
- 336 Seiten
- German
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eBook - ePub
Über dieses Buch
Öberefahre - kulturhistorisch und autobiographisch angereichert. Appenzeller Brauchtum.
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Information
B. ALPLEBEN
Handbueb/Hampbueb
(jugendlicher Gehilfe)
Der Handbueb, ein aufgeweckter Junge so von 9 - 14 Jahren, geht auf der Alp in Hötte (Alphütte), Mölschte (Rinderstall), Saustall (Schweinestall), Gässstall sowie auf der Weide dem Sennen oder früher auch den Sennen zur Hand. Schwere Arbeiten bleiben ihm meistens erspart, aber Fleiss, Tierliebe, Kochkünste und unzimperliches Handeln sind unabdingbar. Das war und ist Ausbildung in der Praxis. 'Learning by doing!' (Lernen durch Tun) will ich es einmal neudeutsch nennen. Oft gehörte der Handbueb zur Familie des Heubauern oder zur Verwandtschaft des Sennen. Dabei verdiente er schon selber sein tägliches Brot, was für beide Partien ein Vorteil war – aber nicht immer für den Hampbueb.
Einfaches Essen, Nässe, Kälte, schlechte Kleider und Schuhe (barfuss), lange Arbeitszeiten (melken in der Nacht, Tagwache unter Umständen um vier Uhr und Bettruhe wiederum um 23 Uhr), Müdigkeit und wohl auch einmal Heimweh konnten das vielbesungene Älplerleben zu einer fast unzumutbaren Belastung verkehren. Ein Dienstkamerad von mir vermutete, dass im Regensommer 1948 mit Schneefall in der Seealp in einer Familie die zwei Hampuebe um die sechs Wochen lang in nassen Kleidern steckten, sogar die Bettdecke wäre feucht gewesen wegen des Mesmerbaches direkt bei der Hütte. Arbeitsschutz, Verbot von Kinderarbeit – vor 60 und mehr Jahren – unvorstellbar. Sicher, man war nicht verwöhnt, das Leben war unzimperlich, übermütige Sportausübung und Fussballrandale waren damals überflüssig. Verglichen mit dem Schicksal der Verdingkinder und Schwabenkinder war das Leben bei Bekannten auf einer Alp im Alpstein direkt paradiesisch, trotzdem - wer will sich melden, Freiwillige vor!! Natürlich, ein tüchtiger Handbueb wurde wohl auch selber ein tüchtiger Mann oder fähiger Senn.
Beeindruckend ist, dass Jakob Fuster (1942) auf der Fählenalp schon als 10-jähriger Knirps regelmässig 10 Kühe molk. Obiger Dienstkamerad molk mit gut 14 Jahren auf einem Gutsbetrieb täglich 20 Jungkühe (Chalbeli). Da war kein Bedarf an Fitnesskeller. Der Sennenalltag begann durchwegs morgens fünf Uhr, der Sohn Martin Fuster berichtet von ähnlichem Arbeitsbeginn als Handbueb auf der Alp Furgglen um 1985. Der Tapfere denkt: „Was mich nicht umbringt, macht mich hart!“ Auch auf Furgglen wurde übrigens in jenen Jahren die Butter zusätzlich zu Pergamentpapier als Kühlung in Alpenampfer verpackt.
Früher gab es aber oft auch ein Gegenstück zum Handbueb, den Namen kann sich jeder selber bilden! Ältere Männer, vielleicht alleinstehend, traten für den Sommer auf einer Alp für leichtere Arbeiten eine Anstellung an, sie halfen dem Sennen wie oben angegeben der Handbub. Warum? Die AHV war noch nicht geschaffen, und gelebt werden musste. Erfahrung, gutes Auge und williges Verhalten wogen dabei die rohe Kraft auf. Mein Cousin Albert Streule lebte mit einem älteren Mann (Nicke Frenz) fast jahrelang auf seiner Heimweide Dornesseln. In einem Winter haben sie einmal zusammen eine fünf Zentner schwere Sau verspiesen. Jedenfalls zeigte sich der Gehilfe fast erleichtert, als im Frühling das Schweinefleisch verzehrt war. Gut, das Schwein war zwar nicht gewogen, aber sicher doch recht happig.
