Partizipation ist schon da!
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Partizipation ist schon da!

Qualitative Analyse von Partizipationshandeln burundischer Jugendlicher

  1. 280 Seiten
  2. German
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  4. Über iOS und Android verfügbar
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Partizipation ist schon da!

Qualitative Analyse von Partizipationshandeln burundischer Jugendlicher

Über dieses Buch

Das vorliegende Buch ist die Dissertationsschrift von Stefan Hoffmann zur Partizipation Jugendlicher in Burundi. In dieser Abhandlung wird die Frage verfolgt, wie Jugendliche in dem ostafrikanischen Land sich unter Bedingungen der politischen Instabilität und unter kulturellen und hierarchischen Rahmensetzungen beteiligen. Hoffmann rekonstuiert ein sehr strategisches Partizipationsverhalten und bietet dadurch Impulse für eine sozialarbeiterische Praxis und weitere Forschungsarbeit in diesem Bereich. Ein Buch das für PraktikerInnen genauso gewinnbringend ist wie für StudentInnen und Lehrende, die sich mit der Grounded Theory und Jugendarbeitsforschung auseinandersetzen.

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Information

1. Einleitung

Burundi wirbt für sich selbst mit dem Titel „The beating heart of Africa“ (NTOB 2011: 1). Der dort angesprochene „beat“ hat zum einen mit einem schlagenden Herzen als Zeichen von Lebendigkeit zu tun, bezieht sich zum anderen aber auf die heiligen Trommeln, die eine lange Tradition haben und auch heute bei Festen im Land nicht wegzudenken sind. Burundi ist ein beeindruckendes, grünes Land, das durch seine Fruchtbarkeit und die Fröhlichkeit seiner Menschen besticht. Ich3 habe mit meiner Familie selbst in diesem „schlagenden Herzen Afrikas“ für fünf Jahre gelebt. Die vorliegende Arbeit ist ein Element meiner Forschungsarbeit in Ostafrika. In ihr werden viele Aspekte genannt, die zu einem problemzentrierten Blick führen könnten. Dies ist nicht die Absicht dieser Arbeit – im Gegenteil. Die Ergebnisse dieser Arbeit sollen und können Jugendlichen und jungen Menschen helfen, ihr Beteiligungshandeln kreativer zu gestalten, um ihnen somit mehr Möglichkeiten zu eröffnen.
Während des fünfjährigen Arbeitsaufenthaltes im ostafrikanischen Burundi führte ein Handlungsforschungsprojekt zu einer Masterarbeit und nun zu vorliegender Dissertation. Die Grundfrage, wie Jugendliche zu beteiligen sind, war eine Frage aus meiner Arbeitspraxis, die in der Theorie Orientierung suchte und forschend erweitert wurde. Ich arbeitete als Sozialarbeiter fünf Jahre in einem Kinder- und Jugendprojekt der kirchlichen Entwicklungszuammenarbeit in einer Kooperation zwischen der Diözese Bujumbura und der Liebenzeller Mission. Das Projekt wird detailliert in Kapitel 5.2.2. vorgestellt, es hat die Unterstützung der Lebensgestaltung von Waisen und Halbwaisen im Fokus.
Eines der Ergebnisse meiner Handlungsforschung in diesem Projekt war, dass burundische Jugendliche sich Beteiligungs- und Austauschplattformen wünschen. Dieser erste forschende Schritt wurde im Jahr 2008 mit 149 Kindern im Rahmen einer Zukunftswerkstatt zu den Lebensbereichen Schule, Freizeit und Familie durchgeführt. Im Rahmen der nachfolgenden Masterarbeit wurden 2010 praktisch forschend Handlungsoptionen mit Jugendlichen und BetreuerInnen4 erarbeitet, die zur Gründung von Jugendclubs führten. Hierbei spielte ein aneignungsorientierter partizipativer Ansatz eine Rolle. In der Umsetzung dieser Maßnahme und zum Ende meines Arbeitsaufenthaltes in Burundi stellte ich mir immer mehr die Frage, wie Partizipation von den Jugendlichen wahrgenommen wird, und ob es Unterschiede in einem fremdinitiierten Partizipationsprojekt (also dem Projekt, in dem mein burundisches Team und ich zusammengearbeitet haben) und einem eigeninitiierten Partizipationsprojekt (wo Jugendliche selbst aktiv wurden) gab. Auch die Sicht der Erwachsenen auf die umgesetzten Beteiligungsprozesse weckte mein Interesse und formte sich zu einer evaluierenden, komparativen Sozialforschung. Somit wurde zu Beginn der Ansatz der responsiven Evaluation gewählt, in welchem Gruppendiskussionen mit Jugendlichen und Erwachsenen im Fokus standen, deren Ergebnisse den Diskutanten nach einer ersten Auswertung wieder zur Diskussion gestellt wurden, um sie zu validieren, wissenssoziologisch zu verorten und die Ergebnisse fruchtbar zu machen. Erst nach der Rückkehr nach Deutschland wurde das Material dann einer weiteren Analyse mit der Methode der Grounded Theory unterzogen, um tiefere Erkenntnisse zu gewinnen. Hierbei wurde neben einer methodologischen Frage, nämlich der Frage nach einem an den Untersuchungsgegenstand angepassten Kodierparadigma, das Partizipationshandeln an sich wichtig und formte sich im Prozess zu einer Typisierung von Partizipationsprozessen. Diese Typisierung bildete sich zum einen am Grad der Formalität des Handelns heraus und zum anderen an den Interessen der Gruppen, mit denen sie auf Probleme reagierten. Somit konnten vier Strategietypen aus dem Material rekonstruiert und abgebildet werden und in Bezug zu Sozialtypiken gesetzt werden.
