»Liebe ist nicht das, was man erwartet zu bekommen,
sondern das, was man bereit ist, zu geben.«
(Katharine Hepburn)
SVEN, DER SICH NUN ZIELE SETZT, UM ZU ÜBERLEBEN
Sven ist so ein Typ, der einfach sympathisch wirkt und mit dem man gut ins Gespräch kommen kann, wenn man ihn in einer Kneipe trifft. Es sei denn, man ist eine Frau, denn dann packt ihn die Panik und er macht erst mal dicht. Nicht etwa, weil er Frauen nicht mögen würde, sondern weil er die falsche Frau zu sehr geliebt hat. Die Frau Narzisse: Tanja.
Als er sie kennenlernt, ist er Anfang vierzig, Tanja ist etwas jünger als er. Es war in einem Club und angesprochen hat ihn eigentlich Tanjas Schwester, auf die ganz lokkere Art. Sie war gar nicht interessiert an ihm, sondern Tanja, und die Schwester hat dann mal den Kontakt klar gemacht. Sven hatte eigentlich auch zu diesem Zeitpunkt schon so ein bisschen was wie »Schnauze voll« von Frauen, denn er hatte schlechte Erfahrungen gemacht. Sein Plan war, einfach erst mal das Leben ein bisschen zu genießen, und »poppen« mit irgendeiner Frau gehörte grundsätzlich nicht dazu. Er gehört zu den Männern, denen es einfach keinen Spaß macht, eine nach der anderen flach zu legen und sich Kerben in den Bettpfosten zu schnitzen. Für ihn gehört da so was wie Liebe und Zweisamkeit dazu. Das kann man nicht mit irgendeiner Frau haben, die man soeben aufgerissen hat. Und so sympathisch, gepflegt und klug er auch ist, aber der Aufreißertyp ist er nicht – das ist nicht sein Niveau.
Aber Tanja findet er klasse. Die Schwester spricht ihn an, macht ihn auf Tanja aufmerksam – und Sven ist hin und weg. Wie Tanja sich bewegt, wie sie steht, wie sie spricht, wie sie tanzt … Sven ist völlig fasziniert von dieser Frau, die er an diesem Abend zum ersten Mal in seinem Leben sieht. Seine zurückhaltende Art hat aber angesichts der gut gelaunten Schwester und dieser tollen Frau überhaupt keine Chance und so verbringt er den Abend in lustiger Feierstimmung – mit Tanja. Natürlich tauschen sie am Ende des Abends ihre Telefonnummern aus. Und Sven macht einen kleinen Schritt zurück. Er erklärt ihr, dass er gerade erst schlechte Erfahrungen hinter sich gebracht hat und momentan noch davor zurückschreckt, sich wieder auf eine Beziehung einzulassen. Tanja findet das in Ordnung, sie ist ja auch nicht wirklich interessiert. Sagt sie.
Sie treffen sich also ab und zu, unternehmen was miteinander und mit den Wochen, die in der Zwischenzeit vergehen, intensivieren sich die Gespräche. Eines Abends sitzen sie bei einem Glas mit irgendwas zusammen, und der Alkohol lässt sie beide etwas lockerer werden. Wie das passiert ist, weiß Sven selbst nicht mehr, aber plötzlich sprechen sie über Sexualität. Sven erzählt ein bisschen, sie erzählt ein bisschen. Nachträglich wird ihm klar, dass sie ihm nachgeplappert hat. Oder, besser formuliert … Sven rutscht heraus, was er toll findet, und Tanja erzählt ihm irgendwann, dass sie genau das wirklich liebt. Alles was Sven toll findet, findet sie auch klasse und das macht sie alles tierisch an. Sven sitzt da und denkt sich: Traumfrau. Das dachte er ja auch schon vorher, aber er hatte eben noch so diesen Gedanken im Kopf, dass er sich nicht einlassen will. Die wirft er über Bord. Was solls! Eine tolle Frau, die genau auf die Dinge abfährt, auf die auch er abfährt!
