Das Spiel des Rechts

Ein juristischer Wegweiser der anderen Art

Bepi Uletilovic

• Verlag: Books on Demand
• Jahr: 2014
• ISBN drucken: 9783735786883
• eBook-ISBN: 9783735754929
• Auflage: 6
• Thema: Jura
• Thema: Rechtstheorie & -praxis

Dieses Buch erklärt Ihnen einfach und anschaulich die Grundlagen für ein erfolgreiches "Spiel des Rechts", die in jeder demokratischen Rechtsordnung wirken.Lesermeinungen des Internet-Literaturnetzwerks "Lovelybooks": "Grundsätzliche Darstellung des Rechts und wie man sich am besten in diesem Spiel bewegt.""Guter Ratgeber für den Rechtslaien""Ein sehr hilfreicher juristischer Wegweiser""Sehr informativ und verständlich!""Der Rechtsanwalt Uletilovic legt hier einen interessanten juristischen Wegweiser vor, der humorvoll und locker und doch auch ernsthaft und wertschätzend geschrieben ist.""Dieser kleine, kurzweilig zu lesende Ratgeber bündelt hintergründige Informationen und sorgt für einige Aha-Effekte."

V. Die Grundtechniken

---

1. Wahrnehmung

„Klugheit ist die Kunst, zu erkennen, was man übersehen muss.“

(William James)

Viele rechtliche Interessen scheitern nicht an der Unkenntnis oder am Unvermögen, sondern schlicht an der mangelnden sinnlichen Wahrnehmung. Professionelle Spieler des Rechts wissen dies und nutzen es gnadenlos aus, um zu gewinnen.

Wir Menschen nehmen nur das bewusst wahr, worauf unsere Aufmerksamkeit gerichtet ist. Wenn ich also ein Interesse daran habe, etwas vor Ihnen zu verbergen, werde ich versuchen, Ihre Aufmerksamkeit auf etwas anderes zu lenken. Genau so machen es die Zauberkünstler. Sie übernehmen durch geschickte Manipulation das Kommando über Ihr Bewusstsein und lenken es dorthin, wo nichts Wesentliches geschieht, damit sie etwas an anderer Stelle verschwinden oder erscheinen lassen können. So gelingt es einem Zauberer z.B., einem erwachsenen Menschen bei vollem Bewusstsein unbemerkt die Uhr vom Handgelenk zu nehmen.

Das klassische Beispiel dafür im Spiel des Rechts ist das sogenannte Kleingedruckte. Nehmen wir an, ich vermittele Mobilfunkverträge für Anbieter von Telekommunikationsdiensten, die daran interessiert sind, langfristige Verträge mit vergleichsweise hohen Ge bühren zu vertreiben. Um Sie zum Abschluss eines solchen Mobilfunkvertrages zu animieren und damit meine Provision zu verdienen, biete ich Ihnen z. B. ein aktuelles Mobiltelefon einer bekannten Marke gratis an, das ich zu einem sehr günstigen Einkaufspreis erwerbe. Das Angebot gestalte ich im Internet wie folgt:

Als Überschrift verwende ich in grell farbigen Großbuchstaben den Namen des Markentelefons mit Bild und dem Zusatz gratis!, hebe seinen Wert von 240,- € und seine vielfältigen Funktionen hervor. Gleich darunter setze ich einen ebenfalls grellfarbigen hervorgehobenen Link zur Bestellung zum Preis von 0,- €.

Die weiteren wesentlichen Konditionen dieses Angebots, die ich Ihrer Aufmerksamkeit entziehen will, setze ich etwas weiter nach unten in kleiner schwarzer Schrift auf weißem Untergrund. Dort steht, dass das Angebot nur in Verbindung mit einem Mobilfunkvertrag gilt. Dieser hat eine Laufzeit von mindestens zwei Jahren bei einer Grundgebühr von 20,- € monatlich und einer Gesprächsgebühr von 2,- € pro Minute.

Es ist aber nicht nur das Kleingedruckte, das ich Ihrer Wahrnehmung entziehen kann. Auch durch geschickte Anordnung der Wörter in einem Satz, kann ich Ihre Wahrnehmung lenken. Nehmen wir an, ich vermittele Beteiligungen an einem Investmentfonds. Um Sie für eine Beteiligung zu gewinnen, beschreibe ich das Angebot wie folgt:

Top Rendite von 10 %

und mehr möglich!

Haben Sie das so verstanden, dass Ihnen mindestens 10 % Rendite versprochen werden? Wenn ja, dann liegen Sie falsch. Denn die Aussage ist so zu verstehen, dass Ihnen weder 10 % noch mehr versprochen werden.

