Des Menschen Erde
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Des Menschen Erde

Inferno Anthropozän

  1. 400 Seiten
  2. German
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Des Menschen Erde

Inferno Anthropozän

Über dieses Buch

Der Planet Erde hat in seiner 4, 6 Milliarden Jahre währenden Lebensgeschichte bereits viele Katastrophen überstanden: Kontinentalverschiebungen, Klimaveränderungen, Meteoriteneinschläge, Erdbeben, Vulkanausbrüche. Mindestens fünfmal kam es aufgrund solcher Ereignisse zu einem Massensterben, bei dem große Teile aller Lebewesen ausstarben, das letzte Mal am Ende der Kreidezeit vor rund fünfundsechzig Millionen Jahren, als die Dinosaurier verschwanden. Heute sind wir wieder Zeuge eines solchen Massensterbens, aber diesmal wurde es nicht verursacht durch äußere Einflüsse, nicht verursacht durch große Naturkatastrophen. Nein, diesmal ist nur eine einzige Spezies für dieses Massensterben verantwortlich: Der Mensch. Wir, die wir uns selbst gerne als die Krone der Schöpfung bezeichnen, haben alle Bereiche des Planeten verändert: Die Atmosphäre, die Wälder, den Boden, die Ozeane. Bis in jeden noch so abgelegenen Winkel, sei es bis in die tiefste Tiefsee oder den entferntesten Punkt der Antarktis, lässt sich die Spur des Menschen verfolgen. Der Mensch hat die Erde so sehr verändert, dass Wissenschaftler bereits ein neues Erdzeitalter heraufbeschworen sehen: Das Anthropozän.In einem eindringlichen Appell schildert der Autor in diesem Buch, welche Auswirkungen der Klimawandel haben wird, warum der tropische Regenwald womöglich nicht mehr lange existiert, warum die Degradation der Böden ungehindert voranschreitet und warum in den Ozeanen bald mehr Plastik als Plankton schwimmt. Und er beschreibt auch, warum wir das alles nicht länger hinnehmen dürfen. Warum wir endlich aufhören müssen, Krieg gegen die Natur, gegen unseren eigenen Planeten zu führen.Denn wir können diesen Krieg nur verlieren...