Hin und wieder verrichten/verrichteten auch junge Mädchen in der Alphütte Hausarbeiten, sicher nur zum Vorteil bei Kochkunst und Sauberkeit. Im Toggenburg waren und sind eher auch Frauen auf der Alp anzutreffen, deshalb ziehen sie auch mit der Herde zur Alp. In letzter Zeit aber erledigen Frauen (gar nicht aus dem Bauernstand stammend) auch sämtliche Arbeiten auf einer Alp, auch das Käsen gelingt ihnen vorzüglich. Bei Hansueli Buff war/ist deshalb auch schon eine Frau vor den Schellkühen. Der Umgang mit den Tieren kann durch Frauen an Einfühlung nur gewinnen. Ein Heusenn bei uns in Unterschlatt wünschte beim Kalben nachdrücklich (unbeschäftigt) die Anwesenheit meiner Mutter im Stall. Es gehe dabei viel besser, wenn eine Frau anwesend sei! Verständnis, Einfühlung, feineres Verhalten ? Früher war sonst in AI normalerweise selten eine Frau im Stall anzutreffen, für die Stickarbeit brauchte sie feine Hände und der Tierbestand war oft bescheiden.
Rausennisch
Etwa bis 1950 war die Ernährung auf der Alp noch einseitiger und schmaler als im Tal unten, ob in Dorf oder Stadt. Gemüse, Früchte, Süssigkeiten, Fleisch - ach was! In einer Beinpfanne oder in einer Kettenpfanne wurde über offenem Feuer gekocht, vorwiegend Milch- und Mehlspeisen, also Fenz (Sennenspeise aus Milch, Mehl, Gries, Butter, Ei) und Rohmzonne (Rahm, Butter, Mehl etc). Am Mittag holte der Senn oft nur den Schotteneimer mit der heissen Schotte und dem Ziger darin unter der Bettdecke hervor... gewöhnungsbedürftig! 'Zigerefisch ond was guet ischt ond d Schotte n a dä Zähne' heisst es lebensfroh in einem verklärten Älplerlied.
Zur Bereicherung des Speisezettels griffen einzelne Sennen früher zu einer unvegetarischen Methode. Mindestens noch von einem Sennen (nördlich der nördlichsten Bergkette, etwa Jahrgang 1890) weiss ich aus sicherer Quelle, dass der wohl als Mittagessen Blut kochte, das er vorher einer Kuh entnommen hatte.
Anderweitig wurden laut Jakob Fuster aus dem Kuhblut auch seelenruhig Blutwürste gemacht, Details kann er aber (leider?) nicht mehr liefern. Hingegen hat er häufig und bis in die Jahre um 1980 und auch bei KB (Künstliche Besamung) bei Bedarf eigene und fremde Kühe zur Ader gelassen. Wir denken da unverkrampft etwa an 4 - 6 Liter Blut. Keine Aufregung, sogar erst mit etwa 10 Litern Blutentnahme stellt sich die angepeilte Wirkung ein; die Schwächung des Tieres mit nachfolgender Regenerierung mag da ursächlich sein, wie auch ein Löffel Essig am Mogen der Übersäuerung des menschlichen Magens wehren soll. Ich weiss nicht recht . . .
Dieses zur Aderlassen wurde eben auch angewandt, um endlich die Trächtigkeit (uufnee) einer Kuh zu erreichen oder ihrer gesundheitlichen Schwäche (Euterentzündung/Mastitis), en Wegge mache, zu wehren. Auch 'Fliegendes Blut' (Blutverdickung mit meist tödlichem Ausgang?) soll so bekämpft werden können. Das geht so: Der Kuh wird mit einem Strick um den Hals das Blut gestaut. Dann bringt man dem Tier an passender Stelle (Halsschlagader) mit dem Fries/Friäs/Fliäme (Aderlass-Fliet) eine Wunde bei, durch die gleich Blut strömt, das man auffangen und in der Pfanne zubereiten kann. Der Friäs ist ein taschenmesserähnliches, zusammenklappbares Stichmesser, das vorne an der Klinge ein dreieckiges, beidseitig scharfes Metallstück aufweist. Durch die Unterbindung am Hals wird wie beim Blutspenden an das Rote Kreuz die Vene geschwollen. An dieser Aderschwellung legt man nun den Friäs an und versetzt ihm mit einem Holzstück (Steckli) einen wohldosierten Schlag, so dass die Vene angeschnitten wird und Blut herausläuft. Wenn die Stauung gestoppt wird, versiegt anscheinend auch der Blutfluss, eine Handvoll Spinnweben oder ein kalter, sauberer Stein gegen die Wunde gepresst soll im Notfall auch hilfreich gewesen sein, laut Albert Neff und anderen Eingeweihten!
