Blaue Wundertüte Griechenland
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Blaue Wundertüte Griechenland

Eine Liebe fürs Leben

  1. 224 Seiten
  2. German
  3. ePUB (handyfreundlich)
  4. Über iOS und Android verfügbar
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Blaue Wundertüte Griechenland

Eine Liebe fürs Leben

Über dieses Buch

Überraschendes Griechenland, Land voller Wunder!Griechenland entzückt, irritiert, verwundert, erschreckt, begeistert, ärgert und fasziniert.Liebe macht nicht blind, sondern sehend. Die griechische Lebensart und die Besonderheiten Griechenlands werden vorgestellt - subjektiv erlebt, aber dennoch sicher typisch.

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Drama, Fiasko, Katastrophe

Ti na kanoume!

Griechen verwenden eine andere Mimik und Gestik, eine andere Körpersprache, als wir gewohnt sind. Uns macht es Freude, das zu beobachten. "Ich bin gespannt, was du entdeckst, wenn du dich heute in Athen umsiehst", bereite ich meine Freundin Isabelle vor, die noch nie in Griechenland war. Als Französin in Deutschland sind ihr Probleme interkultureller Kommunikation, Unterschiede in den Codes, vertraut.
Abends führt sie zu unserem Vergnügen vor, was sie gesehen hat. Besonders häufig hat sie folgendes beobachtet: Die Schultern werden leicht angehoben, beide gleich hoch, etwa fünf bis zehn Zentimeter, die Arme angewinkelt, die Hände nach außen gedreht. Wenn sie nach oben zeigen, werden sie einen Moment festgehalten. Zack, dann sinkt alles schlagartig nach unten. In Deutschland wie in Frankreich würden wir vermuten, dass jemand ziemlich theatralisch sein "Was weiß denn ich!" unterstreichen will. Aber wir verwenden nur die erste Phase, das Achselzucken.
In Griechenland heißt das "Ti na kanoume!"
Für alles im Leben, was schief geht, wo etwas nicht geklappt hat, wo Hoffnungen sich zerschlagen, ist "Ti na kanoume" - "Was soll man auch machen" - das passende Wort zur Situation. Es ist ein durchgehendes Element, entspricht der Alltagsmentalität, wird aber auch als Haltung von Politikern und Medien geteilt, bestärkt und verbreitet. Man sieht sich als Opfer, immer.
Zu wenig Geld, zu viel Arbeit oder arbeitslos, Geschäft pleite, schlechtes Wetter, krankes Kind, Vater gestorben, ein Unfall, Hose zu eng geworden, Auto kaputt, Handwerker nicht gekommen, Bus verpasst? Immer "Ti na kanoume!" Richtig, was unvermeidlich ist, kann man nur hinnehmen. Das sehen die gelassenen Kölner auch so: Vergangenem soll man nicht hinterher trauern: "Watt fott is, is fott!" Diese Haltung entspannt im Alltag.
Man kann ja meist wirklich nichts machen, hat keine Gewalt über das Wetter oder den Tod. Der Mensch muss seine Grenzen erkennen und akzeptieren, dass er nichts ausrichten kann gegen höhere Mächte. Das wussten schon die Menschen in der Antike. Wer meinte, seine Grenzen ungestraft überschreiten zu können, machte sich der Hybris schuldig. Das straften die Götter selbst. Die ließen sich nicht von Menschen in ihre Kompetenzen hineinpfuschen.
