Konzentrative Bewegungstherapie
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Konzentrative Bewegungstherapie

Körperorientierte Psychotherapie bei psychosomatischen und psychischen Störungen

  1. 100 Seiten
  2. German
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  4. Über iOS und Android verfügbar
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Konzentrative Bewegungstherapie

Körperorientierte Psychotherapie bei psychosomatischen und psychischen Störungen

Über dieses Buch

Die Konzentrative Bewegungstherapie (KBT®) ist durch ihre Verbreitung in sechs europäischen Ländern und ihre Mitgliedschaft in EAKBT und EAP eine "europäische Körperpsychotherapie".Lernen Sie die KBT kennen und lesen Sie über die geschichtliche Entwicklung und die Breite ihrer praktischen Anwendung sowie über den Stand der empirischen Forschung.Die theoretischen Artikel positionieren die Methode in Bezug auf Ausbreitung, Ausbildungsmodalitäten und Evaluation. In den praxisnahen Artikeln mit anschaulichen Fallbeispielen wird die "handfeste" therapeutische Arbeit mit der Konzentrativen Bewegungtherapie deutlich nachvollziehbar.

Häufig gestellte Fragen

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Klaus-Peter Seidler

Fragen stellen und beobachten: Forschungsergebnisse zur Konzentrativen Bewegungstherapie

ZUSAMMENFASSUNG
Es wird ein Überblick über die empirische Forschungzur Konzentrativen Bewegungstherapie (KBT) gegeben. Bis Mitte 2013 lagen 48 Veröffentlichungen vor, die sich auf unterschiedliche Studien beziehen. Nach einer kurzen Darstellung der Geschichte der KBT-Forschung werden Forschungsergebnisse zur Praxis, Identität, Wirksamkeit und Indikation sowie zu den Wirkfaktoren dieses körperorientierten Psychotherapieverfahrens referiert.
Schlüsselwörter: Konzentrative Bewegungstherapie – empirische Forschung – Review
Empirische Forschung wird in den körperorientierten Psychotherapieverfahren eher stiefmütterlich behandelt. Gründe für die Abneigung körperorientierter Psychotherapeuten1, ihre therapeutische Arbeit empirisch zu überprüfen, lassen sich in der häufig fehlenden akademischen Tradition dieser Verfahren und der sie ausübenden Therapeuten finden sowie in deren Vorbehalt, dass ein empirischer Forschungszugang zu einem therapeutischen Geschehen, das durch Unmittelbarkeit im Erleben und intuitives therapeutisches Handeln gekennzeichnet ist, dieses sowohl stören als auch nicht adäquat erfassen kann. Auch Stolze, der vor 55 Jahren der Konzentrativen Bewegungstherapie (KBT) ihren Namen gab, ließ skeptische Töne in Hinblick darauf anklingen, ob die therapeutische Komplexität durch die Methoden der empirischen Therapieforschung erfasst werden kann.
In einem Brief an den Autor schrieb er (H. STOLZE, persönliche Korrespondenz, 9. September 1992): „Grundsätzlich habe ich ja meine Zweifel bezüglich der empirischen Therapieforschung, da ‚die Wirklichkeiten … langsam und unbeschreiblich ausführlich’ sind (Rilke in den „Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge”), denn, so sagt er vorher: ‚Es ist alles aus so vielen einzigen Einzelheiten zusammengesetzt, dass sie sich nicht absehen lassen.’ … Sie müssen bei meinem Einwand in Rechnung stellen, dass ich 75 Jahre alt bin.“
Trotz dieser weisen Skepsis im Alter gegenüber empirischer Forschung hat Stolze die Forschungsbemühungen zur KBT immer unterstützt. Er war treuer Teilnehmer der jährlich stattfindenden
1 Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichwohl für beiderlei Geschlecht.
KBT-Forschungswerkstatt des Deutschen Arbeitskreises für Konzentrative Bewegungstherapie (DAKBT). In der Diskussion dort war es ihm immer wieder ein wichtiges Anliegen an die Forschung, dass diese den Patienten in der KBT als jemanden erfasst, der „in Bewegung“ ist – und dies meinte er sowohl ganz konkret als auch im übertragenen Sinne. Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang auch, dass Stolze Ende der 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts selbst eine Forschungsarbeit zur KBT initiierte (BADURA-MACLEAN & STOLZE, 1981).
Angesichts der Anforderungen zur Qualitätskontrolle in der ambulanten und stationären Psychotherapie sowie der Herausforderung durch eine zunehmend eingeforderte evidenzbasierte Therapiepraxis wissen auch Körperpsychotherapeuten inzwischen: Forschung tut not! (RÖHRICHT, 2009). Dabei sollte es nicht nur um den angemahnten Nachweis der Wirksamkeit körperorientierter Psychotherapie gehen. So lässt die Vielfalt körperorientierter Therapieverfahren und der verwendeten körperbezogenen Interventionsverfahren, wie etwa Anleitung zur Körperwahrnehmung, Massage, freie Tanzimprovisation, verstärkte Atmung oder das Einnehmen körperlicher Stresspositionen, die Frage nach der differenziellen Indikation aufkommen. Nicht alles dürfte für jeden Patienten geeignet sein. Angesichts des psychisch „invasiven“ Charakters einzelner dieser Interventionsmethoden kommt der Klärung der Kontraindikation eine große Bedeutung zu. Die Forschung zur Wirkung körperorientierter Psychotherapie sollte demnach nicht nur eine Erfolgsforschung, sondern auch eine explizite Misserfolgsforschung sein. Auch gilt zu überprüfen, inwieweit Therapieschäden evoziert werden können (YOUNG, 2006).
Im Folgenden sollen die Forschungsergebnisse zur KBT gesichtet werden. Nach einem kurzen Überblick zur Geschichte der KBT-Forschung wird dargestellt, welchen Fragen in empirischen Studien nachgegangen wurde und welche Ergebnisse beobachtet wurden. Folgende Forschungsfragestellungen werden behandelt:
  1. Wie sieht die Praxis der KBT aus?
  2. Gibt es eine therapeutische Identität der KBT?
  3. Wie stellt sich die Wirksamkeit der KBT dar?
  4. Für welche Patienten ist die KBT indiziert?
  5. Weist die KBT spezifische Wirkfaktoren auf?
Abschließend wird ein Ausblick auf die Zukunft der KBT-Forschung gegeben.