In ihrem Hunger 'ernährten' sich 1812 auf dem Russlandfeldzug auch Soldaten von Pferdeblut.
Diese archaische Prozedur kennen auch Hirtenstämme in Afrika. Wer wirft den ersten Stein? Auch in der früheren 'Humanmedizin' war der Aderlass ein probates Mittel, Krankheiten zu bekämpfen (antike Säftelehre als Ursache).
Not macht erfinderisch. Mein Vater wusste von zwei Knechten in seinem Alter, die dem Meister auf der Alp bekümmert meldeten, dass der Stier seiner eigentlichen Aufgabe nur mehr mühsam und fast mangelhaft gerecht werde (a tüess kumm mee). Gedörrte Birnen aber wären ein sicheres Mittel, dem fehlenden Temperament des Stiers wieder auf die Sprünge zu helfen, wortwörtlich gemeint! Der Meister fiel auf den Schwindel herein und beschaffte einen Sack voll gedörrte Birnen. Wer die verzehrte ist schnell erraten – der Stier jedenfalls nicht.
Eine Alphütte konnte früher (heute?) recht zugig sein. Eine offene Feuerstelle (käsen, kochen) füllte im schlimmsten Fall die Hütte mit beissendem Rauch statt mit wohlig warmer Luft, so dass nur die Flucht ins unfreundliche Freie blieb. Nasse Kleider blieben lange feucht. Ich denke da an den ungemein kühlen und regnerischen Sommer 1948 mit Schneefall über Land. Bei der Alpauffahrt in die Potersalp und bei der Alpabfahrt aus derselben fünf Wochen später sahen die Sennen im Weissbachtal die gleichen Heuschoche (Heuhaufen, die vor Regen schützen sollten) nochmals.
Vielleicht brachte eine Öffnung in der Trennwand zum Kuhstall etwas Wärme in die Hütte.
In der Alphütte Langgaden in der Seealp ist dieser heute nun geschlossene Durchbruch noch zu sehen. Alle Balken und Schindeln des Daches sind dort wie auch anderswo russgeschwärzt, es bestand statt eines Kamins oben in der Wand nur so ein buchgrosses Loch, durch das der Rauch ungern abzog. Schloss man da früher die untere Hälfte der Türöffnung (Fedlech; ist ein komisches Wort; fedlechen soll nach Adalbert Fässler, Sennengürtler in 7. Generation, 'Luft zufächern, lüften' bedeuten), blieb es in der Hütte kühl, schloss man die ganze Türöffnung mit der grossen Tür, wurde es recht dämmrig. Das kleine Fensterchen bringt auch heute noch wenig Licht in die Hötte (Alphütte).
O ja, die gute alte Zeit!
Viele Arbeiten im Stall mussten einst in Enge und im Halbdunkel erledigt werden. Besonders wegen der Biis (Bremsenplage) wurde oft nachts um elf Uhr und vormittags um elf Uhr gemolken, mit Petroleumlicht oder ohne! Aufgehängte Petrollampe und baumelnde Dreibeinpfanne an der Ledi waren früher nicht Verzierung!
Die Arbeit für Knechte (und Söhne, und nicht nur auf der Alp) konnte im schlimmsten Fass abstossend schwer sein. Ich kannte zwei Männer (etwa Jahrgang 1900), die bei einem anerkannten Sennen/Meister und Viehhändler auf der Alp (eine der schönsten und besten in AI) zeitweise bis zu 44 Kühe zu melken hatten. Gekäst wurde dementsprechend täglich zwei - bis dreimal, pudderet ebenso. Das Feuer in der Feuergrube hätten sie 14 Tage lang gar nicht mehr ausgehen lassen. Dass der eine Knecht beim Melken eingeschlafen sei, kann man verstehen. Der Meister war kein Sklaventreiber, er liess sich von einem seiner Knechte folgsam beraten, wo er im Winter Heu etze (verfüttern) wolle und solle.
Wildes Getue kann auch positiv gesehen werden. Hunden wird doch gern ein ominöser sechster Sinn zugesprochen. Nur ihnen? Bei meinem Grossvater Franz Manser in Gonten wollte und konnte einmal ein Kühlein im Stall einfach nicht aufstehen (Schwäche, Krankheit, Alter?). Weder Zuspruch noch Stemmarbeit, weder Geduld noch Mitgefühl halfen. Also wurde ungewollt der nahe Dorfmetzger von Gontenbad gerufen. Der kam auch gleich, um sein blutiges Handwerk auszuüben. Recht raubeinig liess er vorerst wie ein Berserker in der Vorbrücke seine Metzgerutensilien auf den Bohlenboden donnern. Darob erschrak das arme Kühlein im Stall so sehr, dass es verängstigt aufsprang und somit vorderhand sein Leben selber rettete.
