Einleitung
Er war nicht nur Theologe, Mediziner, Musiker, Philosoph und Nobelpreisträger.
Er war ein Mensch wie Du und Ich. Und er ging seinen Weg.
Seinen Weg nach seinem Verstand.
Gegen erheblichen Widerstand.
Albert Schweitzer.
Geehrt mit dem Nobelpreis.
Noch mehr aber durch unser Erinnern.
Wir denken über seine Äußerungen nach hundert Jahren nach, und
finden sie richtig.
Auch heute leben weitsichtige Menschen, wie er. Mit anderen Namen und aktuellen Erkenntnissen.
Einen von ihnen möchte ich nennen. Er ist auch Theologe und hat in unterschiedlichen Gesellschaftssystemen gewirkt.
So wurde er in der DDR bekannt für kluge Einschätzungen, im Unterschied zu anderen bekannten Theologen, die damals duckten und heute posaunen. Das kannst Du als Zeichen für Charakterstärke nutzen. Auch im Gegenwind muss man seine Position bewahren.
Sein Name ist Friedrich Schorlemmer.
Er sprach am 20. Januar 2015 im Radio, nur drei Minuten, aber die hatten es in sich. Deshalb gebe ich seine Worte hier wieder.
„Unser neoliberales, dereguliertes Weltwirtschaftssystem schafft keine lebenswerte, tragfähige, nachhaltige Welt. Es verbaut Zukunft. Es beruht wesentlich auf der Konkurrenz zwischen Gewinnern und Verlierern, wobei die Gewinner darauf spekulieren, dass sie am Verlust der Verlierer gewinnen können, während Verlierer nicht mehr wissen, wie sie aus ihrer Verliererposition herauskommen.
Weltweit hat gigantisches Spekulieren mit Ackerböden, mit Wäldern, Nahrungsmitteln und Trinkwasser begonnen.
Wenn Wasser nicht Menschenrecht bleibt, wenn Wasser zu einer Ware wird wie der heimische Ackerboden, wenn prinzipiell alles zum Profitgewinnen herangezogen wird, dann ist das Weltgefüge absehbar am Zerbrechen.
Aber es geht nicht um das Gefüge; es geht um das Leben vieler einzelner Menschen wie um die Lebensgrundlagen der Menschheit in einer Verantwortungsperspektive, die mehrere Generationen im Blick hat.
Wenn die Gier herrscht, verzieht sich das Glück.
Wo die Gier zu herrschen beginnt, wird das Maß verloren. Da setzt sich die Hybris durch, verbunden mit der Nekrophilie. Die Neigung zu Gigantomanie oder zu Destruktivität. Wo Zwänge zur Gewinnmaximierung vorherrschen, geht auch das Solidarische verloren, jenes dem Menschen doch innewohnende Mitgefühl mit dem Anderen, die Teilhabe an seinem Glück wie an seinem Leiden. Wo jeder sich selbst der Nächste wird und er zusehen muss, wo er bleibt, schläft das Verantwortungsbewusstsein füreinander ein. Wo Karriere und Geldverdienen allem anderen vorgeordnet wird, verkümmert das Geistige, das Künstlerische, das Musische, das Kreative, das Geistliche.
Alles Mehr, Schneller, Weiter befriedigt nicht, sondern verlangt nach immer weiterer Steigerung, also nach einer nicht mehr erkannten Lebensmehrungsillusion, jener Leere in der Fülle mit der tödlichen Langeweile der Tschechow´schen „Sommergäste“.
Das Glück liegt im Einfachen....... Glück stellt sich ein, wo gerade das Einfache, das Wenige, das Kleine, das Unscheinbare als das Beglückende, das Tiefe, das Befriedigende wahrgenommen wird.“
Soweit der Beitrag von Friedrich Schorlemmer.
Eine so überzeugende und konzentrierte Beschreibung wichtiger Fragen unserer Zeit verdiente höchste Aufmerksamkeit und Beachtung, meine ich.
Doch weit gefehlt. Die Medien unserer Zeit suchen nach anderen Meldungen, nach Sensationen.
„Alles Mehr, Schneller, Weiter befriedigt nicht, sondern verlangt nach immer weiterer Steigerung“, so Schorlemmer.
Wir sitzen drin in diesem Zug. Aussteigen wäre sinnlos, weil der Zug auch ohne uns weiter fährt.
Was also tun?
Nachdenken und Weitersagen!!!
Es gibt immer einen Ausweg und den wollen wir finden.