Es folgen sechs Monate, in denen Sven einfach nur happy ist. Tanja ist wirklich großartig. Sie verstehen sich total gut, sind immer auf einer Wellenlänge und der Sex ist absolut traumhaft. Das ist nun etwas, was Sven wirklich begeistert, denn in seiner Beziehung war das alles nicht so einfach. Tanja hat nicht nur groß rumgeschwafelt, weil sie in Sektlaune war – nein! Sie ist wirklich so, wie sie an diesem Abend erzählte. Oft ruft sie ihn zwischendurch einfach mal an und sagt ihm, dass sie Lust auf ihn hat und ihm jetzt einfach gerne nur einen blasen würde. Und nein, es geht natürlich nicht nur um Sex, Sven ist total verrückt nach ihr! Aber dann auch noch das? Tanja ist so unkompliziert und er genießt es – und verfällt ihr immer mehr.
Ja, sechs Monate geht das so, sechs Monate, in denen sie am Wochenende bei ihm übernachtet und ihn unter der Woche – er arbeitet schließlich – zwischendurch einfach mal so beglückt und dann wieder geht. Er kann es nicht fassen. Nach sechs Monaten fragt sie ihn, wie er sich die Sache denn weiterhin vorstellt. Sie setzen sich zusammen. Sven hatte keine besonders schöne Kindheit und war mehr im Heim als bei seinen Eltern. Er hat ganz klare Vorstellungen vom Zusammenleben. Dass Tanja die Frau seines Lebens ist – daran zweifelt er keine Sekunde. Nun aber geht es daran, zu prüfen, ob auch das zusammenpasst, was sich beide vorstellen.
Sven, möglicherweise durch seinen Heimaufenthalt geprägt, wünscht sich so was wie ein Familienleben. Und ja, er hätte auch gerne irgendwann ein Kind – sehr gerne mit Tanja. Und das will sie natürlich auch. Er mag es zu Hause sauber und ordentlich, denn nur so ist es gemütlich. Tanja mag es natürlich auch sauber und ordentlich. Sven macht ihr klar, dass sie dafür beide verantwortlich sind, er erwartet also keine Hausfrau, schließlich arbeitet sie ja auch – wenn auch nur auf 450-Euro-Basis, aber sie sucht ja nach einem Job, in dem sie ausreichend verdient. Sven meint, der Haushalt mit allem, was dazu gehört, sei von zwei Leuten eigentlich ganz prima zu bewältigen. Das findet Tanja auch. Sven macht sie deutlich darauf aufmerksam, dass es ein paar Dinge gibt, die er nicht gut aushalten kann: Fremdgehen, nicht eingehaltene Versprechen und Lügen. Tanja findet das alles auch furchtbar. Sven will aber noch mehr. Er will Gemeinsamkeiten, Dinge miteinander erleben, ausgehen, abends Zweisamkeit auf dem Sofa. »Dieses Scheiß-Familienleben halt!«, sagt er zu mir, und er lacht.
Das will Tanja auch, dieses Scheiß-Familienleben. Es passt auch gerade ganz gut, denn sie hat da so ein paar Probleme. Ihre Tochter lebt noch bei ihr, aber der Sohn ist zu seinem Vater gezogen. Die Wohnung ist jetzt zu groß und viel zu teuer. Kein Unterhalt mehr für den Sohn, von der Tochter kommt auch nichts. Tanja kann ihre Miete nicht mehr bezahlen. Und so überlegen sie, wie sie das Zusammenziehen gestalten. Tanjas Schwester kommt auch hier wieder helfend herbeigeeilt, sie kennt da nämlich jemanden, der gerade eine supertolle Wohnung zu vermieten hat. Die Wohnung gefällt Sven und Tanja und sie ziehen dort ein.
