1. Warum dieses Buch?
Gut, dass Sie da sind liebe Eltern! Schön, dass es Sie gibt! Sie, die nicht mehr bereit sind Ihr Kind mit Dauer-Geschimpfe, Androhung von Strafen, ängstigender Autorität, Liebesentzug, vielleicht sogar einer Ohrfeige oder anderen fragwürdigen Methoden zu erziehen! Danke, dass Sie nach neuen wertschätzenden und achtsamen Wegen in der Erziehung Ihrer Kinder suchen.
Es ist erfreulich, dass die Anzahl der Eltern, die ihr erzieherisches Verhalten reflektiert, also darüber nachdenkt, welche Auswirkungen dies für ihre Kinder hat, größer wird. Achtsame Eltern, die möchten, dass ihre Kinder zufrieden und selbstbewusst groß werden. Eltern, denen auch im Erwachsenenalter eine gute Beziehung mit und zu ihrem Kind wichtig ist und die wissen, dass diese erhoffte gute Beziehung kein Selbstläufer ist, sondern maßgeblich davon abhängt, wie sie mit ihren Kindern während der Kindheit umgehen.
Es ist gut, dass - bisher in weiten Kreisen als normal geltende - Erziehungsmethoden, wie Strafen, Einschüchterungen, unfreundliches Anraunzen, ängstigender Liebesentzug, vielleicht sogar der (mehr oder weniger starke) Klaps auf den Po oder die Hände, heute von einer größer werdenden Anzahl verantwortungsbewusster und reflektierender Eltern hinterfragt und auf den Prüfstand gestellt werden.
Es ist gut so!
Sogar richtig gut!
Moderne, achtsame Eltern machen sich Gedanken, was ihrem Kind gut tut. Was es braucht, um ein glücklicher, verantwortungsbewusster, sicher im Leben stehender Mensch zu werden. Ein zufriedener Mensch, der in seinem späteren Leben gut zurechtkommen wird. Ein Mensch, der zu erfüllenden, wohltuenden sozialen Beziehungen und Freundschaften fähig sein wird. Ein Mensch, dem es gelingt, auch in schwierigen Phasen, wie sie jedem Menschen im Laufe seines Lebens begegnen - dem einen mehr, dem anderen weniger - zurechtzukommen. Ein Mensch, der über Freude an der eigenen Arbeit und gleichzeitig genügend Pflichtbewusstsein verfügen wird, um in seinem Berufsleben einen guten Stand, ein sicheres finanzielles Polster zu haben. Ein Mensch, der gleichzeitig fähig sein wird, sein Leben zufrieden genießen zu können.
Solche oder ähnliche Gedanken machen sich moderne, achtsame Eltern heutzutage. Und auch Sie liebe Leser gehören zu diesen 'neuen Eltern', sonst würden Sie jetzt nicht dieses Buch in der Hand halten. Es wäre Ihnen gar nicht die Zeit und Energie wert, darüber nachzudenken, wie Sie Ihr Kind bestmöglich in seiner Entwicklung unterstützen können.
Stellvertretend für Ihren Sohn, Ihre Tochter, möchte ich mich bei Ihnen bedanken! Danke für Ihr Verantwortungsgefühl und ihr Engagement für Ihr Kind, oder Ihre Kinder.
Danke deshalb, weil ich aus professioneller Sicht weiß und tagtäglich in meiner Arbeit erlebe, wie wichtig und prägend Sie als Mutter, Sie als Vater für die Entwicklung und das Wohl Ihrer Kinder sind - heute und für deren späteres Erwachsenenleben.
Begriffsklärung:
Wenn ich von 'Eltern' spreche, meine ich die Menschen, die einen kleinen Menschen ins Erwachsen-Werden begleiten. Dies können die klassischen Eltern, Adoptiveltern, Patchworks (allerdings gelten bei Patches etwas differenziertere Regeln), Alleinerziehende, oder auch Ersatzeltern, wie Omas und/oder Opas sein. Der Einfachheit halber verwende ich für diese Personengruppe den Begriff 'Eltern'.
Der besseren Lesbarkeit halber werde ich entweder die weibliche oder männliche Form verwenden. Gemeint sind von mir immer beide (alle) Geschlechter.
