Vergessene Hauptachse
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Vergessene Hauptachse

Bundesstraße 30 in Oberschwaben

  1. 564 Seiten
  2. German
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Vergessene Hauptachse

Bundesstraße 30 in Oberschwaben

Über dieses Buch

Deutschland hat eines der modernsten, sichersten und best ausgebauten Verkehrsnetze der Welt. Aber stimmt das wirklich? Nicht in Oberschwaben!Vergangenheit, Entwicklung und Zukunft einer vergessenen Hauptachse. Interessierte, Studierende, Berufseinsteiger und Praktiker erhalten umfassend Einblick in die Landes-Nord-Süd-Hauptachse im Südosten von Baden-Württemberg - eine der schlechtesten Fernstraßen Deutschlands. Anschaulich stellt der Autor Theorie und politisches Handeln mit der gelebten Praxis und den Folgen dar.Der Leser erhält ergänzend Einblick in die Entstehung des deutschen Straßennetzes und Verkehrswesens. Er erfährt, wie die Verkehrsnetze entstanden sind. Die Zusammenhänge von gesellschaftlicher Entwicklung, Verkehrsmittel und Verkehrswege werden beleuchtet. Informationen über den aufwendigen Planungsablauf einer deutschen Bundesfernstraße und die nicht immer einfache Bürgerbeteiligung runden das Buch ab.

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Entwicklung des
Straßennetzes

