Philosophische Abhandlungen und Kritiken 2
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Philosophische Abhandlungen und Kritiken 2

  1. 536 Seiten
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Über dieses Buch

Einer der erstaunlichsten Schriftsteller deutscher Sprache wird endlich sichtbar! Der Doppelband 2/3 der Gesammelten Schriften von Friedlaender/Mynona bringt auf 800 Seiten insgesamt 185 Texte – die Hälfte davon war bislang völlig unbekannt, die andere Hälfte kaum zugänglich. Erstmals versammelt sind alle bisher bekannt gewordenen unselbständigen Veröffentlichungen jenes "Dr. S. Friedlaender", der sich als Kenner von Nietzsche, Schopenhauer, Kant, Goethe und Ernst Marcus, als Metaphysiker und Kulturkritiker einen weit über Berlin bis ins Ausland reichenden Namen machte - und der zugleich unter dem Pseudonym Mynona als einer der bissigsten Satiriker verehrt und gefürchtet wurde. (Die rund 250 Grotesken erscheinen demnächst.) Hier sind seine frühen philosophischen Aufsätze, in denen er den ungeheuren Gedanke der Polarität programmatisch entwickelt; seine hinreißenden Würdigungen zeitgenössischer Leitfiguren aus den frühen Jahren des Expressionismus (Walden, Kraus, Scheerbart, Lublinski, Hiller); seine scharfen Zurechtweisungen aller blinden Kriegsbegeisterung und aller kurzsichtigen Nationalismen; seine hellwachen Stellungnahmen zu maßgebenden Zeitgenossen und seine zahlreichen, ganz eigenständigen Auseinandersetzungen mit philosophischen Autoren, die heute fraglos berühmt sind (Bergson, Scheler, Sombart, Simmel, Bloch, Cassirer, Keyserling, Rathenau, Hauptmann, Einstein u. v. a.). Die beiden Bände enthalten weiter die frühen Aphorismen, die tiefgründige Dissertation von 1902, die Einleitungen zu den beiden Anthologien von 1907, Jean Paul als Denker und Schopenhauer, die Aufsätze zu Goethes Farbenlehre, die bis heute nicht wahrgenommenen Ausführungen zum Problem der Exzentrischen Empfindung sowie die kritischen Leserbriefe aus der Elendszeit des Pariser Exils.Sämtliche Texte, vom ersten Aufsatz des Fünfundzwanzigjährigen bis zur letzten Kritik des Fünfundsiebzigjährigen (gegen Sartre), werden in sorgfältig kritischer Edition geboten. Der umfangreiche Anmerkungsteil liefert die nötigen philologischen und biobibliographischen Angaben und Zitatnachweise aus den Klassikern und anderen Quellen. Die Einlei-tung des Herausgebers zeichnet ein ausführliches Bild dieses vergessenen Philosophen, das in solcher Gründlichkeit bisher nicht möglich war. Der Überblick über Friedlaender/Mynonas philosophisches Werk eröffnet einen authentischen Blick auf die Vorder- und Hintergründe von 50 Jahren katastrophaler Zeiten. Er wird viele Kenner der europäischen Geistes- und Kulturgeschichte der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts überraschen. Fotos, Abbildungen von seltenen Titelseiten und Typoskripten, Namen- und Sachverzeichnis runden die beiden Bände ab.

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Information

[mit Anselm Ruest] Vermerk zum 1. April 1919

(1919)

