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Weltanschauung und Menschenbild in der Kunst der Gegenwart
Über dieses Buch
Das Verstehen von Kunst erfordert über die formal-kunsthistorische Analyse hinaus ein Verstehen des Künstlers und seiner Sicht auf die Wirklichkeit. Mit dieser Welt- oder Wirklichkeitsauffassung ist auch eine spezifische Auffassung des Menschenbildes verbunden, das in den Werken zutage tritt und gleichzeitig Aufschluss über die Struktur der Gesellschaft gibt. Ausgehend von der philosophischen Theoriebildung zu Weltanschauung und Menschenbild werden zunächst Werke der traditionellen Kunst betrachtet, um schließlich Werke der Gegenwartskunst hinsichtlich ihrer weltanschaulichen Grundannahmen zu diskutieren und ihr jeweils typisches Menschenbild nachzuweisen.
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Information
II. Teil
Weltanschauung und Menschenbild in der Kunst der Gegenwart
1. Kapitel: Grundzüge ästhetischer Theoriebildung
Herman Nohl, dessen ästhetische Betrachtungen die Thematik des nun folgenden Kapitels vorbereiten sollen, ist im Jahr 1960 gestorben. Diese Zeit war gekennzeichnet von der „Revolution der modernen Kunst“, die Sedlmayr 1955 in seiner aufsehenerregenden Schrift bekanntlich auf heftigste kritisierte. Auch wenn Nohl den darin auftretenden traditionalistischen Kunstbegriff wohl nicht hätte unterstützen wollen, so zeigt doch die von Elisabeth Blochmann im Vorwort zu Nohls Schrift „Vom Sinn der Kunst“ gemachte Bemerkung, daß auch Nohl in den letzten Jahren seines Lebens zu dem neuen Kunstschaffen dieser Generation kein Verhältnis mehr aufbauen konnte. Er habe sich dann mit dem Goethe-Wort getröstet: „Wenn man älter wird, muß man mit Bewußtsein auf einer gewissen Stelle stehen bleiben“. ´Mit Bewußtsein´ bedeutet wohl für ihn gleichzeitig, Vertrauen in das sich weiterentwickelnde Leben zu setzen und sich vor ihm zu bescheiden. Ferner habe Nohl sich gefragt, ob es Sinn habe, das ästhetische Credo seiner Arbeiten dem neuen Zeitalter der Kunst noch einmal vorzulegen. Obwohl er der Überzeugung war, daß das als wahr Erkannte seine Bedeutung auch in der weiteren Entwicklung des geistig-kulturellen Lebens behalten werde und dem Verstehen und der Klärung künstlerischer Prozesse dienen könne, regte sich wohl in ihm der Zweifel, ob seine Theorien auf Drip Art, Readymade, kinetische Kunst, Pop Art oder ähnliche künstlerische Produkte angewandt werden könnten. Wie schon erwähnt wurde, sah Nohl ja bereits ein Interpretationsproblem in der Auflösung des Bedeutungs- und Bildzusammenhangs - und wie viel problematischer wäre ihm nun die weitere künstlerische Entwicklung erschienen, etwa die der digitalen Ästhetik.
In den folgenden Ausführungen soll nun versucht werden, einige philosophische Theorien der Gegenwart unter dem Gesichtspunkt der darin auftauchenden Weltanschauung und dem daraus resultierenden Menschenbild auf die Kunst generell anzuwenden, um anschließend auf ihre Bedeutung für die Gegenwartskunst etwas genauer eingehen zu können. Es geht also erstens um die Stellung des Menschen im Bezug zu seinem „In-der-Welt-sein“, also um den Menschen im neuen Kontext. Daran schließt sich zweitens eine Erörterung der Beziehung des „neuen“ Menschen zur Gegenwartskunst in Produktion und Rezeption. Da wir uns nicht wie Nohl auf die Malerei beschränken wollen, weil die Gegenwartskunst ihre besondere Eigenart ja gerade nicht nur in der Malerei erkennen läßt, ist es notwendig, auch andere künstlerische Vorstellungen einzubeziehen. Dabei wird zu zeigen sein, daß die aufgrund der veränderten Lebensformen und Weltanschauungen veränderten Wahrnehmungsgewohnheiten völlig neue Motive, Materialanforderungen, eine neue Bearbeitungsweise usf. verlangen.
