Es blickt ein Mann für sich zurück
in eine Zeit, wo groß das Glück,
wenn er an das Christkind schrieb,
was ihm teuer, wichtig und lieb.
Das Christkind hat es stets erkannt,
was alles in seinen Briefen stand,
wo er um dies und jenes bat,
und alles ihm auch erfüllen tat.
Nun sitzt er wieder einmal da
und in die Vergangenheit dort sah,
was ihm an Glück wurde beschert,
so das Christkind er heute noch verehrt.
Nun setzt er sich mal hin als Mann
und fängt erneut zu schreiben an,
schreibt dem Christkind einen Bericht,
was ihn so sehr im Herzen sticht.
Er erzählt ihm von dieser einen Frau,
mit ihrem schönen Augenfarbenblau,
von dem Strahlen aus ihrem Augenpaar,
das ihn beglückt, gar so wunderbar.
So gerne möchte er ihr vieles sagen,
und wollte sie auch schon so vieles fragen,
denn sie hat es ihm so sehr angetan,
schlimm, wenn da wäre schon ein and‘rer
Mann.
Er bittet hier das Christkind nun um Rat,
vielleicht steht ein Engel auch gerad‘ parat,
der sagen könnt, ob ja oder ob nein,
oder ob alles könnte vielleicht sein.
Da hört er einen Engel, der ihn fragt
warum er denn schon jetzt verzagt,
nur der, der wirklich alles dafür gibt,
nur der, der wird wirklich auch geliebt.
Gib ihr Sicherheit, gib ihr das Gefühl, dass
sie mit dir erreicht ein jedes Ziel,
gib ihr Liebe ohne jeden Verdruss,
weil sie dich dann wirklich lieben muss.
Der Mann, erschrocken sitzt er da,
die Stimme, doch niemand, den er sah.
Ja, soll es denn wirklich schon so sein,
dass Weihnacht‘ er ist nicht mehr allein?
Der Engel antwortet auf seine Frage nur:
Ist sie für dich von Reinheit, ist sie pur,
dann kannst du dir ganz sicher sein,
Weihnachten verbringst du nicht mehr
allein.
Du weißt es doch sehr lange schon,
Geduld ist der Liebenden ihr Lohn,
lauf nicht hinterher, der Liebe und dem
Glück,
es kommt alles, manchmal nur Stück für
Stück.
Ja, sagt der Mann dem Engel im Nu,
ja, sagt er, er gibt es ja wirklich zu,
wenn es der Himmel nun einmal so will,
dann ist es Liebe, mit sehr viel Gefühl.
Nun denkt er nach über seinen Brief,
in seinen Gedanken versunken, ganz tief,
das Christkind weiß über alles lang
Bescheid,
über die Liebe, das Glück, aber auch das
Leid.
Die kleine Regine lebt zusammen mit ihrer Mutter Sonja auf einem kleinen alten Bauernhof. Auf jenem, auf dem ihre Großeltern schon lebten, und ein anderes Leben kennt sie nicht. Sie haben nicht viel, gerade so viel, dass es zum Leben so reicht, wie ihre Mutter ihr immer wieder sagt. Gerne wüsste sie, wer denn ihr Vater ist, warum er nicht bei ihnen lebt, doch auf diese Frage bekommt sie von ihrer Mutter nie eine Antwort. Es ist auch niemand, der ihr diese Frage beantworten könnte. So begnügt sie sich immer wieder mit dem Schweigen der Mutter, wenn darauf die Sprache kommt. Regine will ihre Mutter auch nicht immer quälen, denn ihr ist bewusst, dieses Thema ist ihr unangenehm. Und so belässt sie es, wie es ist. Nachts, manchmal, ja, da hört sie ihre Mutter weinen, und wie sie in ihren Tränen laut betet. Dann merkt sie immer, wie unglücklich ihre geliebte Mutter ist. Sie ist zwar klein, dennoch weiß sie, sie zwei haben es nicht leicht. Sonjas Wunsch ist es, ihre Kleine gut zu erziehen, ihr ein schönes Zuhause zu bieten und, so wie es andere Kinder auch haben, eine intakte Familie. Neidisch sieht sie oft, wie andere junge Familien im Sommer vorbeifahren, wie glücklich die Kinder mit ihren Vätern spielen, umhertollen. Wie gerne würde sie das alles auch ihrer Regine bieten wollen.
Wenn Sonja wieder einmal ihren Gedanken nachhängt, dann kommen ihr die Tränen. Regine war nicht wirklich ein Kind der Liebe, sie wollte mit diesem Mann nichts wirklich anfangen. Wie es wirklich dazu kam, kann sie sich selber nicht mehr erklären, es ist einfach passiert, im Urlaub. Schon am nächsten Morgen war er verschwunden und sie hat nie wieder etwas von ihm gehört. Sieben Jahre ist es her, und diese ganzen sieben Jahre litt sie darunter. Wen hätte sie nicht schon alles haben können, wer hatte ihr nicht schon alles den Hof gemacht! Sie weiß selber nicht, warum sie all diese Männer immer wieder vor den Kopf gestoßen hat. Aber sie war einfach nicht frei, gefesselt von der Vergangenheit, es könnte sich so etwas wiederholen. Wollte sie nicht schon immer eine große Familie haben? Wollte sie nicht schon immer diesen Hof auf Vordermann bringen?