Fast ein Vierteljahr seit der Gründung des „Einzigen“ ist verstrichen. Aus der Verzweiflung über neuen drohenden Wahnwitz, der den Wahnwitz des Krieges ablösen sollte, geboren – aus sich aufraffender Gewißheit sodann, daß eines Einzigen zur Selbstbesinnung rufende Stimme nicht etwa schwach bewertet werden dürfe, aus dem Gefühl der Kraft zuletzt, die noch immer dem Wahren und Erkennenden innewohnte: ward das erste Heft am Geburtstage Paul Scheerbarts, des letzten Dionysiers (8. Januar), beschlossen. Schwächlinge ahnten nichts Gutes, Feige unkten Verwechslung, ewige Mitläufer der Majorität, des „gesunden Menschenverstandes“ quäkten Begrabenlassen: aber siehe da, Hände streckten sich aus, Herzen faßten wieder Mut, Eingeschüchterte ihres Bekenntnisses fanden den Weg zu ihrer einzigen Tribüne, wo ihr „winziges“ Ich nicht scheel angesehen wurde, wo vielmehr die Losung gilt: daß ein einziges wirkliches Ich mehr wiegt, als ein ganzes Weltparlament. Leere Iche freilich weissagen Erschöpfung; reiche unerschöpfliche Naturen werden ihnen immer wieder zeigen, daß das – Unerschöpfliche grade „Menschen im Herzen“ sitzt! Und so hat sich das Eine schon gezeigt, daß Vernunft mindestens wieder im Steigen begriffen ist: bester Beweis hierfür, daß die Auflage des „Einzigen“ vom 1. April ab um ein beträchtliches erhöht werden muß. Was diese Tatsache noch erfreulicher macht, ist zweierlei: erstens, daß akademische Jugend der jüngsten, geist-wachsten Art sich um den „Einzigen“ geschart hat, um sein hohes Ziel, jene tragische Kultur, die von den Besten seit Schiller gewollt in Nietzsche ihren größten Profeten hatte, herbeiführen zu helfen; zweitens, daß auch im Arbeiter wieder das Bewußtsein zu erwachen scheint, daß er keineswegs „Klasse“ von Geburt und Natur, sondern zur Persönlichkeit berufen ist genau wie – Jeder Einzige! Auch unter ihnen hat der „Einzige“ seine Leser und Mit-Arbeiter.
Aber die Erreichung jenes Ziels, von dem gesprochen: Erfüllung des Schiller-Heine’schen, des Stirner-Nietzsche’schen Ideals, tragischer, dionysischer Kultur in Ablösung der morsch gewordenen christlichen, jenseitigen: bedarf noch vieler vieler Kräfte, zahlreicher helfender Hände. Wie viele gibt es, die noch garnicht ahnen, woran sie kranken, die ihre Ichentfremdung, ihre innerste Entwurzelung erst fühlen werden, wenn wieder der ungebrochene, heile, diesseitige, freudige Mensch diese Erde in Besitz nimmt – von der sie, unverstehend Krieg und Revolutionen und alle Erschütterungen, für immer dann ausgeschlossen sind! Darum, und weil gerade wir keinen Leib, keine Materie, kein christlich Verunglimpftes als zu „unheilig“ ablehnen: helft selbst auch zu stärkerer und stärkerer Körperwerdung der Idee, materialisiert sie durch Euch selbst – dann schwebt sie nicht mehr! Werbt ihr Freunde, Anhänger, Leiber – samt all ihrem unabtrennlichen Besitz! Euer gesamtes Eigentum – auch dies seid Ihr selbst! – tragt hinzu, wägt mit Gold den Gedanken, auf daß er nicht verflüchte. Werdet Mitglieder einer Willensvereinigung für tragische Kultur! Werdet Abonnenten des „Einzigen“!
Die Herausgeber.

[mit Anselm Ruest] Und zum 4. Mal: Revolution – ein Schulprogramm!

(1919)

