TEIL I
STECKBRIEF DES TEUFLISCHEN
oder
WAS DEN TEUFEL ZUM TEUFEL MACHT
Wer da hinkt
Nach Schwefel stinkt
Wer mit dem Schweife wedelt
Ist das nicht unser Oggewedel?
KOMPASS
Woran erkennt man den Teufel? Eine fast überflüssige Frage. Und doch, kennen und erkennen wir den Teufel, oder ist das, was wir sehen, das Bild eines Zerrspiegels? Noch so eine überflüssige Frage. Aber was ist das rechte Bild vom Teufel? Diese Frage ist wegen der Vielzahl der Antworten, die bereits darauf gegeben wurden, schon etwas schwieriger zu beantworten. Man kommt nicht umhin, das Material zum Teufelsbild zu sichten, zu bewerten, und wo notwendig, auch auszugraben.
Im diesem Teil I werden Worte, Namen, Symbole, Ursprung, Verbreitung und Religion des Teufels untersucht. Das heißt, wir studieren das, was den Teufel hervorgebracht, und im Wechselspiel, was der Teufel, im mythologischen Sinne, hervorgebracht hat. Was da ist: Die Verzeichnung des Teufelsbildes, sein Herkommen aus uralter Zeit, die geographische Verbreitung des Teufels, die Zeichen, woran das Teuflische zu erkennen ist, seine vielfältigen mythologischen Rollen, Spielarten und Ausprägungen. Kurz gesagt, ein Streifzug durch die Welt des Teuflischen, besonders im 6. Kapitel.
1. KAPITEL
DEM TEUFEL AUF DER SPUR
oder
DAS ARCHETYPISCHE DES BÖSEN
Den Teufel halte, wer ihn hält!
Er wird ihn nicht so bald zum zweiten Male fangen
(Aus Goethes Faust, 6. Kapitel)
Der Teufel lebt - noch immer! 5 · Das archetypische des Bösen 6 · Gottesglaube – Teufelsglaube 8 · Anmerkungen 11
Der Teufel lebt – noch immer!
Soll der Titel dieses Buches – Der entlarvte Teufel – eine Provokation sein? Vielleicht, aber es ist mehr als das. Es ist die Frage, was hinter dem Teufel, was hinter seiner Larve steckt. Das ist, wie bei jedem Dunkelmann, eine berechtigte Frage. Allerdings eine Frage, die weitere Fragen nach sich zieht. Gibt es da etwas zu entlarven, wer und was verbirgt sich hinter der Larve, wie ist es gekommen, dass der Teufel eine Larve trägt, wer hat sie ihm aufgesetzt, er sich selbst oder andere?
Wer diese Fragen beantworten, wer den Teufel entlarven will, der muss zuerst einmal seine Spur aufnehmen. Ein leichtes Unterfangen. Aber Vorsicht! Ist es nicht so, dass normalerweise der Teufel jemanden auf der Spur ist, vielleicht sogar einem selbst? Führt das Nachspüren nach ihm nicht geradewegs in die Höhle – in die Hölle – des Teufels? Das tut es gewiss! Was tun, wenn man dort angekommen ist und den Teufel auch antrifft? Nun, ich weiß nicht, wie es der Leser hält, ich halte es wie in dem Märchen von jenem unbeschwerten, jungen Mann, der auszog, des Teufels goldene Haare zu stehlen. Da der Teufel seine goldenen Haare nun aber nicht mehr hat, stehle ich ihm etwas anderes – seine Larve!
Also, dem Teufel auf der Spur – zwangsläufig! Mythen und Religionen lassen es unabweislich sein, dem Teufel zu begegnen. Der Teufel lauert überall, und überall hat er seine Spuren hinterlassen, in der Kunst, in der Literatur, in der Theologie, in geheimnisvollen Höhlen, in Träumen, in der Phantasie, in Zeichen und selbst in seinen Namen. Man ist überrascht und verwundert, wo man ihm überall begegnet und in welchen Gestalten er auftritt. Nicht nur, weil man ihn da oder dort nicht vermutet, mehr noch verwundert, wie bei gewissen Begegnungen das Bild des Teufels geradezu auf den Kopf gestellt wird – oder auf die Füße, wie man es sehen will.