1. Der Mensch im neuen Kontext
Um sich ein Bild des Menschen der Gegenwart machen zu können, ist es erforderlich, sich schrittweise an seine Bestimmung, bzw. an seine Selbsteinschätzung heranzutasten. Das heißt, es müssen bestimmte und besonders auffällige Erscheinungen in den Blick gerückt werden, die dieses Menschenbild konstituieren. Es müssen Erscheinungen sein, die in der Geschichte durch ihre Besonderheit hervortreten oder zuvor niemals in dieser massiven Gestalt aufgetreten sind. Denn zweifellos haben wir es in der Gegenwart mit einem völlig neuen Wirklichkeitsgefühl und einem grundsätzlich veränderten Menschenbild zu tun; das uns bekannte und in der humanistischen Tradition der europäischen Geistesgeschichte stehende gilt als überholt. Für diese Tatsache macht Vilém Flusser drei Erscheinungen verantwortlich: den Computer, die Vernetzung und die daraus resultierende neue Auffassung von Individuum und Wirklich-keit117, insofern der Computer als Instrument zur Erkenntnis der Wirklichkeit und zur Erkenntnis des menschlichen Wesens verwendet wird. Nun haben wir also gelernt, „daß das Wort ´Wirklichkeit´ (insofern es nur noch ein ´relativer´ Begriff ist, E.J.) mit außerordentlicher Vorsicht zu gebrauchen ist. Hingegen haben wir dazugelernt, daß wir die Welt als ein Möglichkeitsfeld ansehen, als eine Herausforderung, daraus Welten für uns selbst zu realisieren“118. Einige für diesen Paradigmenwechsel grundlegende Faktoren sollen im folgenden kurz betrachtet werden.
Eine Veränderung des menschlichen Bewußtsein geht zweifellos einher mit der gegenwärtigen technologischen Entwicklung und der daraus resultierenden Hinwendung zum Rationalismus: „... wir sind nicht mehr Teile der Lebenswelt,... Wir sind aus der Lebenswelt herausgetreten... Die Rationalität hat also versucht, die objektive Welt so lange zu zerrechnen, zu kalkulieren, bis sie zu Atomen kommt, und damit den Baustein der objektiven Welt zu finden“119. Dies wiederum hat zu veränderten sozio-ökonomischen und kulturellen Strukturen geführt und ein neues Menschenbild konstituiert. Die Mensch-Umwelt-Beziehungen sind daher ein erster Zugang, aus welchem sich Erkenntnisse für dieses neue Verständnis des Menschen gewinnen lassen, das auch nicht wirkungslos hinsichtlich einer Betrachtung der Beziehung von Mensch und Kunst ist120.
Vor allem die Fortschritte der elektronischen Technik haben viele Philosophen dazu angeregt, deren Einflüsse auf den Menschen zu untersuchen. Foucault, Derrida, Baudrillard, Lyotard und andere sind hier führend und verweisen auf die Problematik der den Menschen beherrschenden Technik. Wie auch Vilém Flusser oder Wolfgang Welsch beziehen sie im übrigen immer auch ästhetische Überlegungen in ihre kultur- und zivilisationskritischen Abhandlungen mit ein. Bei ihnen geht es jedoch nicht um eine resignative und pessimistische Gegenwartsanalyse oder eine solche, die zur Rückkehr zu bewährten traditionellen Zuständen auffordert; und auch nicht darum, einen neuen Menschen zu schaffen, wie dies Nietzsche versuchte. Sie akzeptieren vielmehr - zumindest intellektuell - die fortschreitende Entwicklung mit all ihren positiven und negativen Auswirkungen, um besonders die letztgenannten kritisch zu betrachten und den Menschen für diese Probleme aufmerksam zu machen und ihn zu sensibilisieren für eine digitale Welt, in der der Status ´Mensch´ unter völlig neuen Aspekten zu betrachten sein wird.
Hans Jonas hatte mit seinem aufsehenerregenden Buch „Das Prinzip Verantwortung“ bereits Gefahren für den Menschen gesehen durch den „endgültig entfesselten Prometheus, dem die Wissenschaft nie gekannte Kräfte und die Wirtschaft den rastlosen Antrieb gibt“ und eine Ethik eingeklagt, die diesem Treiben Einhalt gebietet121. Die Verheißung der Technik könne in Drohung umschlagen und selbst auf die Natur des Menschen zurückschlagen. Die größte bisher aufgetretene Herausforderung des Menschen durch die völlig neue Situation des alles beherrschenden technischen Genius setze Kräfte frei, die sich jeder Kontrolle entziehen könnten. Jonas´ Ziel ist es daher, eine Ethik zu entfalten, die ihre Begründung nicht mehr allein im unmittelbar menschlichen Bereich sucht, sondern die bis in metaphysische Erkenntnisse hereinreicht: er will mithin die Fragen nach dem „Verhältnis von Sein und Sollen, Ursache und Zweck, Natur und Wert“ auf dem Hintergrund der veränderten Situation neu stellen, um die „neu erschienene Pflicht des Menschen jenseits des Wertsubjektivismus im Sein zu verankern“122. Die Diagnose der gegenwärtigen, durch den technischen Fortschritt bestimmten Lebenswelt verweist in Jonas´ Untersuchung bereits auf ein Menschenbild, das die Entwurzelung des Menschen und seine Entfremdung von sich selbst thematisiert. Jonas begegnet dieser so gesehenen fatalen Entwicklung jedoch nicht resignierend, sondern reflektiert die aus dieser Entwicklung sich notwendig ergebende Verantwortung, die der Mensch zu tragen genötigt ist. Jonas rekurriert indes noch auf Individualität des Menschen, während Flusser schon die Frage danach, ob wir eine Individualität haben oder eine solche sind, nach rationaler Analyse für falsch gestellt und sinnlos hält. Er betont dagegen die dialogische Beziehung, die ein Subjekt zu anderen und den Dingen aufbaut:
„Wir sehen uns jetzt als Knoten eines intersubjektiven Relationsnetzes, die sich ständig verschieben, sich verknoten, entknoten, in Möglichkeitsfeldern schweben, aus denen durch Komputation alternative Welten herauskristallisiert werden“123. Das Individuum erhält mithin seine existenziale Bedeutung nur durch die zwischenmenschliche Beziehung, welche „technisiert werden kann“, was bedeutet, daß die Kommunikationsstruktur dann „die Infrastruktur des Daseins und der Gesellschaft“ wird124.
