Lovecraft und Duve
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Lovecraft und Duve

Das Motiv humanoider Fisch-Mensch-Hybriden in den Werken von H.P. Lovecraft und Karen Duve

  1. 96 Seiten
  2. German
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Lovecraft und Duve

Das Motiv humanoider Fisch-Mensch-Hybriden in den Werken von H.P. Lovecraft und Karen Duve

Über dieses Buch

H.P. Lovecraft und Karen Duve – zwei Schriftsteller, die auf den ersten Blick keinerlei Parallelen zueinander aufzuweisen scheinen. Der eine einer der Begründer der modernen, amerikanischen Schauerliteratur, die andere eines der Aushängeschilder der Bewegung, die als deutsches "Fräuleinwunder" tituliert für junge Autorinnen um die Jahrtausendwende stand. Er oftmals gelesen als eine Verkörperung eines längst vergangenen Weltbildes, das von Kreativität genauso geprägt war wie durch die Furcht vor dem Fremden, sie ein Beispiel für die progressive, furcht- und tabulose Literatur junger, deutscher Schriftsteller. Als Duve zur Welt kam, war Lovecraft bereits 24 Jahre verstorben.Und doch finden sich in Texten der beiden Autoren Parallelen. Lovecraft wie Duve verwenden in einigen ihrer bekanntesten Texte das Motiv humanoider Fisch-Mensch-Hybriden; doch wo formale Ähnlichkeit herrscht, findet sich zugleich große, inhaltliche Differenz.Wie aber kommt es dazu? Warum ist dieses in sich eigenwillige Motiv so einprägsam, und doch zugleich so offen, dass es grundverschiedenen Schriftstellern mit fast diametralen Ansichten dennoch gleichermaßen dienen kann?Dieses Buch begibt sich auf die Suche nach einer Antwort.

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Information

1. Einleitung

Das Motiv des Meeres, seiner Bewohner und seiner Geheimnisse war vermutlich schon immer ein Teil der Literaturgeschichte. Doch eine sehr spezialisierte Variante davon, Mischwesen aus Mensch und Meeresbewohner, die unerkannt unter den Menschen Leben und deren Kultur anscheinend unterwandert haben, stellt eine seltenere Ausnahme dar.
Diese Motivvariante findet sich in den Texten des amerikanischen Autors H.P. Lovecraft, vor allem in der Geschichte „The Shadow over Innsmouth“ (1946), aber auch in der Novelle „Im tiefen Schnee ein stilles Heim“ (1995) der deutschen Autorin Karen Duve.
Das ist insbesondere bemerkenswert, weil es sehr schwer fällt, zwischen den beiden Autoren und ihrem Werk weitere Parallelen zu finden, sei es nun inhaltlich, historisch oder ideologisch.
In diesem Buch will ich untersuchen, wieso dennoch ausgerechnet in diesen beiden Texten, trotz ihrer Unterschiede, diesem seltenen Motiv eine so zentrale Rolle zugedacht wurde. Ich werde mich dabei auch mit der Frage beschäftigen, ob und wie es möglich ist, dass beide Texte ganz unterschiedliche Botschaften mithilfe des gleichen Bildes vermitteln, oder ob nicht doch bei einer genauen Untersuchen Nuancen zutage treten, die der wahrgenommenen Parallelität widersprechen.
Zu diesem Zweck werde ich, nach einer kurzen Vorstellung der beiden Autoren und der genannten Werke sowie einer Eingrenzung des Motivs, zunächst die für diese Untersuchung relevanten Textstellen genauer analysieren. Mit diesen Untersuchungen als Grundlage werde ich dann in einem nächsten Schritt zwei Fragen nachgehen: Wo liegen wirklich die Parallelen und wo die Unterschiede zwischen den beiden Texten, und ist das geschilderte Motiv tatsächlich solch eine Ausnahme gegenüber anderen, vergleichbaren Motive aus der Literatur?
Den Abschluss bildet dann eine Interpretation der Texte im Kontext des zugrunde liegenden Motivs und auf Basis der herausgearbeiteten Aspekte, sowie ein Versuch, bei allen bis dahin gefundenen Unterschieden eine Erklärung zu finden, wie es zu dieser Parallele zwischen den Texten gekommen sein könnte.

