ein bisschen Farbe. Das Publikum klassischer Musikveranstaltungen ist grauhaarig. Vor dem inneren Zukunfts-Auge passieren die nächsten Stationen der Entwicklung: Die Grauflächigkeit weicht der Weißflächigkeit, die freigehaltenen Plätze für Rollstühle nehmen erst zu und dann wieder ab, dann breiten sich Lücken in den Sitzplatzreihen aus, zum Schluss blickt man ins Leere.
Diese Entwicklung bereitet den Betroffenen des klassischen Musikbetriebes zunehmend Sorge. Viele suchen deshalb nach Wegen, die klassische Musik für ein junges Publikum zu öffnen. Auch die Medien nehmen sich seit längerem verstärkt dieses Themas an und machen Reklame. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung legte am 15. November 2014 als Verlagsspezial Nr. 8 ihrer Samstagsausgabe ein Heft mit dem Titel bei: »Taktvoll. Das Magazin für Ereignisse und Klänge«. Gleich auf den Seiten 4 und 5 sieht man ein großes Foto mit jungen Musikern. Es wird folgendermaßen kommentiert: »Die Zukunft vor Augen: Sir Simon Rattle, Chefdirigent der Berliner Philharmoniker, dirigiert den philharmonischen Nachwuchs der Orchesterakademie.« Das Foto und dieser Kommentar zeigen einen Musikbetrieb, der sich in den Reihen der Orchestermusiker um jungen Nachwuchs sorgt. Die Alterfahrenen, in diesem Fall der Dirigent Simon Rattle, fungieren als Mentoren oder lenken sogar noch aus dem Jenseits ihre Rekrutierung wie Herbert von Karajan, nach dessen Qualitätsvorgaben die jungen Musiker in diese Kaderschmiede des klassischen Musikernachwuchses aufgenommen werden.
Der Kommentar verheißt den jungen Musikern und damit auch der klassischen Musik eine hoffnungsvolle Zukunft. Verheißungen jedoch gehören in den Bereich der Hoffnung, nicht in den der Realität. Ein realistischer Blick in die Zukunft geht in drei Richtungen: zu der Musik, zu den Musikern und zum Publikum. Sicher lebt klassische Musik von denen, die sie machen. Aber Musik zu machen ist kein Selbstzweck. Denn nach der Freude über den Erfolg, in diese Kaderschmiede der Exzellenz mit einer monatlichen Unterstützung von 950 Euro aufgenommen worden zu sein, kommt die Ernüchterung der Lebenswirklichkeit, also die Frage nach einer Anstellung und einem Einkommen, mit dem sich auch mit einer Familie überleben lässt. Das aber werden die jungen Musiker nur erhalten, wenn sie ein Publikum haben, vor dem sie ihre Kunst zeigen können.
Klassische Musik wird von vielen als Musik für die Ewigkeit empfunden, als zeitlos, ein Empfinden, wie es David Garrett in dem CD-Titel Timeless für die Violinkonzerte von Max Bruch und Johannes Brahms zum Ausdruck bringt. Ohne Zuhörer schrumpft diese Ewigkeit aber rasant, denn mit dem entschwindenden alten Publikum entschwindet auch die klassische Musik, selbst in hehren Musiktempeln wie der Berliner Philharmonie. Ohne Publikum wird sie in die Mülltonne gestoßen oder landet als Anlageobjekt in den Safes der Wohlhabenden, neben den anderen Kulturschätzen der Welt. Zurück bleiben all die hochqualifizierten Nachwuchs-Pianisten, Geiger, Sänger, Dirigenten und Orchestermusiker. Wohin mit ihnen ohne ein neues, junges Publikum? Betroffene des klassischen Musikbetriebes nehmen diese Frage zunehmend ernst. Immer mehr setzt sich die Einsicht durch, dass zur Nachwuchsförderung für klassische Musik nicht nur die Förderung junger Musiker, sondern auch die Förderung eines jungen Publikums gehört. Die Frage ist nur, wie man das bewerkstelligen kann. An der Musik liegt es nicht, denn die Schönheiten klassischer Musik erschließen sich auch den Jungen. Auch für sie gilt, dass schön ist, was wir sehen, schöner noch, was wir kennen, bei weitem am schönsten aber, was wir nicht begreifen.
Der Geiger Garrett blieb nicht zurück.
Er fand das Zauberwort des »Sesam öffne dich« aus Tausend und einer Nacht, er fand den Zauberschlüssel, um die Felsentore der klassischen Musik für ein neues und junges Publikum zu öffnen und es zu den Wundern ihrer verborgenen Schätze zu führen. Als junger Geiger hatte er eine Vision, wie dieser Zauberschlüssel aussehen könnte: Klassische Musik im Crossover-Gewand. Mit ihm sah er Musikhallen voller Menschen, drei Generationen in einem bunten Gemisch unter einem Dach. Mit Enthusiasmus, Begeisterung, Freude und Leben. Seine Vision ist lebendig geworden. Die Arenen und Konzertsäle der Welt werden von Besuchern bis auf den letzten Platz besetzt. Die Medien sind voll von Berichten und Kommentaren über den Geiger und den Menschen David Garrett. Seine klassischen Aufnahmen werden bis heute nicht nur »aus Versehen gehört«3, denn sie verkaufen sich hunderttausendfach.

