1 Einleitung
1.1 Einführung in die Thematik
Durch den zunehmenden Wettbewerb werden die Unternehmen gezwungen international zu agieren – sei es um neben dem ausgeschöpften Binnenmarkt weitere Einnahmequellen zu generieren, oder die Produktlebenszyklen zu verlängern. Mit der internationalen Kundschaft werden die Unternehmen auch mit unterschiedlichen Kulturen konfrontiert, an die sie sich mehr oder weniger erfolgreich anpassen.
Um in den heutigen Auslandsmärkten erfolgreich zu agieren muss mit einer marktorientierten Unternehmensführung auf die Probleme und Bedürfnisse der Kunden eingegangen werden.1 Bei der Kaufentscheidung sind neben ökonomischen Faktoren auch kulturelle Faktoren eine wichtige Determinante. Vor allem in Ländern mit ähnlichem Pro-Kopf-Einkommen kann es also nur der Faktor Kultur sein, mit dem sich die dort existierenden und unterschiedlichen Konsumgewohnheiten erklären lassen.2 Alles deutet darauf hin, dass der oft zitierte globale Konsument bis heute noch nicht Realität geworden ist.3
Gerade das Internet als interaktives, vielfältiges und relativ kostengünstiges Medium, eignet sich besonders, um potenzielle Kunden in aller Welt zu erreichen. Die interaktiven Bestandteile und die Komplexität einer Internetseite stellen gegenüber der klassischen Werbung umfangreichere und verschiedenartigere Anforderungen an eine Anpassung an unterschiedliche Kulturen.
Auch die immensen Wachstumszahlen rücken das neue Medium in den Mittelpunkt. Laut Forrester Research nutzten im Jahr 2004 ungefähr 941 Millionen Menschen das Internet, im Gegensatz zu nur 350 Millionen im Jahr 2000.4 Studien ergaben, dass Internetnutzer Webseiten in ihrer Landessprache bevorzugen. So bevorzugen 75% der chinesischen Onlinekäufer Webseiten in Mandarin.5
Was nun bei einer kulturellen Anpassung von Webseiten neben sprachlichen Aspekten im Internet vorgenommen werden sollte und welche Möglichkeiten sich hierfür bieten, soll Gegenstand dieses Buches sein.
1.2 Zielsetzung
Ziel dieses Buches ist es, Unternehmen bei der Anpassung ihrer Internetseiten an verschiedene Länder und deren Kulturen zu unterstützen. Es soll ein Bewusstsein entwickelt werden, wie komplex und wichtig der Kulturbegriff im Kontext des internationalen Marketings ist und wie ausführlich man sich mit kulturellen Unterschieden beschäftigen muss, um keine Fehler mit weit reichenden Folgen zu begehen.
Ein Framework soll helfen, unterschiedliche Merkmale einer Webseite kulturell bedingt in einem Land mehr, in einem anderen Land weniger ausführlich auf der Unternehmens-Webseite zu kommunizieren. Dies soll am Beispiel von Indien verdeutlicht werden. Bei einer Analyse deutscher und indischer Internetseiten sowie einer Benutzerumfrage mit Usern aus beiden Ländern soll dieses Framework zum Einsatz kommen. Aus den gewonnenen Erkenntnissen entsteht ein Unternehmensleitfaden, mit dem Internetseiten an den Kulturkreis Indiens angepasst werden können.
Das Buch befasst sich ausschließlich mit einem Teilbereich des Internetmarketing: Kulturelle Unterschiede zwischen verschiedenen Gesellschaften und deren mögliche Auswirkungen auf das Webdesign. Ziel ist es nicht, Internetmarketing in seiner Gesamtheit zu beschreiben. Mit all seinen Bereichen wie rechtlichen Aspekten, Online-Promotions, technischen Rahmenbedingungen, Usability und vielem mehr übersteigt das Thema den Rahmen dieser Abhandlung.
1.3 Methodik und Struktur der Abhandlung
Der erste Teil des Buches befasst sich mit allgemeinen Fragen des interkulturellen Marketings. Dabei wird auch auf die Standardisierungs-/ Differenzierungsdiskussion eingegangen. Desweiteren wird der Kulturbegriff erklärt und in die Wissenschaftslandschaft eingeordnet. Kultur und deren Einfluss auf die internationale Kommunikation wird aufgegriffen und in Verbindung mit dem Design von Internetseiten gesetzt. Der Status quo gibt einen Überblick über bereits publizierte Abhandlungen zum Thema interkulturelles Webdesign. Danach wird der Kulturkreis Indiens, mit einem Einblick in dessen Lebensweise, Religion, Wirtschaft und Technologie, vorgestellt. Abschließend werden kulturelle Erklärungsansätze erläutert, die versuchen, Kultur zu operationalisieren.