Eine erste Erkenntnis könnte sein:
Politik ist nicht Sache der Politiker!
Politik ist der Wegweiser in unsere Zukunft!
Also müssen wir uns einmischen, wo immer es angebracht ist. Und dabei hilft uns der Informations- und Meinungsaustausch zu wichtigen Zeitfragen. Nun sind wir also beim Thema.
Krieg oder Frieden? Ein A B C der Hoffnung.
Dabei stehen A für Arbeit, B für Bildung und C für Kultur!
Zunächst aber zu den Kriegserinnerungen.
Erinnerungen 1945 von Margarete.
Margarete Piatkowski, geb. am 25. Oktober 1923 in der Familie Friedrich und Minna Borg, Landwirte in Görzke bei Brandenburg. Margarete lebt heute in Rostock.
Als am 16. und 17. Januar 1945 die Großoffensive der Roten Armee begann, änderte sich auch für mich die Situation schlagartig. ... Dass ich zu diesem Zeitpunkt hätte nach Hause fahren können, nein, dieser Gedanke ist mir nicht gekommen, waren wir doch in unserer Jugendzeit zur strengen Pflichterfüllung erzogen worden. Und tatsächlich gab es in den nächsten Tagen reichlich Arbeit für uns. ... Dann verbreitete sich die Nachricht vom Waffenstillstand. Wie sollte es nun weitergehen? Leere, Angst und Ratlosigkeit auch bei mir. ... Es war der 8. Mai 1945.
Die Flucht durch das Sudetenland.
Eine Gruppe von über dreißig Frauen und Kindern... begab sich auf den Weg in Richtung Sudetenland. Hier sei es noch friedlich und der sicherste Weg in Richtung Westen.
Eine LKW-Kolonne mit Wehrmachtssoldaten fuhr in die gleiche Richtung. „Steigt auf, wenn ihr wollt“ rief uns ein Feldwebel zu. Was konnte uns wohl in diesem Augenblick Besseres passieren! ... Wir hatten uns schnell auf die einzelnen Fahrzeuge verteilt und saßen jetzt zwischen den Soldaten. Sie hatten bereits ihre Waffen irgendwo abgelegt. ...Noch am Abend des 8. Mai erreichten wir die Stadt Trautenau (Trutnov)...Nach einer kurzen nächtlichen Rast – wir blieben auf unseren Fahrzeugen mitten in der Stadt- setzte die Kolonne am Folgetag, dem 9. Mai, die Fahrt in Richtung Jicin fort. Vorher nutzten wir noch das fließende Brunnenwasser auf dem Marktplatz, rieben uns die Müdigkeit aus den Augen und konnten sogar die Toiletten der nahe gelegenen Gaststätten benutzen.
Auf den Straßen hatte sich die Situation plötzlich verändert, der Flüchtlingsstrom westwärts nahm ständig zu. Auch die Menschen aus dem schlesischen Raum sahen ihr Heil in der Flucht durch das Sudetenland. Jetzt kamen die Flüchtenden auf ihren Fuhrwerken oder zu Fuß nur noch schleppend voran und auch unserer Fahrzeugkolonne ging es so. ...
Es war der 10. Mai 1945. Jetzt entschied sich der Leiter unserer LKW-Kolonne in Höhe des Ortes Ujezd die Hauptstraße zu verlassen, nach rechts abzubiegen, um auf der Nebenstraße über Rovensko schneller voranzukommen. Auch ein Motorrad mit zwei Soldaten der Waffen-SS nahm die gleiche Route, überholte uns und fuhr voraus.
Bis zur nächsten Kleinstadt Rovensko waren es noch zirka drei Kilometer. Ich durfte wieder einmal im Führerhaus des ersten Fahrzeugs sitzen. Da entdeckten der Fahrer und auch ich, dass jetzt plötzlich zwei bewaffnete Zivilisten anstatt der SS- Soldaten auf dem Motorrad saßen, der Hintermann mit einer Maschinenpistole im Anschlag und die beiden Deutschen vor sich hertreibend. Als diese nicht mehr so schnell laufen konnten, wie gefordert und am Straßengraben nach Luft schnappten, wurden sie vor unseren Augen kaltblütig erschossen. Voller Entsetzen schaute ich zum Fahrer, und auch er schien zu ahnen, in welcher Gefahr wir uns jetzt befanden. Danach fuhren die Mordschützen schnell davon und auch unsere Kolonne folgte auf der schmalen Straße und erreichte danach eine Talsenke, etwa einen Kilometer vor Rovensko.