Die Moderne, das bedeutet: „Gott ist tot!“. Ist also auch der Teufel tot, interessant nur noch für Leute, die sich mit dem Abgelebten beschäftigen, für Historiker und Nachforscher in merkwürdigen Dingen? Der Teufel ist keineswegs nur ein historisches Objekt, er lebt – noch immer! Ob reell, im Glauben oder in der Phantasie, das sei dahin gestellt. Man sollte daher nicht zu sehr verwundert sein, dem Teufel auch heute noch zu begegnen, in einer christlichen Umwelt ist das geradezu zwanghaft. Denn die Kirche hat den Teufel gehegt und gepflegt, sie hat ihn gesät und geerntet – sie hat sich den Teufel dienstbar gemacht. Und der Teufel hat die geforderte Arbeit geleistet. Oder darf ich sagen, sie wurde unter seiner Maske geleistet.
Und nun? Der Teufel kann lästig werden. „Die Geister, die ich rief...“. Moderne Theologen möchten den Teufel zu gerne aus dem Dienste entlassen – der Schwarze Mann, der Mohr, hat seine Schuldigkeit getan, er ist nicht mehr erwünscht. Aber so einfach geht das nicht, man (der Heilige Geist) müsste dazu die Bibel umschreiben. Also bleibt der Teufel wo und was er ist, zwar wird er an der kurzen Leine gehalten, aber wehe, wenn er losgelassen.
Das Archetypische des Bösen
Alle Teufelsarbeit der christlichen und anderer Kirchen und Religionen hätte nicht die bekannten Folgen zeitigen können, würde in uns Menschen nicht eine archetypische Vorstellung vom Bösen stecken, welche die Teufelsvorstellungen erst hervorruft und dann Angst und Hysterie erzeugt. Mit den bekannten Folgen wie Exorzismus, Hexenwahn, Hexenverfolgung, Ketzerverfolgung und dergleichen mehr. Je größer die Angst, umso schrecklicher der Teufel, umso größer die Angst, umso schrecklicher … Diese Teufelei ist, mit modernen Begriffen ausgedrückt, ein Rückkopplungs- und Katastropheneffekt – ein Teufelskreis!
Das Archetypische des Bösen kommt aus der Tiefe der menschlichen Seele, sie kommt aus einer Urfurcht. Das Fratzenhafte, Abscheuliche, Unmenschliche der menschlichen Phantasie hat hier ihren Ursprung. Diese Bilder werden auf den Teufel, den Satan oder wie die Schreckensgestalten auch heißen mögen, übertragen. Der Teufel, wie er uns in der Literatur und in der bildenden Kunst begegnet, ist nichts anderes, als die Projektion aus dem Unbewussten in das bilderschaffende Bewusstsein der Menschen – aus tiefster Seele kommt der rattenhafte Schrei: SATAN!
Ein tiefreligiöser katholischer Pastor erzählte mir einmal seine Begegnungen mit dem Teufel. Er war damals Geistlicher in der Diözese München-Freising. Plötzlich stand der Teufel vor ihm, gehörnt, klumpfüßig, mit roten, feurigen Augen. Aug' in Aug' widerstand er dem bösen Feind, bis dass er wich. Ein anderes Teufelstier, dem er begegnet war, war ein unendlich traurig schauendes Tier, einem mittelgroßen Hund vergleichbar, das sich unter seinem Stuhl niedergelassen hatte. Begegnungen dieser Art sind kein Einzelfall. Ein gewisser Berna alias Naber will in einer rückgewandten Vision die gesamte Kreuzigung Jesu geschaut haben, und wie ein Tier sich am Kreuze versteckte, um Jesus zu töten. Jesus aber habe das Tier und seinen Propheten in ewige Verdammnis gestürzt.
Meine Begegnungen mit dem Teufel sind nicht so dramatisch, sie sind literarischer Art. Es geschah, als ich dem Schmiede-Mythos nachforschte, der sich als Teufelsgeschichte entpuppte. Ein faszinierendes Thema, von dem ich mehr erfahren wollte. Oder mit Goethes Faust zu sprechen, was in des Pudels Kern steckt. Den Immerbösen, das satanische Höllentier, habe ich bei meinen Nachforschungen nicht entdecken können. Entdeckt habe ich etwas anderes. Der Teufel ist hinter einer Maske verborgen. Eine Maske, die ihm auferlegt wurde und noch immer auferlegt ist. Hinter der Maske steckt etwas ganz anderes, etwas unerwartetes, etwas, das Teufelsaustreiber und Teufelsanbeter gleichermaßen entsetzen, das sie um ihren Glauben bringen würde – würden sie es wahrnehmen. Der Glaube, auch der Glaube an den Teufel, hat eine große Beharrungskraft – der Desillusionsschmerz des Glaubensverlustes wäre zu groß. Der harte Kern der Religiösen glaubt des Glaubens wegen. Wer einmal die schaurige "Wir glauben"-Litanei der Katholiken gehört hat, weiß was ich meine; und Satanisten verzichten auch nicht so einfach auf ihren negativen Gott.