Ja, dies waren schon immer ihre Wünsche und Träume gewesen. In dieser einen Nacht sieht sie ihr Schicksal und wie jede Illusion darin begraben wurde. In der Stadt hat sie eine kleine Boutique, was diese abwirft, dies reicht gerade mal zum Leben, zu mehr schon gar nicht. Aber man muss mit kleinen Dingen zufrieden sein, sagt, denkt und redet sie sich immer wieder ein. Doch dass es nicht stimmt, weiß sie, würde es aber nie zugeben.
Regine spürt es und merkt, dass ihre Mutti nicht glücklich ist, und schon wieder steht bald Weihnachten vor der Tür. Wieder würden sie beide alleine vor einem wundervoll geschmückten Weihnachtsbaum stehen, wieder würden sie ihn alleine schmücken, wie jedes Jahr die Kindermette besuchen, klein und fein essen und im Anschluss die Geschenke auspacken. Nun, es werden wenige sein, aber alle kommen aus dem tiefsten Herzen. Bestimmt wird wieder ein Spiel dabei sein, welches sie beide spielen können. Und wieder wird ihre Mutter mit den Tränen kämpfen.
Nein, sie kann es so nicht mehr zulassen.
Die Zeit drängt, Sonderwünsche kann auch ein Christkind nicht im Handumdrehen erfüllen. Sie muss noch heute einen Brief an das Christkind schreiben. Und so setzt sich Regine hin und verfasst ihren Brief:
Liebes Christkind,
Du hast mir schon so viele Sachen geschenkt, es war nicht immer alles dabei, was ich mir gewünscht habe, aber ich war zufrieden damit. Auch meine Mutter hast Du immer beschenkt, und auch sie war zufrieden mit all dem, was sie von Dir bekam. Aber weißt Du, meine Mutter ist unglücklich, sie wird es mir und Dir gegenüber nicht zugeben, aber wir beide wissen es doch, oder?
Weißt Du, wenn sie nicht glücklich ist, dann bin ich es auch nicht, und so könntest Du mit einem Wunsch uns beide glücklich machen. Ich glaube nicht, dass Du dafür Geld ausgeben musst, ich glaube, so hat es mir mal meine Mutti gesagt, Glück kann man nicht kaufen, man bekommt es geschenkt.
Weißt Du, liebes Christkind, ich höre Mutti oft weinen, und dann betet sie auch. Sie möchte einen liebevollen Mann und für mich einen gerechten Vater. Weißt Du, er muss nicht reich sein, aber ein liebevoller, guter Mensch soll er sein. Ganz wichtig, Mutti wünscht sich von ihm einfach auch Sicherheit und er muss kinderlieb sein, ja, mich auch lieben und mögen. Es könnte ja auch sein, dass sie gerne meinen Vater wieder lieben möchte. Man bekommt ja auch nur Kinder, wenn man sich liebt, sagt meine Mutti immer. Ach, ich weiß es doch nicht, aber Du im Himmel, und Gott, Ihr wisst doch alles über uns. Wenn etwas nicht so läuft, dann sagt Mami immer, Gott weiß es und er wird es schon richten.
Nun liebes Christkind, wenn Ihr doch alles wisst, warum tut Ihr dann nichts und lasst meine Mutter und mich unglücklich sein?
Ich weiß, sie hat schon oft einen Mann haben können, aber der wollte mich nicht. Immer wollte er nur sie alleine. Aber meine Mutter sagt immer, sie gäbe es nur mit mir. Sie ist doch so lieb. Sie gibt mir alles, was sie geben kann, dabei hätte sie es ohne mich viel leichter. Aber ohne mich wäre sie bestimmt unglücklicher als jetzt schon.
Jetzt möchte ich ihr mal ein Geschenk machen, aber ich bin halt noch zu klein, alleine schaffe ich es nicht. Aber es ist ja bald wieder Weihnachten, und bald bringst Du wieder Deine Geschenke, hast uns auch noch nie vergessen. Ich weiß ja, vielleicht ist es zu viel verlangt, aber wen soll ich denn sonst bitten? Bitte, bitte, liebes Christkind. Du bist meine letzte Hoffnung, ich vertraue Dir, und glaube mir, Du würdest uns beiden das schönste Weihnachten bescheren.
Meinst Du, liebes Christkind, Du schaffst es noch bis Weihnachten?
Ich hoffe auf Dich,
Deine kleine Regine.