Sven freut sich irre auf sein Scheiß-Familienleben – um relativ schnell festzustellen, dass er das nicht bekommen wird. Mit Tanja zusammen zieht ihre Tochter ein, aber das wusste er vorher und er mochte das Mädchen von Anfang zwanzig auch sehr gerne. Tanja hat zum Zeitpunkt des Einzugs immer noch den Minijob und hätte eigentlich ausreichend Zeit, ein bisschen was in der Wohnung zu tun, aber das tut sie nicht. Auch die Tochter fasst keinen Staubsauger oder Ähnliches an. Beide Frauen essen und räumen nicht mal ihre Teller in die Küche. Sie lassen alle beide alles einfach stehen und liegen, egal wo sie sind und was sie machen. Anfangs ist Sven noch ein bisschen belustigt, wenn er von seinem Job nach Hause kommt – ein Job, bei dem er kräftig zupacken muss. Eigentlich hätte er das Bedürfnis, sich mal auf die Couch fallen zu lassen, aber die ist besetzt von Tanja und ihrer Tochter. Der Tisch steht voll mit Geschirr und all dem Kram, den die zwei Frauen in Reichweite haben wollen – über den Tag verteilt.
Sven saugt Staub, Sven spült das Geschirr, Sven macht die Wäsche, Sven putzt. Sven bügelt alle paar Tage mal, damit der Stapel nicht allzu groß wird und er noch was zum Anziehen hat. Und nach ein paar Wochen wird er erstmals sauer. Aber er zwingt sich zur Ruhe und als er sich beruhigt hat, versucht er mit Tanja ein Gespräch zu führen. Er macht ihr klar, dass er es einfach scheiße findet, wenn er den ganzen Tag schwere Möbel geschleppt hat, abends nach Hause kommt, die Damen auf dem Sofa sitzen, mitten im Chaos – und er dann noch staubsaugen, putzen und oft sogar noch einkaufen muss. Er will sich ja beteiligen, na klar – aber eben nicht alles alleine machen.
Tanja gibt sich ein bisschen kleinlaut. »Du hast ja recht«, sagt sie. Sie verspricht Veränderung. Sven ist erleichtert. Das Gespräch ist super gelaufen, Ziel erreicht, Tanja ist einsichtig. Und es hat keinen Streit gegeben. Sven ist ein Mensch, das ist mir auch in den Gesprächen aufgefallen, die wir führten – es waren mehrere und immer sehr lange Gespräche – dass er eine sehr wertschätzende Art der Kommunikation pflegt. Er erklärt seine Beweggründe, er macht seine Gefühle klar, wenn er im Gespräch ist und er formuliert nicht nur seine Erwartungen, sondern auch, was er dazu beitragen möchte, damit das Ziel gelingt. So sieht Tanja das wohl auch, denn nun geht das Ganze wirklich zwei Wochen lang gut. Er ist erleichtert.
Wenn sich jetzt auch das Sexleben wieder etwas einspielen könnte, wäre er der glücklichste Mann der Welt. Denn seit der Umzug in Planung war, ist das Ganze etwas eingeschlafen. Tanja ist immer müde. Inzwischen arbeitet sie auch nicht mehr in ihrem Minijob, da wurde nun ein ordentlicher Halbtagsjob draus. Aber das ist auch anstrengend. Nachdem nun zwei Wochen lang alles – trotz Halbtagsjob – gut gegangen ist, kehren langsam wieder die alten Sitten ein. Sven kommt nach Hause und die Damen sitzen vor vollen Aschenbechern, der Fernseher läuft, die Wohnung ist nicht gelüftet, nicht gesaugt, kein Essen da …
Nicht so schlimm, denkt er sich. Jeder hat mal keine Lust. Und so fängt er an, sauber zu machen. Das stört, denn das macht so einen Stress. Aber irgendwie bekommen sie dann letztlich sogar noch hin, eine Mahlzeit auf den Tisch zu stellen. Und immer noch kein Sex. Erneut versucht Sven ein Gespräch mit ihr, fragt sie, was sie für ein Problem hat. Sie mochte doch den Sex mit ihm immer? Hat sie ihm nun nicht monatelang erzählt, noch nie sei der Sex für sie so toll gewesen wie mit ihm? Was ist denn auf einmal los? Seit Monaten darf er sie nicht mehr anfassen?