Geschichte der KBT-Forschung

Der Ursprung der KBT-Forschung ist bereits bei der „Urmutter“ der KBT, Elsa Gindler, zu finden. Ihr war es ein großes Anliegen, die Ergebnisse ihrer Arbeit für Außenstehende zu dokumentieren. So wurden von ihr Fotoaufnahmen gemacht, um die erzielten Veränderungen durch ihre Art der „Körpererziehung” aufzuzeigen (vgl. LUDWIG, 2002, S. 126 ff.). Die eigentlich erste Forschungsarbeit zur KBT ist auf das Jahr 1961 zu datieren. Quasi im Sinne von Grundlagenforschung zur KBT untersuchte Joachim-Ernst Meyer damals die neurophysiologischen Effekte konzentrativer Entspannungsübungen nach Elsa Gindler. Mithilfe des Elektromyogramms konnte er eine überschwellige Aktivierung der Motoneurone des Rückenmarks feststellen. Diesen von ihm als „Tonisierung“ bezeichneten Effekt interpretierte er als Beleg dafür, dass eine „konzentrative Haltung“, anders als z.B. eine passive Haltung wie beim Autogenen Training, durch die Intensivierung des Körperraumbildes zu einer gesteigertem Aktionsbereitschaft führt.
Eine breitere Forschungsaktivität zur KBT ist aber erst seit den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts zu verzeichnen. Bis Ende 2010 lagen 52 Arbeiten vor, in denen empirische Befunde zur KBT berichtet werden (SEIDLER, SCHREIBER-WILLNOW, HAMACHER-ERBGUTH & PFÄFFLIN, 2001; SEIDLER, EPNER, GRüTZMACHER & SCHREIBER-WILLNOW, 2011). 41 dieser Veröffentlichungen beziehen sich auf unterschiedliche empirische Studien. Bei 16 von ihnen handelt es sich allerdings um sogenannte graue Literatur, d.h. insbesondere unveröffentlichte Diplomarbeiten und Dissertationen. Bis Mitte 2013 ist der Fundus an grauer Forschungsliteratur zur KBT noch um weitere sieben Arbeiten gewachsen. Dabei handelt es sich vor allem um Master-Thesen aus dem noch jungen Universitätslehrgang Psychotherapie, Fachspezifikum Konzentrative Bewegungstherapie, an der Donau-Universität Krems in Österreich.
Eine Reihe der in Zeitschriften mit Peer-Review veröffentlichten Arbeiten in den vergangenen Jahren ging aus der Tätigkeit der Forschungsgruppe des Deutschen Arbeitskreises für Konzentrative Bewegungstherapie (DAKBT) hervor, deren Mitglied der Autor ist.2 Diese Forschungsgruppe wurde 1999 ins Leben gerufen. Ihre Aufgabe war zunächst, den Status quo der empirischen Forschung zur KBT zu bestimmen. Dies mündete 2001 in eine erste Übersichtsarbeit (SEIDLER, 2001). Seit dem Jahr 2000 führt die Forschungsgruppe jährlich eine Forschungswerkstatt durch. Die Forschungswerkstatt findet bei den KBT-Therapeuten eine gute Resonanz. Etwa 40 KBT-Therapeuten treffen sich hier regelmäßig, um mit externen ausgewiesenen Referenten aus der Forschung und auch Referenten aus dem eigenen Kreis zum einen forschungsrelevante Themen zu erörtern, wie Therapieziele oder Prozessdiagnostik in der KBT, und zum anderen aktuelle Forschungsprojekte zu diskutieren. Dies hat dazu geführt, dass bei KBT-Therapeuten die früher verbreitete Skepsis oder auch Ablehnung gegenüber Forschung inzwischen einer interessierten Aufgeschlossenheit gewichen ist.