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Information

Gaia

WAS FÜR EIN ENDE SOLL DIE AUSBEUTUNG DER ERDE IN ALL DEN KÜNFTIGEN JAHRHUNDERTEN NOCH FINDEN? BIS WOHIN SOLL UNSERE HABGIER NOCH VORDRINGEN?
[Plinius der Ältere, 23 oder 24 bis 79 n. Chr., römischer Offizier und Gelehrter]
ALLES WAS GEGEN DIE NATUR IST, HAT AUF DAUER KEINEN BESTAND.
[Charles Darwin, Begründer der Evolutionstheorie]
MICH INTERESSIERT NUR DIE ZUKUNFT,
DENN DAS IST DIE ZEIT, IN DER ICH LEBEN WERDE.
[Albert Schweitzer, deutsch-französischer Friedensnobelpreisträger]
Der Weltklimagipfel vom Dezember 2009 in Kopenhagen bedeutete nicht nur für die Vereinten Nationen, sondern für die gesamte Weltgemeinschaft eine Blamage, ja mehr noch: einen Offenbarungseid. Denn trotz höchster Erwartungen und Hoffnungen war es nicht gelungen, im weltweiten Kampf gegen den Klimawandel auch nur einen Schritt weiterzukommen.
Für Diejenigen, die glaubten und darauf gesetzt hatten, dass die Menschheit wenigstens in den entscheidenden Momenten in der Lage sein sollte, in ihrem eigenen Interesse zusammenzustehen und das Gemeinwohl der gesamten Spezies über die individuellen Bedürfnisse Einzelner zu stellen, war es geradezu ein Schock: Es hatte sich doch tatsächlich gezeigt, dass der Menschheit das Hemd weitaus wichtiger schien als der Rock, selbst dann, wenn der Hemdkragen ihm bereits die Kehle zuschnürt. Und doch stellte der Gipfel von Kopenhagen im jahrelangen Klimaprozess der Vereinten Nationen nur eine Episode dar. Und dazu noch nicht einmal eine, die sonderlich aus dem Rahmen fiel.
Den Ursprung des UN-Klimaprozesses bildet die Klimarahmenkonvention, mit vollständigem Titel »Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen«, kurz: UNFCCC8. Sie wurde am 9. Mai 1992 in New York verabschiedet, im selben Jahr also, in dem auch der »Erdgipfel«, die große »Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung« (UNCED), in Rio de Janeiro tagte. Genau dort wurde sie auch von 154 Staaten unterzeichnet; in Kraft trat sie knapp zwei Jahre später, am 21. März 1994. Nach ihrem Artikel 2 hat die Klimarahmenkonvention das Ziel, eine »Stabilisierung der Treibhausgaskonzentrationen in der Atmosphäre auf einem Niveau zu erreichen, auf dem eine gefährliche anthropogene Störung des Klimasystems verhindert wird. Ein solches Niveau sollte innerhalb eines Zeitraums erreicht werden, der ausreicht, damit sich die Ökosysteme auf natürliche Weise den Klimaänderungen anpassen können, die Nahrungsmittelerzeugung nicht bedroht wird und die wirtschaftliche Entwicklung auf nachhaltige Weise fortgeführt werden kann.«9
Eine deutliche Ansage also. Doch liest man sie heute, dann kann man nicht umhin, festzustellen, dass wir Menschen im Dezember 2009 in Kopenhagen keinen Schritt weiter waren als im Mai 1992 in New York. Selbst weitere fünf Jahre später, bei der zwanzigsten Weltklimakonferenz im Dezember 2014 im peruanischen Lima, waren wir nicht weiter als 1992. Kurz gesagt: Wir haben sage und schreibe mehr als zwei Dekaden ins Land ziehen lassen, ohne der in der Klimarahmenkonvention formulierten Absicht, einen wirksamen Klimaschutz zu erreichen, auch nur ein Stückchen näher zu kommen. Erst auf der einundzwanzigsten Weltklimakonferenz im Dezember 2015 in Paris konnte sich die Weltgemeinschaft mit dem »Übereinkommen von Paris« (»Paris Agreement«) dazu durchringen, endlich das anzugehen, was sie bereits dreiundzwanzig Jahre zuvor in New York verabschiedet hatte. Dieses Pariser Übereinkommen ist das bisher deutlichste Bekenntnis dazu, gemeinsam an einem Strang zu ziehen und zu versuchen, auf das oben genannte Ziel hinzuarbeiten.
Doch was dieser Vertrag wirklich wert ist und ob er tatsächlich dazu geeignet ist, einen wirksamen Klimaschutz herbeizuführen, wird erst die Zukunft zeigen.