»Ich kann das nicht, wenn meine Tochter nebenan schläft«, sagt Tanja. »Wir hatten ja einmal Sex und sie hat es gehört, mir ist das peinlich und ihr ist das auch unangenehm.«
Also gut, denkt sich Sven. Das kann er schon irgendwie verstehen. Aber ihr müsste es ja auch fehlen – eigentlich. Denn eigentlich steht Tanja ja total auf Sex. Er schlägt ihr also vor, sich dann einfach mal irgendwo draußen zu vergnügen. Das kann ja auch spannend sein! Für Tanja kommt das aber nicht in Frage. Was bleibt ihm da übrig als zu hoffen, dass sich das Ganze irgendwann wieder ändert? Und nach wie vor gibt es immer mal wieder Gespräche um die Aufgaben im Haushalt, die immer noch oder schon wieder fast gänzlich alleine übernehmen muss, wenn er es sauber haben möchte. Sie nennt es »übertrieben«. Was sie anfangs, als sie noch nicht zusammen lebten, so bewundert hat, nämlich dass er seine Bude im Griff hat, dass es bei ihm immer sauber ist und er zu den Männern gehört, die auch mal einen Putzlappen in die Hand nehmen, findet sie jetzt ätzend. Dass er sich Sex wünscht, findet sie auch ätzend. Und als die Tochter schließlich irgendwann auszieht, hat sie zwar keine Ausrede mehr, hat aber trotzdem keine Lust auf Sex. Manchmal ist sie auch zu müde oder hat Kopfschmerzen.
Nun stellt Sven aber auch immer öfter fest, dass sie sich komisch verhält. Sie bekommt irgendwelche Nachrichten über WhatsApp, telefoniert ab und zu und legt auf, wenn er reinkommt. Sven stellt sie zur Rede und jetzt gibt es – trotz seiner guten Kommunikationsfähigkeiten – richtig großen Streit. In seinem Zorn greift er auch nach ihrem Handy, kontrolliert die Nachrichten und findet tatsächlich Beweise. Tanja flirtet mit anderen Männern. Sie streitet erst alles ab, nach einiger Zeit gibt sie jedoch zu: »Mit dem war nichts, wir haben uns nur ein bisschen geküsst.«
Sven ist schwer verletzt und das sagt er ihr auch. Tanja kippt um. Danach kann sie sich an nichts mehr erinnern. »Ich habe dissoziiert!«, erklärt sie ihm. Damit möchte sie ihm sagen, wenn der Stress zu groß wird, spaltet sich ein Teil ihrer Persönlichkeit ab und dann sagt und tut sie Dinge, an die sie sich später nicht mehr erinnern kann. Sven hat Verständnis, versucht es noch mal im Guten. Es gibt ein längeres Gespräch, sie sagen sich beide, was sie voneinander erwarten. Alles was Sven erwartet, findet Tanja gut und richtig und schon wieder sagt sie: »Du hast ja recht.«
Sex gibt es trotzdem keinen mehr, bzw. etwa alle drei Monate lässt sie sich überreden. Aber vorher muss sie was trinken. Ohne Alkohol kann sie nicht. Den Eindruck hatte er vor dem Zusammenziehen nicht. Was die Arbeit im Haushalt betrifft, geht es immer mal zwischendurch, wenn es ein Gespräch gegeben hat, aber inzwischen gibt sie ihm zwar weiterhin recht, erklärt aber immer öfter: »Nie darf ich bei dir sein wie ich wirklich bin!«
Sven ist erschüttert und fragt sich, wie sie denn eigentlich ist? Denn vorher war sie ganz anders. Die Frau, die ihn monatelang fasziniert hatte, die seine Ordnungsliebe und seinen Hang zur Sauberkeit so sehr mochte, findet all das jetzt furchtbar. Sie ist nicht mal in der Lage, sich mit ihm gemeinsam einen Film anzuschauen, und zwar an keinem Abend. Sven besorgt irgendwelche DVDs, Tanja sitzt auf dem Sofa und strickt, stickt oder malt. Das macht sie sehr exzessiv und auch sehr schön, aber sie würdigt ihn keines Blickes, ist voll in sich und ihren eigenen Dingen versunken. Irgendwann schläft sie ein. Sven versucht sie zu wecken, wenn er schlafen gehen will, aber hat es schwer, sie wach zu bekommen, damit sie auch ins Bett geht.