Hier tauchte urplötzlich eine Anzahl tschechischer junger Zivilisten auf, die uns mit Maschinenpistolen im Anschlag die Weiterfahrt versperrten.
Die Todesfalle von Rovensko
Einer der jungen Tschechen rief auf Deutsch: „Alle absteigen!“
Die über hundert unbewaffneten Soldaten hatten keine andere Wahl, als der Aufforderung nachzukommen, auch nicht die Zivilisten. Jetzt wurde uns befohlen, in Richtung Rovensko zu laufen. Die jungen Tschechen konnten nun endlich über die Deutschen triumphieren. Ständig diskutierten sie untereinander, und irgendetwas mussten sie mit uns vorhaben. Das ungute Gefühl, ihnen in ihrem Siegesrausch jetzt hilflos ausgesetzt zu sein, nahm in den nächsten Minuten schlagartig zu.
Die Spitze der uns vorangehenden Soldaten musste kurz vor dem Ort halten und wir Zivilisten wurden angewiesen, uns auf die linke Straßenseite zu stellen. Wir standen vor einer roten Ziegelmauer, an die ich mich gut erinnern kann. Ein Soldat schrie mir zu, „Zieh deine Tarnjacke aus, sonst denken sie noch, du gehörst zum Militär!“ Ich entledigte mich ihrer, so schnell es ging und warf sie hinter mich.
Einer der Bewaffneten schrie: „Alle Soldaten werfen ihre Erkennungsmarken und Soldbücher auf die Straße!“
Nachdem dies erfolgt war, wurden die ersten zehn in Richtung Ortseingang stehenden Männer weggeführt, eskortiert von mehreren Tschechen. Wir sahen, wie sie hinter einem Hügel verschwanden und waren entsetzt, als wir wenig später mehrere Salven aus den Maschinenpistolen deutlich hören konnten. Als die Bewaffneten zurückkehrten, um die nächste Gruppe abzuführen, ahnten die erfahrenen Frontsoldaten, dass ihnen das gleiche Schicksal unmittelbar bevorstand, hier heimtückisch ermordet zu werden.
Instinktiv versuchten sie, diesem Schicksal zu entrinnen und liefen in verschiedene Richtungen, um noch das schützende Gebüsch auf unserer Straßenseite zu erreichen. In dieser Situation feuerten die Tschechen auf die Flüchtenden und auf uns. Jetzt sah ich, wie die Soldaten reihenweise getroffen wurden und blutend auf der Erde lagen. Andere hatten hinter uns im Graben Schutz gesucht, was dazu führte, dass urplötzlich das Feuer auch auf uns eröffnet wurde.
Neben mir stand eine Frau mit ihrem Säugling auf dem Arm, und zwischen uns, etwas schräg hinter mir, ihre beiden Kinder.
Zuerst sah ich noch für einen kurzen Augenblick, dass die Mutter mit ihrem Kind tödlich getroffen war, und auch ich spürte, wie an mir das Blut an verschiedenen Stellen immer heftiger hervorquoll.
Vom Schmerz zunächst keine Spur, nur immer heißer schien es an verschiedenen Stellen meines Körpers zu werden. Dann wurde mir schwarz vor Augen und ich verlor das Bewusstsein, kam nach einiger Zeit aber wieder zu mir. Die beiden Kinder standen noch neben mir, starrten wortlos auf ihre Mutter und auch auf mich.
Es waren Blicke, die sich tief in mir festsetzten. Immer noch am Boden liegend, bemerkte ich Durchschüsse an der rechten Wange, an der rechten Schulter, am linken Knie und besonders groß an der rechten unteren Wade. Haut und Fleischteile wurden sichtbar und die Achillessehne war offensichtlich durchtrennt.
Plötzlich sah ich ganz in meiner Nähe, wie einige der Tschechen durch die Reihen gingen und jeden Soldaten, der noch lebte, per Kopfschuss töteten.
Dann wendeten sie sich den überlebenden Zivilisten, fünf Frauen und zwei Kindern, zu. Mit letzter Kraft richtete ich in meiner Verzweiflung den Oberkörper auf und zeigte mit einem Finger auf meine Schläfe, als Aufforderung zu schießen.
In diesem Augenblick geschah etwas Unerwartetes:
Ein russischer Offizier sprang plötzlich dazwischen mit den Worten: „Nix, nix!“
Erschrocken schaute ich ihm nach. Und anders als angekündigt, registrierte ich so die erste Begegnung mit einem Angehörigen der Ro...