2. Die Primärtexte

2.1 H.P. Lovecraft

2.1.1 Über H.P. Lovecraft

Howard Phillips Lovecraft wurde am 20. 8. 1890 als Sohn des Handlungsreisenden Winfield Scott Lovecraft und Sarah Susan Phillips Lovecraft in Providence, Rhode Island, geboren. Lovecraft zeigte bereits sehr früh eine große Begabung, beherrschte angeblich mit zwei das Alphabet, konnte mit vier lesen und schrieb mit sechs erste Texte1, besuchte aus gesundheitlichen Gründen jedoch nie ein College. Mit Ausnahme der Jahre 1924 bis 1926, die er in New York gelebt hat, verbrachte er sein ganzes Leben in seiner neuenglischen Heimatstadt. Dort schrieb er Zeit seines Lebens Geschichten, jedoch nur mit mäßigem Erfolg. Viele seiner Texte wurden auch erst posthum veröffentlicht. Lovecraft haftet bis heute der Ruf eines Außenseiters und Einzelgängers an, was jedoch nicht uneingeschränkt stimmt. Zwar sind neben seiner kurzen Ehe mit der Sonia Haft Greene, einer Jüdin russischer Herkunft2, keine Beziehungen Lovecrafts bekannt, doch insbesondere in Form von Briefen pflegte er viele Kontakte. Nach eigenen Angaben schrieb er 5 bis 10 Briefe pro Tag und die von ihm verfasste Gesamtzahl wird zwischen 42.000 und 84.000 geschätzt3.
Lovecraft verstarb 1937 an Darmkrebs und Nierenversagen. Bis zu seinem Tod war er niemals von dem Wert seines eigenen Schaffens überzeugt. Eine nur wenige Seiten umfassende Autobiographie – schon symptomatisch als „Einige Anmerkungen zu einer Null“ bzw. „Some Notes on a Nonentity“ betitelt – eröffnet er mit der Aussage, die Hauptschwierigkeit einer Autobiographie sei für ihn, überhaupt etwas zu finden, was bedeutsam genug sei, um festgehalten zu werden.4
Aus heutiger Sicht ist dies natürlich eine Fehleinschätzung und sein Einfluss auf nachfolgende Generationen ist ungebrochen groß5.