Sie schaut sich ihren Brief nochmals an,
Mutti wäre stolz auf sie, so schön, wie sie
ihn geschrieben hat. Bevor sie ihn in ein
Kuvert steckt, macht sie ganz fest die
Augen zu, denkt ganz fest an ihren Wunsch
und küsst ihn nochmals, wobei ein paar
Tränen auf das Briefpapier fallen, bevor sie
das Kuvert mit dem Brief schließt.
Auf das Kuvert schreibt sie nur: An das
Christkind, Himmelsreich.
„Mutti, ich fahr noch schnell mit dem
Fahrrad weg, bin gleich wieder hier“,
begründet sie ihrer Mutter gegenüber den
Weg zum Briefkasten.
„Ja, ist schon gut, mein Schatz, aber passe
auf dich auf, damit nichts passiert“,
ermahnt Sonja ihre Tochter.
Heimlich versteckt sie den Brief unter ihrer Jacke und fährt los. Am Briefkasten angekommen, bemerkt sie, dass die Briefmarke fehlt und sie auch keine zur Hand hat. Sie hat noch einen Stift eingesteckt, mit diesem schreibt sie oben drauf: Lebensnotwendige Bestellung für das Christkind! – und denkt sich, das müsste reichen.
Eines Tages, die Wintersonne scheint in die Boutique von Sonja, steht wie ein Schatten ein Mensch in der Tür. Wie meist, so ist auch an diesem Tag Sonja alleine in ihrem Laden und sortiert in den Regalen ihre Waren. Sie bemerkt den Kunden nicht sofort, erst als eine sympathische Männerstimme fragt: „Entschuldigung, haben Sie auch etwas für Männer in Ihrer Boutique?“
Etwas unvorbereitet erschrickt Sonja erst und antwortet:
„Ja, aber sicher, was suchen Sie denn?“
Während sich Sonja vom Regal wegdreht und auf diese Stimme zugeht, kommt der Mann aus der Türöffnung ihr entgegen und antwortet:
„Ich hätte gerne etwas Schickes für das Theater.“
Dabei schauen sich Sonja und der Kunde tief in die Augen. Für einen Moment bringt Sonja keinen Ton heraus, sucht nach Worten, stottert dann:
„Ja, Ja, ich glaube schon, dass ich da etwas für Sie habe.“
Sonja dreht sich um zu einem Regal und spürt, wie sie etwas rot anläuft, spürt aber auch den Glanz in ihren blauen Augen. Es ist ihr unangenehm, sie wühlt deshalb unbegründet in ihren Hemden herum, während der Mann hinter ihr steht. Wenn sie sich jetzt umdrehen würde, was er von ihr denken könnte, denkt sie sich.
„Ich kann mich nicht entscheiden, was zu mir passt, können Sie mir etwas empfehlen?“,
stört der männliche Kunde ihr Wühlen.
„Aber ja, doch“,
kommt es mit leiser Stimme zurück.
Mit einem verstohlenen Blick schaut sie sich kurz um und mustert ihn ein wenig. Sie denkt, mit wem der wohl ins Theater geht, und will die Frage gleich beantwortet wissen.
„Was zieht denn Ihre Partnerin an? Dann könnten wir es darauf abstimmen.“
„Ich weiß es nicht, weiß es wirklich nicht“, bekommt sie zur Antwort.
Klar, denkt sie sich, so ein Mann geht nicht alleine ins Theater, welche Frau würde sich an seiner Seite nicht wohlfühlen. Seine Augen sagen schon so viel. Und so geht sie nochmals alle Hemden durch, nur damit sie sich nicht umdrehen muss.
Und der Kunde schaut Sonja über die Schultern, mustert ihr schönes dunkelblondes Haar an und sagt dann zu Sonja:
„Was würden Sie ins Theater anziehen? Sagen Sie, ist nicht gleich Mittagspause? Vielleicht könnten wir da drüben in dem kleinen Bistro einen Kaffee trinken, ich lade Sie gerne dazu ein und im Anschluss finden wir sicher etwas Passendes?“
„Ja, eine Pause könnte ich schon gebrauchen“, nimmt Sonja die Einladung an.
Sie lässt alles liegen und verlässt mit dem Gast die Boutique, schließt hinter sich zu und folgt ihm in das kleine Bistro gegenüber. In einer kleinen Ecke finden sie einen ruhigen Platz, an dem sie sich niederlassen.
Richtig wohl fühlt sie sich nicht, aber sonst leistet sie sich diesen Gang nicht, und es ist ein öffentliches Lokal. Sie ist zu nichts verpflichtet, denkt sie sich, und bestellt beim Kellner einen Milchkaffee.
„Wo kommen Sie her, ich habe Sie noch nie in der Stadt gesehen, wie sind Sie denn gerade auf meine Boutique gestoßen?“,
fragt Sonja etwas neugierig ihren Gastgeber.
Nachdem sich dieser seinen Cappuccino bestellt und den Blick wieder zu ihr gerichtet hat, antwortet er: „Übrigens, ich heiße Paul, Paul Neumann, und bin schon sehr lange in dieser Stadt ansässig. Ich bin freier Journalist von Beruf, d...