ZU HAUSE
„Der Mensch ist dort zuhause, wo sein Herz ist, nicht dort, wo sein Körper ist.“
Mahatma Gandhi
ANGEBOT UND VORAHNUNG
Noch bist du zu Hause. Die Dinge gehen ihren Gang, aber irgendwann hast du beschlossen, deine Komfortzone zu verlassen und dich zu verändern. Du gibst vielleicht Signale an deine Vorgesetzten, führst erste Gespräche mit dem Partner und testest aus, ob dieser bei deinen Gedankenspielen bei dir ist? Du stellst dir vor, wie es sein würde, wenn … Und dann:
Das Angebot ist da!
EXPAT
Ein Jahr während der Schulzeit oder des Studiums im Ausland zu verbringen, gehört heutzutage schon fast zum Standardlebenslauf. Da liegt es nahe, auch in der Arbeitswelt den Blick in ferne Länder zu richten – man spürt den Wunsch, seinen Horizont zu erweitern, indem man auf (un-)begrenzte Zeit ins Ausland geht um dort zu arbeiten und zu leben.
Doch Obacht: Arbeiten ist nicht Studieren. Wer schon einmal ein halbes Jahr mit dem Rucksack durch Indien reiste, muss nicht zwangsläufig dafür prädestiniert sein, dort sein täglich Brot zu verdienen. Aber genau dieser Wunsch wird anscheinend bei vielen Menschen immer stärker. Besonders junge Menschen wollen auf zu neuen Ufern.
Laut einer Studie des Economist Verlags von 2010 zeigen 80 % der Generation Y nicht nur die bloße Bereitschaft, als Expat im Ausland zu arbeiten, nein, sie streben förmlich danach und fordern eine Entsendung proaktiv ein. Da auch in diesem Umfeld Angebot und Nachfrage den Preis regulieren, hat sich der Expatriate-Markt ein wenig verschoben.
Nicht alle Firmen haben es nötig, ihre Mitarbeiter mit großzügigen Angeboten zu locken, sondern zahlen nur noch lokale Gehälter mit wenigen oder keinen Aufschlägen.
Beteiligungen an Schulgebühren für Kinder oder Zuschüsse für Wohngeld müssen mühsam ausgehandelt werden, ebenso das Spousal-Budget, ein Budget, das sich auf den mitreisenden Partner bezieht und dessen Kosten zu decken versucht.
Auch wenn das „Rundum-sorglos-Paket“ an vielen Stellen ausgedient hat, so beziehen sich immer mehr Unternehmen auf sogenannte Entsendungsrichtlinien und kommunizieren diese auch sehr offen an ihre (potenziellen) Mitarbeiter. Personalabteilungen gestalten Ex- und Repatriation-Prozesse, um ihren Mitarbeitern sowohl bei der Entsendung beizustehen als auch nach deren Beendigung eine weiche Landung im Heimatland zu gewährleisten.
Du bist jetzt in der Position, dass ein Angebot auf dem Tisch liegt. Das Kopfkino beginnt einen Film zu drehen – deinen Film, dein Zukunftsszenario. Lass dir die Regie nicht aus der Hand nehmen.
Kläre mithilfe der folgenden Fragen, was du erwartest, was du mitbringst und wer von deiner Entscheidung betroffen ist. Die Antworten geben dir ein erstes Gerüst, vor möglichen Verhandlungen mit deinem Arbeitgeber.
PARTNER/FAMILIE
Mit der Entsendung deines Partners triffst auch du eine weitreichende Entscheidung. Eine Zeit lang trittst du zurück und legst deine Karrierepläne oder dein bisheriges Lebensszenario auf Eis. Vielleicht passt es gerade perfekt in deine Lebensplanung. Vielleicht kommt es aber auch ungelegen und/oder diese Entsendung stand in dieser Form niemals in eurem gemeinsamen Drehbuch. Vielleicht musst du für die Karriere deines Partners jetzt deine eigene Karriereleiter vorerst verlassen und hast keine Vorstellung davon, wie es für dich weitergehen soll.
Laut einer Studie der HSBC-Bank aus dem Jahr 2015 glaubten 54 % aller Entsendeten und deren Partner, dass der Schritt in die Fremde sie näher zusammengebracht hat. Das hört sich doch schon mal gut an. Nur 13 % empfanden tatsächlich das Gegenteil. Natürlich weiß man nicht, wie es diesen Paaren ergangen wäre, wenn Sie im Heimatland geblieben wären. Vielleicht hätten sich die 13 % auch ohne Entsendung voneinander entfernt – wer weiß.
Um nicht zu den 13 % zu gehören, die sich im Zuge der Entsendung entfremden und schlimmstenfalls sogar trennen, hast du bereits einen ersten Schritt in die richtige Richtung gemacht – du liest dieses Buch und bist offen für Input.
