LOYALITÄT
DIE PSYCHOLOGIE DER
KUNDENBINDUNG
TEIL 1
„DIE KRAFT, DIE KUNDEN BINDET.“
1. LOYALITÄT - DIE PSYCHOLOGIE DER KUNDENBINDUNG.
1.1 EINLEITUNG UND ÜBERBLICK.
Kann man Loyalität generieren? Nein, aber man kann ein liebenswerter Partner des Kunden werden. Oder auch ein guter Flirter. Aber der Kunde entscheidet selbst, ob er auf den Flirt eingeht oder sich verliebt. Auf viele Faktoren ist nur schwer Einfluss zu nehmen. Die Psychologie der Kundenbindung soll in den folgenden Kapiteln Aufschluss darüber geben, was Loyalität ist, wie sie entsteht und vergeht, ob und wie Loyalität zu beeinflussen ist und wie bestimmte Zusammenhänge vorherzusagen sind. Betriebswirtschaftliche Betrachtungen, von Kundenwerten oder Kauffrequenzen stehen hier vorerst im Hintergrund. Vielmehr soll das psychologische Wissen über zwischenmenschliche Beziehungen Pate stehen bei der Untersuchung, was die Kunde-Marke-Beziehung im Innersten zusammenhält.
„Bis das der Tod uns scheidet“ ist kein Bestandteil eines Kaufvertrages, den der Kunde zum Beispiel im Autohaus unterschreibt. Es überwiegt offensichtlich die Zufriedenheit oder genauer das Glück in der Kunde-Marke-Beziehung bei der Entscheidung, ob jemand seine Beziehung fortführt oder nicht – egal ob es sich um eine zwischenmenschliche oder eine Kunde-Marke-Beziehung handelt.
Wenn es um eine neue Beziehung zu einem Anbieter oder Produkt geht, also eine Kaufentscheidung, ist es oft schwer das beste Angebot zu finden. In den meisten Fällen sind ein paar Prozent Ersparnis nicht ausschlaggebend für die Entscheidung zwischen Produkt A oder B. Bei der Auswahl, wo und zu welchem Preis wir etwas kaufen, spielt viel mehr als nur der Preis eine Rolle. Jedes Produkt und jede Dienstleistung haben für uns Anteile, die mit betriebswirtschaftlichen Größen nicht erfassbar sind. Das Image oder das Gefühl, einem Anbieter vertrauen zu können, sind nur zwei dieser weichen psychologischen Kriterien, die auf jede Entscheidung für oder gegen ein Produkt Einfluss nehmen.
Dieser immaterielle Anteil eines Produktes führt zum Beispiel dazu, dass Kunden für ein Apple iPhone ohne weiteres bereit sind, doppelt so viel zu bezahlen als für ein vergleichbares Mobiltelefon einer anderen Marke. Der gleiche schwer messbare Zusatzwert sorgt dafür, dass Mercedes oder BMW mehr und teurere Fahrzeuge verkaufen als zum Beispiel Kia oder Skoda, oder dass jemand für eine Handtasche von Prada bereit ist 50-mal so viel zu bezahlen als für ein – rein objektiv gleichwertiges – Modell von einem unbekannten Anbieter. Dort, wo harte kalkulative Maßgrößen nicht mehr zu eindeutigen oder sogar zu widersprüchlichen Ergebnissen in der Vorhersage von Kaufentscheidungen führen, beginnt der Bereich der psychologischen Einflussfaktoren.
Der Wert eines Gegenstandes bestand für klassische ökonomische Modelle lange in einem rein objektiven, kalkulativen Nutzen. Für die Ökonomie war es die Frage, welches Produkt eine, theoretisch eindeutig, feststellbare Anforderung zum niedrigsten Preis erfüllt. Die Modelle, die diese Frage beantworten, gehen vom Menschen als Homo oeconomicus aus. Dieser strebt jederzeit nach wirtschaftlicher Nutzenmaximierung. Im kühlen marktwirtschaftlichen Wettbewerb sind die aufgestellten Modelle ausreichend belegt und haben eine gewisse Vorhersagekraft. Das liegt daran, dass Entscheidungen im professionellen Business-to-Business-Kontext auf eher kognitiv gesteuerten Prozessen beruhen.
Das tägliche Verbraucherverhalten ist mit den klassischen Modellen jedoch nur unzureichend zu erklären. Der Mensch ist per se nicht rein rational und objektiv. Diese simple Erkenntnis hat in der volks- und betriebswirtschaftlichen Forschung zu neuen Modellen geführt, die das Modell des Homo oeconomicus reformulieren und psychologische Faktoren einführen, um die Realität besser abbilden zu können. Die neuen Modelle schaffen es, Resultate von spieltheoretischen Experimenten besser zu erklären, indem sie das Prinzip der Nutzenmaximierung „auf alle Felder des menschlichen Handelns“ (Novoy & Jäger, 2005) ausweiten. Entsprechende Modelle mit übergreifender und befriedigender Erklärungskraft für das tatsächliche und alltägliche Konsumentenverhalten konnten die Wirtschaftswissenschaften bisher nicht liefern. Dies mag daran liegen, dass die Ausweitung des Modells der Nutzenmaximierung auf die Felder jenseits des monetären Nutzens eher im Bereich der Psychologie als der Ökonomie beheimatet ist. Aus psychologischer Sicht ist festzustellen, dass der Homo oeconomicus existiert. Aber nach dem Prinzip der Nutzenmaximierung funktioniert der Mensch nur, wenn man den Nutzen eines Produktes für den Verbraucher nicht alleine monetär und technisch betrachtet. Menschen maximieren primär ihren psychischen Nutzen in Form von erfüllten, ausgeglichenen und spannungsarmen psychischen Zuständen.