Das Missverständnis wird dadurch hervorgerufen, dass das Wort „möglich“ eine Zeile tiefer am Satzende und nicht am Satzanfang steht und gleich im Anschluss an das Wort „mehr“. Dadurch entsteht der optische Eindruck, dass das Wort „möglich“ keinen Zusammenhang mit den Worten „Top Rendite von 10 %“, sondern nur mit dem Wort „mehr“ hat, so dass man auf den ersten Blick zur Annahme kommen kann, die 10 % seien sicher und nur das „mehr“ sei unsicher.

Das unscheinbare Wort „und“, welches sowohl die „Top Rendite von 10 %“ als auch das Wort „mehr“ mit dem Wort „möglich“ verbindet, gerät dabei leicht aus dem Fokus Ihrer Aufmerksamkeit. Hätte ich das Angebot mit folgender Satzkonstruktion beschrieben:

Mögliche Top Rendite von 10 % und mehr!,

dann hätte dies wohl keiner als Versprechen einer Mindestrendite gewertet, da ich bereits am Satzanfang klarstelle, dass alles, was folgt, nur möglich ist, also kein Versprechen sein kann.

Neben der Ablenkung gibt es noch die Methode der Ausschaltung Ihrer Wahrnehmung.

Dies kann ich z.B. bereits dadurch erreichen, dass ich die Bedingungen eines Vertrages auf seiner Rückseite abdrucke und auf der Vorderseite auf diese umseitigen Bedingungen verweise. In diesem Fall müssen Sie also das Blatt umdrehen, um die Bedingungen wahrzunehmen. Wer das nicht tut, und das sind erfahrungsgemäß nicht wenige, wird die Bedingungen nicht sehen. Oder ich hänge die Bedingungen in meinen Geschäftsräumen aus und verweise im Vertrag auf diesen Aushang. Wer nun zu bequem ist, aufzustehen, um sich die Bedingungen durchzulesen, wird sie auch nicht sehen.

Ein weiteres Mittel zur Ausschaltung Ihrer Wahrnehmung ist die Überflutung mit Sinneseindrücken. Um Sie davon abzuhalten, die für Sie ungünstigen Vertragsbedingungen zu lesen, kann ich z.B. einen Vertrag aufblähen. Anstatt ihn auf nur wenigen Seiten übersichtlich und kurz zu fassen, lege ich Ihnen ein 50-seitiges Vertragswerk mit vielen überflüssigen Ausführungen vor, um Sie mit der sorgfältigen Durchsicht zu überfordern. So kann es mir gelingen, die für Sie ungünstigen Bedingungen auf Seite → und → vor Ihnen zu verbergen.

Ich kann Sie außerdem von der Wahrnehmung abhalten, indem ich das Wahrnehmungsobjekt ersetze. Nehmen wir an, dass ich damit beauftragt bin, Ihnen ein sanierungsbedürftiges Ferienhaus in schlechter Lage auf einer Ferieninsel zu verkaufen. Anstatt Ihnen das Haus vor Ort zu zeigen, lege ich Ihnen Bilder des Hauses vor, welche aus einer Perspektive aufgenommen sind, die das Haus in einem positiven Licht erscheinen lassen und spiele Ihnen dazu noch ein Video von den besten Plätzen auf der Insel vor.

Wenn Sie sich nun mit der Wahrnehmung dieser Bilder begnügen, anstatt sich das Haus und seine Lage vor Ort anzusehen, habe ich mein Ziel erreicht.

Außer der Ablenkung und Ausschaltung Ihrer Wahrnehmung gibt es noch das Mittel des Vertrauensschleiers, mit dem ich Ihre Sinne bedecken kann. Ich habe einen akademischen Titel, arbeite für ein großes Unternehmen, bin sehr freundlich, habe eine sehr gepflegte äußere Erscheinung, bin gut gekleidet, habe eine wohlklingende Stimme und komme auf Empfehlung Ihres guten Freundes zu Ihnen, um Ihnen eine gute Geschäftsgelegenheit anzubieten, die Ihr Freund schon genutzt hat.

Ich mache Sie darauf aufmerksam, dass dieses Geschäft außerdem von einer sehr beliebten prominenten Persönlichkeit im Fernsehen als sicher und gewinnbringend beworben wird. Das muss doch ein gutes Geschäft sein, oder? Sie müssen nur noch hier unterschreiben und Sie sind auch dabei.