Mit dem Lesen alleine ist es natürlich nicht getan. Beantworte die nachfolgenden Fragen der Reihe nach. Nimm dir für jede Frage ausreichend Zeit und geh erst nach deren Beantwortung zur nächsten Frage über. Auch wenn dir nach dem ersten Satz nichts mehr einfällt: Halte die Stille im Kopf aus – sie gibt Raum für neue Gedanken. Beginne nun mit der ersten Frage:
EXPAT-BACKGROUND
Die Bedürfnisse der Unternehmen sind ganz unterschiedlich und somit auch deren Offerten: Die eine Firma bietet ein Rundum-sorglos-Paket für die Familie, um eine Fach- oder Führungskraft möglichst längerfristig an den Standort im Ausland zu binden, die andere bevorzugt den weltenbummlerischen Single, der nach Einzelkämpfermanier kurzfristig ein Projekt verwirklicht.
Die Entsendung einer Familie bringt weitreichende zusätzliche Kosten mit sich, wie etwa die Erstattung von Gebühren für muttersprachliche Schulen im Ausland, die Unterstützung des Ehepartners (Spousal-Budget) und höhere Umzugskosten. Bei den mitreisenden Familienmitgliedern sind zudem Geldmittel, die in die Vorbereitung und das interkulturelle Training angelegt werden, gleichzeitig ein Investment in die Zukunft des Firmenstandorts. Wie aber steht dein potenzieller Arbeitgeber zu dieser Hypothese? Geht er da mit und ist er gewillt, in diesem Bereich seine Unterstützung und Finanzmittel zuzusagen?
Der große Vorteil, eine Familie zu entsenden, besonders, wenn es sich um längerfristige Entsendungen handelt, liegt klar auf der Hand. Es ist davon auszugehen, dass keine leichtfertigen Entscheidungen aufgrund von gegenwärtigen Stimmungen getroffen werden. Der Motivator einer Familie ist, neben dem höheren sozialen Status und den finanziellen Annehmlichkeiten, vor allem auch eine höhere Lebensqualität und die Chance auf eine private, hochwertige Schulausbildung.
Abenteuerlust, die „Lust auf was Neues“, treiben einen zwar auch an, sind aber nicht ausschlaggebend, um dich als Mitarbeiter langfristig an ein Gastland und einen Firmenstandort zu binden.
Die Familie dient immer auch als Back-up und kann für den Expat sehr nützlich sein. Bei Problemen im Arbeits- oder im sozialen Umfeld ist die Familie die Anlaufstation für ein wertschätzendes Gespräch. Viele Familien und Paare berichten, dass sie während ihrer Zeit im Ausland näher zusammengekommen sind und somit eine Einheit gegen alle äußeren Umstände gebildet haben.
Eine Familie zu entsenden ist nicht nur weitaus aufwendiger und komplexer, es birgt auch Gefahren, denn 62 % aller Entsendungen scheitern, weil die Familien/Partner sich im Gastland nicht wohlfühlen. Was ist in einem solchen Fall zu tun? Bietet dein Arbeitgeber im Worst Case ein Rückholszenario an? Die Rechnung ist ganz einfach: Nur ein glücklicher Expat ist ein guter Expat und arbeitet effektiv und dem Unternehmen zum Vorteil. Hilfestellungen bei deiner ersten groben Kalkulation bieten z.B. Kompensationskalkulatoren im Internet, die sich speziell auf dein Gastland beziehen können.
FRAGEN AN DEN ARBEITGEBER
In welcher Form unterstützen Sie uns bei den Vorbereitungen?
Zum Beispiel durch interkulturelles Training, Sprachunterricht, Nachhilfe, Coaching für den Expat und die Familienmitglieder
Wie sieht die Unterstützung bei der Expatriation in finanzieller Hinsicht aus?
Umzugskosten als Komplettübernahme? Finanzieller Ausgleich für den Partner, aufgrund von Arbeitsplatzaufgabe, Versicherungen, Steuerausgleich etc.
Welche Kosten übernehmen Sie vor Ort und während der Expatriation?
Miete, Verkehrsmittel (Metro, Bahn, Pkw mit Fahrer), Schulgebühren, Heimflüge, Kosten für Repatriation (Rückführung)
Ist ein Look-and-see-Trip vorgesehen? Wenn ja, auch für Partner und ggf. Kinder?
Wie können Sie sich, als zukünftiger Arbeitgeber, die Unterstützung meines Partners im Gastland vorstellen?
Coaching, Sprache, Beiträge für internationalen Club, finanzieller Ausgleich für den Partner aufgrund von Arbeitsplatzaufgabe? (Letzteres scheint vielleicht ein bisschen frech, wird aber durchaus praktiziert.)
Wie sind die Visa- und Arbeitsgenehmigungsverhältnisse im Gastland für meinen Partner?
KOMPETENZPAKET - WAS GEHÖRT IN EIN EXPAT-KÖFFERCHEN?
Laut einer Umfrage von Deloitte aus dem Jahre 2008, bei der 200 Unternehmen befragt wurden, die regelmäßig Mitarbeiter entsenden, fehlten 32 % dieser Unternehmen zum damaligen Zeitpunkt qualifizierte Mitarbeiter. Zu berücksichtigen ist hier, dass nicht nur Fachwissen, sondern auch umfassende soziale Kompetenzen vorhanden sein müssen, um eine erfolgreiche Entsendung zu gewährleisten. Gerade kleinere und mittelständische Firmen stoßen hier personaltechnisch an ihre Grenzen und sind gezwungen...