
- 60 Seiten
- German
- ePUB (handyfreundlich)
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eBook - ePub
Über dieses Buch
Die gesammelten Erzählungen "Urwaldblüten" sind das Konzentrat aus einer grossen Anzahl an Notizen und Eindrücken, welche der Autor anlässlich verschiedener Reisen und Aufenthalte nach und in Guatemala festgehalten hat. Der Ablauf der geschilderten Begebenheiten ist nicht chronologisch. Deren Zeitrahmen umfasst die Spanne von 1977 bis 1997.
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Information
Arsch der Welt
Wenn man, von der Hauptstadt Guatemala City kommend, der Strasse entlang dem Flusslauf des Rio Motagua Richtung Golf von Honduras und Atlantikhafen Puerto Barrios folgt, zweigt wenige Kilometer vor der Stadt der Zubringer zum Rio Dulce, zum Lago Izabal und weiter Richtung Dschungelprovinz Peten ab. Damals, als ich ihn erstmals benutzte, bestand dieser Abzweiger aus nicht viel mehr als einer breiten Schotterpiste, welche, in langgezogenen, sanften Wellen ansteigend und wieder abfallend, pfeifengerade viele Kilometer weit durch niedrigen Buschwald führte, nur von Zeit zu Zeit links und rechts unterbrochen von mächtigen Viehweiden, welche durch Brandrodung dem Buschwald abgewonnen waren und auf welchen grosse Herden von buckligen Zeburindern weideten. Diese mächtigen Rinder sind jedoch für die unersättlichen Fleischtöpfe der USA, nicht etwa für diejenigen des eigenen Landes, bestimmt. Es ist dies eine der unzähligen ökonomischen Fehlleistungen der freien Marktwirtschaft, welche es u.a. mit sich bringt, dass ein Agrarland wie Guatemala einerseits zuwenig Anbaufläche für die angestammten einheimischen Grundnahrungsmittel – vor allem Mais – bereitstellen kann, so dass Mais teilweise importiert werden muss, anderseits aber immer grössere Landflächen für die Aufzucht von Vieh freigibt, welches zur Gänze für den Export in die fleischhungrigen USA bestimmt ist. Wie andernorts auch zeigt sich an diesem Beispiel: was betriebswirtschaftlich gesehen Sinn macht – der einzelne Viehzüchter verdient gutes Geld – ist volkswirtschaftlich betrachtet ein Unsinn, weil der Staat für viel Geld – Devisen sind mangels einigermassen ausgeglichener Handelsbilanz rar und teuer – wichtige Grundnahrungsmittel importieren muss. Doch das sollen Gescheitere als ich verstehen.
Nach etwa zwanzig Kilometer Fahrt durch Buschland erreicht die Strasse den Rio Dulce – den „süssen Fluss“ – welcher den Abfluss des Lago Izabal bildet und diesen mit dem etwa dreissig Kilometer entfernten Atlantik verbindet. Für zoologisch interessierte Leser von Interesse: der Lago Izabal sowie der See von Nicaragua sind die einzigen Gewässer auf der Welt, wo Süsswasserhaie vorkommen. Diese bis zu einem Meter langen Fische sind völlig ungefährlich, weisen jedoch die gleichen körperlichen Merkmale ihrer grossen Salzwasser-Verwandten auf. Die charakteristische Rückenflosse hat schon so manchem, mit den örtlichen Gegebenheiten unvertrauten Schwimmer ein mulmiges Gefühl im Magen beschert.
Nach diesem Abstecher in die Zoologie zurück zur eigentlichen Geschichte. Wo die Strasse auf den Fluss trifft, besorgte zu jener Zeit eine kleine Fähre den Transport von Personen, Waren und Fahrzeugen hinüber auf die Nordseite zur Fortsetzung der Strasse in den Peten oder von dort herkommend zu Südseite. Heute überspannt an jener Stelle eine elegante Brücke den Rio Dulce. Ganz in der Nähe, an der engsten Stelle des Flusses, steht die kleine, im 16. Jahrhundert erbaute Festung San Felipe, welche noch vollständig erhalten ist und besichtigt werden kann. Sie war dazu bestimmt, mit ihren Kanonen Seeräuber aus der Karibik am Eindringen in den Lago Izabal – er ist so gross wie der Bodensee - und weiter ins Landesinnere zu hindern. Rund um die Anlegestelle der Fähre haben sich einige kleine Herbergen und einfache Hotels angesiedelt, wo müde Reisende Unterschlupf und Verpflegung finden. Den Nahtransport zu den meist in der Art von Pfahlbauten im Wasser stehenden Herbergen besorgen Einbäume, welche auf kurze Distanz gepaddelt werden, für längere Transporte jedoch über starke Aussenbordmotoren verfügen. Einen dieser motorisierten Einbäume nun mietete ich, zusammen mit einem einheimischen Begleiter, für einen Tagesausflug zur Mündung des Rio Dulce, respektive zu der nahe der Mündung gelegenen Siedlung Livingston, welche die letzte Aussenstation der Zivilisation an der Küste des Golfs von Honduras zwischen Guatemala und der Grenze zu Belize bildet.
