1.0 VOLKSWAGEN
In diesem Kapitel werden alle relevanten Informationen über die Volkswagen AG, die im Rahmen dieser Arbeit von Bedeutung sind, erwähnt. Sie dienen zur Schaffung eines Panoramas über die wichtigsten Eckdaten der Volkswagen AG.
Die Grundsteinlegung des Volkswagen-Werks durch Hitler vor 70 Jahren gilt seitdem in der öffentlichen Wahrnehmung als »eigentliches« Gründungsdatum der Stadt Wolfsburg und des Unternehmens Volkswagen (VW). Ein Mythos. Denn die eigentliche Geburtsstunde des Unternehmens schlug mit dem Eintrag ins Handelsregister als "Gesellschaft zur Vorbereitung des Deutschen Volkswagens mbH" am 28. Mai 1937 in Berlin. Die Stadtgründung war am 1. Juli 1938. Damals wurde aus Fallersleben die »Stadt des KdF-Wagens bei Fallersleben«. Zu Wolfsburg wurde die Stadt schließlich erst kurz nach dem Zweiten Weltkrieg am 25. Mai 1945.
»Am 12. Februar 1933 forderte Adolf Hitler(1889-1945) auf der Berliner Automobilausstellung die Motorisierung des deutschen Volkes. Es schwebte ihm die Konstruktion eines Autos vor, das 100 km/h Dauergeschwindigkeit auf der Autobahn halten kann, das mit vier Sitzen für Familien geeignet ist, sparsam im Verbrauch ist und vor allem unter 1000 Reichsmark (RM) kostet«.
Der Konstrukteur Ferdinand Porsche (1875 - 1951) entwickelte den Kleinwagen, der später Käfer genannt wurde. Von 1938 - 2003 produzierte Volkswagen (VW) über 21,5 Millionen Käfer. Ein Rekord! Der Käfer war bis 2002 das meistgebaute Auto der Welt. Dann überholte ihn der Golf, den VW seit 1974 produziert. Der Volkswagenkonzern war im Jahr 2012 mit 9,1 Millionen verkauften Pkw hinter Toyota der zweitgrößte Autokonzern der Welt. Das erklärte Ziel der Konzernführung ist es, bis spätestens 2018 die Weltmarktführerschaft zu erreichenhinter sich General Motors, endlich vor Toyota und hoffentlich nicht allzu stark bedrängt von Hyundai.
Als einer der ersten Hersteller verwirklichte Volkswagen auf dem amerikanischen Markt die serienmäßige Ausrüstung des Golf I mit Abgaskatalysatoren und 1984 den VW Scirocco mit dem 3-Wege Katalysator. 1977 der erste Diesel-Pkw in den USA war ein Golf. Inzwischen produziert der Konzern längst nicht mehr nur Autos der Marke Volkswagen. Bereits Mitte der 1960er-Jahre nahm Volkswagen nach der Übernahme der Auto Union GmbH von Daimler-Benz eine zweite Marke ins Sortiment auf: Audi war geboren. Heute gehören zwölf Marken zur Volkswagen AG, darunter Volkswagen Pkw, Audi, SEAT, SKODA, Bentley, Bugatti, Lamborghini, Porsche, Ducati, Volkswagen Nutzfahrzeuge, Scania und MAN.
Abbildung 1 Volkswagenwerk und Autostadt in Wolfsburg (Quelle: Volkswagen AG)
1.2 Die Geburt des EA 189 TDI
1989 präsentierte Piëch als Chef der Konzernmarke Audi auf der Automobilausstellung in Frankfurt den ersten TDI. Der direkteinspritzende und elektronisch gesteuerte Turbodiesel machte den Diesel salonfähig für die Oberklasse. Vorsprung durch Technik - das war neben dem Allrandantrieb und dem Aluminium-Leichtbau vor allem das Kürzel TDI. Zum TDI Start sprach man bei Audi vom »Beginn einer neuen Zeitrechnung«. Für Piëch hieß das: VW konterte gegen Toyota, und Audi war auf Augenhöhe mit BMW und Mercedes. Doch nach 15 erfolgreichen Jahren zeigt sich, dass Volkswagen mit dieser Technologie in eine Sackgasse fährt. Denn die Abgasvorgaben werden immer schärfer, vor allem in den USA - den Technikern bei VW wird klar, dass sie mit ihrem unflexiblen
Einspritzsystem (Pumpe Düse) die künftigen Emissionsstandards nicht werden einhalten können. Erst im November 2005 gesteht sich der Volkswagen-Vorstand den Fehler ein. Doch da bleibt bis zum Serienstart des neuen Motors, des. EA 189, nicht mehr viel Zeit. Die Entwicklung sei »kein Kinderspiel« gewesen, gestand schon seinerzeit Richard Dorenkamp, VW-Abteilungsleiter für Niedrigstemissionsmotoren und Abgasnachbehandlung. Experten wie Günter Hohenberg, Professor an der Technischen Universität Darmstadt, fragten sich bereits damals, wie der Vierzylinder die Abgaslimits in allen 50 US-Bundesstaaten erfüllen könne. »Bei den Kosten ist die Entwicklung locker auf dem Niveau eines Vollhybridantriebs«, erklärte Hohenberg.