Das Forschungsinteresse, das mich leitete, bestand darin, Erfahrungen und Wirkungen von Partizipationsprozessen vergleichend zu evaluieren und daraus neue Erkenntnisse für die Beteiligung von Jugendlichen in Burundi zu gewinnen. Diese Erkenntnisse sollen wieder zurück in die Praxis der Sozialarbeit und der Lebenswelt der Jugendlichen selbst führen. Die daraus abgeleitete Forschungsfrage war: wie beurteilen Jugendliche in Burundi Partizipationsprozesse? Und wie werden diese Prozesse von an ihnen beteiligten Erwachsenen beurteilt?
Ich entschied mich für ein qualitativ ausgerichtetes Forschungsdesign, in dem mit Gruppendiskussionen eine responsive Evaluation in Anlehnung an die dokumentarische Evaluationsforschung mit Jugendlichen und Erwachsenen in zwei verschiedenen Partizipationsprojekten durchgeführt wurde. Eines war Teil meiner Arbeit, das andere war mir bekannt. Nach der Rückkehr aus Burundi wurde der so gewonnene Datenkorpus einer vertieften Analyse in Anlehnung an die Grounded Theory unterzogen, um das sich abzeichnende „implizite Erfahrungswissen“ (May 2010a: 310) der Jugendlichen in Bezug zu partizipationsbedingenden Faktoren zu setzen. Die Grounded Theory wurde auf Grund ihrer prozesshaften Anlage und durch das Aufbrechen des Materials durch Kodieren als rekonstruktive Methode gewählt.
Um die Gedankengänge, Entscheidungen und Prozesse während des Forschungsprozesses transparent zu machen, ist die Arbeit wie folgt aufgebaut:
Nach der Einleitung im ersten Kapitel der Dissertation wird im zweiten Kapitel die Geschichte sowie die wirtschaftliche und politische Situation in Burundi skizziert. In den Ausführungen wird die Situation der burundischen Jugend besonders beleuchtet, um dem LeserIn den Kontext der Forschungsarbeit näher zu bringen.
Da ich in diesen Kontext – das Land Burundi – eingetaucht bin, setzte ich mich im dritten Kapitel vor dem Hintergrund der Diskurse um Postkolonialismus und Kosmopolismus mit meiner Rolle als Forschender in fremdem kulturellem Kontext auseinander. Die in diesem Zusammenhang aufkommenden erkenntnistheoretischen Fragen werden in diesem Kapitel mit einer wissenssoziologischen Positionierung in Anlehnung an Mannheim beantwortet.
Nach dieser Positionsbestimmung und -reflektion als Forscher setzt sich das vierte Kapitel mit dem zentralen Begriff dieser Arbeit auseinander – mit dem Begriff der Partizipation. Hier wird zum einen der Forschungsstand zu Jugendpartizipation im Allgemeinen und zum anderen von Jugendpartizipation in Afrika und in Burundi dargestellt und erörtert. Darüber hinaus werden die in Europa entwickelten demokratie- und dienstleistungstheoretischen Begründungen und Konzepte von Zivilgesellschaft und Partizipation in ein Spannungsverhältnis mit der afrikanischen Situation gesetzt. Daran schließt sich eine Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Begriffen von Macht an, die in der Ausarbeitung von fünf Kristallisationspunkten von Partizipation endet. Abschließend werden armuts- und unterdrückungsumfassende Theorien von Freire und Friedmann ins Verhältnis zur Frage der Partizipation und des Empowerment gesetzt, um sie dann in ihrer Bedeutung für die Soziale Arbeit zu diskutieren.
Nach diesen Grundlegungen folgt ab dem fünften Kapitel der empirische Teil der Arbeit. Hierin werden zuerst das Forschungsdesign und meine Rolle in Bezug zu den beforschten Projekten dargestellt und reflektiert. Des Weiteren wird die Methode der Grounded Theory in ihrer auf den vorliegenden Fall angepassten und übertragenen Form erläutert.
Im sechsten Kapitel wird detailliert der Umgang mit dem gewonnenen Datenmaterial beschrieben. Im Schritt des offenen Kodierens werden sieben unterschiedliche Kategorien rekonstruiert. Es wird dargestellt, wie die siebte Kategorie „Strategien der Jugendlichen, um zu partizipieren“ im Prozess des axialen Kodierens auf komparatistische Weise in vier unterschiedliche Strategietypen ausdifferenziert wird. Hierbei wird in Anlehnung an die Arbeiten von Henri Lefebvre und dessen relationalen Kategorien von Problem und Interesse ein eigenes Kodierparadigma entwickelt. Die Interessen werden hierbei in formelle und informelle unterschieden. In weiterer Umsetzung der Arbeit Lefebvres werden abschließend strategische Hypothesen formuliert, die die gewonnenen Erkenntnisse zurück in die Praxis führen können.
Zuvor wird jedoch eine Reflektion der rekonstruierten Strategietypen in Bezug zu folgenden sozialtypischen Aspekten geleistet: Alter und Herkunft, Position und Geschlecht. Hierbei werden die Redebeiträge der TeilnehmerInnen anhand von Dauer und Inhalt analysiert.
Im abschließenden siebten Kapitel werden die gewonnen Erkenntnisse zusammengefasst und ein Ausblick auf weitere Anwendung in der Forschungs- und Sozialarbeitspraxis gegeben.

