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Einladung zur Gestalttherapie
Eine Einführung mit Beispielen
- 136 Seiten
- German
- ePUB (handyfreundlich)
- Über iOS und Android verfügbar
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Über dieses Buch
Dieses Buch bietet eine leicht verständliche Einführung in die Gestalttherapie; es zeigt, wie Gestalttherapie heilt und für wen diese Therapieform gut ist.In einem erzählenden, sehr persönlichen Stil zeigen die Autoren, wie das humanistische Menschenbild der Gestalttherapie ihre Ziele bestimmt: Mündigkeit und seelisches Wachstum des Klienten. Zahlreiche Beispiele machen das Buch zu einer anschaulichen Einstiegslektüre.Ein Gestalt-Bestseller: Gesamtauflage mehr als 40.000!
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Information
DIE GESTALTTHERAPEUTISCHE THEORIE KURZ SKIZZIERT
Wie psychische Probleme entstehen
Therapie heißt Heilung. Welche Krankheit will die Gestalttherapie heilen? Es gibt in der Gestalttherapie keinen äußeren Maßstab für psychische Gesundheit. Das einzige Kriterium ist das Gefühl eines Menschen, nicht gut genug zurechtzukommen, verbunden mit der Entscheidung, etwas dagegen zu unternehmen.
Die Entstehung dieses Gefühls, nicht gut genug zurechtzukommen, führt die Gestalttherapie auf eine Unterdrückung der Aggression zurück. Damit ist die Unterdrückung der Möglichkeit des Menschen gemeint, seine Umwelt so mitzuprägen, dass er Teil dieser Gestalt werden oder bleiben kann. Durch die Unterdrückung der Aggression wird der Kontakt zwischen dem einzelnen Organismus zu seiner Umwelt unterbrochen. Aber nur durch diesen Kontakt und den an der Kontaktgrenze stattfindenden Austausch ist der Organismus lebensfähig.
Die beiden zentralen Begriffe »Aggression« und »Kontakt« wollen wir jetzt in gestalttherapeutischer Sicht darstellen.
Aggression
In der Gestalttherapie ist die Aggression ein positiver Begriff für die Fähigkeit, die Umwelt an sich selbst anzupassen; erst die Unterdrückung der Aggression führt zu individueller Destruktivität und kollektivem Krieg – also zu ungerichteter, ziellos gewordener negativer Aggression.
Der positive Sinn von Aggression, der ihre Unterdrückung eher problematisch werden lässt, besteht für die Gestalttherapie in drei Punkten:
- Aggression beseitigt ein abgelehntes Objekt aus dem Organismus/Umwelt-Feld. Sie ist eine Abwehrreaktion auf Schmerz, auf das Eindringen von Fremdkörpern oder auf Gefahr.
- Aggression zerstört eine überkommene Konstellation: Sie hat sich in der aktuellen Situation als hinderlich oder ärgerlich erwiesen. So wird abgerissener Kontakt oder unterbrochene Kommunikation zwischen Konfliktparteien wieder hergestellt.
- Aggression löst einen Konflikt, indem etwas Neues an die Stelle des Bestehenden gesetzt wird, das dem fehlbaren Urteil der Handelnden nach besser ist als das Bestehende.
Mit der Unterdrückung aggressiver Impulse durch die Gesellschaft werden die sozialen Konflikte stets im Interesse der bestehenden Verhältnisse und zu Ungunsten des einzelnen gelöst. Im Namen der »Ordnung« wird jeder offene Ausdruck von Zerstörungslust, Vernichtungswillen, Zorn oder Kampfbereitschaft unterbunden. Bereits das kleinste Gefühl des Ärgers sieht man als Bedrohung dieser gesellschaftlichen Ordnung. Es gilt als »vernünftiges« Verhalten, wenn man toleriert, dass man von Institutionen und deren »rationalen« Regeln herumgestoßen und belästigt wird. Bei denen, die an der Oberfläche freundlich und kooperativ bleiben, ergeben sich jedoch zahlreiche, wenn auch eher geringfügige Anlässe zu großer Wut durch Demütigungen, verletzte Gefühle, kleine Gemeinheiten usw. Diese geringfügigen Anlässe nähren die Wut ständig, die aber nicht ausbrechen darf.