"Ti na kanoume!" erklingt allerdings auch bei Dingen, die durchaus dem Einfluss von Menschen, oder sogar dem höchst eigenen unterliegen. Warum war die Bewerbung denn erfolglos? Kein eigener Anteil, kein Fehler, keine Unterlassung, nichts selbst verschlampt? War vielleicht das staatliche Gesundheitssystem Teil des Problems statt Teil der Lösung von Opas gesundheitlichem Problem? Wer hat denn immer wieder die Politiker gewählt, deren unfähiges Agieren man nun mit "Ti na kanoume!" resigniert zur Kenntnis nimmt?
Vor allem "die Krise" scheint ohne eigene Beteiligung und völlig ohne vorherige Warnzeichen, sozusagen aus heiterem griechischen Himmel, wie ein Blitz des Zeus, auf sie herab gefahren zu sein. Man selbst hat damit nichts zu tun. Es geht einen zwar was an, man spürt den Schaden am eigenen Leib, aber man kann halt selbst nichts tun. Das Gefühl von Selbstwirksamkeit ist hierzulande nicht sehr verbreitet. Andere haben den Schlamassel angerichtet, andere sollen es wieder richten. Andere Steuerhinterzieher sollen endlich belangt werden, man selbst natürlich nicht. Es soll sich alles, alles ändern, aber nicht für mich! Die Krise hat nichts mit dem Eigenen zu tun, das kommt alles von außen und kann folglich nur von außen gelöst werden: "Ti na kanoume!"
Resignation, Lethargie, Entschuldigung von Inaktivität, passives Hinnehmen von allem und jedem, als ob ein gottgewolltes schweres Schicksal über einen hereingebrochen wäre, das ist für mich politisch schwer zu ertragen. Das bremst Veränderungen, verhindert Nachdenken über Ursachen und Zusammenhänge, blockiert die Suche nach Alternativen, überhaupt politisches Handeln. Mit solcher Einstellung sind echte Reformen, Veränderungen des nicht funktionierenden politischen, sozialen, vor allem wirtschaftlichen Systems kaum durchsetzbar.
Es gibt Momente, in denen sich die Hoffnungslosigkeit in Mut verwandelt. Das Bedürfnis nach Erlösung von allem Übel ist dann so stark, dass man sich an völlig durchsichtige, unrealistische, absurde Wahlversprechen klammert. Oder Hoffnung auf Partner setzt, möglichst weit weg, die mit eigenen Problemen kämpfen und keinerlei Interesse haben, die Probleme Griechenlands zu lösen. Oder man setzt auf sagenhafte Ressourcen auf oder unter der Erde, auch auf oder unter dem Meer, die auf einen Schlag aller Not ein Ende setzen. Wenn die irreale Hoffnung in sich zusammenfällt: "Ti na kanoume!"
Gelegentlich schlägt die Resignation um in Wut, bricht sich Bahn in ziellosen Demonstrationen und absolut politisch wirkungslosen, aber extrem selbstschädigenden Streiks. Nicht selten wird blindwütig zerstört, was man im Grunde selbst nutzen möchte. Man verschafft sich kurzzeitig Luft, mehr nicht. Daher muss das erfolglose Mittel immer wieder und in immer kürzeren Abständen wiederholt werden. Generalstreik folgt auf Generalstreik. Wenigstens hat man mal was gemacht. Wieder hat sich, wie nicht anders zu erwarten, nichts geändert. Dann zuckt man wieder mit den Schultern und kommentiert seine Aussichtslosigkeit mit "Ti na kanoume!"