Vor uns lag eine etwa vierstündige, morgendliche Bootsfahrt im motorisierten Einbaum, der Besuch und die Besichtigung von Livingston sowie die Rückfahrt bei einbrechender Dunkelheit. „Kein Problem“ meinte der einheimische Bootsführer „vorausgesetzt, Sie bezahlen mir jetzt einen Vorschuss, damit ich morgen früh mit genügend Benzin starten kann“. Was wir, eher zögernd, denn auch taten. Am andern Morgen bei Tagesanbruch stand unser Gondoliere tatsächlich pünktlich zur abgemachten Zeit am Landesteg bereit. Wir machten es uns auf den schmalen, unbequemen Holzbänken so bequem als möglich, dann rauschte der Einbaum mit erstaunlichem Tempo, eine hohe Bugwelle aufwerfend, flussabwärts dem Atlantik zu. Diesen Trip im Eingeborenenboot kann ich jedem Reisenden nur empfehlen.
Der Rio Dulce ist ein Süsswasserfluss. Zur Hauptsache schlängelt er sich in sanften Windungen durchs flache Tiefland, nachdem er zuerst eine Felsenbarriere quert, welche ihn zu beiden Seiten mit schluchtartigen steilen Wänden begleitet. Immer wieder einmal weitet sich sein Lauf zu kleineren und grösseren Seen aus, wo Unmengen von Wasservögeln, von Reihern und Seeadlern die im Frühlicht silbrig glänzende Fläche beleben. Von Zeit zu Zeit, in grossen Abständen, ist am Ufer des etwa einen halben Kilometer breiten Flusses eine einfache Behausung zu sehen, deren Bewohner vom Fischfang leben und die man mit etwas Glück bei der mühseligen Beschaffung der Morgenmahlzeit antrifft, welche sie aus dem Kanu heraus mit einem zweizackigen Speer zappelnd aus dem Wasser holen. In Küstennähe geht das klare Wasser des Rio Dulce über flachem Grund fast unmerklich in die von kabbeligen Wellen getrübte Brühe der Grenzzone zwischen Fluss und Meer über, bis zur Linken dann endlich die Anlegestelle von Livingston sichtbar wird.
Erleichtert streckten wir nach der Landung die Beine, machten kurz noch den Zeitpunkt der Rückfahrt aus und nahmen dann die „Entdeckung“ der Ortschaft in Angriff, welche zur Hauptsache aus einer langgestreckten, sanft ansteigenden und gegen Norden zu wieder abfallenden Hauptstrasse besteht, zu deren Linken und Rechten sich primitive Hütten nach dem Zufallsprinzip ballen, ohne dass sich eine planende oder ordnende Hand erkennen lässt. Die Mehrzahl der Bewohner von Livingston sind sogenannte Caribes, dunkelhäutige Abkömmlinge von Negern und Indianern mit meist negroiden Gesichtszügen, welche sie klar unterscheiden von den braunhäutigen, gedrungenen Indios. Der grosse Zampano der Siedlung, welche wir im übrigen voll von verlausten, am Strand hausenden Hippies vorfanden, war zu jener Zeit jedoch ein eingewanderter Chinese, dessen Hotel, Restaurant und Barbetrieb – Joe’s Watering Hole - das Zentrum und den Schwerpunkt der Siedlung bildete, wo alle Besucher sich fast automatisch irgendwann einfanden. Hier bekam man eine einigermassen geniessbare Mahlzeit, trank man den Apero, tauschte man Nachrichten und Auskünfte, und hier fand man auch diskreten Unterschlupf, wenn einem aus diesem oder jenem Grund der Sinn danach stand.