Die Folge: Der einzelne kann seine Bedürfnisse nicht mehr »einbringen«. Darum versucht er dann mehr und mehr, sie gar nicht erst zu spüren. Dies nennen wir in der Gestalttherapie »Selbstkolonisation« (oder »Selbstvergewaltigung«). Es gibt eine Vielzahl von selbstkolonisierenden Möglichkeiten, sich gegen sich selbst unempfindsam zu machen. Es ist ein wesentliches Stück der gestalttherapeutischen Arbeit, den Klienten spüren zu lassen, wie er sich taub macht gegenüber seinem eigenen Körper. Wohlgemerkt: Der Therapeut sagt zu dem Klienten nicht erklärend zum Beispiel: »Du hältst den Atem an, bis du nichts mehr merkst.« Denn der Klient mobilisiert gegen rationale Erklärungsversuche alle verfügbaren Abwehrkräfte. Vielmehr muss der Klient seine Methode des Sich-Taubmachens selbst entdecken und erleben. Der Therapeut könnte etwa, wenn der Klient über aufkommenden Ärger berichtet, als Experiment vorschlagen: »Halte doch mal deinen Atem an und beobachte, was mit deinem Ärgergefühl geschieht.«
Die Ordnung, die ja eigentlich das Ergebnis von organisierender freier Tätigkeit des Selbst ist, wird durch Unterdrückung der Aggressivität immer mehr zur toten Form, an deren Gestalt die lebenden Menschen immer weniger Anteil haben. Die Aggressivität der Menschen äußert sich nicht mehr in aktuellen und begrenzten Konflikten, sondern beginnt, sich negativ gegen das Ganze zu richten. Der Konflikt wird äußerlich und unbegrenzt: Schließlich akzeptieren die Menschen sogar den Gedanken an Krieg. Der Krieg ist nach gestalttherapeutischer Auffassung gar keine Aggression mehr, sondern »Massenselbstmord ohne Schuldgefühl« (Goodman). Die Erklärung dafür, dass die Menschen den Krieg hinnehmen, lautet: Die aggressiven Funktionen guten Kontakts werden »fixiert« und in Sado-Masochismus verwandelt durch soziale Strukturen, die eine falsche »Harmonie« erzwingen – diese Strukturen der Zwangsharmonisierung verwandeln positive schöpferische in negative destruktive Aggressivität.
Die Grundstruktur des aggressiven Kontaktes sieht folgendermaßen aus:
- Initiative setzt den Inhalt: etwas muss sich nach Ansicht des Menschen ändern, um ein (gutes) Weiterleben zu ermöglichen.
- Die Aggression äußert sich in zwei »reinen« Formen, um den Inhalt, der aus der Initiative folgt, durchzusetzen:
- Vernichten: Beseitigen eines Objekts aus dem Organismus/Umwelt-Feld; Emotion: kalt und distanziert.
- Zerstören:Umgestalten eines Objekts im Organismus/-Umwelt-Feld; Emotion: warm und lustvoll.
- Wut ist eine Emotion, in der Vernichtungswille und Zerstörungslust zusammenkommen.
- Initiative, Vernichten, Zerstören und Wut sind nötig, damit ein Organismus in einem schwierigen Umfeld existieren und auch gut leben kann.
- Angst tritt auf, wenn die Kräfte, die sich der Initiative entgegenstellen, übermächtig werden. Damit schützt sich der Organismus vor aggressivem Kontakt in Situationen, in denen er Gefahr läuft, selbst vernichtet zu werden, wenn er seine Aggressivität äußert. Insofern hat auch die Angst eine natürliche und notwendige Funktion.
Eine ihrer inneren Konflikte und Leidenschaften enthobene, befriedete Weltgesellschaft, die das Ziel eigentlich aller politischen Bemühungen ist, produziert jedoch zugleich eine universelle Angst: Die Menschen werden ständig daran gehindert, sich »einzubringen«, und sie entwickeln eine chronische Angst davor, ihre Bedürfnisse mit der notwendigen Aggressivität zu äußern. Diese chronische Angst richtet unvorstellbar zerstörerische Energien gegen das, was anders ist als man selbst. Goodmans Schreckensvision von einer »Welt ohne Asyl«, die er in den 1950er Jahren hatte, beginnt sich heute machtvoll zu realisieren.
In der Gesellschaft ist nach gestalttherapeutischer Interpretation nicht etwa eine Zunahme, vielmehr eine Abnahme von Aggression zu verzeichnen. Jedenfalls von Aggression, die zielgerichtet Konflikte zwischen Individuen oder Gruppen um die Gestaltung der Umwelt und die Befriedigung ihrer Bedürfnisse meint. Die organisierte, befriedete und zentralisierte Gesellschaft entfremdet die Menschen ihrer sozialen Konflikte, unterbindet Aggression und schneidet sie so von der Fähigkeit zur Kontrolle über das eigene Leben ab. Anstelle von zielgerichteter Aggression gibt es dann blinde Destruktivität, die von den Menschen wiederum als angstmachende »Zunahme der Gewalt« erlebt wird.