Glaubenszweifel? Schon immer sind Heilige, die Helden des christlichen Glaubens, von furchtbarsten Zweifeln befallen worden, nämlich das Unglaubliche zu glauben, gegen Vernunft und Verstand. Wem es gelang oder wem es gelingt, solche Zweifel zu überwinden, der wird gegen jeden weiteren Glaubenszweifel immun. Ein so im Glauben Gestählter widersteht nicht nur dem Teufel, der widersteht auch dem entlarvten Teufel.
Einem mir persönlich bekannten Pastor hatte ich, boshaft wie ich bin, den Hahn von Karlheinz Deschner zu lesen gegeben, er meinte nach der Lektüre nur: „Der ist aber radikal“. Der Mann war glaubensfest.
Diejenigen, die nicht so widerstandsfähig sind, werden einige Schrecken erwarten. Sie sind neugierig? Kennen Sie diese Geschichte? In einem einsamen, verfallenden italienischen Bergdorf hält ein katholischer Priester jeden Morgen die Frühmesse für seine immer spärlicher werdende Gemeinde und teilt die Kommunion aus. Eines Morgens bleiben sogar die alten Weiblein aus. Mürrisch vollzieht der Priester die religiösen Verrichtungen. Da kommt ein Fluch über seine Lippen: „Soll der Teufel das Dorf holen!“. Er öffnet den Tabernakel, um den Monstranz mit dem lebendigen Gott dem nicht anwesenden Volk zu präsentieren. Und wie er öffnet, erblickt er den Teufel. Der Priester erbleicht. "Du hier?", stammelt er. "Wie immer!", entgegnet der Teufel. Blasphemie! Ich weiß. Aber ist die christliche Religion nicht die vollkommenste Blasphemie? Ob die angezogene Parabel vom Priester und dem Teufel nur einer meiner schelmischen Witze ist, oder ob mehr dahinter steckt, dazu wird der Leser zum Urteil gebeten.
Gottesglaube – Teufelsglaube
Der etwas abgewandelten Gretchenfrage: „Wie hältst Du es mit Gott?“ gehe ich nach Möglichkeit aus dem Wege. Warum ist diese Frage überhaupt so wichtig? Offensichtlich muss an irgendetwas geglaubt werden. Lehnt man ein Glaubenssystem ab, so wird verlangt, an ein anderes zu glauben, als ob der Glaube eine Beliebigkeit wäre (ja vielleicht doch!). Schön öfters wurde ich gedrängt, mich zu offenbaren, denn man macht sich Sorgen um mich und meine Seele, dass der Teufel beides holt. Was tun? Ich erzähle, wenn ich nicht mehr aus kann, eine wahre Geschichte. Als ich noch ein kleiner Junge war und gerade erst zur Schule ging, hatten wir in unserer katholischen Volksschule LehrerInnen, die ihre pädagogische Befähigung damit unter Beweis stellten, dass sie auf die ihnen anvertrauten Zwerge nach Herzenslust eindroschen. Einmal musste ich Nachsitzen, weil ich statt dem Unterricht zu folgen, vor mich hingeträumt hatte. Zur Strafe musste ich auf meine Schiefertafel selbst ausgedachte Sätze schreiben. Ich lernte gerade das Schreiben und war von der Erkenntnis begeistert, dass mit nur drei Wörtern ein Satz gebildet werden kann. Also schrieb ich „Gott ist gut“. Ohne Arg zeigte ich unserer sehr katholischen und noch sehr viel religiöseren Lehrerin meine Schiefertafel. Sie schaute kurz hin, holte mit ihrem Händchen aus und gab mir eine schallende Backpfeife. Ich starrte sie so verdutzt und verdattert an, dass sie sich hernieder ließ, mir eine Erklärung zu geben: „Der »liebe« Gott ist gut“. Sie hatte meine ketzerische Neigung sofort erkannt, den lieben Gott quasi mit Du anzureden. Seitdem weiß ich, dass Gott nicht nur gut, sondern auch lieb ist. Zugleich lernte ich die Güte und Liebe der Religiösen kennen. ...