So gesehen hat die „Globalisierung“, die als Resultat des technischen Fortschritts zu bezeichnen ist und letztlich nichts anderes als die interaktive Vernetzung meint, einen wesentlichen Einfluß auf Weltanschauung und Menschenbild. Positiv sind ihre Einflüsse, insofern sie den eigenen Horizont erweitern können und Verständnis für andere Menschen und Kulturen, also neue Formen des sozialen Handelns, nach sich ziehen. Solche Einflüsse können sehr wohl auch konstruktiv hinsichtlich des eigenen Selbstverständnisses wirken, indem das Andere und Fremde in seiner Andersartigkeit als ebenbürtig oder - philosophisch gesehen - als im umfassenden Sein enthalten erkannt wird. Eine solche Geisteshaltung trägt in der Regel pantheistische Züge, wenn sie reflektiert entwickelt ist. Eine, wenn auch extreme Form solcher Geisteshaltung konkretisierte sich bekanntlich in der „flower-power“-Bewegung bzw. der „Woodstock-Generation“, die sich nicht zuletzt auch mit außereuropäischem, vor allem indischem Denken, verbunden fühlte und darin die pantheistische „Einsfühlung“ erlebt haben muß. In der Musik haben die Beatles eine solche Haltung, und wiederum durch Einflüsse der indischen Geisteshaltung, in die westliche Kultur hineingebracht und vor allem der Jugend eine erste multikulturelle Erfahrung verschafft.
Negativ wirken sich Einflüsse der Globalisierung dagegen aus, wenn die erkannten ethnischen oder kulturellen Gegensätze zur Grundlage einer die eigene Position überhöhenden Ideologie benutzt werden. Dieser Rückfall in feudale Verhältnisse ist ja durchaus in verschiedenen Nationen zu beobachten, die dann ihr überhöhtes Nationalgefühl entsprechend zur Schau tragen. Zum Exzeß depraviert eine solcher Nationalismus als Fundamentalismus dann, wenn das Staatssystem das Andere nicht nur miß- oder verachtet, sondern es sogar zu vernichten trachtet. Die Fixierung auf die eigene Art und ihre Eigenart sowie ihre Idealisierung dient dann rein strategisch der Stabilisierung und Garantierung eigener ideologischer Vorstellungen, die sich selbst katastrophal auf das Menschenbild der eigenen Nation auswirken.
Die Problematik der gegenwärtigen Entwicklung dokumentiert sich terminologisch auch in den philosophischen Diskussionen und Publikationen der Gegenwart: wir hören von einer Ethik der Wissenschaft, einer Ethik der Technik usf., was auf die sichtbare Notwendigkeit einer Reflexion dieser Themenbereiche hinweist. Notwendig wird diese Reflexion wohl auch deshalb, weil wir uns in einem „Zeitalter des Nihilismus“ befinden, wie der Untertitel einer philosophischen Abhandlung über „Brennpunkte der Philosophie“ heißt125. Nihilismus ist hier der Teminus für ein neuzeitliches Denken, das nicht nur in der Philosophie zum Gegenstand wird, sondern auch die Grundstimmung dieser Zeit charakterisiert. Die nihilistische Grundanschauung, so heißt es in Weiers Schrift, ist eine solche, in der es „keinen objektiven, d.h. subjektiver Meinung überlegenen, die Bedingung der Möglichkeit sowie die Bestimmung allen Seins darstellenden und daher transzendenten Sinn, keinen das Zentrum, Ziel und Ursprung allen Seins einschließlich des Menschen ausmachenden Wesensgrund und keine sich allein aus ihrem Gehalt als verbindlich rechtfertigenden Wertprinzipien gebe“126.