2 www.weigold-boehm.de/kuenstlerliste Januar 2014 bzw. BBCMusic-Magazin, Januar 2014
3 www.LAUT.de Kritik, 6. Nov. 2010

Verführung mit Bach und Beethoven

Sein Ziel, einem breiten, vor allem jungen Publikum den Zugang zu klassischer Musik zu öffnen, brachte ihn zu der Einsicht, jungen Menschen entgegenzukommen. Nur so konnte er sie für Violinmusik gewinnen. Mit dieser Einsicht war und ist er nicht der einzige, aber der erfolgreichste Geiger unserer Gegenwart.
Doch Ausnahmen bestätigen die Regel. Auch wenn der Name David Garrett inzwischen als Markenzeichen mit einem Superbrand versehen ist, kann man es drehen und wenden, wie man will, der allgemeine Zustand der klassischen Musik ist trotz eines großen Medienrummels wie bei einer ECHO-Klassik-Verleihung und aufgemotzter Klassik-Chart-Hierarchien kritisch. Der junge Publikumsnachwuchs ist dünn. Der amerikanische Dirigent Kent Nagano beschreibt die Situation in den USA so: Dort »gibt es bereits zwei Generationen, die nie mit klassischer Musik in Berührung gekommen sind«. Nagano sieht, wie viele andere Musikschaffende, diese Entwicklung nicht nur in den USA. Auch in Deutschland nimmt sie für ihn zusehends einen ähnlichen Verlauf. Er fasst seine Erfahrungen mit den Worten zusammen, dass viele junge Menschen keinen Zugang mehr zu klassischer Musik haben. Doch »wenn (sie) heute keinen Zugang mehr zu klassischer Musik haben, woher sollen sie dann wissen, ob sie diese Musik mögen oder nicht?«4
Kommen Musiker den jungen Leuten nicht entgegen, sind die meisten von ihnen kaum für klassische Musik zu gewinnen, zumal es normalerweise auch wenige Gelegenheiten gibt, sie mit Klassik zu reizen. Denn sie finden diese Musik unverständlich, abgehoben, alt und langweilig, fast schon tot. Sie lehnen sie deshalb ab. Wie sollen junge Leute also erfahren, dass sie lebt und Freude am Leben vermittelt? In der Regel fehlt eine realistische Chance, diese Musik kennenzulernen, stellte auch der Pianist Lars Vogt in einem Interview mit dem WDR 3 im August des Jahres 2014 zu Recht fest5.
Daran ändern auch die Imagepflege und die Aktionen sehr renommierter Orchester wie die der Berliner Philharmoniker und ihres scheidenden Chefdirigenten Simon Rattle wenig. Ein Interviewer der FAZ fragte ihn, ob sich das Image der Berliner Philharmoniker wirklich verändert habe. »Geöffnet? Gelockert? Finden heute mehr und andere, jüngere Leute in die Konzerte?« Rattle antwortete zwar optimistisch, was er im Hinblick auf seinen Wechsel zum London Philharmonic Orchestra und auf den Bau eines neuen Konzertsaals in London auch tun muss, aber er blieb zurückhaltend. Er sieht zwar bei den Lunchkonzerten und auch bei den Kinderkonzerten in Berlin Änderungen. Aber »den Kampf, die Philharmonie als Gebäude zu öffnen, der mit ‚Rhythm Is It‘ begann, haben wir noch nicht gewonnen«. Und auch die »neuen Konzertsäle, die überall gebaut werden, während das Publikum schrumpft«, sieht er nur unt...

Inhaltsverzeichnis

  1. Inhaltsverzeichnis
  2. Motto
  3. Der Geiger David Garrett öffnet die klassische Musik
  4. The Stuff Of Legend
  5. Die Geige singt wie eine Menschenstimme
  6. Verwurzelungen
  7. Liebeserklärungen mit der Geige
  8. Zeitlose Schönheiten: »Timeless«
  9. Barock-Barock vs. Rock-Barock Vivaldi vs. Vertigo
  10. Dieser Geiger traut sich was! Kammermusik für alle
  11. Auszug aus dem öffentlich zugänglichen klassischen Repertoire von David Garrett
  12. Impressum