Alle Stürmer, alle wahren Revolutionäre, alle Winkelriede der neuen Freiheit packten ihr Problem möglichst bei der Wurzel, beim erst werdenden, noch zu bildenden Menschen. Ihr deutschen Menschen – im übrigen: was schiert mich Euer Volk? Eure Grenzen? aber stets ist es doch besser, daß Ihr deutsch sprechenden Menschen Eure Nasen auch ins deutschgeschriebene Buch steckt! – was tut Ihr immer so kleinlaut, warum wißt Ihr nichts zu erwidern? Freilich – Eure Schuld, wenn Ihr nicht deutsch versteht; aber so wie Ihr nicht deutsch, so verstand noch niemand in Frankreich französisch; in Canada canadisch; streckt denen die Zunge ‘raus, die Euch immer auf den weitaus größeren Abstand zwischen Lehrer und Schüler, Volk und Führer bei den „Deutschen“ als irgend wo anders stoßen wollen! Ist das nicht wieder dieselbe chauvinistische Verkümmerung einer Gesichtshälfte – mal rechts, mal links? Zum Teufel mit all den Biestern! Kinder – die Menschheit (es sei; das Wort ist einmal da!), also: das Viele, das räumlich dicht bei einander Hockende und ob des Entzückens vor so viel Ähnlichkeit an sich selbst ganz Vergessende, dies erst gleichsam-, vortastend-„Menschliche“ hinkt hinkt hinkt immer nach; in Westfalen genau so wie in Andalusien; in Posen wie auf Neu-Seeland (einbläuen möcht’ ich’s Euch!!). Wie? Rousseau schrieb französisch und ganz Frankreich hörte, folgte! Jawohl, mein lieber Heinrich Mann (um nur einen Schlimmen von den wirklichen Entmutigern der „Deutschen“ zu nennen) ganz „Frankreich“ schwelgte vergeltungstoll sechs Jahre lang in Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, duckte sich frei, gleich und brüderlich unter Napoleons Conskriptionsgesetze („Ich bin nur die blutige Hand Rousseaus“ kuppelte Napoléon schlau), und hütete sich übrigens ganz empfindlich, auch nur ein Wort von den zu gleicher Zeit verfaßten, veröffentlichten, ehernen ewigen Sätzen Kants über die Freiheit zu genießen. (Und selbst für Napoleon war Kant damals so viel wie – Cagliostro (!) ich glaube, der „geistige Arbeiter“ sagt noch heute: mit Recht!) – Aber die „Deutschen“? Selbstverständlich genau solche Trottel! Denn sie hatten doch wahrlich zur selben Zeit den gar nicht „verstiegenen“, genau so populär wie Rousseau schreibenden Schiller (ah! ich spreche noch gar nicht von der überall ‘mal fremdartig aufreckenden Größe eines Shakespeare, eines Kant): und natürlich jubelnd, händeklatschend, ordentlich munter geworden ließen sie sich den Theaterklamauk der „Räuber“ in ihren winzigsten Nestern gefallen, hei, wie sie da schon gegen die Zensur aufmuckten – das Vergnügen, meine Herren, das Vergnügen! Aber den Schiller von 1789, die Philosophie dieses „berühmten Herrn Schiller“, französischen Ehrencitoyen, wie langweilig, wie arschanstrengend, wie – „deutsch“ dieses „Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte?!“ Deutsch? – was da! französisch, englisch, botokudisch? Kinder, – gestattet: wirklich Kinder, dies hier ist ja nur ein pädagogischer Vortrag, Erwachsene zahlen das Doppelte! – laßt Euch die Gehirne doch nicht ewig verballhornen! Glaubt keinem großen Manne mehr – potztausend, glaubt Euch selbst und reißt die Augen auf. Nichts nichts nichts – noch nichts ist verloren: nu’ aber endlich – Watte aus dem Ohr! (Einen Augenblick mal: hörten die Franzosen von 1789 etwa auch erst Rousseau’schen Räuberspektakel? Er hatte viel Besseres – Tieferes! Ja, ja, vergleicht mal die Schreie der Viecher, die den blutigen Kopf der Lamballe auf der Pike durch Paris tragen, mit der Musik um Emiles Robinsoneiland!)