Mit dem Verlust von Konflikten und konflikt-klärenden Verhaltensweisen verschwindet der Gedanke an alternative Möglichkeiten und der Wille zur Veränderung, denn beides schließt Aggressivität ein: Zerstörung eines Zustandes, um Platz zu machen für einen anderen Zustand. Auf jene Art der Befriedung folgt unausweichlich, dass die Bedürfnisbefriedigung abnimmt. Der soziale Zustand entfernt sich immer weiter von den Wünschen, Vorstellungen, kreativen Ideen der Menschen – und die Menschen haben keine Mittel mehr, um korrigierend einzugreifen. Die Unzufriedenheit kann sich nicht mehr vernünftig politisch artikulieren, sondern staut sich auf bis zur Bereitschaft, das bedrückende Ganze einschließlich der eigenen Person zu zerstören. Oder, psychoanalytisch gesagt: Das Ich interpretiert die unterdrückten, aber unabweisbaren Forderungen des Es als Forderung nach Selbstzerstörung.
Kontakt
Kontakt ist in der Gestalttherapie die Bezeichnung für einen Prozess des Austausches, z. B. zwischen dem Organismus und seiner Umwelt. »Kontaktfähigkeit« bezeichnet die Fähigkeit, den »Kontakt« herzustellen, und »Kontaktgrenze« die entsprechende Fähigkeit, sich gegenüber der Umwelt als selbstständiger Organismus zu behaupten und die eigenen Bedürfnisse zur Geltung zu bringen. Nahrungsaufnahme ist das Modell allen Kontakts: Etwas, das mit dem Organismus nicht identisch ist, wird
- als zuträglich wahrgenommen und erkannt,
- in seiner Gestalt (aggressiv) zerstört,
- angepasst, assimiliert (verdaut),
- integriert, in Kreativität und Wachstum umgesetzt.
Kontakt ist zunächst die Wahrnehmung von etwas, das assimiliert (angepasst) werden kann. Dann ist Kontakt die aggressive Bewegung zu diesem anpassbaren Wahrgenommenen hin oder die aggressive Abwehr dessen, was sich als unassimilierbar herausstellt.
Jeder Organismus lebt ein einem Feld, dadurch dass er Neues einbezieht, verdaut und assimiliert. Dieser Lebensprozess verlangt die aggressive Zerlegung der bestehenden »Gestalten« in seine assimilierbaren Elemente, sei es ein Nahrungsmittel, ein Buch, der Einfluss der Eltern oder der Unterschied zwischen den Gewohnheiten des Partners und seinen eigenen.
Das »Feld« des Lebens ist gekennzeichnet von der Spannung zwischen dem, was dem Organismus gleicht, und dem, was ihm nicht gleicht – zwischen Konservativem und Neuem. Der Prozess des Lebens besteht darin, das jeweils »Ungleiche« oder »Neue« zu verdauen und anzupassen, um den Organismus zu erhalten, wachsen zu lassen und fortzupflanzen. Alle Fähigkeiten sind auf das so definierte Wohl des Organismus gerichtet.
Die Gestalttherapie behandelt Störungen des Lebensprozesses. Es wird etwas nicht Nahrhaftes – etwas nicht Assimilierbares – als Nahrung ausgewählt, die Nahrung wird nicht genügend zerkleinert (assimilierbar gemacht), die Verdauung klappt nicht, die Assimilierung scheitert. Wie kann es dazu kommen, obgleich der Organismus mit seinem Streben nach Befriedigung und das Denken mit seinem Streben nach Wahrheit doch immer auf das Befriedigende hin zielen? Warum erscheint es oft so, als ob der Organismus eher das Falsche für sich tut als das Richtige? Können wir den Entscheidungen des Organismus überhaupt trauen?
Der Grund dafür, dass der Organismus so große Schwierigkeiten hat, den lebensfähigen Kontakt mit der Umwelt herzustellen, liegt in der beschriebenen fortwährenden, sozial erzwungenen Unterdrückung der Aggression. Angst löst nicht so, wie es sein sollte, eine nur zeitweilige und vorübergehende Gefühllosigkeit gegenüber den aggressiven Impulsen aus, sondern einen weitgehenden Verzicht darauf, auf das zu hören, was der Körper sagt. Die Angst ist weder so groß, dass der Organismus abstirbt, noch gibt es eine Entwarnung, Entspannung und Wiederaufnahme der »normalen« Lebensfunktionen. (»Latente Angst.«)
Wenn die erreichbare Nahrung zwar den Organismus irgendwie erhalten kann, aber wichtige Merkmale wie Geschmack, natürliche Zusammensetzung, ausgeglichene Wirkung auf den Stoffwechsel usw. nicht aufweist, tritt weder der Notstand des Hungers ein noch wird der Hunger befriedigt. In diesem Fall werden Körper und Geist getrennt: Der Geist behauptet, ausreichend Nahrung zur Verfügung gestellt zu haben, während der Körper Mangel meldet. Da der Geist diese Meldung für falsch erklärt, muss das Gefühl für den Körper reduziert werden. Der Geist verlässt sich nicht mehr auf die »Meldungen« des Körpers, entfremdet sich vom Körper und verliert damit die Basis seiner eigenen Funktion.