Liebe für das ganze Leben?

Für ein Fest suchen wir noch fünf Hotelzimmer für unsern Besuch. Schauen wir uns doch mal die Zimmer im Hotel direkt um die Ecke an! Das sieht von außen sehr ordentlich aus, es hat vielleicht 12 Zimmer. Es wäre praktisch, die Gäste in der Nähe zu wissen.
An der Rezeption glauben wir nicht recht verstanden zu haben: "Nein, Sie können hier keine Zimmer bekommen. Ich empfehle Ihnen unser anderes Hotel, unten im Ort". "Alles ausgebucht zu der Zeit?" "Nein, das hier ist nichts für Sie!" Verwundert ziehen wir ab. Das haben wir noch nicht erlebt! Ein Hotel, das Gäste abweist, ohne nachvollziehbaren Grund?
Evangelia lacht, als ich ihr das berichte. "Sag mal, bist du wirklich so naiv? Das ist sicher eins der vielen gehobenen Stundenhotels. Das läuft hier so. Meinst du, in den teuren Hotels am Strand in Glyfada tummeln sich nur Touristen?"
Ich stutze. Einmal darauf aufmerksam gemacht, fällt mir ein, dass ich tatsächlich beim Hotel, an dem ich täglich vorbei laufe, noch nie jemanden gesehen habe mit Koffern, mit irgendwelchem Gepäck. Immer Griechen, nie Fremde. Meist habe ich mittel-alte und ältere Paare reingehen sehen, nur mit einer Handtasche. Alle, ausnahmslos, waren immer recht elegant gekleidet. Oft fuhren sie getrennt in zwei chicen Autos vor, begrüßten sich herzlich und verschwanden nach drinnen. Das sah in meinen Augen alles sehr gediegen aus. Ich habe das durchaus registriert, aber halt nicht 1 und 1 zusammengezählt.
Evangelia schüttelt den Kopf. "Das gibt es in Deutschland doch auch, es ist vielleicht nur nicht so verbreitet. Hier ist das gang und gäbe!" Ich bin wirklich so arglos zu glauben, außereheliche Beziehungen spielten sich zu Hause ab. Irgendwann ist doch mal sturmfreie Bude? Liebe findet immer Gelegenheiten!
"Hier läuft es anders als bei euch". Evangelia konnte es selbst nicht glauben, als sie nach vielen Jahren in Deutschland zurück nach Athen kam und hier als Psychotherapeutin arbeitete. Das Ausmaß der "griechischen Lösung" von Ehemüdigkeit und Frust hat sie selbst überrascht. "Man lässt sich nicht scheiden. Die Scheidungsrate liegt weit unter der in anderen europäischen Ländern. "Geschiedene haben es", sagt sie, "nach wie vor schwer. Sie werden, immer noch, weitgehend gesellschaftlich geschnitten. Wiederverheiratung kommt vor, aber sehr selten. Die Familie wird weiter hoch geachtet, die Ehe nach außen hin aufrecht erhalten, aber jeder sucht sich anderweitig Erfüllung und Abwechslung. Das geschieht in absoluter Offenheit untereinander. Motto: Lässt du mir meine Freiheit, lasse ich dir deine. Nach außen hin bleibt die Fassade erhalten".
Evangelia meint, die fortschreitende Emanzipation der Frauen spiegele sich darin, dass jetzt auch Frauen die Initiative überlassen werde. Traditionell waren es früher die Männer, denen außereheliche Abenteuer zugestanden wurden. Logischerweise müssten die Frauen da schon immer mitgespielt haben, denn ohne ebenfalls verheiratete Frauen hätte das auch früher nie funktioniert.
"Na gut, in der Anonymität einer Großstadt mag das so sein. Aber was ist in den kleinen Städten und auf dem Lande, auf den Inseln?", frage ich. "Das weiß ich auch nicht. Ich kenne mich nur in Athen aus. Aber gute Frage! Da setze ich mal meine Kollegen auf die Spur. Das würde ich selbst gern wissen".
Die Ehe ist hier nicht nur offiziell, sondern auch faktisch ein lebenslanges Versprechen. Sicher ist die Zahl unglücklicher Ehen hierzulande nicht geringer als woanders. Es wird eben so getan, als ob alles in Ordnung sei. Das System ist mir schon klar. Ich bin tatsächlich ziemlich naiv: "Und was ist mit denjenigen, die nicht den Mut oder die Kraft aufbringen für so ein Doppelleben?" Evangelia amüsiert sich: "Die kommen zu mir in die Praxis! Ich lebe davon. Die Unglücklichen sind meine Existenzgrundlage! Von den Glücklichen leben diese Hotels!"