Aber, Herrgott, jetzt wollen wir die Kerls schon kriegen, die Chauvinisten rechts die Chauvinisten links, alles haben sie mit ihrem Dreck bedreckt – diese stymphalidischen Vögel! Und bleiben, bleiben – bleiben muß gar nichts „immer so“, natürlich dürft Ihr Euch nicht ekeln, aber auch ein Augiasstall kann schließlich mit fließend’ Wasser gereinigt werden. Und krystallklares, quellreinstes, fließendstes Wasser bist vor allem Du selbst stets, wundervolle Jugend! Wie – ich hätte doch aber auch gewissermaßen zugegeben, die Distanz Volk – Führer, Lehrer – Schüler ...: da läge nun schon etwas Natürliches, „Ewiges“?! Erlaubt, erlaubt – um diese genauen Entsprechungen, die so rein noch garnicht gesehn werden konnten, handelt es sich ja eben erst! Nicht wahr, – das Ideal der Menschenleitung, Beziehung wie zwischen dem echten, nichtlügenden Lehrer, und dem selbstdenkenden, aber durch Beispiel und Vorbild von selbst auch vertrauenden Schüler: wie hätte es in einer Menschen-„Gesellschaft“ überhaupt schon gedacht, erfaßt und allgemein geworden sein können, da Gesellschaft im Kern ja noch niemals gewesen, wohl Ansammlung, Haufe, Zusammen im selben Raum, im gleichen „Vaterlande“ – die dies ihr zufälliges Beieinander dann regelmäßig mit irgend welcher Gemeinschaft nur verwechselt hatte! Hieß nicht das „Universal-Geschichte“ bisher? – Schiller wußte es gut! Und woran wir seit ihm arbeiten, will sagen: zu arbeiten hätten, kann daher dieses bloß sein, jenen gewöhnlichen, zufälligen, sich fälschlich „Natur“ glaubenden Gesellschafts-Zustand in den echten überzuführen, der erst die Gesellschaft, d. h. innere Geselligkeit der wirklichen, nicht am Schein klebenden Menschen bedeutet und einschließt. Das Problem „Führer – Volk“ ist ein wesentlich pädagogisches Problem – ja wohl, meine Herren, die Ihr freundlich zu grinsen beliebt, weil Ihr Deutschland als artige Schulklasse schon und den Gerber Ebert mit dem Klopfriem dabei seht: was verschmiertet Ihr selbst denn erst immer diese Distanz durch Eure Faulköpfigkeit, also daß jeder Karl oder Fritz Euch pudelnärrisch Apport lehren konnte? Ah – aber dafür seid Ihr ja auch endlich reif und mündig geworden, habt jene bloßen Schul- Tyrannen, die selber nichts wußten, aus der Klasse gejagt, um, um – – Weiter nichts mehr zu lernen? Selber Lehrer zu sein? „Ach was – dummes Lehr- und Lernideal: hier sind keine kleinen Kinder und sind keine ‘Großen’, hier ist Alles erwachsen und benimmt sich vernünftig – Schulmeister Du!“ Aber Einer muß Führer doch sein, muß Bestimmungen treffen – „Recht recht so, Einer für dies, und Einer für das, das sind mehrere schon (nur der Vorsicht halber!), doch sind sie nicht klüger, nicht vernünftiger als wir, brauchen nichts uns zu ‘lehren’, was wir nicht wüßten: nur für uns zu sorgen, zu handeln, zu tun!“ (Demokratie.) Ah – ließe sich hören, Lehre von den (ausführenden) „Organen“ – Ihr denkt’s (und natürlich immer das Richtige!) und jene tun’s. Wie aber, wenn diese bescheidentlich selbst auch zu denken sich erkühnen? „O, wie – sie sollen sogar denken, sollen Verkehrswege anlegen, Finanzen ordnen, Lebensmittel herbeischaffen etc. etc. – darum nimmt man ja grade die Klügsten, die Erfahrensten, die sich auf jedes der Art verstehen ...“ Also doch wieder Klügere, Weisere – sonst aber haltet Ihr es für unter Eurer Würde, als Kinderchen im Klassenzimmer zu sitzen und auf den Lehrer zu schau’n!? „Herrgott – das ist doch die Vereinfachung! Was wäre der Mann da oben schließlich, wenn nicht meine Vernunft ihn als den und den erst erkannt, den Stimmzettel für ihn in die Urne gelegt hätte!