1.1 Für wen ich dieses Buch schreibe
Version 1:
Sie sind glückliche Eltern. Ihr Kind ist im Baby-, oder Kleinkindalter. Sie halten mein Buch gerade in der Hand und denken, 'eigentlich brauche ich so etwas doch gar nicht'. Sie sehen zwar, dass es im Bekanntenkreis oft nicht wirklich rund läuft, dass die Kinder - schon etwas älter - nicht so hören, wie man sich das vorstellt. Dass es immer wieder Stress gibt, wegen Bettgehen, Aufräumen, Geschwisterstreitereien, Hausaufgaben, Handy, ... Sie beobachten die anderen Eltern und denken sich selbst im Stillen, dass bei Ihnen so etwas nicht passieren wird. Weil Sie - wohl im Gegensatz zu den anderen Eltern - mit Ihrem Kind reden werden. Ihm erklären werden, warum dies oder jenes wichtig ist. Warum Ihr Kind dies oder jenes tun oder eben nicht tun sollte. Weil ihr Kind Sie verstehen wird, einsichtig sein wird. Weil Ihr Kind liebevoll von Ihnen erzogen wird. Weil Ihr Familienleben harmonisch verlaufen wird?
Version 2:
Ihr Kind ist im Kindergartenalter - schon ein bisschen älter, als das Kind aus Version 1. Aber irgendwie läuft es bei Ihnen nicht so recht, wie Sie sich das vorgestellt haben. Ihr Kind sieht so gar nicht ein, warum es seine Spielsachen aufräumen, beim Essen am Tisch sitzen bleiben, nicht mit dem Kuchen auf dem Sofa hüpfen, Zähne putzen, abends ins Bett gehen (und dann auch im Bett bleiben) oder aufhören soll, die kleine Schwester, den kleinen Bruder zu schubsen?
Sie sind irritiert, weil Sie sich das irgendwie so ganz anders vorgestellt haben. Wieso funktioniert das bei Ihrem Kind nicht so, wie es doch eigentlich sein sollte? Für Ihren Geschmack sind Sie viel zu oft am Ermahnen, Verhandeln, Schimpfen, Nein-Sagen. Sie ertappen sich selbst dabei, wie Sie immer wieder Strafen androhen, obwohl Sie das eigentlich nie wollten. Strafen, die aus der Enttäuschung über das nicht Gehorchen Ihres Kindes viel zu hoch ausfallen. Strafen, die im Alltag kaum durchzuhalten sind. Strafen, bei denen Ihr Kind Ihnen dann doch wieder leid tut und Sie diese deshalb des Öfteren abbrechen/aufheben.
Letztlich ertappen Sie sich immer wieder dabei, wie Sie dann eben doch selbst die Bauklötze, Teddys, Spielfiguren aufräumen, die Krümel vom Sofa saugen, damit es wenigstens wieder ordentlich ist. Auf das Zähneputzen und zu Bett bringen haben Sie schon seit einiger Zeit keine so rechte Lust mehr, weil es bestimmt wieder langwierig und anstrengend werden und letztlich vielleicht sogar in einem Streit mit ihrem Kind enden wird.
Auch mit Ihrem Partner gibt es immer wieder und immer öfter Reibereien, weil das Familienleben irgendwie gar nicht so harmonisch und friedlich verläuft, wie Sie beide sich das eigentlich vorgestellt und gewünscht haben.
Version 3:
Sie haben ein Schulkind daheim. Sie haben die anfängliche Illusion von Familienharmonie schon fast aufgegeben oder verdrängt. Sie sind frustriert, warum das mit den Hausaufgaben so ein Dauergenerve sein muss. Obwohl Ihr Kind eigentlich echt clever ist, werden die Hausaufgaben zur tagtäglichen Geduldsprobe. Auch mit dem Aufräumen, dem zu Bett gehen, den kleinen Pflichten Ihres Kindes im Alltag, ... Sie hätten nie gedacht, dass es - obwohl sie ihr Kind wirklich lieben - so nervraubend sein kann mit einem Kind. Sie sind früher davon ausgegangen, dass Sie Ihrem Kind alles erklären, verständlich machen können. Dass Ihr Kind gerne leiser ist, wenn Sie es darum bitten. Dass Ihr Kind seine Jacke, seinen Teller, seine Spielsachen aufräumt, weil Sie mit ihm reden werden und Ihr Kind es dann versteht und einsieht, ... Wieso klappt das bei Ihnen einfach nicht? Was läuft schief?
