1. Kapitel: ”Schulzeit und Heime“
Es ist heute der 27. März 1984 und es ist 0500 Uhr morgens, als ich beginne diese Zeilen zu schreiben. Ich habe gerade Kaffee gekocht, meine Freundin Gabriele liegt im Bett zwei Meter über mir und fragt sich sicher, was sie verbrochen hat, mit mir zusammen zu leben. Es ist sicher nicht jedermanns Sache mit so einem Irren, wie ich einer bin, zusammen zu sein, der um fünf Uhr morgens auf der Schreibmaschine klappert, weil er sich einbildet ein Buch zu schreiben. Vielleicht hat sie Recht und Sie werden, nachdem Sie dieses Buch gelesen haben, auch ihrer Meinung sein, denn es behaupten viele von mir, daß ich ein „Geistesgestörter“ bin. Aber eigentlich nur, weil ich das mache, oder gemacht habe, wozu sie zu feige sind.
Ich habe immer versucht, irgendwo den Sinn des Lebens zu entdecken, aber ich glaube, daß es mir selbst erst auf meinen Boot gelingen wird. Seit nun fast genau 3,5 Jahren kämpfe ich darum, ein eigenes Boot zu besitzen, und nun ist es in greifbare Nähe gerückt. Ich glaube, daß ich die Energie dazu aufbringen werde, das Buch auf dem Boot zu Ende zu schreiben. Daß ich mir damit sicher keine Freunde machen werde, ist mir jetzt schon klar. Aber das Wort Freund wird leider immer schon viel zu leicht ausgesprochen. Ich habe eigentlich nur einen, er lebt in Paris, sein Name ist Gilbert. Ich wüßte sonst niemanden mehr, höchstens noch zwei Taxifahrer in Wien – Gerhard, den ich schon lange kenne, und Heinrich (genannt „Schluchz“), der mir mehr am Pokertisch und bei Backgammon näher gekommen ist, aber später zu einem wahren Freund wurde. Vielleicht habe ich noch einige Freunde, oder man sagt eben Freunde zu ihnen, obwohl es eigentlich Bekannte sind. Freundschaft hat sicher nichts mit der Zeit zu tun und manche, die man als Freunde betrachtet hat, wurden eine Enttäuschung, wobei Bekannte dann wirklich zu Freuden wurden. Es kommt manchmal darauf an, wie lange man jemanden kennt.
Über all jene möchte ich hier die verschiedensten Geschichten schreiben und ich verbürge mich dafür, daß sie auch wahr sind. Das einzige Problem an der ganzen Sache ist, daß ich nicht weiß, wie ich das ganze zu Papier bringen kann, damit es auch zu lesen ist, und Sie nicht nach ein paar Seiten das Buch weglegen. Das Leben von mir ist trotz meiner 34 Jahren sicher sehr ereignisreich gewesen und ich kann behaupten, daß ich wirklich gelebt habe und nicht so wie viele glauben zu leben, aber keine Ahnung haben, was Leben eigentlich bedeutet. Ich glaube jedenfalls, daß ich es teilweise begriffen habe und möchte es in einem Leben auf dem Boot auch realisieren. Ich hoffe, daß ich es auch mit Hilfe meiner Freundin schaffe. Ich bin jedenfalls fest dazu entschlossen und ich werde es schaffen, so oder so. Ich denke in eine Richtung und das ist positiv.