Beim gleichen 'ärztlichen Handwerker' (um nicht zu sagen 'Heilpraktiker') wagte einmal eine Tante von mir einen neugierigen Blick in seine geheimnisumwitterte Werkstatt. Da poltert doch gleich der Grobian die Stiege herunter und verkündet mit Donnerstimme, dass ihm der kindliche Besuch ganz recht sei, eben gestern hätte er auch schon ein altes Weib geschlachtet. Flugs verschwand das vorwitzige Mädelchen. Das waren Gruselfilme und Psychoschocker in Natur, ohne gängige Ankündigung und Programmanzeige.
Durch gezielte grimmige Verfahren wie Kuhharn trinken, lebende Schnecken schlucken, unvermittelt auf einem Spaziergang an einem Kanal als Leidender brutal vom 'Heiler' ins Wasser bugsiert zu werden etc. probierte man doch auch schon, psychosomatische Gebresten zu 'heilen'. Die Tagesschau der SRG könnte demnach beinahe auch helfen. Auch sollen adrenalinausschüttende Sportarten eigenartigen Helden Wohlgefühl verschaffen. Das überversicherte und staatlich abgefederte Leben bietet anscheinend zu wenig Abwechslung. Wer aber im Glashaus sitzt, soll keine Steine werfen.
De Pläss
(Der Appenzeller Sennenhund)
Vom Pläss kannn man sagen und schreiben, was man will, es stimmt immer. Von diesem Kalauer zu einem bitteren Wort. Als mein Vater mit 87 Jahren noch kurz vor dem Sterben im Pflegeheim in Appenzell lebte, klagte er bei einem meiner Besuche, dass die Heiminsassen geistig eben nicht mehr viel zur Bereicherung beitrügen. Daheim in Unterschlatt hätte er mit seinem Hund Pläss mehr anfangen können als mit seinen jetzigen Mitbewohnern. Mir kommt der bittere Aphorismus (von Salvador de Madariaga?) in den Sinn. Ein von den Menschen Enttäuschter brachte seinem Hund das Sprechen bei, nach der Erkenntnis, je besser er die Menschen kenne, desto mehr liebe er die Hunde. Als der Hund endlich sprechen konnte und sein Meister wissen wollte, warum er ihm immer so treu und anhänglich sei, offenbarte der Hund sein Innenleben: „Je besser ich die Hunde kenne, desto mehr liebe ich die Menschen!“
Ein Berufskollege von mir in Wil meinte schon vor 30 Jahren, die Schweizer hätten Hunde und die Bewohner des Landes ennet dem Bosporus Kinder. Ist seine (zutreffende?) Beobachtung tier - oder menschenfreundlich oder einfach nur gefährlich? Trocken gefragt: Welche Sparte ist in einem typisch schweizerischen Grossverteiler umfangreicher und umsatzstärker, jene für Kindernahrung oder jene für Tierfutter, pardon, Tiernahrung? Bedrückt gefragt: Was ist mit der staatlichen Anschubfinanzierung der Hundetagesstätten? Für unbeschäftigte Politiker tut sich da noch ein weites Feld auf!
Beim Öberfahre passt unbestritten ein Hund zum Herdenbesitzer. Die Rasse spielt fast keine Rolle. Ohne Vorschrift ist es aber gewöhnlich ein Appenzeller - Pläss, ob rot (Frisch) oder gelb – weiss - braun (Havanna) oder weiss - schwarz (Schilt) oder gelb – weiss - schwarz (klassisch); das ist unwichtig. Farbnuancen und andere Merkmale beschäftigen nur die Kynologen, mögen sie das in allem Ernst betreiben; es ist etwa der Streit um Kaisers Bart. Hunde mit weisser Kopfmittellinie heissen allgemein 'Bläss'. Auch das Blässhuhn/Blesshuhn gehört in diese Sippe. Blässe heisst blass, bleich und blank und findet sich auch bei der Anschnittfläche einer Pfahlspitze. Aber der Schwanz muss geringelt sein, das Tier muss bellen können, dem Meister wachsam auf Schritt und Tritt folgen und insbesondere beim Öberefahre sich etwas ungebärdig benehmen.
