Wettbewerbsjahr 2015
Kontrolle und Bewertung von Lernprozessen und
-ergebnissen in Planspielen
Janina Haupt, Nicole Jentsch
Die Masterarbeit wurde an der TU Dresden im Fach Berufspädagogik/Psychologie verfasst. Gegenstand sind Möglichkeiten der Kontrolle und Bewertung von Lernleistungen in Planspielen. Durch Literaturrecherchen in pädagogischen Fachdatenbanken wurde deutlich, dass noch immer die herkömmlichen und z. T. sehr subjektiven Verfahren angewandt werden. Jene werden den Anforderungen des Lernfeldkonzeptes nicht gerecht. Ziel war die Entwicklung eines praxistauglichen Instruments, das sowohl eine Prozess- als auch eine Ergebnisermittlung ermöglicht. Dazu wurde die Planspielmethode hinsichtlich der Charakteristik, der idealtypischen Verlaufsstruktur und den Variationen sowie den Chancen und Grenzen analysiert. Daraus wurden Lernziele generiert. Die Operationalisierung erfolgte in Anlehnung an Richter 2002. Das Instrument besteht aus einem Selbst- und einem Fremdeinschätzungsbogen und zugehörigen Dokumentations- und Reflexionsbögen. Es kann flexibel für verschiedene Unterrichtsziele genutzt werden.
This master’s thesis was written in the department of vocational education/ psycology of the Dresden University of Technology. The study deals with possibilities to control and assess learning efficiencies in simulation games. Literature research in educational databases showed that conventional and to some extent very subjective methods are still used. Those do not fulfill the requirements of the concepts of learning areas. The aim was to develop a practicable tool to determine processes as well as results. Therefore, the simulation game method was analyzed in terms of characteristics, ideal progress structure and variations as well as opportunities/limitations. Based on this analysis learning objectives were derived. The operationalization was carried out according to Richter 2002. The tool consists of a self-assessment form and one for the assessment by other plus the necessary documentation and reflectation sheets. It can flexibly be adapted to different educational objectives.
1. Einleitung
Im vorliegenden Beitrag werden die Ergebnisse einer an der TU Dresden im November 2014 eingereichten Masterarbeit im Fach Pädagogik/Psychologie vorgestellt. Das Thema „Möglichkeiten der Kontrolle und Bewertung von Lernprozessen und -ergebnissen beim Lernen mit Planspielen“ knüpft an eine Problemstellung im Bereich der (Berufs-) Pädagogik an, welche zunächst näher erläutert werden soll. Die Literaturrecherche erfolgte überwiegend in der Datenbank der Landes-, Staats- und Universitätsbibliothek Dresden sowie in verschiedenen (pädagogischen) Fachdatenbanken.
Als Reaktion auf die Veränderungen in Industrie und Wirtschaft und die damit verbundene Notwendigkeit einer Anpassung der Ausbildungen an den berufsbildenden Schulen reagierte die Kultusministerkonferenz Mitte der 90er Jahre mit der Einführung des Lernfeldkonzeptes. Durch die Hinwendung zur Handlungsorientierung bzw. zu einem handlungstheoretisch begründeten Unterricht entstand, neben vielen positiven Entwicklungen, in jedem Fall auch eine Vielzahl von Problemfeldern (vgl. Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft 2001). Exemplarisch wurde die von den Lehrkräften zu leistende Arbeit in Bezug auf Veränderungen der Kontrolle und Bewertung von Lernleistungen angeführt, welche aktuell noch immer schwierig erscheint und in der Praxis lieber mittels der altbewährten Verfahren, zum Beispiel Klassenarbeit oder Leistungskontrolle, umgangen wird (vgl. Tramm, Kremer, Tenberg 2011, Winter 2012).