Das leben ist wie ein Termin beim Zahnarzt. Es tut weh, wenn man ihn einhält und es wird wehtun, wenn man ihn ignoriert! Manche Leute finden die Lösung des Lebens, in dem sie sich dasselbe nehmen und ganz einfach Selbstmord begehen. Das ist meiner Meinung nach das Feigeste, was man tun kann, denn ich finde, es ist nur mutig, wenn man versucht zu leben, auch wenn es manchmal scheiße und ausweglos erscheint. Ehrlich gesagt habe ich auch schon aus den verschiedensten Situationen heraus mit diesem Gedanken gespielt, aber ich habe ihn eben immer wieder verworfen. Ich bin nicht feige, und das Wort Angst habe ich aus meinem Wortschatz ganz einfach gestrichen, denn wie ein altes Sprichwort sagt:
”Die Angst mindert die Gefahr nicht!“
Seitdem ich denken kann, habe ich mich immer aus der Masse heraus gehalten und war immer schon ein Einzelgänger, und dann hat mich diese Gesellschaft zu dem gemacht, was ich heute bin. Nämlich ein Außenseiter, der immer in die Gegenrichtung geht, teils aus Prinzip, teils um auf keinen Fall wie in einer Herde Schafe mit der Masse den leichteren Weg zu gehen und von irgend jemandem, der sich dazu berufen fühlt, ferngesteuert zu werden. Ich habe mich immer nur für eine Arbeit geeignet, für die ich mich interessierte. Denn ich wollte nie arbeiten, nur um eben etwas zu tun, damit man sich das Essen verdient und die Miete mit der Lichtrechnung bezahlen kann. Es ist mir ein Greuel gewesen, Leute zu beobachten, wie sie mit völliger Apathie einer Arbeit nachgehen und nicht einen Gedanken verschwenden, ob es auch sinnvoll ist, was sie da tun. Das beweist schon wie sehr sie sich für etwas interessieren, wenn man in Österreich den Tod eines Menschen (und sei es ”auch nur“ ein Sandler) mit eine paar Zeilen in den Massenmedien abfertigen, aber dafür für die Rettung einer Katze aus einem Kanalrohr einen Mittelaufschlag mit Fotos dafür opfert. Ich bin sicher kein Mensch, der keine Tiere mag, aber ich verstehe es trotzdem nicht, wie man das Schicksal eines Menschen ganz einfach beiseite stellt und ignoriert. Da verstehe ich die Menschen, die sich das Leben nehmen, denn in dieser Gesellschaft hat man sicher nichts mehr zu erwarten und kann abtreten, es fällt sicher niemanden auf, ob der eine oder der andere noch unter uns weilt. Dann frage ich mich wieder, ob das der Sinn unseres Lebens ist? Dann weiß ich auch nicht mehr weiter und ziehe mich zurück. Hoffentlich wird es mir bald gelingen, den Sinn des Lebens - auf mich und mein Boot allein gestellt - zu suchen und hoffentlich auch zu finden, schlechter als die Erfahrungen, die ich mit meinen Jahren bis jetzt schon gemacht habe, kann es sicher nicht werden.
Nun werden viele sagen, der soll froh sein, daß er keinen Krieg miterlebt hat, aber gegen dieses Argument kann ich nur einen Satz sagen:
„Stell dir vor, es ist Krieg, und keiner geht hin!“
Ich möchte sicher nicht hingehen, denn wer einen Krieg anfängt, der soll ihn auch selber austragen. So betrachtet hätten wir sicher keine Kriege mehr zu befürchten. Die von ”oben“ würden sicher nicht den Arsch hinhalten. Das Motto bleibt immer das gleiche:
„Ein Soldat denkt nicht, sondern er gehorcht. Wenn er denken würden, wäre er kein Soldat.“
Ich habe Bücher von Freud gelesen und bin darauf gekommen, daß er mit der Theorie, das Unterbewußtsein macht keinen Fehler, sicher Recht hat. Aber genauso bin ich auf eines gestoßen: Daß nicht der Erbfaktor – Gen – oder die Umwelt einen Menschen formt, sondern er formt sich selbst. Oder aber, er zerbricht an den vielen Kleinigkeiten, die ihm das Leben, die Gesetze oder die Gesellschaft auferlegen. Es sind oft nur banale Dinge, die aber für den einzelnen überaus wichtig, ja sogar lebenswichtig sein können, nämlich darin, daß er sich bestätigt fühlen will, weil er über etwas angefangen hat nachzudenken und dann einsehen muß, daß er mit seiner Meinung (die ja durchaus richtig sein kann) allein steht und von vielen nur belacht wird, oder er gar als ein Irrer abgestempelt wird, weil er jemandem, der am längeren Hebel sitzt, lästig wird. Der Horizont der meisten Leute, die ich in meinem Leben kennen gelernt habe, ist wie eine Betonmauer vor ihnen, die 10 Meter hoch und 1000 Meter lang ist, und das, was sie sehen, ist die Realität! Für viele in der Politik und das Gesetz ist es wesentlich angenehmer, daß sich ja niemand die Mühe macht, über diese Mauer zu schauen. Mir ist es unverständlich, wie viele Dinge geschehen, und man kann ganz einfach nichts dagegen tun, weil sonst der Ast, auf dem man sitzt, ganz einfach abgesägt wird und man dann unweigerlich zu Fall gebracht werden würde, weil man eben unbequem geworden ist. In mir hat sich in all der Zeit ein Hass aufgestaut, der nur durch meine unter Anführungszeichen stehende ”Intelligenz“ in Grenzen gehalten wurde, wodurch ich nicht auf der Stelle durchdrehte und Amok lief. Was viele Terroristen tun, verurteile ich auf das Allerstrengste, denn es ist sinnlos, mit Terror und Gewalt eine Lösung herbei zu zwingen, die ja im Enderfolg ja wiederum nur eine Lösung durch Gewalt wird und somit sicher keine Lösung ist. Es ist sinnlos, egal welches Regime oder welche Regierung man auflöst, es ist am nächsten Tag dieselbe Scheiße am selben Ort, und jene, die oben sitzen würden, würden genau das gleiche tun wie die, die jetzt am „Ruder“ sitzen, und jeder der oben ist wird tief in den Topf greifen, um für sich den Rahm abzuschöpfen; denn Idealismus ist wie die Gerechtigkeit – ausgestorben!