Abbildung 1: Frage: „[…] Bewerten Sie bitte für wie bedeutsam Sie die folgenden Möglichkeiten halten, einen Kunden in Ihrer Branche an das Unternehmen zu binden.“ [1 = wenig bedeutsam; 5 = sehr bedeutsam / n = 686 Unternehmen]
nach Weinberg & Terlutter in Bruhn: Handbuch Kundenbindungsmanagement (2008, s. 45)
Weite Bereiche der Marketingforschung wie auch der psychologischen Forschung sind sich heute darin einig, dass der technisch-monetäre Nutzen in Alltagssituationen eher als zweitrangiger Faktor auf das Konsumentenverhalten wirkt (Hess, Ganesan, Klein, 2007; Rowley, 2005; Grewal, Metha & Kardes, 2004; Haslam, Rothschild & Ernst, 2000; Gustafsson, Johnson & Roos, 2005; Oliver, 1999; Bolton, 1998; Apple, 2009).
Diese Arbeit soll die psychologischen Faktoren aufklären, die Konsumentenverhalten und speziell Kundenloyalität, also die Bindung an bestimmte Produkte und Marken, beschreiben. Dazu werden die zentralen Zusammenhänge von Zufriedenheit und Loyalität beleuchtet. Die Verwendung von Analogien zwischen Kunde-Marke-Beziehungen zu zwischenmenschlichen Beziehungen liefern dabei zusätzlich Erkenntnisse.
Vor der Klärung der Zusammenhänge sollen zuerst die beiden Komponenten Zufriedenheit und Loyalität genauer untersucht werden. Dies wird helfen, den Zusammenhang selbst besser zu verstehen.
„Wie zufrieden sind Sie?” Die in dieser Abhandlung vorgenommene Definition von Zufriedenheit als Zustandsgröße löst ein Validitätsproblem bei der Erfassung von Kundenzufriedenheiten. Die Lösung liegt hier vor allem in der Art der Fragestellungen, die oftmals wenig geeignet sind, adäquat die psychologische Repräsentation von Zufriedenheit zu erfassen.
Der Definition von Loyalität wird ein primär psychologisches Verständnis von Loyalität zugrunde liegen. Loyalität wird beschrieben als eine latente Größe, die Determinante für verschiedenste beobachtbare Ausprägungen von Verhalten ist. Loyalität wird verstanden als träge, aber veränderliche Beziehungsgröße, die angibt, inwieweit das Verhalten eines Konsumenten von einer „rationalen” Entscheidung abweicht. Denn: „Loyalität ist, wenn man trotzdem bleibt, selbst wenn die psychischen Kosten das eigentlich als nicht vernünftig erscheinen lassen.”
Nach der Beschreibung des funktionalen Zusammenhangs von Zufriedenheit und Loyalität, beschäftigt sich das Kapitel 3.1 Die Partnerschaftsanalogie. Die Parallelität von Kunde-Marke-Beziehungen zu echten Beziehungen mit den Parallelitäten von zwischenmenschlichen Beziehungen zu Kunde-Marke-Beziehungen. Dazu werden bestehende Erkenntnisse der Marketingund der psychologischen Forschung betrachtet und die Ergebnisse konkretisiert. Aus den Resultaten ergeben sich realitätsnahe Betrachtungsweisen von Kundenbeziehungen.
Der Einblick in den Entwurf einer Partnerschaftslandkarte auf empirischer Basis zur Verortung von zwischenmenschlichen wie auch Kunde-Marke-Beziehungen wird, als Hilfsmittel für die Praxis, bei der Übertragung des Beziehungsbildes von zwischenmenschlichen und Kunde-Marke-Beziehungen helfen.
Im zentralsten Kapitel werden Loyalität und Zufriedenheit in einen funktionalen und einfach nachvollziehbaren Zusammenhang gebracht. Demnach verhalten sich Kunden und Marken – im Sinne einer Bindung, Anziehung und Abstoßung – wie Partner in zwischenmenschlichen Beziehungen. Der funktionale Zusammenhang, die Loyalitätshysterese, schafft es, widersprüchliche Erkenntnisse im Bereich des Zufriedenheits-Loyalitäts-Zusammenhangs sinnvoll zu integrieren. Das Modell der Loyalitätshysterese soll es ermöglichen, Marktforschungserkenntnisse zur Kundenzufriedenheit für marketingstrategische Entscheidungen nutzbar zu machen. Die Analogie zu realen zwische...