3 Da es in dieser Arbeit oft um meine Rollen als Forscher und Projektmitarbeiter geht, wird in der Arbeit vom forschenden Subjekt als „ich“ gesprochen, statt einer distanziert neutralen Formulierung wie „Autor“.
4 Es wird im Sinne einer lesbaren gendersensiblen Formulierung das Binnen-I verwandt. Im Text wird der Artikel ungesetzmäßig alterniert, also der LeserIn oder die LeserIn verwandt anstatt der/ die LeserIn. Um die Lesbarkeit zu erhöhen, werden geschlechtsneutrale Formulierungen bevorzugt.

2. Burundi – der Kontext der Arbeit

Um den Kontext dieser Arbeit zugänglich zu machen, wird in diesem Kapitel die Situation des Landes Burundi dargestellt, da es ein eher unbekanntes afrikanisches Land ist. Die Beschreibungen sind als Situationsbeschreibungen zu verstehen, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit haben, aber im Sinne einer Kontextbeschreibung das Thema Jugendpartizipation vor einen sozio-geographischen, historischen, wirtschaftlichen und politischen Hintergrund stellen. Da das Thema „Situation der Jugend“ ein zentrales ist, wird es nicht unter soziogeographischen Aspekten subsumiert, sondern bekommt ein eigenes Kapitel.
2.1. Sozio-geographischer Hintergrund
In diesem Kapitel werden Burundi und seine Menschen unter soziogeographischen Schwerpunkten eingeführt. Zuerst wird das Land knapp anhand von einigen Daten skizziert und danach die ethnische Bevölkerungssituation vorgestellt.

2.1.1. Das Land – ein datenbasiertes Portrait

Burundi liegt am Tanganjika See, der einer der größten und tiefsten Seen der Erde ist. Es ist ein grünes, hügeliges Land, in dessen Hauptstadt Bujumbura rund 10% der Bevölkerung leben. Burundi ist ein Teil der Ostafrikanischen Union bestehend aus Uganda, Tansania, Ruanda und Kenia, wobei es innerhalb dieser Union das einzige Land ist, das noch frankophon ist. Das Land besitzt eine Bevölkerung von 9,8 Millionen Einwohner mit einem Bevölkerungswachstum von 3,2% (Bertelsmann Stiftung 2014: 2)5. Die Lebenserwartung liegt im Jahr 2014 bei 53,1 Jahren und es zählt zu den ärmsten Ländern dieser Welt (Bertelsmann Stiftung 2014: 19).
Burundi hat eine Größe von rund 27.800 km2und gehört zu den am dichtesten bevölkerten Ländern Afrikas (Omara/ Ackson 2010: 6). Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern besitzt Burundi den Vorteil (vgl. Watt 2008: 15), dass nur eine Sprache gesprochen wird – Kirundi. Daneben wird Französisch als Behördensprache gesprochen. Englisch und Suaheli sind weitere Sprachen, die in dem Land angewandt und auch schon früh in der Schule unterrichtet werden.
Die meisten Burundier gehören einer christlichen Religion an, laut Omara/ Ackson rund 67% (Omara/ Ackson 2010: 6). Es gibt keine verlässlichen Mitgliedsdaten von den Kirchen selbst, Statistiken besagen, dass die katholische Kirche mit rund 65% dominiert, die protestantische Kirche rund 30% Anhänger besitzt und die Muslime die nächstgrößere Religionsgemeinschaft stellen (vgl. ISTEEBU 2012: 31). Unter den protestantischen Kirchen hat die Anglikanische Kirche die größte Anhängerschaft, sie ist mit neun Diözesen im ganzen Land vertreten.
Bekannt wurde Burundi unter anderem durch einen Konflikt, der im Nachbarland Ruanda zu trauriger Berühmtheit führte, aber auch in Burundi ein Wesensmerkmal des Zusammenlebens darstellt: nämlich die Auseinandersetzung der beiden vorherrschenden Volksgruppen Hutu und Tutsi.