Version 4:
Ihr Kind ist in der Vorpubertät. Die Diskussionen scheinen mittlerweile endlos. Jeden Tag wieder das Gleiche. Lernen, Handy, PC, Tablet, was gibt's zu Essen, Zimmer aufräumen, zu Bett gehen... Gemaule, Endlosdiskussionen und Ihr Kind fängt an, in einem Ton zurückzuzetern, der Ihnen gar nicht gefällt, der Ihnen, wenn sie ehrlich zu sich selbst sind, sogar wehtut. Sie wollten doch achtsam sein. Einen liebevollen Umgangston in Ihrer Familie pflegen. Nein, es läuft nicht so, wie es eigentlich hätte sein sollen, wie Sie sich das gedacht hatten.
Sie alle Vier.
Ich bin froh, dass Sie da sind!
Sehr froh!
Denn, es muss nicht so sein!
Das Leben mit Kindern kann schön sein!
Sogar richtig schön.
Und genau deshalb schreibe ich dieses Buch.
Für sie alle Vier.
Um Sie zu erreichen.
Genau Sie, die wohlmeinenden, liebevollen und achtsamen Eltern. Die Mütter und Väter, die es gut meinen mit ihren Kindern. Die für ihr Kind das Beste wollen.
Wenn Ihr Baby gerade erst zur Welt gekommen ist. Geliebt, mit Blick auf eine positive, glückliche, gemeinsame Zukunft.
Oder Ihr Kind bereits etwas größer ist, vielleicht erste Irritationen auftauchen, weil es irgendwie manchmal doch nicht ganz so einfach ist, wie man sich das vorgestellt hat.
Oder Ihr Kind bereits in der (Vor)Pubertät ist und bei Ihnen immer wieder das Gefühl aufflammt, dass es nicht wirklich in die richtige Richtung läuft.
Bleiben Sie bitte hier. Lesen Sie bitte weiter.
Denn:
Obwohl es immer mehr großartige, liebevolle, verantwortungsbewusste Eltern gibt, die das Beste für ihr Kind wollen und bereit sind, so vieles für das Wohl ihrer Kinder zu tun, läuft es nicht wirklich rund.
Gerade in diesen achtsamen, liebevollen Familien beobachte ich durchgängig und in besorgniserregender Häufigkeit eigenartige Phänomene, die allesamt auf das gleiche gefährliche und traurige Ergebnis hinauslaufen.
Genau diese achtsamen, wohlmeinenden Eltern sind es, bei denen sich - am Anfang nahezu unbemerkt, fast immer schleichend - ein giftiges Virus einnistet.
Dieses Virus kann seltsamerweise nur in diesen achtsamen Familien gedeihen und sein Unwesen treiben. Und dieses Virus führt dann über die Jahre hinweg, lange Zeit schleichend und nahezu unerkannt, schließlich jedoch mit ziemlicher Wucht zu einem traurigen Ergebnis:
Ich nenne dieses Ergebnis: 'NANO' - 'Generation NANO'
1.2 Worum geht's?
Als Diplom-Erziehungswissenschaftlerin bin ich seit über zwei Jahrzehnten in meiner eigenen Praxis freiberuflich in der Elternbildung tätig. Wie bereits gesagt, begleite ich - neben Vorträgen in Kindergärten, Schulen und vor Fachgremien - gemeinsam mit meinem Team engagierte Mütter und Väter - von der Geburt bis zur Pubertät - bei der Erziehung und Entwicklung ihrer Kinder. Beginnend mit PEKiP-Gruppen, dann weiterführend als Erziehungs-Coach, als Kommunikations-Trainer und als systemischer Coach in Gruppen und Einzelberatungen.
Unsere Teilnehmer sind durchgängig wohlmeinende, achtsame und engagierte Mütter und Väter, die sich aus freien Stücken fortbilden, weil sie als Eltern einen möglichst guten Job machen wollen. Weil ihnen ihre Kinder wichtig sind. Weil sie das Beste für ihre Kinder wollen und weil sie wissen, wie wichtig sie als Eltern dafür sind.
Also in keinster Weise Problemfamilien. Nein.
Es sind Eltern, die verantwortungsbewusst im Leben stehen und die das Ziel haben, glückliche, zufriedene, selbstbewusste Kinder zu erziehen. Eltern, die nicht mehr mit Machtgefälle, mit Angst, mit Strafen oder Geschimpfe erziehen wollen. Eltern, die achtsam zu ihren Kindern sein möchten, die sich ein harmonisches, zufriedenes Familienleben wünschen und die vieles tun, damit ihre Kinder eine schöne Kindheit haben, in der sie emotional und körperlich gesund und glücklich groß werden dürfen.
Eltern, die eine gute Beziehung zu ihren...