Sven sitzt abends im Wohnzimmer und spielt Playstation oder schaut sich irgendeinen Film an. Davor hat er die Bude geputzt, denn Tanja verbringt nach wie vor am liebsten ihre Zeit auf dem Sofa. Wenn es Stress gibt, dissoziiert sie. Oder sie verschwindet einfach und ist tagelang bei ihrer Mutter. Wenn Sven dort auftaucht, um nach seiner Freundin zu fragen, verhält die Mutter sich spöttisch. Manchmal siezt sie ihn sogar. Einmal sagt sie zu ihrer Tochter: »Wenn bei dir mal wieder die Dose juckt, sag Bescheid, dann spendiere ich dir fünfzig Euro und wir besorgen dir jemanden.«
Sven fühlt sich für seine sexuellen Fähigkeiten verspottet, zumal Tanja plötzlich gesteht, dass sie es hasst, ihm einen blasen zu müssen. Zu müssen? Sven ist geschockt! Monatelang hat sie ihm gesagt, dass sie da total drauf steht, hat ihn abends in seiner Wohnung regelrecht überfallen, ihm einen geblasen und ist wieder verschwunden. »So Gelegenheiten wo du dir als Mann einfach nur denkst: Wahnsinn, was bin ich für ein Glückspilz!«
Das stimmt jetzt aber alles nicht mehr, sie hat es schon immer gehasst und sie mag den Sex mit ihm nicht. Er braucht immer so lange und er will kuscheln und schmusen. »Ich mag es lieber, wenn du mich benutzt!«, sagt sie. Und in der Tat, erzählt mir Sven, wenn er sie einfach schnappt und über sie herfällt, hat sie offenbar Spaß daran. Sven möchte aber nicht »benutzen«, er möchte lieben. Er wünscht sich Nähe, echte Nähe. So eine schnelle Nummer zwischendurch ist mal ganz schön, klar. Aber nicht dauerhaft und nur auf diese Tour. Sven wünscht sich schönen Blümchensex in absoluter Zweisamkeit. Wenigstens ab und zu mal. Und zwischendurch gerne mal so eine »Benutz-mich-Nummer«. Aber doch nicht dauerhaft und nur so!
Es wird nicht einfacher, als aus dem Halbtagsjob ein Vollzeitjob wird. Interessant fand ich an dieser Stelle, dass es auch hier schon wieder die Schwester ist, die Tanja diesen Job besorgt hat. Nun läuft aber gar nichts mehr. Keine Unterhaltungen, kein gemeinsames Putzen, kein Sex, nichts. Tanja steht auf, geht zur Arbeit, kommt am späten Nachmittag wieder, legt sich hin und schläft. Abends steht sie dann irgendwann auf und schläft im Bett weiter. Sie gehen auch nicht mehr aus. Manchmal sind sie eingeladen, bei Freunden oder bei Svens Bruder und seiner Familie. Tanja fängt jedes Mal vorher Streit an und will offenbar, dass Sven ohne sie hingeht. Das tut er dann auch und erklärt dann den Gastgebern immer, Tanja sei krank, hätte Kopfschmerzen oder Ähnliches. Sven kennt Tanja nur noch als lethargische Frau, die auf dem Sofa liegt und schläft – oder da sitzt und strickt. Sie ist an nichts interessiert.