Praxis der KBT

Die KBT hat sich in Deutschland vor allem als sogenanntes adjuvantes Gruppentherapieverfahren in der stationären Psychotherapie etabliert. Die Praxis der KBT ist darauf aber keineswegs beschränkt, wie sich in einer Studie aus dem Jahr 2002 zeigte (SEIDLER, SCHREIBER-WILLNOW, HAMACHER-ERBGUTH & PFÄFFLIN, 2002). Von den damals 458 angeschriebenen Mitgliedern des DAKBT beteiligten sich gut zwei Drittel (68 %) an der Fragebogenerhebung. 62 % der Antwortenden gaben an, psychotherapeutisch tätig zu sein. Auf diese 191 Personen beziehen sich die folgenden Ergebnisse.
2 Weitere Mitglieder der Forschungsgruppe waren bzw. sind Alexandra Epner, Swantje Grützmacher, Anke Hamacher-Erbguth, Martin Pfäfflin und Karin Schreiber-Willnow.
Was lässt sich zunächst zum „typischen“ KBT-Therapeuten sagen? Es handelt sich zu 85 % um Frauen. Über 50 % von ihnen weisen mehr als 10 Jahre Berufserfahrungen auf. Vom Grundberuf her kommen sie meist aus dem pädagogischen Bereich (31 %) und der Krankengymnastik (23 %); Ärztinnen und Psychologinnen sind dagegen deutlich weniger vertreten (18 %). KBT-Therapeuten arbeiten keineswegs nur in Institutionen (37 %), hier insbesondere in psychosomatischen und psychotherapeutischen Kliniken (59 %), sondern häufig auch ambulant in freier Praxis (40 %; 23 % sowohl in Institution als auch freier Praxis).
Wenig überraschend ist, dass in freier Praxis gut die Hälfte der KBT-Therapeuten (53 %) ausschließlich im Einzeltherapie-Setting arbeitet. Dies kommt in der stationären Behandlung selten vor (6 %), doch über die Hälfte der KBT-Therapeuten (56 %) arbeitet sowohl im Gruppen- als auch Einzeltherapie-Setting. Da die KBT-Praxis in Kliniken vor allem von den institutionellen Rahmenbedingungen bestimmt ist, ist es von besonderem Interesse, wie sich die KBT in der freien Praxis darstellt, die solchen institutionellen Vorgaben nicht unterworfen ist. Um Informationen hierzu zu erhalten, waren die KBT-Therapeuten in freier Praxis aufgefordert, nähere Angaben zu dem Patienten zu machen, der zuletzt bei ihnen regulär eine Gruppen- oder Einzelbehandlung abgeschlossen hatte. Es ergab sich folgendes Bild: 63 % der Behandlungen werden von den Patienten selbst finanziert. Wenn die KBT als ergänzendes Psychotherapieverfahren in einer psychotherapeutischen Behandlung zur Anwendung kommt, so geschieht dies mehr im Gruppen- als im Einzeltherapie-Setting: 55 % der KBT-Patienten im Gruppentherapie-Setting waren parallel zu ihrer KBT-Behandlung (zumindest zeitweise) in weiterer psychotherapeutischer Behandlung. Für die meisten Einzeltherapie-Patienten (76 %) trifft dies hingegen nicht zu. Auch von Patientenseite her ist eine hohe Affinität von Frauen zur KBT zu verzeichnen. Der Anteil von 86 % weiblicher Patienten liegt deutlich über entsprechenden Zahlen anderer Untersuchungen zur ambulanten Psychotherapie, die bei etwa 62 % bis 73% liegen (z.B. ECKERT & WUCHNER, 1994; GUDAT, 1997; LEuziNGER-Bohleber, STUHR, RÜGER & BEUTEL, 2001).
Behandelt werden in freier Praxis sämtliche Störungen, für die üblicherweise eine Psychotherapieindikation gesehen wird, insbesondere depressive Störungen (Einzeltherapie: 39 %, Gruppentherapie: 27 %), Neurosen (Angst-, Zwangs- und Konversionsstörungen; 28 % bzw. 27 %) sowie Belastungs- und Anpassungsstörungen (25 % bzw. 27 %). Die KBT ist somit keineswegs nur auf die Behandlung sogenannter psychosomatischer Erkrankungen, die in der Literatur häufig als wesentlicher Anwendungsbereich für körperorientierte Psychotherapie angeführt werden, beschränkt, obgleich Patienten mit einer solchen Diagnose einen nicht unerheblichen Teil der Behandlungen mit KBT in freier Praxis ausmachen. Fasst man unter den psychosomatischen Störungsbildern die somatoformen Störungen, die psychosomatischen Organerkrankungen und die Verhaltensstörungen mit somatischen Folgeerkrankungen (Essstörungen) zusammen (WILKE & HAUTZINGER, 2000), so weisen 37 % der Gruppentherapie-Patienten und 47 % der Einzeltherapie-Patienten eine solche Diagnose auf.