In den Vereinigten Staaten lässt Volkswagen Werbung für Diesel-Autos über die Highways rollen (2008). Europas größter Autohersteller will auf diese Weise auch den Amerikanern den Selbstzünder näherbringen. »Dieselution« haben die Wolfsburger ihre Werbetour genannt, mit der sie kreuz und quer durch die USA fahren, um direkt vor Ort die Vorteile des Dieselantriebs anzupreisen.
2.0 DIE VW SKANDALE
Von Skandalen im Ausmaß der aktuellen Abgas-Affäre ist VW in seiner Geschichte bisher verschont geblieben. Trotzdem sorgte der Konzern in jüngerer Zeit immer mal wieder für Schlagzeilen. 1990 etwa, als der Chef der VW-Devisenhandelsabteilung zu einer Haftstrafe verurteilt wurde, weil er das Werk mit krummen Devisengeschäften um etwa 170 Millionen Euro gebracht hatte. 1996 kam es zur Opernballaffäre, als der niedersächsische Ministerpräsident und spätere Kanzler Gerhard Schröder samt Ehefrau auf Kosten von VW den Opernball in Wien besuchte.
Pikant war 1998 die Affäre um den ehemaligen VW-Vorstand Ignacio López, der 1993 beim Wechsel von Opel zu Volkswagen geheime Unterlagen mitgenommen haben soll. Er erhielt eine Geldstrafe. VW musste 100 Millionen Dollar an den Konkurrenten zahlen und dort Autoteile im Wert von einer Milliarde Dollar kaufen. Einer der bemerkenswerteren Skandale um VW kam schließlich 2005 ans Licht. Dabei ging es unter anderem um Schmiergeldzahlungen an VW-Betriebsräte. Betriebsräte spielen in deutschen Firmen als Vertreter der Arbeitnehmer eine gewichtige Rolle. Um sie für sich zu gewinnen, organisierten VW-Manager Besuche in Nobelhotels und Nachtclubs auf Firmenkosten. Die Manager sollen zudem in die eigene Tasche gewirtschaftet haben. Der finanzielle Schaden wurde mit fünf Millionen Euro angegeben.
3.0 DER ABGASSKANDAL
VW hat unter dem Druck amerikanischer Testergebnisse gestanden, eine betrügerische Software in Dieselmotoren 2008 eingebaut zu haben. Die Software bemerkte, das ein Auto auf dem Prüfstand stand, und steuerte dann die Abgase so, dass sie innerhalb der Normen lagen, während sie im Realbetrieb bis zum 35fachen überstiegen. Die Enthüllungen sorgten für ein Erdbeben bei VW, und es wird nach den meisten Einschätzungen sehr teuer werden, so dass im ungünstigsten Fall, die Existenz des VW-Konzerns bedroht ist.
Der Ingenieur Dr. Arvind Thiruvengadam gab im März 2013 eine Anzeige in einigen amerikanischen Zeitungen auf: Er benötigte Autos mit europäischen Diesel-Motoren, um diese für seinen Arbeitgeber, das zur Universität von West Virginia gehörende Center for Alternative Fuels, Engines and Emissions (CAFEE) zu testen. Das CAFEE hatte sich bei einer Ausschreibung des Regulators International Council on Clean Transportation (ICCT) um die Tests beworben. Das ICCT suchte in einer öffentlichen Ausschreibung ein Unternehmen, das drei europäische Diesel-Fahrzeuge auf ihre Stickoxid-Emissionen unter realen Fahrbedingungen testen sollte. Ende Januar 2013 erhielt das CAFEE den Zuschlag.
Durch Zufall erhielt Dr. Thiruvengadam auf sein Inserat hin einen VW Passat und einen VW Jetta, sowie einen BMW X5. Während beim BMW alle Ergebnisse den offiziellen Angaben entsprachen, lagen die Abgas-Werte beim Passat weit über denen, die laut den US-Gesetzen erlaubt waren - und das, obwohl VW alle Tests für eine Zulassung in den USA bestanden hatte und der Passat eine entsprechende Technologie vorweisen konnte.
Die Forscher konnten sich die Unterschiede nicht erklären. Doch schon bald stellte sich heraus, dass Volkswagen eine Software eingebaut hatte, die die Ergebnisse manipulierte:
Die Software erkannte Situationen, in denen sich das Lenkrad nicht bewegte, obwohl der Motor lief und die Räder sich drehten - also genau jene Situationen, die einen Labor-Test ausmachen.
In den USA stellte der ICCT dann in Zusammenarbeit mit der West Virginia University im Mai 2014 bei Abgasmessungen große Differenzen beim Stickoxidausstoß von Dieselfahrzeugen der VW-Gruppe fest. Die Fahrzeuge erfüllten unter Testbedingungen auf einem Prüfstand des California Air Resources Board (CARB) die Vorgaben der EPA. Unter realen Fahrbedingungen ermittelten Mitarbeiter der West Virginia University mit einem transportablen Mess-System (PEMS) beim VW Jetta VI Stickoxidwerte die 15- bis 35-fach und beim VW Passat 5- bis 20-fach über dem gesetzlichen US-Grenzwert lagen.