Dabei war es eigentlich einmal ganz anders gedacht. Um ihre Ziele voranzubringen und ihre Durchführung zu überprüfen, hatte die Klimarahmenkonvention in ihrem Artikel 7 nämlich genau jene regelmäßig stattfindende Konferenz der VertragsparteienConference of the Parties«, kurz: COP) eingesetzt, von denen Kopenhagen als COP 15 bereits die fünfzehnte ihrer Art war. Zunächst begann auch alles ganz vielversprechend. Die erste Weltklimakonferenz (COP 1) fand im März 1995 in Berlin statt, nur ein Jahr nach Inkrafttreten der Konvention. Schon zwei Jahre später, 1997, bei der COP 3 im japanischen Kyoto, wurden erstmals völkerrechtlich verbindliche Zielwerte für den Ausstoß von Treibhausgasen festgelegt. Das Kyoto-Protokoll sah vor, die Treibhausgasemissionen in den Jahren 2008 bis 2012 im Schnitt um 5,2 Prozent gegenüber dem Niveau von 1990 zu senken. Die einzelnen Industrieländer verpflichteten sich darin, ein jeweils individuell festgelegtes Reduktionsziel zu erreichen. Für die Entwicklungs- und Schwellenländer wurden dagegen keine Ziele festgelegt.
Das Abkommen trat, nach einem langwierigen Ratifizierungsprozess, 2005 in Kraft. Bis 2011 hatten es 193 Staaten unterzeichnet. Allerdings zeigten sich bald die ersten Schwierigkeiten. Die USA, einer der größten Treibhausgasemittenten überhaupt, trat nie bei und die großen Schwellenländer China und Indien waren ohnehin außen vor. Für einige, wie Russland und Frankreich, lag das Reduktionsziel bei Null Prozent, anderen, wie Spanien oder Australien, wurde sogar eine Steigerung zugebilligt. Und Kanada, das nach den USA und Australien immerhin die höchsten Pro-Kopf-Emissionen unter den Industrienationen hat, stieg 2011 sogar komplett aus.
Es wurde schnell deutlich, dass Kyoto nicht mehr war als nur ein erster Schritt im langen Kampf gegen den Klimawandel. Im Grunde genommen war das auch von Anfang an klar. Seine wichtigste Intention war, zu zeigen, dass ein internationales Abkommen überhaupt möglich ist. Dass aber das Reduktionsziel von insgesamt 5,2 Prozent bei weitem nicht ausreichen würde, war allen Beteiligten wie auch der interessierten Öffentlichkeit sehr wohl bewusst.
Umso wichtiger war es, darauf hinzuarbeiten, dass nach dem Auslaufen des Kyoto-Protokolls im Jahr 2012 ein strengeres und effektiveres Nachfolgeabkommen verabschiedet würde. Zunächst wurde daher auf der im Jahr 2007 stattfindenden COP 13 auf Bali der »Fahrplan von Bali« (»Bali Roadmap«) beschlossen, der zum Ziel hatte, genau dies bis zur Weltklimakonferenz zwei Jahre später in Kopenhagen zu erreichen. Auch wurden darin die inhaltlichen Anforderungen eines solchen Vertrages festgelegt (»Bali Action Plan«). Dass es dann in der dänischen Hauptstadt nicht so weit kam, haben wir bereits erfahren.
Die UN-Diplomaten ließen sich von dem niederschmetternden Ergebnis der COP 15 in Kopenhagen dennoch nicht entmutigen. Zunächst einigte man sich 2012 auf der COP 18 in Doha/Katar nach beinahe schon gewohnt zähen Verhandlungen und einem umstrittenen Abstimmungsverfahren notgedrungen darauf, das auslaufende Kyoto-Protokoll mangels Alternative zunächst bis zum Jahr 2020 zu verlängern (»Kyoto II«). Russland, Kanada, Japan und Neuseeland waren fortan aber nicht mehr daran beteiligt, sondern nur noch die (damals) 27 EU-Staaten, einige weitere europäische Länder sowie Australien. Insgesamt waren diese Länder allerdings bestenfalls für elf bis dreizehn Prozent der weltweiten Kohlendioxid-Emissionen verantwortlich – Tendenz stark fallend. Das war ernüchternd. Aber wenigstens wurde in Doha auch ein grober Arbeitsplan beschlossen, der vorsah, bis 2015 eine neue Klimaschutzvereinbarung auszuhandeln, die langfristig alle Staaten, auch die großen Treibhausgasemittenten USA und China, mit einbezieht. Mit dem Übereinkommen von Paris ist dies dann auch tatsächlich gelungen – gleich mehr dazu.
Fazit nach über zwanzig Jahren UN-Klimaprozess bleibt aber zunächst, dass, wenn die Lage nicht so ernst wäre, man fast schon darüber schmunzeln könnte, mit welch immensem Aufwand – die jährlichen Klimakonferenzen mit Tausenden von Teilnehmern waren schließlich nur die Spitze des Eisbergs – die Weltgemeinschaft versucht hat, gemeinsam an einer Lösung zu arbeiten und wie erschreckend wenig dann doch dabei heraus kam. Das Ganze mutet fast an wie ein schwerfälliger Supertanker, bei dem der Motor ausgefallen ist und der nun versucht, mit Segeln vorwärts zu kommen, manövrierunfähig, und bange darauf hoffend, dass ein kräftiger Windstoß käme und den Kahn wenigstens ein paar Meter in die richtige Richtung treibe.
Doch was sind die Gründe für diese Schwerfälligkeit? Welche Lehren sind aus den – beinahe – gescheiterten Klimakonferenzen zu ziehen? Und was zeigt uns das für den Umgang des Menschen mit seinem Planeten insgesamt?

