B. Das Sit plus+ - Führungsmodell
B.1. Modernisierte Situative Führung
Mit unserem Sit plus+ - Modell haben wir das Situative Führungsmodell von Hersey & Blanchard (1977) erweitert und modernisiert.
Wir finden die Situative Führung sinnvoll und hilfreich. Nicht umsonst ist dieses Konzept ein Klassiker. In vielen Seminaren haben wir es selbst geschult und seinen Nutzen erfahren. Die Grundannahmen, die auch für unser Sit plus+ - Modell gelten, sind:
Grundannahmen der Situativen Führung bleiben gleich
Grafik 10: Grundannahmen der Situativen Führung, die auch für Sit plus+ gelten
Situative Führung bringt Unternehmen Vorteile
Situative Führung lohnt sich: Ein Unternehmen, das Situative Führung einfordert, hält seine Führungskräfte dazu an, Mitarbeiterführung auch wichtig zu nehmen und sich nicht nur mit Besprechungen und Mailbearbeitung zu beschäftigen. Führungstätigkeit wird als Dienstleistung an den Mitarbeitenden verstanden, damit diese sich zu der größtmöglichen Kompetenz entwickeln können, zu der sie fähig sind.
Dies halten wir für eine gute Grundlage. Allerdings erkannten wir einigen Modernisierungsbedarf.
Modernisierungsbedarf durch Veränderungen der Wirtschaft
In den 70er Jahren, als Hersey und Blanchard ihr Modell entwickelt haben, reichte die Aufgabenorientierung als einzige sachlich-fachliche Dimension aus, weil die Wirtschaft damals noch nicht von so vielen und schnellen Veränderungen geprägt war. Man konnte den Arbeitsplatz jedes Mitarbeitenden gründlich durchdenken und gestalten. Stellenbeschreibungen wurden fast in Stein gemeißelt für die Ewigkeit. Strategische Planungen umfassten zehn Jahre und mehr. Heute dagegen ist die Komplexität von Arbeitsplätzen, auch durch Qualitätsmanagements-, Zertifizierungs- und Regulierungsanforderungen, enorm gestiegen.
Schnelle Veränderungen erfordern unternehmerisches Denken
Diese Dynamik bringt die Notwendigkeit mit sich, dass bis an die Basis eigenständig Schlüsse gezogen werden. Teams können nicht mehr erwarten, dass alles zentral vorgedacht wird. Mitarbeitende müssen für sich überlegen, wie sich Change Prozesse und Marktentwicklung auf jeden einzelnen Arbeitsplatz auswirken, und die Führungskräfte sollen sie dazu befähigen.
Neue Führungsdimension: Ziel- und Leistungsorientierung
Um dies abzubilden, haben wir eine dritte Führungsdimension hinzugefügt, die Ziel- und Leistungsorientierung. Sie ergänzt die beiden anderen Dimensionen der Aufgaben- und Mitarbeiterorientierung und gibt ihnen einen unternehmerischen Rahmen.
Grafik 11: Die Führungsaspekte Aufgaben, Mitarbeiter und Unternehmen/Markt
Die Arbeit des Mitarbeitenden soll auch darauf ausgerichtet werden, welche Unternehmenssituation vorherrscht: Sanierungsphase oder Wachstumskurs? Organisationsstruktur von flexibel vernetzten Teams oder zentral durchstrukturierte Prozesse? Komfortable Marktnische oder harter Verdrängungswettbewerb? Je nach Situation müssen fachlich gleiche Aufgabengebiete dann anders angepackt werden.
Das Plus des Sit plus+ - Modells
Die neue dritte Führungsdimension, das „plus“ unseres Sit plus+ - Modells, gibt konkrete Hinweise für das Führungshandeln in diesem unternehmerischen Aspekt. Da geht es zum einen darum, die Anforderungen des Unternehmens an jeden Beschäftigten verständlich zu machen. Zum anderen soll durch Informationen und Gespräche ein immer besseres Verständnis des Mitarbeiters für die Zusammenhänge in Unternehmen und Markt, in die seine Arbeit eingebettet ist, erreicht werden.