Halt! Bevor Sie den Vertrag ungelesen unterschreiben, sollten Sie sich fragen, welche Bedeutung denn mein akademischer Titel, das große Unternehmen, mein seriöses Auftreten, Ihr Freund und die prominente Persönlichkeit für den Inhalt des Vertrages haben. Natürlich gar keine. Entscheidend ist, was im Vertrag steht. Und damit Sie sehen, was wirklich Sache ist, müssen Sie den Schleier des Vertrauens abnehmen.

Um im Spiel des Rechts nicht auf die Verliererstraße zu geraten, dürfen Sie sich auf keinen Fall Ihrer sinnlichen Wahrnehmung berauben lassen; prüfen Sie alles direkt und gründlich, lassen Sie sich nicht ablenken und vom Schleier des Vertrauens blenden.

Grundregel 11

Benutzen Sie Ihre Sinne, um Ihr Recht wahrzunehmen.

2. Information

„Wissen bedeutet zu erkennen, dass du es weißt, und, wenn du etwas nicht weißt, zu erkennen, dass du es nicht weißt.“

(Konfuzius)

Haben Sie schon einmal eine Quizsendung im Fernsehen gesehen oder daran teilgenommen? Nehmen wir z.B. die Sendung, in der man sich durch die Beantwortung mehrerer Fragen zum Millionär hocharbeiten kann. In dieser Sendung stellt der Moderator einem Kandidaten Fragen, zu denen jeweils vier Antworten eingeblendet werden. Nur eine davon ist richtig.

Für den Fall, dass der Kandidat nicht weiß, welche der Antworten richtig ist, stehen ihm drei Joker zur Verfügung; ein 50:50-Joker, bei dem zwei falsche Antworten ausgeblendet werden, ein Telefonjoker, der dem Kandidaten ermöglicht, eine vorher ausgewählte Person zu konsultieren, und ein Publikumsjoker, mit dem der Kandidat das Publikum im Wege der Abstimmung nach der richtigen Antwort befragen kann.

Um bei diesem Spiel erfolgreich zu sein, reichen dem Kandidaten seine Wahrnehmung und sein Verstand nicht aus. Er sollte wissen, welche die richtige Antwort ist. Nehmen wir an, er wird nach der Hauptstadt Australiens gefragt. Ist es A: Sydney, B: Canberra, C: Melbourne oder D: Brisbane? Hat er die Information nicht, dass es Canberra ist, dann wird ihm das sorgfältige Lesen oder Hören der Frage und sein Nachdenken darüber nicht weiterhelfen. Wenn er es nicht weiß, und einfach rät, wird das Quiz für ihn zum riskanten Glücksspiel. Also wird der Kandidat seine Joker einsetzen, um die notwendige Information zu bekommen.

Im Spiel des Rechts werden Sie häufig in die Situation geraten, etwas nicht zu wissen. Es wird Ihnen z.B. ein Vertrag mit Fremdwörtern und Fachausdrücken vorgelegt, deren Bedeutung Sie nicht kennen; es werden Preise für etwas von Ihnen verlangt, dessen Wert Sie nicht kennen; jemand, dessen Bonität Sie nicht kennen, verspricht Ihnen eine Zahlung; Ihnen wird vorgeworfen, eine Straftat begangen zu haben, ohne dass Sie über den Stand der Ermittlungen und die Beweislage informiert werden. In all diesen Situationen sind Sie der Kandidat im Spiel des Rechts, der nach den richtigen Antworten sucht. Was bedeuten die Fremdwörter und Fachausdrücke im Vertrag? Ist die Ihnen angebotene Sache preiswert? Ist der Vertragspartner solvent? Was hat zu dem strafrechtlichen Vorwurf gegen Sie geführt und welche Beweise liegen dafür vor?

Und wenn Ihnen die Informationen für die richtigen Antworten fehlen, sollten Sie wie in der Quizsendung Ihre Informationsjoker einsetzen. Im Spiel des Rechts sollten Sie das unbedingt tun, denn wer hier ein Ratespiel veranstaltet, hat im Gegensatz zur Quizsendung etwas zu verlieren. In die Quizsendung gehen Sie mit 0,- € rein und gehen im schlimmsten Fall wieder mit 0,- € raus, während Sie in unserem Spiel ins bodenlose Minus rutschen können.

Die Wahrung rechtlicher Interessen scheitert oft an dem mangelnden Einsatz der Informationsjoker. Professionelle Spieler wissen um die enorme Bedeutung der Information im Spiel des Rechts. Sie erlauben sich selbst keine Informationslücken und benutzen gezielt das Mittel der Vorenthaltung von Informationen, um zu gewinnen.