2.1.2 Schatten über Innsmouth

„Schatten über Innsmouth“ erscheint erstmals 1936 nach einem sehr ausgedehnten Vorlauf. Lovecraft selber hatte die Arbeit daran nach mehreren Anläufen 1931 bereits abgeschlossen, zeigte sich aber unzufrieden und konnte sich nicht vorstellen, dass sich jemand für den Text interessieren würde. Nur seinem Verleger August Derleth, der das Manuskript ohne das Wissen des Autors kursieren ließ, ist eine Veröffentlichung zu verdanken6. Dabei war diese Auflage in sich eine große Katastrophe. Von 400 Exemplaren wurden nur 200 jemals gebunden und die grobe Typographie war dabei so fehlerhaft, dass Lovecraft selber viele Exemplare noch von Hand versuchte zu korrigieren. Er gab ein Druckfehlerverzeichnis in Auftrag und, wie er es erwartet hatte, war auch dieses fehlerhaft.7
Dennoch handelt es sich bei dem Buch um Lovecrafts einzige zu Lebzeiten erschienene Buchveröffentlichung8, weshalb dem Titel innerhalb seines Werkes trotz der schwierigen Produktionsumstände eine gewisse Sonderstellung einzuräumen ist.
In der Geschichte wird in der ersten Person die Reise eines namenlos bleibenden Erzähler durch Neuengland geschildert. Einige unplanmäßige Umstände sowie seine antiquarisch geprägte Neugierde führen ihn schlussendlich in die Küstenstadt Innsmouth. Während ihm die Bewohner der Stadt vor allem durch eigenartige Abweichungen im Körperbau auffallen – jene Anzeichen der Verbindung von Fisch und Mensch, auf die ich in Kapitel 3 detailliert eingehen werde –, ist der Eindruck der Stadt mit ihren durchhängenden Dächern und ihrem Gassengewirr geprägt ist von allgemeinem Verfall9.
Nach einer Weile stößt der Erzähler auf einen Mann namens Zadok Allen, der ihm eine schauerliche Geschichte erzählt. Er berichtet, dass der Seefahrer Obed Marsh auf seinen Reisen in Kontakt mit fremdartigen Wesen, halb Fisch, halb Frosch, gekommen sei. Zunächst habe man Menschenopfer im Austausch gegen Fische und Gold vereinbart, doch sei das Bündnis mit den Wesen enger geworden und die heutigen Bewohner der Stadt seien vielmehr Nachfahren der Vereinigung der Menschen mit den Monstern.
Zwar weist der Erzähler die Wahrheit der Geschichte von sich, versucht aber dennoch noch am gleichen Tag, den Ort wieder zu verlassen, jedoch ohne Erfolg. Er kommt in einem Hotel unter, muss aus diesem jedoch in der Nacht fliehen, als die Bewohner Innsmouths versuchen, sich Zugang zu verschaffen und ihn zu ergreifen. Ihre Zahl ist überwältigend, sowohl in der Stadt, als auch vom Meer her, auf dessen Oberfläche er während seiner nächtlichen Flucht unzählige Gestalten ausmachen kann, die aus den Tiefen auf die Stadt zuschwimmen10.
Letztlich gelingt dem Erzähler die Flucht und er kann eine militärische Intervention in dem Küstenort erwirken, doch ist auch dies nicht mit einer Rettung gleichzusetzen. In den Jahren nach der Flucht muss er erkennen, dass auch einige seiner Vorfahren aus Innsmouth stammen. Er beginnt, ein Nervenleiden11 zu entwickeln, das er zunächst nicht wirklich zu deuten weiß. Doch zum Abschluss der Geschichte kann auch er sich der Erkenntnis nicht mehr verschließen – er selber ist dabei, sich in eines jener Wesen zu verwandeln, die ihn zuvor gejagt haben. Die Geschichte schließt damit, dass er sein Schicksal offenbar akzeptiert und davon spricht, zu dem Riff hinauszuschwimmen und hinab zu tauchen in die Stadt der Kreaturen, die er „Tiefe Wesen“ nennt.12

2.1.3 Zur Auswahl der Textfassung

Bei der Auseinandersetzung mit einem fremdsprachigen Text stellt sich natürlich die Frage, auf welche Übersetzung der Schwerpunkt gelegt wird. Die Leitübersetzung für mich ist die im Suhrkamp-Verlag erschienene Fassung von Rudolf Hermstein. In Zweifelsfällen wird jedoch auch der englischsprachige Originaltext als Referenz herangezogen werden.
Die deutlich jüngere Übersetzung des Textes von Andreas Diesel13, die im Festa-Verlag erschienen ist, dient dabei der Ergänzung, zumal diese Ausgabe auch eine frühere, verworfene Fassung des Textes umfasst, auf die ich ebenfalls eingehen werde.

2.2 Karen Duve

2.2.1 Über Karen Duve

Karen Duve wurde am 16. 11. 1961 in Hamburg geboren. Sie erwarb ihr Abitur, brach dann jedoch eine Ausbildung zur Steuerinspektorin ab und nahm einige Gelegenheitsjobs an, arbeitete unter anderem längere Zeit als Taxifahrerin.1...

Inhaltsverzeichnis

  1. Über das Buch
  2. Über den Autor
  3. Widmung
  4. Inhaltsverzeichnis
  5. Vorwort
  6. 1 Einleitung
  7. 2 Die Primärtexte
  8. 3 Die Darstellung der Fischwesen
  9. 4 Das Motiv des humanoiden Fisch-Mensch-Hybriden
  10. 5 Schlussfolgerungen und Deutung
  11. 6 Fazit
  12. Nachwort
  13. Danksagungen
  14. Bibliographie
  15. Impressum