Anmerkung: Eine Abweichung um den Faktor 1,6 entspricht eine Überschreitung von 60%, Faktor 8,5 entspricht eine Überschreitung von 750%.
Abbildung 2 Quelle: VW USA Leaflet
Bereits im September 2014 veröffentlichte das Magazin Der Spiegel Ergebnisse dieser Studie und wies mit Bezug auf den sich das Auto auf einem Rollenprüfstand befindet, und daraufhin Handelsblatt berichtete ebenfalls bereits im Oktober 2014 unter dem Titel »Stickoxid-Emissionen: Diesel dreckiger als erlaubt« über die Studie und bemerkte nach Aufdeckung des Skandals: »Seit einem Jahr wusste jeder Bescheid«. Flankierend zu den Messungen der Stickoxid-Emissionen berichtete Der Spiegel ebenfalls im September 2014 mit Bezug auf dieselbe Studie, dass »vor allem deutsche Autokonzerne den amtlichen Benzindurst« ihrer Fahrzeuge »schönen« würden.
Volkswagen behauptete gegenüber US-Behörden, die festgestellten Diskrepanzen insbesondere der Stickoxidwerte basierten auf einem Softwarefehler und rief im Dezember 2014 die betroffenen fast 500.000 Fahrzeuge zurück, um eine neue Software einzuspielen. Das CARB überprüfte die modifizierten Fahrzeuge unter Realbedingungen und konnte keine Verbesserung bei den Stickoxidwerten feststellen. Als die Behörden damit drohten, bei Nichtaufklärung der Diskrepanz den 2016er Modellen die Zulassung zu verweigern, gab Volkswagen am 3. September 2015 den Betrug zu.
Abbildung 3 Motorsteuergerät (ECU) VW Golf TDI
Laut Wirtschaftswoche informierte ein Manager eines Zulieferbetriebes für die Automobilindustrie den damaligen EU-Kommissar Antonio Tajani bereits Mitte 2012 darüber, dass die Abgaswerte von Fahrzeugen in Zulassungstests elektronisch von Autoherstellern manipuliert würden. Dies untergrabe die Bemühungen der EU, den Straßenverkehr umweit- und klimafreundlicher zu machen. Bei einem Treffen im Juli 2012, bei dem das Thema diskutiert wurde, seien insgesamt 4 Mitglieder der EU-Kommission anwesend gewesen. Daraufhin schrieb Tajani einen Brief an die Verkehrsminister der EU-Staaten und forderte, dass die Überwachung der Autoindustrie verbessert werden müsse; er wies aber nicht auf die Betrugsmöglichkeiten bei den Zulassungsverfahren hin.
Die Abgasmessungen für neue Fahrzeugmodelle des VW-Konzerns in Europa prüfen derzeit (2015) folgende Prüforganisationen:
Audi-Modelle:
Allied Technology Experts Enterprise of Luxembourg S.à r.l.
(ATE EL), Luxemburg
Volkswagen-Modelle:
TÜV Nord, Deutschland
Seat-Modelle:
Instituto Nacional de Técnica Aeroespacial (INTA) und CTAGIDIADA Safety Technology SL, beide in Spanien
Skoda-Modelle:
TÜV Süd, Deutschland und Vehicle Certification Agency (VCA), Großbritannien
Laut Veröffentlichung der EPA erkennt die von VW installierte Software, die für die Abgaskontrollanlage zuständig ist, die Prüfungssituation. Die standardisierten Testsituationen sind durch ein »unnatürliches Fahrverhalten« (hohe Raddrehzahlen ohne Bewegung des Fahrzeugs) erkennbar. Bei diesen Bedingungen ist die Abgasaufbereitung so optimiert, dass möglichst geringe Stickoxide (NOx) entstehen. Im normalen Fahrbetrieb werden dagegen Teile der Abgaskontrollanlage außer Betrieb gesetzt, weshalb die NOx-Emissionen dann erheblich höher sind.
Am 27. September 2015 berichtete die Bild am Sonntag, der Automobilzulieferer Bosch habe die umstrittene Software zu Testzwecken an VW geliefert, im Jahr 2007 allerdings auch klar mitgeteilt, dass der Einsatz der Software gesetzeswidrig sei.
Beim Passat sollte mit der Software des Steuergerätes »Electronic Diesel Control 17« des Zulieferers Bosch der Verbrauch an Harnstofflösung (AdBlue, in den USA mit der Bezeichnung Diesel Exhaust Fluid (DEF)) für die Abgasnachbehandlung SCRT in den Bluetec-TDI-Motoren verändert werden. In einem Vortrag auf dem 32C3 präsentierte ein Hacker eine Analyse der von VW auf einem Bosch-Steuergerät d...