Meinen Glauben an Gerechtigkeit und an die Menschen habe ich schon in meiner frühesten Jugend verloren. Sicher nicht wie jetzt ein Psychiater beurteilen würde: gestörte Jugend; da ich meinen Vater eigentlich nicht oft gesehen habe und ich nie das Bedürfnis hatte ihn zu sehen, denn für mich ist meine Mutter der ehrlichste, arbeitsamste und korrekteste Mensch, den ich je kannte, und ich kenne viele Menschen, das kann man mir glauben. Ich liebe meine Mutter, und sie hat mir mit ihren Mitteln, und die waren sehr bescheiden, da sie in Frührente war, alles gegeben, was ich glaubte, unbedingt haben zu müssen, um nicht hinter meinen Freunden nachzustehen. Alimente von meinem Vater kamen, wenn überhaupt, nur durch die Kraft der Fürsorge, die aber auch nur für das zuständig sein sollte oder nur in sehr gestörten Familienverhältnissen eingreifen dürfte.
In meinen Fall begann es damit, daß meine Mutter für längere Zeit ins Spital mußte und Tante Grete sich meiner angenommen hat, was für mich sicher ein Teil meines Lebens war, der ganz einfach nicht zu vergessen ist. Nicht nur daß ich in einer anderen Schule im 18. Bezirk neu Fuß fassen mußte, sondern auch daß die Tante für mich zu einer sterilen Person wurde, bei der man, wenn man über den Teppich ging und die Fransen in Unordnung brachte, sofort mit einer Bürste alles wieder in eine Richtung bürsten mußte, da sonst ein Nervenzusammenbruch von ihrer Seite die Folge gewesen wäre. Ich kann mich jetzt nicht mehr an alles erinnern, aber es sind Faktoren gewesen, die mich einmal sogar dazu brachten, ins Bett zu pinkeln. Ich weiß nur mehr, daß ich am liebsten nach irgendwo ausgewandert wäre, so habe ich mich geschämt, sogar das Leben eines Einsiedlers hatte ich schon in Erwägung gezogen, und das soll für mich etwas heißen. Ich war zwar in meinem Tun und Handeln ein Einzelgänger, aber ich hatte schon immer gerne Gesellschaft und ich unterhielt mit meinen Geschichten und Gags immer schon gerne die Leute, nicht umsonst war ich fast fünf Jahre lang Disc Jockey. Mir fiel jedenfalls ein Stein vom Herzen, als ich wieder bei meiner Mutter war, ich lebte wieder, aber nur kurz! Ein paar Monate später begann für mich das Spiel von vorne, da meine Mutter wieder ins Spital mußte. Meine Tante dachte nicht im Traum daran, mich wieder bei ihr aufzunehmen, denn ich war eben ein Kind, und das war für meine Tante eigentlich Grund genug. Es störte ihr steriles und ruhiges Dasein und ich glaube, daß sie nicht umsonst nie geheiratet hat und Kinder hatte, denn sie mochte eben keine Kinder und gar keinesfalls mochte sie solche, wie ich es war, denn ich war alles andere als ruhig und brav. Der Volksmund würde sicher sagen, das ist eben ein Bub. Ich hatte sicher nicht mehr und nicht weniger ausgefressen, als andere Buben in meinem Alter, auch wenn sie unter geordneten Familienverhältnissen aufwuchsen. Ich hatte genauso Hosen zerrissen und ab und zu mal eine Fensterscheibe eingeschlagen wie andere auch.