Vielfach vertreten körperorientierte Psychotherapeuten die Auffassung, dass körperbezogene psychotherapeutische Arbeit gegenüber rein verbaler Psychotherapie zu einer Beschleunigung des Therapieprozesses und damit auch zu kürzeren Behandlungszeiten führt (z.B. GREEN, 1983). Wie sieht dies nun für die KBT-Einzeltherapien in freier Praxis aus? Die Hälfte der Patienten hat die Behandlung innerhalb von 50 Kontakten abgeschlossen. Die Behandlungsdauer von KBT liegt somit im Rahmen des für tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie von den Krankenkassen vorgesehenen Behandlungskontingents. Sie fällt nicht wesentlich kürzer aus als wie für die Klientenzentrierte Gesprächspsychotherapie. Bei diesem rein verbalen Verfahren beendet die Hälfte der Patienten innerhalb von 61 Kontakten die Behandlung erfolgreich (ECKERT & WUCHNER, 1994). Ähnlich wie bei der Gesprächspsychotherapie zeigen sich zudem in der KBT für Ess- und Persönlichkeitsstörungen eher längere Behandlungszeiten (Median 105 bzw. 100). Ein interessantes Nebenergebnis stellt der Befund dar, dass anders als in der Gesprächspsychotherapie die Behandlung von Frauen länger dauert. Während die Hälfte der Patientinnen ihre Behandlung innerhalb von 60 Kontakten abschließt, tut die Hälfte der männlichen Patienten dies innerhalb von 27 Kontakten. Auf die Frage, ob die KBT so gesehen mehr „Frauensache“ ist, soll im Zusammenhang mit den Befunden zur Indikation näher eingegangen werden.
Ging es bislang um die „äußeren“ Merkmale der KBT-Praxis, so soll nun ein Blick darauf geworfen werden, was genau in der KBT passiert. Hierzu liegen bislang kaum empirische Befunde vor. Dies dürfte damit zusammenhängen, dass bisher keine Systematik der Interventionsformen vorliegt, die eine Beschreibung der Vorgehensweise der KBT-Therapeuten ermöglichen würde. Prinzipiell lassen sich verschiedene Interventionsschwerpunkte unterscheiden. So stellt „Körperarbeit“ mit dem Ziel der Differenzierung der Körperwahrnehmung und des Körperschemas sowohl in der Therapietheorie der KBT als auch in anderen körperorientierten Psychotherapieverfahren einen wesentlichen Interventionsschwerpunkt dar. Mit der Entwicklung der KBT zu einem psychotherapeutischen Verfahren ist zudem verstärkt der handelnde Umgang des Patienten mit sich selbst, Gegenständen und anderen Menschen und das damit einhergehende emotionale Erleben ins Zentrum des therapeutischen Interesses gerückt (BECKER, 1997). Die KBT unterscheidet sich damit von anderen, mehr funktional orientierten körpertherapeutischen Verfahren, wie der Eutonie (ALEXANDER, 1977) oder der Feldenkrais-Methode (FELDENKRAIS, 1977). Es stellt sich somit die Frage, welcher Stellenwert den einzelnen Interventionsschwerpunkten in der gegenwärtigen Praxis der KBT zukommt. Ergebnisse einer Studie zur KBT-Gruppenbehandlung (SEIDLER, 2002) liefern hierzu erste Hinweise.
In dieser Untersuchung schätzten die KBT-Therapeuten auf einer Skala zum Ende der jeweiligen Gruppenstunde ein, in welchem Ausmaß sie bestimmte Interventionsschwerpunkte verfolgt hatten. Für 105 Gruppenstunden ambulanter und stationärer Therapiegruppen lagen die Einschätzungen der Therapeuten vor. Es zeigt sich, dass KBT-Therapeuten in der Gruppenarbeit vor allem die Gefühls- und Bedürfnis-Wahrnehmung (auf einer Skala von „0 = gar nicht“ bis „3 = überwiegend“: M = 2.6), die Wahrnehmung des Beziehungsverhaltens und -erlebens (2.4) sowie das Ausdruckgeben von Gefühlen und Bedürfnissen (2.4) fokussieren. Eine offene Angebotsformulierung (1.7), die dem Einzelnen bzw. der Gruppe Freiraum gibt, Eigenes zu entwickeln, wird dagegen vergleichsweise wenig vorgenommen. Ebenso zielen KBT-Angebote weniger häufig auf eine Differenzierung der Körperwahrnehmung und des Körperschemas (1.7) sowie auf die Wahrnehmung des eigenen körperlichen Ausdrucks bzw. des körperlichen Ausdrucks anderer Gruppenteilnehmer (1.8), d. h., der Körper selbst ist häufig gar nicht Zentrum des therapeutischen Bemühens. Diese Ergebnisse konnten in einer neueren Studie (SEIDLER, EPNER, GRÜTZMACHER & SCHREIBER-WILLNOW, 2011) für die Gruppenbehandlung repliziert werden und zeigten sich in fast identischer Form auch für die Einzelbehandlung. In letzterer wird das Ausdruckgeben von Gefühlen und Bedürfnissen in noch stärkerem Ausmaß als in der Gruppentherapie von den Therapeuten Beachtung geschenkt.
Als Fazit lässt sich formulieren, dass sich die KBT in ihrer Methodik von ihren bewegungspädagogischen und -therapeutischen Grundlagen hin zu einem erlebnisorientierten Psychotherapieverfahren entwickelt hat. Die Frage, inwieweit dies aber die Gefahr birgt, dass das spezifische Potential der Körperarbeit aus dem Blick gerät, wird weiter unten im Zusammenhang mit der Darstellung der Studien zur Wirkungsweise der KBT erörtert.