Dann hat er eines Tages einen schweren Unfall, liegt im Krankenhaus und ruft sie an. Er bittet sie, vorbeizukommen. Sie kann jetzt nicht, erklärt sie ihm. Sie ist auf eine Party eingeladen und da geht sie jetzt hin. Sven ist fassungslos. Natürlich kommt sie irgendwann im Krankenhaus vorbei, aber erst nach Tagen. Als er entlassen wird, ist er für weitere sechs Monate krankgeschrieben – und es steht fest, dass er seinen Job, bei dem er körperlich stark beansprucht wird, nicht mehr ausüben kann. Aber trotz Krankenphase geht es ihm nicht schlecht, denn Sven ist gut abgesichert, er bekommt neben dem Krankengeld noch ein Tagegeld.
Da er ja nun den ganzen Tag zu Hause rumhängt, sieht Tanja überhaupt keinen Anlass mehr dafür, etwas im Haushalt zu tun. Muss sie auch gar nicht. Wenn sie heimkommt, ist die Bude sauber und das Essen steht auf dem Tisch. Direkt nach dem Essen legt sie sich auf die Couch und schläft ein oder gleich ins Bett. Sven gibt alles – er versucht sie nicht zu belasten, sie etwas zu verwöhnen, und er hat inzwischen sogar die zweite Therapie am laufen, denn Tanja meint: Mit ihm stimmt was nicht. Er ist krank. Er ist immer so aggressiv und außerdem sei er völlig beziehungsunfähig. Sven spricht darüber mit seiner Therapeutin. Die schüttelt den Kopf und fragt ihn, ob er sich mal Gedanken darüber gemacht hat, dass mit Tanja was nicht stimmen könnte? Nein, darüber hat er sich keine Gedanken gemacht, auch jetzt tut er das nicht. Er ist fest davon überzeugt, dass Tanja ok ist, dass sie nur einfach nicht so gut zusammen passen wie er es mal gedacht hat. Nur über die Bezeichnung »aggressiv« ist er doch sehr verwundert. Er ist nicht aggressiv, war es nie. Die Beziehungsunfähigkeit allerdings, die sie ihm vorwirft – den Schuh zieht er sich an. Das kann ja nur so sein, denn vor Tanja ist ja noch jede Beziehung für ihn in die Hose gegangen. Bisher nannte ihn zwar keine Frau »beziehungsunfähig«, aber vielleicht hat sie ja recht?
Als sie ihn dann auch noch als sexsüchtig bezeichnet und immer öfter zu ihrer Mutter abhaut, schlägt er ihr eine Paartherapie vor. Sven ist verzweifelt und greift nach jedem Strohhalm. Nach zwei, drei Gesprächen, die sie gemeinsam mit der Paartherapeutin führen, ist diese auch ratlos. Sie stellt im Gespräch zu dritt fest, dass Sven überhaupt keine außergewöhnlichen Wünsche hat, sondern sich das wünscht, was jeder gerne hätte. Liebe und Zärtlichkeit, eine ganz normale Sexualität. Dass sie keine Lust mehr auf Fellatio hat, hat er längst verstanden und will das auch überhaupt nicht erzwingen. Er versteht nur nicht, warum sie früher angeblich nichts lieber tat als das, und jetzt behauptet, sie hätte es schon immer gehasst.
Er ist verletzt, weil Tanja bei der Therapeutin aussagt, Sven bräuchte dafür immer anderthalb Stunden und überhaupt würde er immer so lange brauchen. Sven sagt: »Das ist ja nicht die ganze Wahrheit. Klar ha...