Wir wohnten im 14. Bezirk in der Hütteldorferstraße 202/8, und eine Nachbarsfamilie, zu denen wir ein gutes Verhältnis hatten, der Name war übrigens Rappolt, wollte sich meiner annehmen und für die Zeit, wo meine Mutter im Spital war, Verpflegung und Aufsicht übernehmen. Damals, glaube ich, ist der erste Knacks in meinem Gehirn entstanden. Da wurde ich eben ohne viel zu fragen, wie oder warum ein Problem zu lösen ist, ganz einfach in ein Heim gesteckt und aus! Wie lange ich weinte und meine Mutter mit mir, wußte ich nicht. Für mich ist eine Welt zusammengebrochen. Es war für mich unbegreiflich, daß hier die Fürsorgerin ganz einfach sagen konnte, der Junge kommt in ein Heim und aus, egal was geschieht und was in dem Menschen vorgeht, den man hier wie eine Nummer behandelt. Es kümmert die Gesellschaft an sich überhaupt nicht, und Gegenargumente werden ganz einfach ignoriert. Somit landete ich in der Hartäckerstraße im Heim, das angeblich sogar ein Privileg ist (auf das ich allerdings gerne verzichtet hätte). Die Schule wurde wieder einmal gewechselt, ich ging nun ”in der Krim“ zur Schule, und ich muß sagen, ich war sicher kein fleißiger oder gar strebsamer Schüler, aber den Stoff, den ich hier lernte, hatte ich schon wieder vergessen, obwohl ich in der vorherigen Schule, nämlich in der Lortzinggasse, nur im ”B-Zug“ war. Bereits jetzt habe ich schon begriffen das es egal ist, was auf einer Klasse außen darauf steht; und trotzdem gibt es viele Eltern, die stolz sind, daß ihre Sprößlinge in den ”A-Zug” gehen, weil sie daran glauben, daß sie dort eben dem ”B-Zug“ voraus sind. Wir waren in der Lortzinggasse immer dem ”A-Zug“ um ein Monat voraus, was sicher auch der Verdienst unseres Klassenvorstandes war. (Er ist übrigens der jetzige Bastelonkel im Fernsehen – Fachlehrer Weniger.)
Als meine Mutter wieder aus dem Spital herauskam, kam auch ein Veto der Fürsorge, daß es besser wäre, wenn ich bis zum Ende des Schuljahres noch im Heim bleiben würde, weil ja der nochmalige Schulwechsel keineswegs dazu beitragen würde, meine ohnehin schon mäßigen Lernerfolge zu steigern. Ohne natürlich darüber nachzudenken, daß es für mich völlig unverständlich war, daß ich nicht wieder zu meiner Mutter durfte und die Hölle im Heim weiter ertragen mußte. Hölle ist vielleicht für viele übertrieben, aber für mich war es wirklich eine, denn ich war schon immer für Freiheit. Somit war das Leben mit dem kasernenähnlichen Ablauf ganz einfach unerträglich, und daß man in der Freizeit wie alle „Ferngesteuerten“ Fußball spielte, war für mich immer schon nicht zu begreifen. Was andere für dieses Spiel an Begeisterung aufbrachten, war für mich nur zu belächeln und unverständlich, denn meine Interessen lagen sicher nicht bei Mannschaftsspielen und dergleichen, sondern bei Wettbewerben, die jemanden herausforderten, auf sich allein gestellt zu sein. Im Heim wurde diese Art von Spielen nicht gefördert, da man ja interessiert war, eine Herde von Schafen und Ferngesteuerte zu erziehen, die dann im weiteren Leben einmal ein ”wertvolles“ Mitglied der Gesellschaft werden. Sicher nicht solche Einzelgänger wie ich, die darüber nachdachten, was das ganze für einen Sinn hat und noch dazu Eigeninitiative entwickelten, um aus der Masse heraus zu stechen. Ich habe nie verstanden, daß es jemanden gibt, der so eine phlegmatische Einstellung einnehmen kann und sich in den Trott der alltäglichen Maschinerie eines Heimes einfügt und somit verurteilt wird, ein Mensch ohne eigenen Gedanken zu werden und nur mehr die Befehle und Schikanen der Direktion und der Erzieher befolgt, die ja für dich ohnedies nur das Beste wollen, wie die Fürsorge und die Psychiater behaupten. Wer einen Psychiater kennt, weiß, was ich meine, denn ich habe noch keinen erlebt, der ganz richtig im Kopf war. Von seiner Seite aus gesehen verständlich, denn solange es genug „Gestörte“ gibt, die ihm das Geld dafür hintragen, daß sie ihm ihre Geschichten erzählen dürfen und glauben ihre Frustrationen dadurch abbauen zu können, wird ihm dieses System recht sein. Es ist sehr traurig, daß man heutzutage, so wie es bereits in den USA in ist, erst zur guten Gesellschaft gehört, wenn man auch einen eigenen Psychiater hat, dem man seine Sorgen anvertrauen kann. Es hat den Anschein, daß man nicht mehr fähig ist, mit den Problemen des alltäglichen Lebens selber fertig zu werden, und das zeigt mir, daß solche Leute auch nicht fähig sind, jemals zu begreifen, was das Leben an sich bedeutet und das es von uns erwartet, damit fertig zu werden.