Wirtschaftliche Interessen vs. Nachhaltigkeit

Zunächst einmal ist festzustellen, dass die Art und Weise, wie die Vereinten Nationen versuchten, den Prozess voranzubringen, offenkundig nicht der ideale Weg war. Der Grundsatz, Beschlüsse nur gemeinsam, das heißt einstimmig, zu fassen, ist bei fast zweihundert teilnehmenden Parteien fast unmöglich. Der Gedanke, der dahinter steht, nämlich dass über niemanden Kopfes hinweg etwas beschossen werden soll, ist zwar lobenswert, doch wäre eine demokratische Entscheidungsfindung, bei der es um Mehrheiten geht, weitaus zielführender. Hinzu kommt, dass jedes Land gleichberechtigt nebeneinander stehen soll, also ein kleiner Inselstaat genauso viele Stimmen hat wie ein Milliardenvolk. Dass dabei auf einen Einwohner Tuvalus mehr als hunderttausend Chinesen kommen, wird dabei völlig außer Acht gelassen. Umgekehrt wäre es aber sicher auch nicht richtig, China hunderttausend und Tuvalu nur eine Stimme zu geben, alleine schon deswegen, weil Tuvalu bei einem starken Anstieg des Meeresspiegels in ein paar Jahrzehnten schlicht und ergreifend nicht mehr vorhanden wäre; bei China ist das dagegen eher unwahrscheinlich. Hier ist es also an den Vereinten Nationen, eine handhabbare und praktikable Lösung zu finden, um die Entscheidungsfindungsprozesse in solchen Mammutveranstaltungen zu vereinfachen und trotzdem gerecht zu gestalten.
Doch auch wenn es diese Prozesse gäbe, würden sie ein gravierendes Problem dennoch nicht beseitigen können, nämlich die vielen unterschiedlichen Interessen, die aufeinander prallen und einen Kompromiss so unglaublich schwer machen. Doch welche sind das? Vordergründig betrachtet müsste man doch annehmen, dass alle Staaten den Klimaschutz befürworten, oder etwa nicht?
Betrachten wir zunächst die Europäische Union mit ihren derzeit achtundzwanzig, nach dem »Brexit« bald siebenundzwanzig Mitgliedsstaaten. Nach außen spricht die Union zwar meist mit einer Stimme, aber hinter den Kulissen gibt es äußerst heterogene Ansichten, beispielsweise im Hinblick auf die künftige Rolle der Atomenergie: Deutschland lehnt sie bekanntlich strikt ab, während Frankreich entschieden auf sie setzt. Das heißt also, die kollektive Meinung der EU, welche aus dem Blickwinkel etwa eines Entwicklungslandes als ein einigermaßen homogenes Gebilde erscheinen muss, ist bereits ein hart errungener Kompromiss. Grundsätzlich besagt dieser, dass sich die EU für eine wirksame Klimapolitik einsetzt und sogar bereit ist, dort eine gewisse globale Vorreiterrolle einzunehmen. Sie versucht, anderen Staaten als gutes Beispiel zu dienen und hofft auf diese Weise, dass die anderen nachziehen. Doch auch die EU weiß, dass sie alleine nur wenig bewegen kann. Ohne die großen Klimaemittenten USA, China und Indien wird es nicht gehen. Darum hat sie ihre Reduktionsziele mit einem Beschluss aus dem Jahr 2007 an die Bedingung geknüpft, dass insbesondere diese Staaten und andere Industrienationen außerhalb Europas ebenfalls ihren Beitrag zum Klimaschutz leisten. Aus Angst, möglicherweise wirtschaftliche Nachteile zu erleiden, bot