Erste Anfänge
Der Straßen- und Wegebau ist fest mit der Menschheitsgeschichte verbunden. Jäger und Sammler transportierten zunächst nur fußläufig beispielsweise Lebensmittel und Baumaterial. Durch die beginnende Arbeitsteilung entstanden neue Verkehrsbedürfnisse. Die ersten Wege wurden nicht planmäßig erbaut, sondern von der Natur vorgegeben. Sie entstanden dort, wo Menschen und Tiere auf einfachstem Wege zu Unterkunft, Nahrungs-, Futter-, Wasser- und Lagerstätten gelangten. Transportiert wurde zu Lande und zu Wasser. Der Landverkehr wurde zunächst mit menschlicher, dann mit tierischer Muskelkraft betrieben. Mäßige Anstiege, geeignete Pfade zur Durchquerung von Sümpfen und Moore sowie Gewässerquerungen spielten eine große Rolle. Die Menschen lernten die natürlichen Pfade und Wege für die Jagd und den Transport zu nutzen. Eine dauerhafte Befestigung war aufgrund des Nomadendaseins nicht notwendig.
Entstehung der ersten Straßen
Mit der Sesshaftwerdung und der Entstehung von Hochkulturen wurden die ersten Wege und später Straßen angelegt. Somit konnten Personen schneller vorankommen und Güter schneller und bequemer transportiert werden. Breite Straßen waren anfangs nur für religiöse Zwecke gedacht oder sollten den Herrschaftsanspruch verdeutlichen. Später wurden Straßen für militärische Zwecke (Heerstraßen) und den Handel (Handelsstraßen) errichtet. Das Transportvolumen blieb gegenüber dem Wassertransport zunächst unbedeutend. Schwimmende Transportmittel auf natürliche Wasserwege bildeten erste Verkehrssysteme mit überregionalen Aufgaben.
Entstehung der ersten Straßenverkehrsnetze
Im frühen Altertum waren die Babylonier, Ägypter und Perser die ersten Völker, die sich die Vorteile eines ausgebauten Verkehrsnetzes zu Nutze machten und Techniken auf diesem Gebiet entwickelten. Die frühen Straßen waren sehr unterschiedlich ausgeprägt und abhängig vom Entwicklungsstand der jeweiligen Kultur. Neben einfachen Erdstraßen wurden Bohlenwege oder Schotterstraßen angelegt. Besondere Prachtstraßen erhielten schon früh einen Pflasterbelag.
Abbildung 1: Ungefährer Verlauf der Römerstraßen im mittleren Oberschwaben
Antike, Römerstraßen
Die Etrusker bauten noch vor dem Römern bis zu 15 Meter breite gepflasterte Straßen mit Fußgängerstreifen in ihren Städten. Unter den Straßen befand sich bereits eine Wasserleitung. Das schachbrettartig angelegte Straßennetz diente später in der Renaissance als Vorbild italienischer Architekten.
Mit der Ausdehnung des Römischen Reiches wurde die Straßenbautechnik weiterentwickelt. Viele Römerstraßen sind noch heute vorhanden, wenn auch vielerorts nicht mehr sichtbar. Der Streckenverlauf vieler Fernstraßen - vor allem in den Alpen - deckt sich mit dem Verlauf der damaligen Römerstraßen. Viele Römerstraßen wurden mit breiteren Straßen überbaut. Die ersten Römerstraßen bildeten ein Grundnetz das die strategisch wichtigen militärischen Punkte sowie die wichtigsten und größten Städte des Römischen Reiches verband. Davon ausgehend entstand ein weiteres feinmaschigeres Netz aus Römerstraßen, das Kastelle und Legionslager über weitere Strecken mit einander verband.
Es entstand das erste dauerhafte und weitreichende Straßen- und Wegenetz in Europa. Römerstraßen waren südlich der Alpen meist mit sauber bearbeiteten Steinplatten gepflastert. Bei der Konstruktion wurde bereits zwischen Ober- und Unterbau unterschieden. Flussläufe wurden vielfach durch steinerne Bogenbrücken überspannt und ermöglichten die Überquerung von Flüssen ohne Umweg über Flussauen. Tunnel, Stützmauern und in Fels gemeißelte Geleise halfen beim Aufstieg zu Pässen. Um den Auf- und Abstieg zu erleichtern, waren manchmal zusätzlich Stufen in die Fahrbahnmitte gemeißelt oder angelegt. Die überregionalen Verkehrswege wurden in erster Linie militärisch zur zügigen Fortbewegung der Legionen und zur schnellen Nachrichtenübermittlung genutzt. Später entwickelten sich Handelsbeziehungen, mit zunächst für damalige Verhältnisse luxuriöse Güter, wie Gewürze und Salz. Für die meisten Bürger hatten diese Wege noch keine große Bedeutung.
Auf den bestens gepflegten und unterhaltenen Hauptstrecken waren im Abstand einer Tagesreise Unterkünfte für Reisende angelegt. Wechselstationen für Pferde ermöglichten hohe Reisegeschwindigkeiten. An bestimmten Wegstrecken, Flüssen oder Kanälen lagen alle drei bis vier römische Meilen (mille passus = 1 000 passus = 1,48176 km) sogenannte Villa Rusticae (Landgüter im Römischen Reich), die die Versorgung der umliegenden Bevölkerung als auch der Militärstationen gewährleistete.