“ Sicherlich; Deine Vernunft, und die Vernunft des Nachbars, des Dritten, des Vierten, – Jeder von Euch hätte natürlich auch, gleichsam von Haus aus (wie beruhigend!) an seine Stelle treten, seinen Platz einnehmen können: dennoch tatet Ihr’s nicht, Ihr unterwarft Euch eigenem Wissen, Besserwissen, Ihr wähltet eben: wähltet Ihr etwa einmal nicht den Besten, Vorzüglichsten, Gescheitesten – ich will es doch nicht annehmen?! Wähltet nicht irgend einen Euch – Überlegenen, Euer eigenes Interesse besser, vorzüglicher noch als Ihr selbst Wahrnehmenden? Und den, grade den wolltet Ihr damit nur als Euren Abgesandten, Beauftragten, Vollzieher Eurer Wünsche betrachten, als Euer – „Organ“ konservieren, wo Ihr nichts weiter doch (und hoffentlich!) ausdrücken wolltet, als daß seine gesamten Fähigkeiten, Sinne, Organe die Euren bei weitem übertreffen müßten? Den wolltet Ihr seines eigenen Hauptorgans, seiner Vernunft, seiner Denkkräfte, auf denen doch wohl seine Vorzüglichkeit hauptsächlich beruhte, grade berauben – ihn „bloß Organ“, „Exekutive“, ausführende Hand sein lassen? Ih, Ihr denkt ja nicht im entferntesten daran; aber – Ihr schüttelt Euch dennoch sogleich wieder vor Graus, wenn Ihr Euch „ehrenrührig“ als Kinder, als „dumme Jungens“ vor dem bakelschwingenden Lehrer empfinden sollt! Die alte Schule! und – seht Ihr jetzt, daß Ihr die Kinderschuhe noch garnicht ausgetreten habt? – daß Ihr die neue Schule, eine neue, an der etwa bloß Schiller, Jean Paul (Levana), Max Stirner, Nietzsche, Marcus, Mynona, Ruest und die hier Anknüpfenden Eure Lehrer, überhaupt noch nicht dachtet, zu denken noch gar nicht gewagt habt!? Eine Schule: deren entsprechende Schülerschaft (Gefolgschaft, Denktum, Hörertum) Ihr Selbst zu bilden hättet? Wo der Bakel, das – Scepter und so jede Thron-, Kanzel- oder Kathederheiligkeit vorsintflutliche Chose geworden! Wo die Lehrer wirklich universell, weltumfassend geworden – alle Schüler nicht anders können, nichts anderes wissen, als Universalgeschichte zu treiben! Denn wo gab es bisher einen Lehrer, der – selbst nur in Teile, Fragmente, Sinnenhaftes verstrickt – mehr als Halbes, Halbwahres, Lügen mit einem Wort hätte lehren können; wo die „Schulklasse“ schon, die so von Lüge ewig bedroht, mißtrauisch mit Recht, rebellisch, anders als mit dem Bakel auch hätte regiert werden können!? Universalgeschichte!, Ihr lieben Kinderchen – die werdet Ihr nun treiben, dazu ist’s nicht zu spät, wohl aber rechte Zeit, und wir werden Alle, Alle gut dabei fahren! Wenn aber die Wahrheit links der Vogesen, rechts der Vogesen, zwei Meilen nach Norden, zwei Meilen nach Süden immer anders immer anders verlautet und zu verlauten fortfährt: recht habt Ihr, wenn Ihr wider den Stachel löckt und diese Lehrer – immer mal wieder! – verprügelt und ‘rausschmeißt. Macht’s aber diesmal wirklich auch gründlich – und laßt diese Hundsfotte durch kein Hintertürchen wieder einschlüpfen! Noch haben sie diesen Tric jedesmal fertig gebracht: Dreimal schmisset Ihr ’raus, dreimal nahmt Ihr Euch Universallehrer, 1789, 1848, 1873 – dreimal bekam Euch der Bakel wieder! Zum vierten Mal –: 1919? Euer Instinkt war der rechte, Ihr braucht Universalgeschichte, in diesem Streben um aller Zukunft willen nicht nachgelassen, beileibe nicht! Eure alten Universallehrer, Ihr täuschtet Euch nie! leben – wißt: diese leben wirklich, auferstehen nicht bloß als Gespenster, die vorübergehend noch Furcht einjagen können –
Und hier sind sie:

I. 1789: Schiller: Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte?

Hier das Leitmotiv. (Diese Blätter – Du weißt schon das unterscheidet sie ja von allen andern, die Du sonst vielleicht liest: Du selbst bleibst stets mein wichtigster Mitarbeiter, ohne den ich nichts machen kann noch will! – geben immer ein Leitmotiv, manchmal „nur“ Ton an, Du selbst bist Note, bist Text und Musik!!) Und lies also feurig und ausgeschlafen noch einmal in extracto, was Du vollkommen dösig und taub (oder auch schon verärgert) von einem Bakelschwinger der Untersekunda als Wahrheit und Erkenntnis natürlich nicht anzunehmen vermochtest:
„A...

Inhaltsverzeichnis

  1. Inhaltsverzeichnis
  2. 90. Georg Simmel: „Kant und Goethe“. Zur Geschichte der modernen Weltanschauung (1918)
  3. 91. Hans Blüher: „Die Rolle der Erotik in der männlichen Gesellschaft“ (1918)
  4. 92. „Sokrates der Idiot“ (Alexander Moszkowski; 1918)
  5. 93. Kant und die Freiheit. Nach Ernst Marcus (1919)
  6. 94. [mit Anselm Ruest] Vermerk zum 1. April 1919 (1919)
  7. 95. [mit Anselm Ruest] Und zum 4. Mal: Revolution – ein Schulprogramm! (1919)
  8. 96. Aus: „Kretinismen“ (1919)
  9. 97. Gerhart Hauptmann: „Der Ketzer von Soana“ (1919)
  10. 98. Nietzsche und Strauß – immer wieder (1919)
  11. 99. „Grotesk“ (1919)
  12. 100. [Kollektiv] Aufruf zur Selbst-Hülfe! (1919)
  13. 101. Der Antichrist und Ernst Bloch (1920)
  14. 102. Ach, armer Yorick! Eine Antwort (an Ernst Bloch und Ernst Blass; 1921)
  15. 103. Raphael Ganga: „Philosophie der Versöhnung“ (1921)
  16. 104. Maximilian Runze: „Neue Fichte-Funde“ (1921)
  17. 105. Paul Feldkeller: „Der Patriotismus“ (1921)
  18. 106. Emanuel oder Immanuel? Eine Kritik der Laskerschen Philosophie des „Unvollendbar“ (1921)
  19. 107. Kant und Albert Einstein (1921)
  20. 108. Dr. Karl Dürr: „Ist etwas?“ (1921)
  21. 109. Carl Hauptmann: „Seele!“ (1921)
  22. 110. Arthur Liebert: „Unsere Zeit und die Philosophie“ (1921)
  23. 111. Hermann von Keyserling: „Unser Beruf in der veränderten Welt“ (1921)
  24. 112. Der Antichrist (1921)
  25. 113. Leopold von Wiese: „Europa als geistige Einheit“ (1921)
  26. 114. Ernst Troeltsch: „Deutsche Bildung“ (1921)
  27. 115. Das kosmische Gehirn (1921)
  28. 116. Jacob von Uexküll: „Der Organismus als Staat und der Staat als Organismus“ (1921)
  29. 117. Hans Driesch: „Philosophie und positives Wissen“ (1921)
  30. 118. Rudolf von Delius: „Das Verständnis der Seele“ (1921)
  31. 119. Arthur Bonus: „Der Physiker“ (1921)
  32. 120. Alexander von Gleichen-Rußwurm: „Vom kommenden Menschen“ (1921)
  33. 121. Max Scheler: „Von zwei deutschen Krankheiten“ (1921)
  34. 122. Friedrich Niebergall: „Der Aufstieg der Seele“ (1921)
  35. 123. Hermann Hefele: „Der politische Katholizismus“ (1921)
  36. 124. Max Picard: „Der letzte Mensch“ (1921)
  37. 125. Der Orient als Symbol? (zu Arthur Liebert; 1921)
  38. 126. Wie ich Schopenhauer lesen lernte (1921)
  39. 127. Ist Mynona Pornograph? Rhetorische Frage (1922)
  40. 128. „Die Mühle. Eine Kosmee“ Roman von Beß Brenk Kalischer (1922)
  41. 129. [Wie denken Sie über Gerhart Hauptmann?] (1922)
  42. 130. Ist Mynona Pornograph? Rhetorische Frage an Herrn Professor Brunner (1922)
  43. 131. Kant als Magier (1922)
  44. 132. „Die Rutschbahn“. Das Buch vom Abenteurer, herausgegeben von Ignaz Ježower (1922)
  45. 133. Philosophie der Gegenwart. Diagnostisch-prognostische Kritik (1923)
  46. 134. Prismatische Malerei als Frucht der Goetheschen Farbenlehre (1923)