sie für das Jahr 2020 zunächst nur zwanzig Prozent als Reduktionsziel gegenüber dem Niveau von 1990 an; erst wenn die anderen genannten Staaten mitmachten, wollte sie das Ziel auf dreißig Prozent erhöhen. Dazu kam es jedoch aufgrund des gescheiterten Kopenhagener Gipfels zunächst nicht. Dabei hält der Weltklimarat – wir werden später noch auf ihn zu sprechen kommen – diese Zahlen für deutlich zu gering: Um das angestrebte Zwei-Grad-Ziel zu erreichen, sei in den Industriestaaten eine Reduktion von mindestens fünfundzwanzig bis vierzig Prozent im genannten Zeitraum erforderlich. Angesichts dessen erschien die EU zwar als ein Vorreiter, allerdings als einer mit wenig Elan. Erst im Oktober 2014, als das Pariser Übereinkommen bereits am Horizont erkennbar war, und sich auf Seiten der USA, Chinas und Indiens Bewegung zeigte, beschlossen die EU-Mitglieder, ihre Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2030 um mindestens vierzig Prozent gegenüber dem Jahr 1990 zu senken.10
Ein Blick über den großen Teich zeigte lange ein anderes, wesentlich trüberes Bild. Im Gegensatz zur EU waren die USA bis Paris der größte Blockierer einer wirksamen globalen Klimaschutzpolitik – was im Übrigen für große Teile der amerikanischen Öffentlichkeit und auch der politischen Entscheidungsträger bis heute gilt. Gerade der frisch gewählte US-Präsident Donald Trump, der in der Vergangenheit den Klimawandel bereits als »Erfindung der Chinesen« bezeichnet hat, lässt in dieser Hinsicht nichts Gutes erwarten. Andere Länder – Japan, die Schweiz, Norwegen, Kanada, Australien und Neuseeland – hatten sich den Amerikanern vor Paris weitgehend angeschlossen, am Ende sogar auch Russland. Diesen als »Umbrella-Group« bezeichneten Staaten ist gemein, dass sie alle eine starke Affinität zu fossilen Energieträgern haben, entweder durch entsprechende Rohstoffvorkommen oder aber durch eine auf ihnen basierende Wirtschaft. Sie befürchteten, dass sie es sind, die durch allzu ambitionierte Reduktionsziele in wirtschaftlicher Hinsicht am stärksten getroffen sein könnten und lehnten die Klimaschutzpolitik ab, um ihre wirtschaftliche Souveränität zu behaupten. Innerhalb der USA ist das Thema sehr umstritten. Hier stehen sich große Anti-Klima-Lobbygruppen und die von ihnen unterstützten Republikaner auf der einen sowie die Befürworter einer engagierten Klimapolitik auf der anderen Seite hart gegenüber. Diese innenpolitischen Machtkämpfe und die daraus resultierenden Rücksichtnahmen führten lange dazu, dass nach außen hin keiner die Zügel wirklich in die Hand nehmen wollte oder konnte, auch ein Präsident Obama nicht. Durchsetzen konnte er sich erst, als sich auch die großen Schwellenländer China und Indien bereit erklärten, das Pariser Übereinkommen zu unterzeichnen. Zum Glück, muss man sagen, denn unter seinem Nachfolger wäre dieser Vertrag wahrscheinlich niemals zustande gekommen.