Oberstes Ausbildungsziel im Lernfeldkonzept ist die Herausbildung beruflicher Handlungskompetenz, wie sie durch die Kultusministerkonferenz (KMK) definiert und in die verschiedenen Lehrpläne übernommen wurde. Unter Handlungskompetenz versteht die KMK „die Bereitschaft und Befähigung des Einzelnen, sich in beruflichen, gesellschaftlichen und privaten Situationen sachgerecht durchdacht sowie individuell und sozial verantwortlich zu verhalten“ (KMK 2011, S. 15). Neben Fach-, Selbst- und Sozialkompetenz erfordern die aktuellen Entwicklungen auch die Herausbildung von Methodenkompetenz, kommunikativer Kompetenz und Lernkompetenz bei den Lernenden. Ähnlich der Schlüsselqualifikationen, welche von Mertens (1974) beschrieben wurden, sollen diese dadurch in die Lage versetzt werden, flexibel auf Veränderungen in der Arbeitswelt bzw. in der Gesellschaft reagieren zu können. In der Arbeit wird der Kompetenzbegriff kritisch diskutiert. Er darf schließlich nur verstanden werden als eine „gedankliche Hilfskonstruktionen zur Beschreibung von Dingen oder Erscheinungen, welche nicht direkt beobachtet werden können, sondern nur aus beobachtbaren Daten erschlossen werden können“ (Duden 1996). Aufgrund der für die pädagogische Arbeit grundlegenden Vorgaben der KMK wird der Kompetenzbegriff dem Qualifikationsbegriff vorgezogen.
Schon allein durch die vorherrschende Uneinigkeit hinsichtlich der begrifflichen Definition zeichnet sich für Kontroll- und Bewertungsprozesse ein erhebliches Konfliktpotential ab (vgl. Richter 2002a/b). Im Rahmenlehrplan bzw. in den jeweiligen Lehrplänen wird gefordert, dass die festgeschriebenen Kompetenzen als Ziele zu betrachten und demzufolge auch zu erreichen sind (vgl. KMK 2011). Darüber hinaus wird für die Umsetzung des Lernfeldkonzeptes in den gültigen Ordnungsmitteln stets auf die Verwendung handlungsorientierter Methoden im Unterricht verwiesen (vgl. Sächsisches Staatsministerium für Kultus 2005). Als Unterrichtsmethode kann der „prinzipielle Weg [verstanden werden], den Lehrer und Schüler beschreiten, um die Ziele des Unterrichts zu erreichen [und um] die Unterrichtsgegenstände zu vermitteln (Lehrende) bzw. sich anzueignen (Lernende)“ (Rosenbach 2012). Die bisherigen einfachen Erkenntniswegstrukturen (z. B. deduktiv, induktiv, analytisch, synthetisch) sind unter den genannten Gesichtspunkten nunmehr unzureichend für die berufliche Bildung (vgl. Hortsch 2010). Um die Anforderungen bewältigen und die intendierten Ziele erreichen zu können, bedarf es geeigneter Methoden, durch welche berufliche Handlungskompetenz herausgebildet werden kann. Hierzu ist in den vergangenen Jahren eine Vielzahl an Literatur über Unterrichtsmethoden mit komplexen Erkenntniswegstrukturen publiziert worden (vgl. ebd., S. 39). Für die Zuordnung des Planspiels zu den komplexen Unterrichtsverfahren wurde die Systematisierung von Hortsch (2010) hinzugezogen. Die Grundidee des Einsatzes all jener komplexer Methoden, wie dem Planspiel, ist es folglich, eine „Möglichkeit zu schaffen, [um] Vorgänge in der realen [Arbeits-] Welt besser zu verstehen und Entscheidungen risikofrei treffen zu können“ (Kersten 2013, Anm.: unveröffentlicht/angepasst).