  47. 135. Kant für Kinder (1923)
  48. 136. Dr. Levy-Suhl: „Die hypnotische Heilweise und ihre Technik“ (1923)
  49. 137. „Goethes Relativitätstheorie der Farbe“ (Ernst Barthel; 1924)
  50. 138. Samuel Lublinski. Ein Weckruf (1924)
  51. 139. Vorwort zu „Wie durch ein Prisma“ (1924)
  52. 140. Ludwig Goldschmidt: „Gegen Einsteins Metaphysik, eine kritische Befreiung“ (1925)
  53. 141. Albert Einstein endgültig widerlegt. Ernst Marcus gegen die spezielle Relativitätstheorie (1925)
  54. 142. Wer ist Robert Kraft? Etwas vom Schmökern (1926)
  55. 143. Graf Hermann Keyserling (1926)
  56. 144. Kurd Laßwitz: „Auf zwei Planeten“ (1926)
  57. 145. Aus den Tiefen des Erkennens. Zum 70. Geburtstag des Philosophen Ernst Marcus am 3. September (1926).
  58. 146. Ernst Marcus. Zum 70. Geburtstag des Essener Philosophen (1926)
  59. 147. Ernst Cassirers Kant (1926)
  60. 148. Der Zusammenbruch der Wissenschaft. Bemerkungen zu Hugo Dinglers Buch (1926)
  61. 149. [Äußerung zu Felix Halle: „Anklage gegen Justiz und Polizei“] (1926)
  62. 150. Der Philosoph Ernst Marcus (zu Hellmuth Falkenberg; 1927)
  63. 151. Achtung! Hier das „Wesen der Welt“! Voranzeige (Heinrich Hellmund; 1927)
  64. 152. Die Todesstrafe (1927)
  65. 153. „Buddha und Dionysos“ Zu Kurt Walter Goldschmidts 50. Geburtstag (1927)
  66. 154. Ernst Marcus. Zum 70. Geburtstag (1927)
  67. 155. Atma Schopenhauer (1927)
  68. 156. Hugo Ball: „Die Flucht aus der Zeit“ (1927)
  69. 157. Kants Zeit- und Raumlehre. Ernst Marcus’ neues Werk (1928)
  70. 158. Die Welt als Spannung und Rhythmus. Ein neues Buch von Ernst Barthel (1928)
  71. 159. Der Philosoph Ernst Marcus f. Ein Nachruf (1928)
  72. 160. Ignaz Ježower: „Das Buch der Träume“ (1928)
  73. 161. Albert Einstein und Immanuel Kant (1929)
  74. 162. Moderne Sophistik (1929)
  75. 163. „Goethes Farbenlehre“, hg. u. eingeleitet v. Hans Wohlbold (1929)
  76. 164. Ernst Marcus’ philosophischer Nachlaß (1930)
  77. 165. Gedanken zur ethischen Logik. Von Ernst Marcus (1931)
  78. 166. Moderner Sieg der Goetheschen Farbenlehre (1931)
  79. 167. Marcus contra Reichenbach (1931)
  80. 168. Danksagung (1931)
  81. 169. „Zur Grundlegung einer Synthese des Daseins“ Aus dem Nachlaß von A. D. Gurewitsch (1931)
  82. 170. Ernst Barthel: „Kosmologische Briefe, eine neue Lehre vom Weltall“ (1931)
  83. 171. Alfred Kubin (1931)
  84. 172. Ernst Barthel: „Vorstellung und Denken“ (1932)
  85. 173. Warum verwarf der Farbenlehrer Goethe die Farbenlehre des Goetheaners Schopenhauer? (1932)
  86. 174. „Freitod“ (1932)
  87. 175. Über die Unsterblichkeit. Ein Gespräch zwischen einem Empiristen und dem verstorbenen Alt-Kantianer Ernst Marcus (1933)
  88. 176. Das Ich und sein Ziel (1933)
  89. 177. Menschheit (zu Alfred Döblin; 1933)
  90. 178. An die Redaktion des „Pariser Tageblatt“ (zu Georg Bernhard; 1934)
  91. 179. An die Redaktion des „Pariser Tageblatt“ (zu Ignaz Zollschan; 1935)
  92. 180. Spenglers Tod (1936)
  93. 181. Der posthume Kant (1936)...
  94. 182. Offener Brief an Karel Capek (1937)
  95. 183. Kant und Diktatur (1938)
  96. 184. Das Wunder der Selbstverständlichkeit (1945)
  97. 185. Jean-Paul Sartres Existentialismus (1946)
  98. Zur Auswahl und zur Textgestaltung
  99. Nachweise und Anmerkungen
  100. Liste der nach den Typoskripten geänderten Titel
  101. Verzeichnis der Abbildungen
  102. Literaturverzeichnis und Abkürzungen
  103. Namenverzeichnis
  104. Sachverzeichnis
  105. Gesammelte Schriften
  106. Waitawhile
  107. Impressum