2.1.2. Hutu, Tutsi und Twa

Sowohl historisch als auch wissenschaftlich ist es höchst umstritten, wie es zu einer Einteilung des burundischen Volkes in die drei Ethnien kam. Ob der Begriff „Ethnien“6 richtig ist, wird vielerorts diskutiert. Der Politikwissenschaftler und Historiker Strizek führt als mögliche Begriffe neben „Rasse“ die Begriffe „Kaste“ und „Klasse“ an, die verschiedentlich gewählt wurden, um das Phänomen der Trennung der Volksgruppen zu beschreiben (vgl. Strizek 1996: 40f). Der Theologe Ndabiseruye, der mir persönlich bekannt ist und selbst bei ethnischen Auseinandersetzungen schwer verletzt wurde, weist unter Problematisierung des Ethnienbegriffs in seiner Dissertationsschrift darauf hin, dass es schwierig ist, „von „Ethnien“ nach der traditionellen7 Definition zu sprechen“ (Ndabiseruye 2009: 69, Hervorhebung im Original). Vielmehr könne es sich auch um soziale Identitäten oder soziale Kategorien handeln, die vor der Kolonialzeit eine Einheit gebildet hätten (ebd.). Aber, so Ndabiseruye weiter, all „diese Aussagen betonen die „Einheit“ der drei Volksgruppen und schieben die Schuld der Spaltung einzig auf die Kolonialverwaltung, als wäre in der Vorkolonialzeit alles heil gewesen“ (ebd., Hervorhebung im Original). Es zeichnen sich zwei Argumentationslinien ab – eine ethnische und eine soziale. Nach der sozialen Argumentation sind die drei Gruppen – vereinfacht dargestellt – ein Volk, in dem es zu Abgrenzungen und Ausprägung von Herrschaftsverhältnissen kam und dies die Trennung mit sich brachte (Strizek 1996: 56f). Die ethnische Argumentation beruht auf der Annahme, dass es Migrationen verschiedener Ausgangsbevölkerungsgruppen gibt, die in der Region aufeinandertreffen. Laut Omara/ Ackson, die im Auftrag des ostafrikanischen Zentrums8 für Verfassungsentwicklung einen Bericht über Burundi verfasst haben, scheint es eine größere Anhängerschaft für die Theorie der sukzessiven Einwanderung zu geben. Zuerst seien die Batwa gekommen, dann im 1. Jahrhundert die Bahutu und am Schluss hätten die Batutsi9 das Land im 15. Jahrhundert besiedelt. Traditionell seien die Twa Töpfer, die Hutu Landwirte und die Tutsi Kuhhirten. Heute gehörten 85% der Burundier den Hutu, 14% den Tutsi und 1% den Twa10 an (vgl. Omara/ Ackson 2010: 16). Egal welcher Entstehungstheorie man anhängt, Fakt ist, dass diese Einteilung des ruandischen und burundischen Volkes in Kombination mit politischen und kolonialistischen Visionen, Manipulationen und Machtinteressen eine blutige Geschichte begründete, die hunderttausenden Menschen das Leben kostete und in den 1990er Jahren die Welt wegen ihrer Brutalität in Atem hielt. Strizek nutzt ...

Inhaltsverzeichnis

  1. Danksagung
  2. Hinweise
  3. Inhaltsverzeichnis
  4. Abbildungsverzeichnis
  5. Tabellenverzeichnis
  6. 1. Einleitung
  7. 2. Burundi – der Kontext der Arbeit
  8. 3. Forschen in fremdem kulturellem Kontext
  9. 4. Partizipation
  10. 5. Forschungsarbeit
  11. 6. Die Erkenntnisetappen
  12. 7. Erkenntnisse
  13. 8. Literaturangaben
  14. Impressum