Genauso vielschichtig wie innerhalb der EU und der Umbrella-Group waren und sind die Interessen auch unter den Entwicklungs- und Schwellenländern. Auch sie treten zwar häufig gemeinsam auf, bilden aber keineswegs eine homogene Einheit. Vielmehr weisen sie erhebliche Unterschiede auf, was einerseits im Stand der jeweiligen Entwicklung und andererseits im Reichtum an Bodenschätzen begründet ist. Grob kann man vier Untergruppen unterscheiden: Erstens, die so genannten Schwellenländer, wozu China, Indien und Brasilien zählen. Zweitens, die erdölexportierenden Staaten, die in der OPEC zusammengefasst sind. Drittens, die kleinen Inselstaaten, die beim Anstieg des Meeresspiegels um ihre Existenz fürchten müssen (»Alliance of Small Island States« – AOSIS). Und schließlich, viertens, die am wenigsten entwickelten und ärmsten Länder der Welt (»Least Developed Countries« – LDC’s).
Die erste Untergruppe, die Schwellenländer, zeichnen sich durch einen langjährigen wirtschaftlichen Aufschwung mit hohen Wachstumsraten aus. Doch dieses hohe und lang anhaltende Wachstum führte mithin zu einem starken Anstieg der Treibhausgasemissionen in diesen Ländern, wobei zu erwarten ist, dass der Anstieg weiter zunimmt. China liegt heute bereits an der Spitze der weltgrößten Klimasünder, noch vor den USA. Auch Indien folgt bereits auf Rang vier hinter Russland. Deswegen erschien es aus Sicht der EU und auch aus Sicht der Umbrella-Gruppe unter Führung der USA logisch, eine Einbindung dieser Staaten in die Klimaschutzziele zu fordern. Das jedoch sahen die Schwellenländer selbst vollkommen anders. Sie lehnten einschneidende Reduktionsziele, die Auswirkungen auf ihre wirtschaftliche Prosperität hätten, lange entschieden ab, da sie ihrer Meinung nach zunächst Anspruch auf eine aufholende wirtschaftliche Entwicklung hätten. Sie hatten also die Sorge, dass ihr weiterer wirtschaftlicher Aufschwung gefährdet werden könnte und verwiesen darauf, dass ja die Industrienationen ebenfalls zunächst ihre eigene wirtschaftliche Entwicklung jahrzehntelang ohne Rücksicht auf Verluste vorangetrieben hätten, bevor ihnen irgendwann eingefallen sei, dass sie damit das Klima schädigten. Für den Fall eines Entgegenkommens forderten die Schwellenländer deswegen einen Technologietransfer und finanzielle Unterstützung durch die Industriestaaten. Genau das wurde ihnen dann in Paris zugesichert.
Einer der stärksten Widerstände gegen die Minderung von Treibhausgasen kommt dagegen aus der zweiten Untergruppe, den OPEC-Staaten. Diese haben ein sehr starkes Interesse an der weiteren Ölförderung, da ihr gesamter Reichtum auf dieser Ressource beruht. Dementsprechend sorglos gehen sie mit fossilen Brennstoffen um, weswegen ihre Treibhausgasemissionen auch relativ hoch sind. Um also ihre Exportmacht und den damit einhergehenden Wohlstand nicht zu gefährden, lehnen sie eine globale Klimaschutzpolitik entschieden ab.
Die beiden letzten Untergruppen, nämlich ...

Inhaltsverzeichnis

  1. Das Buch
  2. Der Autor
  3. Widmung
  4. Inhaltsverzeichnis
  5. Prolog: Kopenhagen, 18. Dezember 2009
  6. 1. Gaia
  7. 2. Luft und Klimawandel
  8. 3. Wald
  9. 4. Boden
  10. 5. Wasser
  11. 6. Der blaue Punkt
  12. Epilog: Rapa Nui, 5. April 1722
  13. Anhang
  14. Weitere Informationen
  15. Impressum