Im Gegensatz zur Planung und Gestaltung von „komplexe[n], teilnehmeraktivierende[n] Lehr-/Lernarrangements oder Unterrichtseinheiten“ (Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft 2001), bei denen sich beispielsweise der Einsatz handlungsorientierter Methoden überwiegend durchgesetzt zu haben scheint, besteht auf dem Gebiet der Leistungsermittlung und -bewertung noch immer enormer Entwicklungs- und Klärungsbedarf. Das Prüfrecht bzw. die sich daraus entwickelnden Konsequenzen bieten in jedem Fall Anlass für Diskussionen. Zwar ist jenes gesetzlich festgeschrieben, jedoch haben Lehrer dahingehend auch viele Freiheiten. Diese sollen unseres Erachtens auch nicht beschränkt werden. Jedoch hat dies bisweilen zu einer unübersichtlichen, subjektiven Vielfalt der Herangehensweisen an Lernerfolgsüberprüfungen im Rahmen des Lernfeldkonzeptes geführt. Die umfassenden Ziele und Inhalte der Lehrpläne sind für die Lehrenden bindend, dennoch (oder gerade deshalb) beschränken sich viele Lehrer auf die Inhalte und fragen in schriftlichen und mündlichen Lernerfolgskontrollen hauptsächlich den fachlich-inhaltlichen bzw. sprachlichkognitiven Bereich ab. Die Lernziele aus anderen Kompetenzbereichen bleiben dabei oftmals noch außen vor. (vgl. Richter 2002a). Nicht zuletzt lässt die Forderung nach einer hohen Messqualität von Schulnoten, vor dem Hintergrund ihrer Funktionen und dem Einhalten der drei Gütekriterien Validität, Reliabilität und Objektivität eine Abkehr von den bisherigen, etablierten Verfahren höchst risikoreich erscheinen. Statt den Fokus bei der Kontrolle und Bewertung weiter auf das reine Abfragewissen zu legen, sollte die Konzentration eher auf prozessorientierten Handlungen liegen (vgl. Richter 2002a/b). Prozessorientierte Maßnahmen, die den Lernprozess begleiten und durch welche Schüler und Lehrer in eine viel intensivere Auseinandersetzung mit dem eigenen Lernprozess treten können, sollten deutlich häufiger eingesetzt werden (vgl. Kersten 2012; Meyer 1987a/b; Mietzel 2007; Ott 2011; Richter 2002a/b; Winter 2012). Diese „neuen Formen der Leistungsbewertung [sollten] […] auch methodischstrategische, sozial-kommunikative und persönliche Leistungen berücksichtigen.“ (Bohl 2002, S. 9). Ott (2011) empfiehlt zudem eine Beurteilung auf Basis „der realistischen Darstellung und kritischen Reflexion des Lern- und Arbeitsprozesses: Schwierigkeiten, Erfolge, Selbsteinschätzung, Alternativen, [..].“ (ebd., S. 238) Der praktische Einsatz eines solchen Verfahrens erfordert die vorherige Festlegung der Bewertungskriterien, welche nicht nur zur Messung und Bewertung herangezogen werden, sondern auch für ein notwendiges, abschließendes Feedbackgespräch wichtig sind (vgl. ebd., Winter 2012).
2. Gang der Untersuchung
Ziel der Masterarbeit war die exemplarische Entwicklung eines für Pädagogen und Schüler praxistauglichen Instruments zur Kontrolle und Bewertung von Lernleistungen in Planspielen. Dazu mussten zusammenfassend zunächst einmal die von der KMK ausgewiesenen Kompetenzdimensionen beachtet werden. Darüber hinaus ist es notwendig und sinnvoll, ein Instrument zu entwickeln, welches nicht nur geeignete Handlungen initiiert bzw. diese bewertbar macht, sondern welches die Schüler mit einbezieht und kooperative Arrangements zulässt. Weiterhin sollte eine Notengebung zwar möglich sein, aber nicht im Vordergrund stehen, denn eine völlige Abkehr von der festgelegten Notengebung erscheint unserer Ansicht nach bislang wenig sinnvoll und nicht praxistauglich. Vielmehr sollten die Möglichkeit der Ableitung konkreter Lern- und Förderbedarfe sowie die Betrachtung vorhandener Ressourcen im Mittelpunkt stehen. Dies entspricht viel stärker einem konstruktivistischen Verständnis von Lernen und stellt nicht die Selektionsfunktion bzw. die Noten, sondern die pädagogische Diagnostik in Bezug zur individuellen Leistungsentwicklung des Schülers in den Vordergrund. Vor dem beschriebenen Hintergrund musste schließlich gefragt werden, an welchem Punkt des Prozesses der Leistungserfassung und -bewertung man ansetzt. Da in erster Linie aus b...