Wenn z.B. ein professioneller Immobilieninvestor daran interessiert ist, ein Miethaus zu kaufen, wird er sich nicht damit begnügen, das Objekt zu besichtigen. Er wird das Objekt nach sorgfältiger Standortanalyse auf Herz und Nieren prüfen, indem er sich etwa einen aktuellen Grundbuchauszug, Flurkarte und Lageplan, Bauzeichnung und Grundrisse, eine bautechnische Beschreibung, eine Aufstellung bereits durchgeführter und durchzuführender Instandhaltungs-, Modernisierungs- und Renovierungsmaßnahmen, eine Flächenberechnung, eine Berechnung des umbauten Raumes und die Mietverträge beschafft.

Andererseits wird Ihnen möglicherweise der Immobilienprofi auf der Verkäuferseite z.B. ein Gewerbeobjekt als zu 100 % vermietetes Objekt mit sehr guten Einnahmen und solventem Mieter in dem Wissen anbieten, dass der langfristige Mietvertrag mit dem solventen Mieter bereits in sechs Monaten ausläuft und von Seiten des Mieters nicht mehr verlängert werden wird. Wenn Sie den Kaufvertrag nun abschließen, ohne sich die Information beschafft zu haben, wie lange der Mietvertrag noch läuft und ob er verlängert wird, wird Ihre Immobilie in sechs Monaten leer stehen und so lange keine Mieteinnahmen bringen, bis Sie einen neuen Mieter finden, was möglicherweise nicht so einfach wird.

Belogen wurden Sie nicht, denn das Angebot war zum Zeitpunkt des Verkaufs korrekt beschrieben, Ihnen wurde nur eine Information über den zukünftigen Verlauf vorenthalten, die Sie sich hätten beschaffen können.

Bedenken Sie, dass Ihre Möglichkeiten der Informationsbeschaffung im Spiel des Rechts wesentlich besser sind als in der Quizsendung. Während Sie dort nur drei Joker haben, stehen Ihnen hier unzählige zur Verfügung. Wir leben im Informationszeitalter, in welchem die Anzahl der frei verfügbaren und insbesondere über das Internet sofort abrufbaren Informationen in der Geschichte der Menschheit ihresgleichen sucht und stetig anwächst.

Während Sie im Agrarzeitalter mit einer Kutsche mehrere Stunden ins nächste Dorf fahren mussten, um sich dort unter den Menschen nach der benötigten Information durchzufragen, brauchen Sie heute nur wenige Klicks bis zur wertvollen Information. Sie kommen inzwischen an Daten heran, über die früher nur Eliten und Geheimdienste verfügten. Das hat Ihre Chancen auf den Gewinn des Spiels drastisch erhöht.

Ihre Informationsjoker taugen jedoch nur etwas, wenn sie Ihnen zur richtigen Antwort verhelfen. Der 50:50-Joker in der Quizsendung minimiert z.B. nur das Risiko einer falschen Antwort auf 50 %, führt Sie jedoch nicht mit Sicherheit zur richtigen Antwort. Auch auf den Telefon- und Publikumsjoker können Sie sich dort nicht verlassen. Im Spiel des Rechts stehen Ihnen wesentlich zuverlässigere Informationsquellen als in der Quizsendung zur Verfügung.

Ihre nicht immer einfache Aufgabe bei der Informationsbeschaffung ist es jedoch, unter der Vielzahl der Informationsquellen die zuverlässigste auszuwählen. In dem oben beschriebenen Fall des Verkaufs des vermieteten Gewerbeobjekts sollten Sie nicht etwa den Verkäufer oder einen seiner Bediensteten danach fragen, wie lange der Mietvertrag noch läuft und ob er verlängert wird, denn das ist Ihr Gegenspieler, welcher das Spiel gegen Sie gewinnen will. Die zuverlässigere Quelle wäre hier der Mietvertrag. Im Beispiel des strafrechtlichen Vorwurfs sollte nicht der Polizeibeamte die Quelle Ihrer Wahl sein, sondern die Ermittlungsakte, von deren Inhalt Sie über einen Rechtsanwalt Kenntnis erlangen können.

Manchmal müssen Sie Informationen aus mehreren Quellen schöpfen, um eine...

Inhaltsverzeichnis

• Motto
• Inhaltsverzeichnis
• Vorwort
• Einleitung
• I. Das Spiel
• II. Die Regeln
• III. Die Spielfiguren
• IV. Die Einstellung
• V. Die Grundtechniken
• VI. Die Strategie
• Epilog
• Impressum