Weier trifft mit diese Kennzeichnung des modernen Denkens oder der modernen „Weltanschauung“ den Kern jener kulturpessimistischen Auffassungen, die vom ´Sinnverlust´, vom ´Werteverlust´, der radikalen Ablehnung tradierter Gesellschaftsstrukturen oder vom Verlust von positiven Leitbildern sprechen. Damit einher geht nicht zuletzt auch der Verzicht auf Zielvorstellungen, der den Menschen zu einem rastlosen und zur Selbstverwirklichung unfähigen Wesen macht. Auch die Fähigkeit oder der Wille zur Transzendenz ist durch die Wirkung dieser Auffassung eliminiert, und der Mensch konzentriert sich nur noch auf sein Hier und Jetzt, um in diesen seine kurzatmigen Erfüllungen und Befriedigungen zu finden: „Wie es also im Wesen des Sinnes liegt, die Endlichkeit zu transzendieren, besagt konsequentermaßen seine Leugnung oder Ausschaltung den Regreß auf die Dimension der reinen Endlichkeit, wie er in der Tat für die Gegenwartsphilosophie signifikant ist“127 - und so läßt sich ergänzen: auch für den Menschen der Gegenwart. Doch das Leben im Hier und Jetzt bedeutet paradoxerweise nicht, diese Gegenwart intensiv zu erfahren. Vielmehr geht mit der ständigen und immer schneller werdenden Veränderung alles Wissens ein Gegenwartsverlust einher, insofern alles als zunächst wichtig und richtig Erkannte sogleich wieder überholt ist. Jede Orientierung am Bewährten hebt sich dadurch auf; kein fester Standort ist mehr auszumachen, und die Folge ist Orientierungslosigkeit, Sinnverlust und der Verlust einer „Eigenzeit“. Nichts zu versäumen, wird zur Maxime, was bedeutet, dem Zeitbegriff den Faktor „Dauer“ (Bergson) zu nehmen.
Der auf diese Weise charakterisierte Mensch ist also nur auf die unmittelbare und die Dauer negierende Realität fixiert, vor allem auf seine darin agierende Subjektivität. Der Rückschritt auf die „reine sinnentfremdete Faktizität“ nimmt das Gegebene hin, um sich in ihm bequem einzurichten, seinen „Spaß“ zu haben und seinen Aktivismus auszuleben. Die Orientierung in dieser Wirklichkeitsebene erweist sich aber dann als Desorientierung, wenn die Sinnlosigkeit des eigenen Denkens und Tuns zu Bewußtsein gelangt. Und „die Folge ist in einem Wirklichkeitsverständnis und einem Weltbild zu sehen, das sich in der Dimension der räumlichen, zeitlichen, bedingten, zufälligen, biologischen, materiellen oder auch ideal-logischen Tatsächlichkeiten erschöpft und die Dimension zeitüberlegener, notwendiger, werdeloser, urphänomenaler und unbedingter Sinngehalte nicht mehr kennt“128.
Weier entwirft mit diesem Satz ein Welt- und Menschenbild, das entgegen den zuvor dargestellten von Jaspers, Scheler und Nohl eine extreme Form angenommen zu haben scheint, bzw. daß den „entarteten“ Formen der Weltanschauungstypen entspricht. Wenn der objektive Sinn ausgeschaltet ist, wie hier beschrieben wird, dann wird der scheinbare „Sinn“ zum Produkt des Individualismus, „ja zum Spielball der von allen objektiven Inhalten losgelösten und sich absolut setzenden freien Subjektivität, ganz gleich, ob sich diese als eine vernunfthafte, willentliche, emotionale, rationale oder existentielle versteht“129.
Wenn nun an die Stelle des geistigen Wahrnehmens oder existentiellen Verstehens von objektiven Phänomenen ein den Bedeutungsgehalt zersetzender „Idealismus“ tritt, so entsteht ein sich auf rein logische Formen ausgerichteter Rationalismus. Von daher kann man auch von einer zweckentfremdeten Rationalität sprechen, indem der Zweck nun als diejenige Kategorie bezeichnet wird, die Handlungsziele auf der eben beschriebenen Wirklichkeitsebene zum einzigen Inhalt hat.
Diesem Gedanken...
Inhaltsverzeichnis
- Widmung
- Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- I. Teil: Zu Begriff und Bedeutung der Weltanschauung in Philosophie und Kunst
- II. Teil: Weltanschauung und Menschenbild in der Kunst der Gegenwart
- Nachwort zur 2. Auflage
- Bibliographie
- Impressum