Als ich meine Lehre als Kfz-Mechaniker bei der Fa. Goldnagel ganz in der Nähe nur schräg über die Straße begann, hatte ich noch den Willen unbedingt später Autobuschauffeur zu werden. Aber was ich dann so langsam aber sicher begreifen mußte, war, daß man von Anfang an dazu erzogen wurde, Leute zu betrügen. Sei es, daß man einen Starter neu streichen oder sandstrahlen mußte und dann einen alten Starter der Kundschaft in den Kofferraum legte, damit sie der Meinung war, der, den sie eingebaut bekommen hatte, war ein nagelneuer oder ein Austauschstarter, oder viele der anderen Kleinigkeiten, mit denen die Leute betrogen wurden.
Bei einer anderen Firma, die auf gebrauchte VW Motoren spezialisiert war, wo ich 1969 kurz arbeitete, war ich fast geschockt, als ich erkannte, daß man einen VW Motor des billigsten Angebots nicht nur einmal verkaufte, sondern immer wieder denselben Motor mehrmals. Er kostete 1500.- ATS, und spätestens nach ein paar Tagen kam der Käufer verärgert retour, weil die Lager festgefressen waren. Natürlich gab es auf diesen Motor keine Garantie, deshalb waren dann die Käufer glücklich, wenn der Chef ihnen ein Angebot machte und einwilligte den Motor zurückzunehmen, wenn man einen anderen Motor gegen eine Aufzahlung von 1000.- bis 2000.- Schilling, je nach Type versteht sich, kaufte, wofür es auch eine Art von Garantie gab. Ich war mehr als erstaunt, als ich das erste Mal sah, was sich dann abspielte, wenn der Käufer wieder fort war. Der Motor mit den festgefressenen Lagern wurde auf den Prüftisch gestellt, und dann schlug man mit dem Vorschlaghammer auf die Kurbelwelle bis die Lager wieder lose waren, drehte ihn ein paar Mal durch und schon war er bereit für den nächsten Käufer, wo er dann probeweise kurz gestartet wurde, damit man sah, er lief auch und er wurde wieder um 1500.- ATS verkauft, um ein paar Tage später wieder mit festgefressenen Lager bei uns zu landen. Das funktionierte etliche Male, bis er dann endgültig so fest saß, daß er sich wirklich nicht mehr drehte; dann erst wurde er auseinander genommen und ein paar Lager, keine neuen versteht sich, sondern alte die „solala“ paßten eingebaut, um wieder verkauft zu werden. Jedenfalls wurde ich von der Welt, die ich mir ganz anders vorgestellt hatte, sehr enttäuscht und somit „knackste“ es wieder in meinen Gehirn, und ich dachte, warum sind die Leute so blöd und lassen sich so etwas gefallen.