Im zweiten Teil werden den zuvor vorgestellten kulturellen Erklärungsansätzen Web-Merkmale zugeordnet, mit denen sich bestimmte kulturelle Werte im Internet verstärkt kommunizieren lassen. Dieses Framework soll mithilfe einer Analyse von Unternehmenswebseiten deutscher und indischer Unternehmen der Konsumgüterbranche erprobt werden. Im Anschluss werden auch die Meinungen der Benutzer durch eine Online-Umfrage in Indien und Deutschland ermittelt und ausgewertet. Mithilfe der gewonnenen Erkenntnisse aus dem Kulturkreis Indien, der Webseiten-Analyse sowie der Benutzerumfrage wird ein Unternehmensleitfaden zur kulturellen Adaption von Webseiten in Indien erstellt.
TEIL 1: Theoretischer Teil
2 Standardisierung versus Differenzierung im internationalen Marketing
2.1 Ursprünge der Diskussion
Die Ursprünge der Standardisierungs-/Differenzierungsdebatte führen zu zwei strategischen Alternativen im Marketing, über die langfristige Wettbewerbsvorteile sichergestellt werden sollen:
- - Kostenführerschaft gegenüber
- - Qualitätsführerschaft6
Kostenführer rationalisieren in Bereichen wie Produktion, zum Beispiel durch Automatisierung von Prozessen und Standardisierung von Produkten, durch Einsparung von Personal und durch Konzentration auf wenige Lieferanten, um dadurch eine gegenüber den Wettbewerbern günstigere Kostenstruktur zu erlangen.7 Dadurch können sie zu günstigeren Preisen als die Konkurrenz an den Markt und so ihren Absatz beträchtlich erhöhen, was zur Erhöhung ihres Marktanteils führt und zur Fixkostendegression beiträgt. Eine langfristige Kundenbindung ist mit dieser Strategie oft nicht möglich, da, um den Kosteneffekt zu erzielen, Service und Qualität meist zu kurz kommen. Es besteht auch die Gefahr eines ruinösen Preiswettbewerbs, wenn Unternehmen sich gegenseitig mit immer günstigeren Preisen unterbieten.8
Qualitätsführer hingegen setzen auf die Vorteile eines hochwertigen Produktes oder einer hochwertigen Dienstleistung. Dabei bezieht sich der Qualitätsbegriff nicht nur auf das Produkt selbst, sondern auch auf Leistungen wie Service, Garantie, Design, Image und dem Kauferlebnis, also allen Bestandteilen die das Produkt für den Kunden einzigartig in seiner Gesamtheit erscheinen lässt.9 Durch diese Strategie lässt sich eine bessere Kundenbindung realisieren und das allgemeine Unternehmensimage verbessern. Die Kunden sind bereit, höhere Preise für das Produkt bzw. für die Dienstleistung zu bezahlen.10
Die Standardisierung-/Differenzierungsdiskussion wurde 1968 von Robert D. Buzzell, Experte des Strategischen Marketings, initiiert und Anfang der achtziger Jahre von Vertretern des Internationalen Marketings fortgeführt.11
Im internationalen Umfeld werden oft die Begriffe Standardisierung/ Differenzierung verwendet, wobei hier klare Parallelen zur weiter gefassten, auch das Marketing innerhalb eines Landes betreffenden Kostenführer-/Qualitätsführerschaft zu erkennen sind:
- - Weltweite Standardisierung des Marketing-Mix führt zu Kosteneinsparungen und wiederum zu Preisvorteilen
- - Differenzierung verleiht den Leistungen der Unternehmen Einzigartigkeit durch Anpassung an die spezifischen Bedürfnisse der Zielgruppen12
Theodore Levitt vertritt in The Globalization of Markets die Meinung, dass sich eine einheitliche Weltkultur entwickelt, in der sich die Bedürfnisse der Konsumenten immer mehr angleichen. Gegner der Standardisierung sind der Meinung, die zu beobachtende Angleichung sei nur oberflächlicher Natur und ist auf wenige Konsumbereiche, wie zum Beispiel Sportartikel oder Fast-Food beschränkt. Folglich sollte nach deren Ansicht auch weiterhin ein differenzierter Ansatz verfolgt werden.13