Abbildung 2: Oben: Römerstraße bei Tall Aqibrin, Syrien (Bild: Bernard Gagnon/Wikimedia Commons, Lizenz: CC BY-SA 3.0); Unten: Querschnitt durch eine Römerstraße am Heidenkopf bei Dahlem in der Eifel (Bild: Pfir/Wikimedia Commons, Lizenz: CC BY-SA 3.0).
Rund 2 000 Jahre lang waren Römerstraßen die überwiegende Basis des europäischen Straßennetzes. Der Straßenbau und die Straßenunterhaltung auf dem rund 80 000 km langen römischen Verkehrsnetz war zentral organisiert und gesetzlich geordnet.
Neben der Anwendung des Pflasterbaus nutzten die römischen Baumeister die antike Form des Betons (Opus caementitium) zur Befestigung der Straßen.
Römerstraßen waren bereits in mehreren Schichten aufgebaut und bestanden meist aus einem bis zu einem Meter starken Straßenkörper. Den Unterbau bildete der gewachsene Boden, der bis über einen Meter Tiefe ausgehoben, geebnet und durch Stampfen verdichtet wurde. Über dem Unterbau folgte das Statumen (lateinisch für Stütze), eine Schicht aus meist hochkant gestellten, flachen, faustgroßen Natursteinen, die zum Teil mit Mörtel verfestigt wurden. In einer weiteren Schicht, die Ruderatio (lateinisch für Schüttung), wurden faustgroße Kiesel und kleinere Bruchsteine eingebaut, die mit Zement stabilisiert wurden. Darauf kam der Nucleus (lateinisch für Kern), eine Schicht aus nussgroßen Kieseln, die auch aus Steinsplitter und Kies bestehen konnte und zum Teil mit heißem Kalkmörtel oder Zementstücke stabilisiert wurde. Als Deckschicht wurden vor allem auf den wichtigsten Fernstraßen, auf Steigungen oder Abschnitte, die besonders gegen Witterungseinflüsse geschützt werden sollten, behauene Steine aus Silex, Basalt oder Steinquader - je nach Gegend - eingebaut. Ansonsten bestand die Deckschicht aus grobem festgewalztem oder gestampftem Kies oder Sand - vor allem nördlich der Alpen. Manchmal wurde eine Schicht auch weggelassen oder aus einem anderen Material gefertigt. Die Deckschicht wies eine Wölbung auf. Durch diese Wölbung konnte das Regenwasser in seitliche Regenrinnen abfließen. Die unteren Schichten sollten damit trocken bleiben. Ähnlich der heutigen Straßen wurden schon Ecksteine verbaut, die den heutigen Bordsteinen ähnelten. Auf bestimmten Abschnitten wurden beidseitig erhöhte Fußwege angelegt. An Hängen herunterlaufendes Wasser wurde mittels Kanäle unter den Straßen durchgeleitet, um ein unkontrolliertes Unterspülen zu verhindern.
Meilensteine informierten über die Entfernungen zu Städten sowie über die Kaiser, die die jeweilige Straße erbauen und reparieren ließen.
Die wichtigsten Straßenverbindungen im Römischen Reich wurden in der “Tabula Peutingeriana“ und dem “Itinerarium Antonini“ dargestellt. Eine mittelalterliche Kopie der “Tabula Peutingeriana“ aus dem 12/13. Jahrhundert wird im Original in der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien aufbewahrt, ist jedoch kaum zugänglich. Öffentlich einsehbar ist die “Tabula Peutingeriana“ als “Carte de Peutinger“ unter euratlas.net.
Abbildung 3: Auszug aus der Tabula Peutingeriana, 1-4 Jahrhundert nach Christus, Ausfertigung von Konrad Miller 1887/1888. Dargestellt ist der Bereich von den Vogesen im Westen bis Wien im Osten.
Mittelalter
Nachdem der Straßenbau zur Zeit der Römer außerordentliche Fortschritte machte, geriet das erlangte bautechnische Wissen mit dem Beginn des Mittelalters in Vergessenheit.
Die fehlende Zentralgewalt nach dem Zusammenbruch des Römischen Reiches wirkte sich negativ auf die Siedlungsentwicklung und das Verkehrswesen aus. Mit den Völkerwanderungen im vierten und fünften Jahrhundert nach Christus verfielen größtenteils ehemals bedeutende Städte und die mit ihnen verbundenen Strukturen. Die in römischer Zeit übliche einheitliche Gestaltung der Straßen und regelmäßige Unterhaltungsmaßnahmen unter dem Einfluss einer zentralen Verwaltung existierten nicht mehr. Es fehlten die Mittel und das Interesse des neu entstandenen Gemeinwesens zur Erhaltung des Wegesystems. Erschwerend machten Raubritter und Wegelagerer die Straßen unsicher und behinderten den Warenaustausch. Bald erfolgte der größte Teil des Warenaustausches auf dem Landweg wieder zu Fuß oder auf Lasttieren entlang der alten Saum- und Viehpfade. Fahrzeuge mit Rädern waren nur noch selten anzutreffen. Die vorhandenen Römerstraßen wurden zwar weiterhin genutzt, verfielen jedoch durch Krieg und mangelnden Unterhalt zunehmend. Vielerorts wurden wenig dauerhafte Erdwege angelegt. Nur wenige Stadtstraßen waren mit einem Pflasterbelag ausgestattet.