Der Appenzeller – Pläss ist das dritte Tier (neben Ziege und Huhn), welches zur Rassenbezeichnung das Wort 'Appenzell' trägt. Nicht nur in der Schweiz, nein, europa- und weltweit wird das wache Tier züchterisch umsorgt und zu vielen Aufgaben (Polizei, Lawinen, Blinde etc.) erzogen. Früher übernahmen die Natur und der Zufall des Zusammentreffens von Brack und Bringede/Gösch/Gosch (Rüde und Hündin) die Fortpflanzung, heute gelten bei seriösen Züchtern Regeln und gezielte Paarung als unabdingbar.
Männiglich lästert über den vermeintlichen Wadenbeisser und Wächter des Bauernhofes. Doch soll man wissen, dass wir früher in Unterschlatt nicht einmal wussten, ob unsere Haustüre einen Schlüssel aufweise, geschweige denn, wo der stecke. Tag und Nacht blieben Haus - und Scheunentüre unverschlossen. In dieser Sachlage ist ein Hund doch ein guter Signalgeber, vom Antrieb einer unwilligen Kuh bis zur Lenkung einer wilden Viehherde nicht zu reden. Dass Plastikbeutel und Leinen das sonst etwas vergiftete Verhältnis von Hundehaltern und Spaziergängern entschärfen, ist ein Gemeinplatz. Auch Wassertröge in den Alpen bleiben als Tränken reserviert und arten nicht zu Badewannen aus (höchstens für kesse Frauchen!).
Gewöhnlich verpflegte sich der Bauernhund früher erstaunlicherweise rein vegetarisch, mit den Schweinen (und den Krähen) teilte er meist den Futternapf. So ist das gemeinsame Fressen idyllisch auf einem Chlausebickli zu bestaunen. Bisweilen wurde dem Hund auch Milch vorgesetzt, was aber immer noch fleischloses Futter bedeutete. Als Leckerbissen blieben ihm oft nur die schon ziemlich abgenagten Knochen vom Tisch oder (ich warne vor genauer Studie) die Nachgeburt der Rinder (Süüberi(g)). Bisweilen mag auch ein verendetes Ferkel das Fressen bereichert haben, heute spricht man von Recycling, also Widerverwertung. Der Hund hat einen äusserst sauren Magentrakt, wodurch bei ihm sogar für uns Menschen tödliche Keime (Salmonellen etc.) ungefährlich sind. Gegenseitiges Lecken und Verküssen von Hund und Hundehalter (Kind) ist somit nicht zu fördern!
Wer kaufte schon früher Hunde - oder Katzenfutter? Heute ist die Hege der Haustiere natürlich besser; Hunde werden schon ganz unverkrampft und fast unverfroren zum Hundepsychiater gebracht und tragen ausser Mäntelchen auch Sonnenbrillen. Die Anzahl dieser Tiere wächst; Kettchen und Kleidchen und Küsschen wie bei Kindchen – womit wir wieder bei Madariaga angelangt wären. Ganz gelassen dürften wir westlichen Wohlstandsgeschöpfe wohl Hunde – wie Katzenfutter verzehren, verglichen mit Grünalgen aus häuslichen Jauchebecken und Ratten, Fröschen, Würmern, Baumrinde, Papierschliff als 30 % Mehlzugabe, Gras, Graswurzeln und Pappellaub sowie Menschenfleisch (auch das ausgetauschter Kinder!) der Chinesen während ihrer Hungersnot 1958 – 61 darf man unbehelligt von Leckerbissen schwärmen! Der abstruse Vorsitzende Mao ist hier als Todesdämon mit ekligem Brechgefühl zu verdammen und lässt schon Zweifel an der himmlischen Gerechtigkeit und Weitsicht spriessen . . . Auch in der Schweiz (besonders Ostschweiz) wurden zwar in den Hungerjahren um 1816 Süüberi als Nahrungsmittel gekauft und verzehrt und von Kindern Gras gegessen.
Zurück zum Hund. Leicht irritiert aber war ich doch einmal in der Kirche in Wil, als ich feststellte, dass unter der vordersten Kirchenbank ein robuster Schäferhund lag. Das Erstaunen aber wich der Bewunderung, als ich am Schluss der sakralen Handlun...
Inhaltsverzeichnis
- Meinen Eltern gewidmet
- Vorwort
- Inhaltsverzeichnis
- A Öberefahre
- B Alpleben
- C Milchverwertung
- D Heubauer und Heusenn, Arbeitsteilung
- E Erntearbeiten: Heuen, Emden und Herbstgrasen
- F Jugendzeit
- G Abrundung, Schlussgedanken
- H Hinweise
- Impressum