Es sind aber nicht nur so kleine Firmen, in denen diverse Betrügereien gemacht werden, auch in großen Firmen wie bei Mercedes in der Wiedner Hauptstraße, wo ich 1976 immer mit meinem 250 Mercedes zum Service gefahren bin, war Betrug und Beschiß von Kunden an der Tagesordnung. Dort allerdings wußte die Geschäftsleitung aber angeblich nichts davon, was aber an der Tatsache nichts änderte, daß Kunden für eine Leistung teuer bezahlten, die nie geleistet wurde. So hatten die Mechaniker, die beim Service arbeiteten und für das Einstellen von Zündung oder Vergaser zuständig waren, ihre Spinde voll mit Zündkontakten, Zündkerzen und Motoröl, welche die Kunden, deren Autos diese Teile nie eingebaut bekommen hatten, bezahlen mußten. Viele Dienstwagen wurden von den Chauffeuren zum Service gebracht, wo dann fast automatisch alles getauscht wurde, was aber nie neu kam! Bei einem Mercedes fällt es meistens nicht auf, denn er läuft auch noch mit den alten Zündkontakten ohne Probleme weiter. Ich hatte Zündkerzen ohne Probleme mehr als 50.000 km gefahren, und die waren immer noch in Ordnung. Somit hatten die Mechaniker immer genug Ersatzteile in Reserve, die sie dann für ihre „Pfusch“ verwendeten.
Diese Geschichten sind nicht unbedingt neu, und ich schreibe sie nicht als erster nieder, denn eine Illustrierte - wenn ich mich nicht täusche, war es der „Stern“ - hat in der BRD mal eine Aktion mit einem speziell präparierten Auto gestartet, wo sie Zündkontakte und andere Teile markiert hatten, um zu testen wie die Werkstätten arbeiten. Es wurden 20 Werkstätten getestet, aber nur drei tauschten wirklich alles Notwendige aus, der Rest hat die Teile nur verrechnet, aber nicht erneuert!
Apropos „Pfusch“, hier fällt mir eine Geschichte ein, die mir mit einem dieser Mechaniker passiert ist und unbedingt erzählt werden muß; eigentlich sollte ich sie verheimlichen, aber laut Aussage meines Rechtsanwaltes kann ich sie niederschreiben, weil sie sowieso schon lange verjährt ist.
Ich bin zwar selber KFZ Mechaniker, aber an sich zu faul, um etwas an meinem Mercedes selber zu reparieren, vor allem will ich mich nicht dreckig machen und hatte zu der Zeit genug als Anzeigenleiter der Bezirkszeitung Hietzing zu tun. Mercedes in der Wiedner Hauptstraße war einer der wenigen Mechaniker, der spezialisiert war die Doppelvergaser von meinem 250 Mercedes einzustellen, für die man sehr viel Gefühl und Erfahrung brauchte. Bei einem dieser Services kam ich mit einem der Mechaniker ins Gespräch, leider fällt mir der Name nicht mehr ein, entweder war es Hr. Bobr oder Pfalzer, genau weiß ich es nicht mehr, aber es ist sicher anhand des späteren Polizeiprotokolls noch festzustellen. Meine Ventilführungen waren schon sehr stark ausgeschlagen und somit rauchte mein Mercedes ziemlich stark. Da ich sogar einmal an der deutschen Grenze in Salzburg von den Zöllner nicht durchgelassen wurde, weil der Motor zu stark rauchte, und ich umdrehen mußte, entschloß ich mich die Ventilführungen erneuern zu lassen. Da bei dieser Reparatur aber auch der Zylinderkopf demontiert werden mußte, würde es bei Mercedes an die 13.000.- ATS kosten, was ich nicht bezahlen wollte und mir mit einem der Mechaniker einen „Deal“ ausmachte, und er mir um 6000.-ATS die Ventilführungen im Pfusch machen wollte. Wie ausgemacht, stellte ich ein paar Tage später meinen Mercedes in den 19. Bezirk nach Neustift, wo der Mechaniker (soweit ich mich nicht irre, war es Bobr) wohnte, um meinen Mercedes reparieren zu lassen. Nach ein oder zwei Tagen war mein Auto repariert und rauchte nicht mehr so stark, und ich war zufrieden und bezahlte den ausgemachten Preis. Nach relativ kurzer Zeit war aber wieder ein Rauchen des Motors zu bemerken und nach einer Anfrage bei dem Mechaniker warum, bekam ich zur Antwort, daß mein Motor auch schon neue Kolbenringe notwendig hätte, und daß dies der Grund der Rauchentwicklung wäre. Da ich dagegen nicht wirklich ein Argument hatte, mußte ich mich zufrieden geben. Nun aber kam wie so oft im Leben der Zufall mit ins Spiel, als ich die Idee hatte, mir einen neuen Revolver zu kaufen. Zu dieser Zeit war ich eifrig mit Combat10 schießen beschäftigt und verschoß in der Woche um 1000.- bis 2000.- Schilling an Munition zum Trainieren. Bei der Fa. Kettner...