Erst Karl der Große (771-814) unternahm wieder erste Anstrengungen zur Verbesserung des Verkehrsnetzes. Sein Ziel war es die Vorherrschaft der Franken im neuen Reich zu sichern. Er suchte nach Möglichkeiten die Reisen seines Hofes zwischen Kaiserpfalzen und Burgen zu erleichtern. Seine zahlreichen militärischen Unternehmungen erforderten gute Wegeverbindungen. Der Straßenbau wurde wieder zu einer staatlichen Aufgabe. Handel und Warentransporte gewannen wieder an Bedeutung. Da auch größere und schwere Lasten transportiert wurden, bezog Karl der Große neben den Landverkehrswegen die Wasserwege ein. Über die Wasserwege war zu dieser Zeit ein weitaus bequemerer und leistungsfähigerer Transport möglich.
Eine wichtige Rolle nahmen in dieser Zeitepoche große Pilgerwege nach Rom und insbesondere Santiago de Compostela ein. Ihr Beginn lag bei Hamburg und entlang der Hansestraße nach Riga. Sie führten über Köln, Trier und Paris nach Süden. Zu den Hauptrouten existierten bereits Seitenäste. Kapellen, Kreuze, große Kirchen, Münster, Basilika und Gasthäuser sind noch heute entlang der Routen nachweisbar und zu Teilen vorhanden. Sie belegen die Bedeutung dieser Wege für die Entwicklung von Siedlungen, Infrastruktur und Verkehrswegen, auch unabhängig von Handel und militärischen Beziehungen.
Mit dem Erstarken der feudalen Herrschaft wuchs der Bedarf an Gütern und Waren. An den Kreuzungspunkten der neuen Handelswege, an Furten und Königsburgen wuchsen Siedlungen heran.
Ab etwa 1000 nach Christus entwickelten sich die ersten Städte im mittelalterlichen Sinne. Die sehr eng bebauten und nahezu kreisförmigen Städte waren zu ihrem Schutze von Stadtmauern und Wällen umgeben. Die Stadtausdehnung wurde durch das Erfordernis der fußläufigen Erschließung bestimmt. Auch die Versorgung mit Lebensmitteln und Gütern aus dem Umland beschränkte die Größe der Städte. Die größten Städte erreichten Einwohnerzahlen von 20 000 bis 30 000 Menschen. Markt, Kirche, Gasthaus und Rathaus bildeten das Zentrum. Von dort verliefen die Hauptstraßen radial gerichtet durch die Tore der Stadtmauer in das Umland.
Der allgemein schlechte Zustand der Verkehrswege sowie die geringen Reichweiten und Transportkapazitäten begrenzten noch über lange Zeit die Möglichkeiten zur Versorgung der Stadtbevölkerung aus dem Umland. Große Städte, wie wir sie heute kennen waren nicht möglich.
Abbildung 4: Europäische Postkurse 1563 nach dem Reisebuch des Giovanni da L'Herba, Karte von Joseph Rübsam, Thurn-und-Taxis-Archiv Regensburg
Wesentliche Verbesserungen der Straßeninfrastruktur erfolgten erst mit der Erhebung von Wegezöllen. Damit wurde ein Teil der Einkünfte in den Straßenbau und in die Straßenerhaltung investiert.
1520 richtete Kaiser Maximilian I. mit der Generalpostmeisterei das erste Angebot im öffentlichen Verkehr ein. Er errichtete ein regelmäßig und zuverlässig verkehrendes gewerbliches Angebot. Innerhalb des weiteren habsburgischen Besitzes entstand ein dichtes Netz von Poststationen, auf dem ab 1560 auch privater Postverkehr abgewickelt wurde. 1597 erklärte Rudolf II. das Postwesen zum kaiserlichen Hoheitsrecht. Das so genannte Postregal beinhaltet das Alleinrecht des Staates, Posteinrichtungen zu gründen und zu betreiben. Unter dem Namen der Reichspostmeisterfamilien Taxis, die sich 1650 in Thurn und Taxis unbenannten, entstand im gesamten Kaiserreich ein regelmäßig verkehrendes Post- und Transportsystem, für dessen Nutzung Gebühren erhoben wurden. Aus dem an den Reichspostmeister verliehenen Postregal entwickelten sich Liniengenehmigungen und Konzessionen bis hin zu den heute geltenden Personenbeförderungsgesetzen der Länder. Aus dieser Zeit stammen auch die ersten Reisehandbücher, aus denen sich die ersten Straßenkarten entwickelten (Abbildung 4).
Neuzeit
Im 18. Jahrhundert erschwerte zunächst noch die Zersplitterung des Heiligen Römischen Reiches die Entstehung eines durchgängigen und hochwertigen Verkehrsnetzes. Durch die Zerschneidung der Verbindungen bestanden durch zahlreiche Grenzen und Zollschranken negative Auswirkungen auf den Handel und Warentransport. Dennoch kam es im Bereich des Straßenbaus zu Neuentwicklungen.
Zunächst waren es in erster Linie französische Ingenieure der École nationale des ponts et chaussées, wie etwa Daniel-Charles Trudaine (1703-1769), Pierre Marie Jérôme Trésaguet (1716-1796) oder Hubert Gautier (1660-1737), die Untersuchungen durc...

Inhaltsverzeichnis

  1. Über das Buch
  2. Inhaltsverzeichnis
  3. Kapitel 1: Entwicklung des Straßennetzes
  4. Kapitel 2: Errichtung der Bundesstraße 30
  5. Kapitel 3: Einzelprojekte der Bundesstraße 30
  6. Kapitel 4: B 30 heute Aktueller Wissensstand
  7. Kapitel 5: Planungsablauf einer Bundesfernstraße
  8. In Gedenken an
  9. Abbildungsverzeichnis
  10. Tabellenverzeichnis
  11. Lizenzen
  12. Impressum