Grafik 12: Bestandteile der ziel- und leistungsorientierten Führung
Anforderungen stellen meint nicht, einen Mitarbeiter auszupressen bis zum Burnout. Wir empfehlen vielmehr einen wohlwollenden, aber beständigen Anspruch, die Arbeitsweise und Qualität zu reflektieren und zu verbessern.
Gute Leistung macht zufrieden
Unserem Modell liegt insofern ein Menschenbild zugrunde, das davon ausgeht, dass es zufrieden macht und den Selbstwert stärkt, gute Leistung zu bringen (Leistungszufriedenheit). Anforderungen des Unternehmens können im positiven Sinne als Wachstumsimpulse wirken, die einen besser und leistungsfähiger werden lassen und mit Stolz erfüllen können.
Je kompetenter der Mitarbeiter, desto wichtiger die Ziel- und Leistungsorientierung
Wie bei den Führungsdimensionen im Modell von Hersey und Blanchard ist das Ausmaß, in dem eine Führungskraft Ziel- und Leistungsorientierung zeigen soll, abhängig vom Kompetenzgrad des Mitarbeiters. Und zwar in der Form: Je kompetenter er ist, desto wichtiger ist diese Führungsdimension. Bei einem wenig kompetenten Teammitglied sind hohe Anforderungen fehl am Platze. Erklärungen über unternehmenspolitische Hintergründe würden nur Verwirrung stiften. Dort kann die Ziel-/ Leistungsorientierung noch nicht zum Tragen kommen. Verbessert sich der Beschäftigte, umso mehr lohnt sich ein Blick über den Schreibtischrand hinaus, und umso mehr können auch seine bisherigen Lernerfahrungen genutzt werden, um die nächsten Schritte in der Leistungsverbesserung vorstellbar zu machen und einzufordern.
Die maximale Ziel- und Leistungsorientierung ist dann möglich, wenn der Mitarbeitende eine optimale Kompetenz besitzt. Hier kann die Führungskraft Spitzenleistungen abfordern und zum bereichsübergreifenden Denken anregen, um die hohe Kompetenz für möglichst viele Bereiche im Unternehmen nutzbar zu machen. Die Einbindung dieses sehr guten Mitarbeiters in unternehmensweite Projekte wird sich auszahlen.
High Performer richtig fordern und einsetzen
Neben dieser neuen Dimension enthält das Sit plus+ - Modell auch die beiden von Hersey und Blanchard vorgeschlagenen Dimensionen Aufgabenorientierung und Mitarbeiterorientierung.
Die Aufgabenorientierung, die sich mit dem konkreten Doing am jeweiligen Arbeitsplatz beschäftigt, wurde unverändert übernommen. Der Verlauf ist umgekehrt dem in der Ziel- und Leistungsorientierung.
Das Beziehungsband auch zu hochkompetenten Mitarbeitern nicht abreißen lassen
Die Mitarbeiterorientierung, die das Eingehen auf den individuellen Beschäftigten beinhaltet, wurde von uns im Verlauf abgeändert. Sie beschreibt bei Hersey und Blanchard eine umgekehrte U-Funktion: Im mittleren Kompetenzbereich des Beschäftigten ist die Mitarbeiterorientierung wichtig, davor und darüber hinaus nicht. Demgegenüber empfehlen wir, mitarbeiterorientiertes Verhalten auch bei hoher Kompetenz nicht zu sehr abzusenken, sondern in einem mittleren Ausmaß zu belassen. Das Beziehungsband soll gepflegt werden, um die dann notwendige hohe Ziel- und Leistungsorientierung tragbar zu machen.
Hier ist die Übersicht über alle drei Dimensionen in ihrem Verlauf.
Grafik 13: Verlaufskurven von Aufgaben-, Mitarbeiter- und Ziel-/Leistungsorientierung
In den Folgekapiteln wird jede einzelne Führungsdimension ausführlich beschrieben.
Vorteile für Unternehmen, Führungskräfte und Mitarbeiter
Durch die neue Dimension der Ziel- und Leistungsorientierung bietet unser Sit plus+ - Modell dem Unternehmen den Vorteil, die Leistungsreserven gerade der hochkompetenten Mitarbeiter besser zu nutzen. Für die Führungskräfte ergibt sich der Nutzen durch konkrete Handlungsansätze, wie sie gute Mitarbeitende weiter fordern und entwickeln können, ohne sie zu gängeln. Für die Mitarbeitenden lohnt es sich, weil sie so das gesamte Potenzial ihrer Leistungsfähigkeit entwickeln können und damit auch wertvoller für die Firma werden.