An Joe’s Bar nun stiess ich auf meinen Namensvetter Heinz R. - sein Geschlechtsname bleibt besser ungenannt - der nach einer langen Odyssee, welche ihn aus Nachkriegsdeutschland auf verschlungenen Pfaden nach Livingston geführt hatte, sich darauf einrichtete, hier den Rest seines Lebens zu verbringen. Er fiel mir hinter der Bartheke als erstes auf wegen seiner strohblond gefärbten Haare, welche so gar nicht zu seinem eher südländisch-rundlichen Gesicht passen wollten. Zudem gab er sich keinerlei Mühe, sein tuntenhaftes Benehmen zu verbergen, welches ihn als Angehörigen der Schwulenzunft kenntlich machte. Nachdem er mich als Europäer ausgemacht hatte, kam es zwischen uns fast zwangsläufig zu einem Gespräch, welches noch lebhafter wurde, als sich herausstellte, dass ich Deutsch sprach. Im Laufe unserer Unterhaltung vetraute mir Heinz R. Dinge an, die er während Jahren geheimgehalten hatte und die loszuwerden er anscheinend als Erleichterung empfand.
Seinen eigenen Worten zufolge hatte Heinz R. während des Krieges als Oberscharführer in einer SS-Einheit gedient, deren Zugehörigkeit er mir glaubhaft mit einer verblichenen Tätowierung belegte, welche auf der Innenseite des Oberarms angebracht war und einen etwa zentimergrossen Totenkopf darstellte. Seine Einheit hatte als Wachpersonal in einem KZ gedient, wobei er sich über seine persönliche Funktion ausschwieg. Bei Kriegsende waren alle Angehörigen der Einheit automatisch auf die alliierte Kriegsverbrecherliste gesetzt worden, was für ihn bestenfalls einige Jahre Gefängnis bedeutet hätte. Bekanntlich existierte jedoch für Nazis ein gutfunktionierendes Auffangnetz, welches gesuchten Tätern neue Identitäten verschaffte und Fluchtwege vermittelte. So auch Heinz R. Irgendwie gelang es ihm, nach Guatemala zu kommen. Das Land weist eine grosse und einflussreiche deutsche Minderheit auf, bei welcher Heinz R. Unterschlupf fand. Doch irgendwie musste seine Anwesenheit bekanntgeworden sein, worauf er es vorzog, „am Arsch der Welt“, wie er Livingston zu bezeichnen beliebte, unterzutauchen. „Ich gäbe viel darum, wieder einmal nach Deutschland zurückkehren zu können“ meinte er sehnsüchtig. „Doch diese Hoffnung kann ich wohl begraben“. Damit wandte er sich wieder seinen Pflichten hinter dem Tresen zu. Für uns hatte er nur ein müdes Winken übrig, als wir uns verabschiedeten.
Der Heimweg bei schon tiefem Sonnenstand begann, wie die morgendliche Hinfahrt geendet hatte. Mit voll aufgedrehtem Motor und schäumender Bugwelle rauschte unser Einbaum flussaufwärts. Dann, mittendrin, mit links und rechts nichts als Dschungel, begann der Motor zu stottern. Zwei-, dreimal sprang er wieder kurz an, versagte jedoch immer wieder nach kurzer Zeit. Unser Fährmann zog die Achseln hoch, verwarf frustriert die Hände, brummelte etwas von „zuwenig Benzin“ und von „an Land paddeln“, worauf mein Begleiter, der sich in punkto Motoren, aber auch in der Mentalität der einheimischen Fährleute auskannte, die Sache an die Hand nahm. Wie mir schien eher widerwillig überliess unser Charon seinen Sitz meinem Begleiter. Fast sofort hatte dieser den Fehler – wenn es denn ein Fehler war – entdeckt. Nicht Benzinmangel w...
Inhaltsverzeichnis
- Bananen, Mayas und Vulkane
- Pech und Pannen
- Begegnung im Bus
- La Rubia
- De profundis, domine
- Arsch der Welt
- Terremoto
- Guerilleros
- Ai, mi hijos
- El matador
- Vecinos (Nachbarn)
- El barranco
- La mordida
- El Brujo
- Kunst und was dafür gilt
- Kulinarische Genüsse
- Zum Pazifik
- Impressum