Nähren als Zerkleinerung und als Verdauung des Neuen ist der grundlegende Prozess des Lebens: Das Ungleiche wird verwandelt und als Gleiches assimiliert und integriert, damit der Organismus wachsen kann. Sich zu nähren hieße, sagte der griechische Philosoph Aristoteles, »Ungleiches gleich zu machen«.
Der Ort der Ernährung ist der Kontakt: Der Organismus berührt das Feld, wählt das ihm Gemäße aus und verleibt es sich ein. In dieser Weise versteht die Gestalttherapie alle Sinnesorgane als taktil. Sehen, Hören und Riechen sind Spezialformen des Tastens: Von dem jeweiligen Gegenstand wird die »mediale« Luft in Bewegung gesetzt, und es ist diese Bewegung, die das Sinnesorgan als Farbe, Ton oder Geruch spürt.
Das Tasten kann nun freilich beschädigt werden. Es gibt eine Gesamtsituation, in der das Tasten misslingt. Alles Tastbare ist auf Dauer uninteressant. Diese These ist einer der wichtigsten Aspekte der Gestalttherapie: Erst eine genaue Analyse der beschädigten Wahrnehmung der Organismen – der »Neurosen« eben – kann aufdecken, welche gesellschaftlichen Bedingungen durch welche Mechanismen die Beschädigung hervorrufen. Die Beschädigung ist weder eine »anthropologische Konstante« noch eine »zufällige« geschichtliche Erscheinung, sondern Ergebnis einer gesellschaftlichen Fehlentwicklung.
Um die gesellschaftliche Fehlentwicklung, die das gesamte Feld für den menschlichen Organismus zu einer ebenso gefährlichen wie unbefriedigenden Umgebung macht, verstehen zu können, müssen wir uns wieder dem Aspekt der Aggression im Kontakt zuwenden: Der menschliche Organismus, erfüllt mit dem Bedürfnis nach einem Gut, ausgestattet mit dem Tastsinn, um das Gut zu erkennen, und mit Aggression, um es assimilieren zu können, trifft nun auf folgende Situation: Alles, was er je begehren könnte – Nahrung, Unterkunft, Sicherheit, ja sogar Luxus, Bildung und Sinnlichkeit –, hat die Gesellschaft bereits zur Verfügung gestellt. Als Gegenleistung verlangt sie einen weitgehenden Verzicht auf Konflikt und Aggressivität, denn dies würde ja die Ordnung bedrohen, die für alle sorgt.
Der Geist kann sich dieser Rationalität nicht entziehen: Er »will« die Ordnung und die Ruhe, aber um sie durchzusetzen, bedarf es der Aggression. Die Aggression richtet er gegen den eigenen Körper. Denn der rebelliert. Er muss rebellieren, denn ohne Aggressivität, ohne Begehren, Zerstören und Neugestalten kann er sich die Gegenstände der Umgebung nicht so anpassen, dass sie ihm »gleich« werden. Sie bleiben äußerlich, fremd und unbefriedigend. Schließlich kann der Körper nicht einmal mehr ordnungsgemäß verdauen. Selbst die Nahrung ist entfremdet. Wer nicht zubeißt, kann nicht schmecken. Die Umgestaltung findet nicht statt. Die unzerkleinerten »Introjekte« liegen schwer im Magen. (Fritz Perls hat einmal bemerkt, dass die Angew...
Inhaltsverzeichnis
- Über den Autor
- Inhaltsverzeichnis
- Widmung
- Leserstimmen
- Einladung
- Zur Gestalttherapie
- Erhard über die Schulter geschaut: Aus der gestalttherapeutischen Arbeit
- Stichworte zur Gestalttherapie: Aus Erhards Zettelkasten
- Die gestalttherapeutische Theorie kurz skizziert
- Klient eines Gestalttherapeuten werden
- Gestalttherapeut werden
- Kleine Geschichte der Gestalttherapie
- Literaturhinweise
- Literaturempfehlungen
- Weitere Informationen
- Impressum