Winzige Insel

Gleich nach dem Frühstück nimmt uns Jannis mit nach Panaghía, der Chora.
Ob wir noch ein Stück weiter rauf wollen und dann runter zur Bucht von Tourkovrisi? Ja, nur zu! Wir halten für Fotos von der tief eingeschnittenen, langen, türkisblauen Bucht, die Terrassenfelder, Esel, Mulis, Ziegen, Schafe, abgeernteten Felder. Die Straße ist ganz neu, von EU-Geldern gebaut, ohne dass ein erkennbarer Nutzen oder ein Entwicklungseffekt zu bemerken wäre. Das Ende der Welt, vorbildlich asphaltiert! Die Bucht ist hübsch, aber kein Touristenanziehungspunkt oder bedeutsam für die Wirtschaft der Insel. Der Strand besteht aus dicken Kieseln. Hier würden wir nicht baden wollen. Manchmal ankert hier ein kleines Boot.
Es duftet nach würzigen Kräutern.
Am Ortseingang zeigt uns Jannis perfekt renovierte Häuser, von Menschen mit Geschmack dekoriert, mit überästhetisch-kykladischen Elementen, Typ "Schöner Wohnen". Italiener haben hier einiges aufgekauft. Ferienhäuser für einen Monat im Jahr, eine fragwürdige Entwicklung für ein Dorf, aber wenigstens bleiben die Häuser erhalten. Hier in Panaghía stehen Ruinen neben bewohnten Häusern. Die Dorfkirche mit der Kapelle im Nacken ist frisch geweißelt, der Hof rundum für Feste ausgelegt, mit Platz für die gesamte Inselbevölkerung. Im Winter leben nur etwa 80 Menschen auf der Insel. Immerhin gibt es eine Grundschule mit 10 Kindern.
Eine uralte Frau mit dickem Knüppel als Gehhilfe kommt uns entgegen und bleibt auf ein Schwätzchen stehen. "Ja, die Deutschen, das sind gute Leute, so was Höfliches!" Wir wissen, dass auch diese Insel erst von den Italienern, anschließend von den Deutschen besetzt war. Was für eine Selbstüberschätzung, so viele Inseln beherrschen zu wollen! Wie hätte das funktionieren können? Schreckensherrschaft?
Ein Alter kommt uns entgegen mit einem riesigen Beutel Gestrüpp in einem Tuch über der Schulter.
Den Rest der Einwohner treffen wir im Kafenion, das hier auch gleichzeitig Bäckerei und Kramladen ist, auf jeden Fall der wichtige Kommunikationsmittelpunkt des Dorfes. Jannis hat hier zu tun, "Arbeit", wie er uns vorher gesteckt hat.
Zwei Albaner sitzen dort. Gegenüber nimmt Jannis Platz. Nach einigem Smalltalk über Wetter und Befinden wird es heftig, als der Ladenbesitzer dazu kommt. Jannis hat etwas mit ihm zu besprechen. Es geht um die Zukunft des Dorfes, um Tourismus und Einnahmequellen, Preise und Ausgaben. Vor allem geht es darum, wie viel Geld die ausländischen Hilfskräfte bekommen müssen und wie man ihre Arbeitszeit fair regelt. Welches Problem dann im Detail besprochen wird und wer welche Position vertritt, verstehen wir nicht, wir sitzen zu weit ab. Laut genug war es ja! Der Ladenbesitzer ist ein Schlitzohr, soviel ist klar. Mimik, Gestik, weit ausholende Handbewegungen, der allerschlimmste Vorwurf, Jannis sei ja gar nicht von hier, von der Insel, sondern vom Festland, das alles macht seine Verachtung deutlich. Jannis ruft die Albaner als Zeugen und Unterstützer an, die aber nur zögerlich eingreifen und sich hüten, ihre eigene Meinung kund zu tun. Gerade haben sie zaghaft begonnen, werden sie vom Ladenbesitzer zum Schweigen gebracht. Alle quasseln jetzt durcheinander, heftig, lautstark, so wie wir es aus dem Fernsehen kennen, wo immer mehrere Fenster gleichzeitig aufploppen. Gerade heute Morgen haben wir es wieder im TV erlebt, als wir eigentlich etwas erfahren wollen über den Brand im Flüchtlingsheim auf Lesbos. Keiner geht auf den anderen ein. Keiner hört auch nur eine Sekunde lang zu.