Identität der KBT

KBT-Therapeuten sind wie andere Körperpsychotherapeuten davon überzeugt, dass ihr körperorientiertes Verfahren Besonderheiten aufweist, wodurch es sich von den etabl...

Inhaltsverzeichnis

  1. Inhaltsverzeichnis
  2. Editorial
  3. Anemone Carl - Zur Geschichte der KBT Von der „Gindlerarbeit“ zur Körperpsychotherapie
  4. Heide Häcker - Wie die KBT in die Slowakei kam und dort etabliert werden konnte
  5. Jürgen Schultheiß - Konzentrative Bewegungstherapie (KBT) im klinischen Setting – stationäre Gruppenpsychotherapie bei Burnout-Patienten
  6. Helga Hofinger - Aspekte zu Internalisierung und Externalisierung in der Arbeit mit Konzentrativer Bewegungstherapie
  7. Anton Szugfil - Erfahrungen in der stationär-rehabilitativen Arbeit mit Tinnitus-Patienten aus der Perspektive der Konzentrativen Bewegungstherapie (KBT)
  8. Ulrike Schmitz - Der Körper ist ein unsicheres Gefährt – KBT bei Somatisierungsstörungen und hypochondrischen Ängsten
  9. Christine Breitenborn - Die Fort- und Weiterbildung im Deutschen Arbeitskreis für Konzentrative Bewegungstherapie (DAKBT)
  10. Elisabeth Oedl-Kletter - Anerkennung und Akademisierung der KBT in Österreich – Möglichkeit und Verpflichtung
  11. Klaus-Peter Seidler - Fragen stellen und beobachten: Forschungsergebnisse zur Konzentrativen Bewegungstherapie
  12. Impressum