Sit plus+ als Handlungsgerüst für den Führungsalltag
Das Sit plus+ - Modell ist natürlich ein wenig komplexer als das Hersey & Blanchard-Modell, aber aus unseren Seminaren wissen wir, dass es sich schneller als erwartet im Führungsalltag niederschlägt, insbesondere weil sich eine Vielzahl praktischer und zielführender Vorschläge ableiten lassen.
B.2. Die Dimension „Aufgabenorientierung“
Aufgabenorientierte Führung bedeutet, durch detaillierte Einflussnahme auf der Sachebene die Aufgabenerledigung der Mitarbeiter zu steuern.
Das eigene Fachwissen direkt weitergeben
Am besten kann man sich das anschaulich vorstellen, wenn man in der Geschichte zurückgeht und Aufgabenorientierung als eine Ur-Form des Führens ansieht. Ein Handwerksmeister vor 200 Jahren, etwa ein Tischler, gab seine Fachkompetenz an seine Gesellen und Lehrlinge weiter. Er kannte sich mit allen Holzarten, Werkzeugen, Konstruktionsplänen und Arbeitsschritten aus. Er wusste Kniffe und Tricks, hatte ein Gespür für die Werkstoffe, weil er es jahrelang selbst gemacht hatte. Für den Gesellen war es nützlich, dem Meister zuzusehen und ihn zu fragen, dadurch kam er schneller voran mit seinem Werkstück und vermied Fehler. Durch seine Erfahrung konnte der Meister am besten erklären, vormachen, anleiten und korrigieren.
Grafik 14: Aufgabenorientierte Führung als direkte Steuerung auf der Sachebene
Heute reicht diese rein aufgabenorientierte Führung allein nicht mehr aus (dazu in den Folgekapiteln mehr). Ein Handwerksmeister ist auch ein Betriebsleiter, und mit einer Führungsspanne von drei Gesellen und einem Lehrling kommt kein größeres Unternehmen aus. Dennoch bleibt Aufgabenorientierung eine Basis-Führungsdimension, die jede Führungskraft verstehen und beherrschen muss!
Fachliche Führungskompetenz sorgt für Qualität
Wie es zu Engpässen bei aufgabenorientierter Führung kommen kann, zeigte die Entwicklung in den 90er Jahren. Damals wurden vielfach im Zuge von Lean Management die unteren Führungsränge ausgedünnt. Damit ging viel an fachlicher Führungskompetenz verloren. In der Folge gab es oftmals Qualitätsprobleme in Aufgabenbereichen, die nicht als Standardprozesse dokumentiert waren.
B.2.1. Aufgabenorientierung - praktisch
Es geht darum, was der Mitarbeitende wie zu erledigen hat
Was bei aufgabenorientierter Führung konkret gemacht wird, fällt sehr unterschiedlich je nach Arbeitsaufgabe aus. Die Bäckereifilialleiterin bespricht mit der neuen Verkäuferin, wie die Bestellung der Backwaren für den nächsten Tag erfolgen muss. Der Vertriebsleiter leitet den Außendienstler an, einen guten Tourenplan für die nächste Woche zu erstellen. Der Baumarktleiter zeigt dem Verkäufer des Gartencenters, wie die Stände für die Frühjahrs-Gartenmöbel aufgebaut werden sollen. Die Teamleiterin der Schadensabteilung einer Versicherung kontrolliert die Bescheide, die ein Sachbearbeiter vorbereitet hat. Das alles sind Beispiele für aufgabenorientierte Führungsinterventionen.
Hier steht das Fachliche im Mittelpunkt. Es geht darum, was der Mitarbeiter wie und womit erledigen soll. Alles, was die Führungskraft dazu beitragen kann, zählt zur Dimension der Aufgabenorientierung.
Grafik 15: Einzelne Aspekte von Aufgabenorientierung
Au...