Die Frau aus dem Laden tritt in den Innenhof. Alles schweigt. Sie bringt uns Kaffee und ein Stück Kuchen. Die Frau besänftigt die Diskussion. Auf ihr Wort wird einen Moment lang gehört. Sie setzt sich zwischen die Männer, es wird ruhiger.
Jannis ist es höchst peinlich, dass wir Zeugen dieser Szene sind. Macht nichts, das ist Griechenland, das ist hier so. Kennen wir. Ach ja, lange Jahre Griechenland-Erfahrung. Eigentlich wollten wir Jannis zum Kaffee einladen. Keine Chance. Er hat umgekehrt bereits unsere Rechnung bezahlt, schon geschehen.
Wir laufen zu Fuß zurück, genießen den Blick von einer Kapelle zur anderen, zum Meer. Überall säumen lockere Steinmauern die Straßen und Wege, strukturieren die Landschaft durch mit Steinmauern abgestützte Terrassen, wo kümmerliche Landwirtschaft betrieben wurde oder vielleicht noch wird. Es gibt einige Olivenbäume, wenige Granatapfelbäume, sehr wenige Weinstöcke. Wir erkennen allmählich, dass es Weidezäune gibt, Pferche für Schafe und Ziegen, sehen Mulis auf der Weide und in der Nähe des Dorfes einige Felder. Diese Insel hat von Viehzucht und Viehwirtschaft gelebt, das ist deutlich. Heute spielt der Tourismus die erste Geige in der Inselwirtschaft. In Aghios Giorgios, unten am Hafen, spielt die Musik, nicht hier in der Chora.
Das Verhältnis der beiden Orte zueinander war Thema des Streits vorhin. Uns ist klar, dass die winzige Chora mehr musealen Charakter hat und demnächst verlassen sein wird außer in der Saison, wenn Fremde hier Ruhe suchen, eben die Italiener. Jannis hat als Erklärung für deren Vorliebe für Griechenland gemeint, die hätten da ja nur dreckiges Meer, so dunkel wie Nescafé. Was, Italien, das wunderschöne Land? Na, das wüssten wir aber! Ganz so schlimm ist es nun auch nicht. Erzählen die italienischen Touristen auch Schauergeschichten über ihr Land so wie die Deutschen, die den Griechen immer vermitteln, bei uns sei das ganze Jahr Winter? Deren Mitleid ist uns dadurch sicher. Doch, wir haben auch Sommer, wir wissen nur nie, wann und wie lange!
Richtig ist, dass die Natur hier ihr Kapital und ihre Zukunft darstellt. Hoffentlich bewahren sie sich das. Wenn ich hinter die Steinmauern und Zäune sehe, entdecke ich überall Bauschutt und Müll. Vielleicht hilft auch der Blick von außen, dass die Einheimischen erkennen, was die Fremden lieben.

Mein Dorf, meine Insel, mein Leben

Nun kennen wir uns schon so gut aus Athen, aber wirklich kennen gelernt haben wir unsern Spiros erst hier, bei unserm Besuch in seinem Dorf auf Korfu, dem Na...

Inhaltsverzeichnis

  1. Blue Note
  2. Hinweise
  3. Widmung
  4. Inhaltsverzeichnis
  5. Griechenland - Wundertüte in Blau
  6. I Oraia Ellas - Schönes Hellas
  7. Drama, Fiasko, Katastrophe
  8. "Krisengespräche"
  9. Feste und Feiern
  10. Essen, Trinken, Genießen
  11. Kleine Inseln
  12. Nachwort
  13. Impressum