Das vegetative Nervensystem
Dem Informationsaustausch zwischen den einzelnen Organen des Körpers dienen im Körperinneren zwei Kommunikationssysteme: das vegetative Nervensystem und das endokrine System. Das vegetative (autonome) Nervensystem (VNS) regt die glatte Muskulatur aller Organe und Organsysteme an sowie das Herz und die Drüsen. Es regelt die lebenswichtigen Funktionen der Atmung, des Kreislaufs, der Verdauung, des Stoffwechsels, der Drüsenausscheidung, der Körpertemperatur und der Fortpflanzung.
Die strukturelle Einheiten VNS sind wie im ZNS Neurone. Das menschliche Gehirn besitzt etwa 25 Milliarden Neuronen. Die Größe und Form dieser Neurone schwanken in weiten Grenzen, aber das Grundprinzip bleibt immer gleich. Sie haben einen Zellkörper oder Soma und Fortzätze aus diesem Zellkörper, nämlich ein Axon oder Neurit und meist mehrere Dendriten. Die Einteilung der Neuronenfortsätze in ein Axon und mehrere Dendriten erfolgt nach funktionellen Gesichtspunkten. Das Axon verbindet die Nervenzellen mit anderen Zellen. An den Dendriten, wie auch am Soma, enden die Axone anderer Neurone. Axon und Dendriten zweigen sich gewöhnlich nach ihrem Abgang aus dem Soma in mehr oder weniger zahlreiche Äste auf. Die Verzweigungen der Axone werden Kollaterale genannt. Die Axone und ihre Kollateralen sind von sehr unterschiedlicher Länge, oft nur wenige Mikron kurz, manchmal auch, z.B. bei einigen Neuronen des Menschen und anderen großen Säugetieren weit über einen Meter lang.
VNS unterliegt nicht im gleichen Ausmaß der direkten, willkürlichen Kontrolle wie das somatische (körperliche) Nervensystem. Seine Wirkungen laufen allerdings kaum je isoliert, sondern, wenn wir z.B. an die Atmung oder an die Kreislaufregulation bei wechselnden Belastungen denken, gleichzeitig mit denen des körperlichen Nervensystems ab. Diese enge Zusammenarbeit hat auch ihre strukturellen Entsprechungen. So gehören manche Anteile des ZNS, wie der Hypothalamus, dem einen wie dem anderen an. Das autonome Nervensystem ist aus drei Teilsystemen aufgebaut, dem sogenannten sympathischen Nervensystem oder Sympathikus, dem gewissen parasympathischen Nervensystem oder Parasympathikus und dem Darmnervensystem. Diese Dreiteilung geht auf den englischen Physiologen Langley zurück, der sie um 1900 aufgrund anatomischer Kriterien einführte. Seine Einteilung und Begriffsbildung hat sich bis heute als zweckmäßig und nützlich erwiesen. Die Endstrecken der Teilsysteme Sympathikus und Parasympathikus sind jeweils aus einer zweizelligen Neuronenkette aufgebaut: einem Neuron, das noch innerhalb des ZNS, also im Hirnstamm oder im Rückenmark liegt und einem zweiten, dessen Zellkörper mit anderen eine periphere Zellanhäufung oder ein Ganglion (Knoten) bildet. Entsprechend werden die Ersteren präganglionäre, die Letzteren postganglionäre genannt. Die Neurone des Darmnervensystems liegen in den Wänden des Magen-Darm-Traktes. Diese Neurone sind zum Teil gleich mit den postganglionären parasympathischen Neuronen. Die Zellkörper aller präganglionären sympathischen Neurone liegen im Brustmark und oberen Lendenmark. Die Axone dieser Neurone verlassen das Rückenmark über die Vorderwurzeln und ziehen durch die weißen Äste zu den außerhalb des ZNS liegenden sympathischen Ganglien.
In den sympathischen Ganglien werden die Axone der präganglionären Neurone auf die Zellkörper der postganglionären Neurone umgeschaltet. Ein Großteil der sympathischen Ganglien ist paarweise rechts und links der Wirbelsäule angeordnet und durch Nervenstränge miteinander verbunden.
Zwecks der Anschaulichkeit führen wir nun eine Illustration an, welche konkreten Funktionen sympathische bzw. parasympathische Neurone im Körper auszufüllen vermögen (s. Tabelle):
| Organ | Sympathikus | Parasympathikus |
| Herz | Beschleunigung | Verlangsamung |
| Gefäße | Zusammenziehung | Ausdehnung |
| Koronargefäße | Ausdehnung | Zusammenziehung |
| Pupillen | Erweiterung | Verengerung |
| Bronchien | Ausdehnung | Zusammenziehung |
| Speiseröhre | Erweiterung | Zusammenziehung |
| Magen | Hemmung | Anregung |
| Dünn- Dickdarm | Hemmung | Anregung |
| Blase | Urinstockung | Urinentleerung |
| Genitalien | Gefäßzusammenziehung | Gefäßausdehnung |
| Nebennieren | Anregung der Adrenalinausscheidung | Hemmung der Adrenalinausscheid |
| Schließmuskels | Erregung des Schließmuskels | Erschlaffung des Schließmuskels |
Erkrankungen des VNS
Vegetative Dystonie.
Diese Bezeichnung wurde 1934 von Wichmann eingeführt, was Bergmann im Jahre 1936 „Stigmatisierung“ genannt hatte. Das ist eine Fehlregulation der von Nervus vagus, dem Hauptnerv des parasympathischen Systems, und Nervus sympathikus gebildeten VNS mit Funktionsstörungen an verschiedenen Organen, besonders im Kreislauf, an bestimmten Gefäßabschnitten und am Herzen. Enge Beziehungen zur individuellen Reaktionsart, Erlebnisweise und Persönlichkeit der Kranken. Keine nachweisbare Organschädigung.
Eine Beeinflussbarkeit von Regelmechanismen, die normalerweise der Stabilität des Kreislaufs als geordnete Anpassung der Blutverteilung, des Blutdrucks, der Herzaktion und der Atmung an innere und äußere Anforderungen gewährleisten. Es zeigt sich dabei ein buntes klinisches Bild: Herzklopfen, Herzbeklemmung, Unruhe, Schlaflosigkeit, Schwindelgefühl, Kopfschmerzen, Magendruck, feuchtkalte Hände und Füße. Meist handelt es sich um Neurosen oder psychogene Syndrome.
Vegetative Labilität. Eine angeborene leichte Wandelbarkeit des VNS mit Neigung zu gesteigerter Reaktionsbildung.
Arzneimittel gegen Erkrankungen des VNS
Auf Parasympathikus wirkende Präparate
Neostigmin
Dieses feinwirkende Medikament sollte im Organismus das spaltende Enzym Acetylcholinesterase ünterdrücken. Die Aufgabe dieses Enzyms besteht darin, sowohl an mehreren verschiedenen Umschaltstellen, Synapsen, den chemischen Transmitter Acetylcholin zu spalten. Somit wird er nach der Ausschütung in den synaptischen Spalt desaktiviert. Es bedeutet, dass bei der Hemmung des Enzyms durchs Neostegmin die Konzentration des Acetylcholins im synaptischen Spalt erheblich steigt. Diese vermeintlich einfache Aktion soll das Tonus der Skelettmuskeln und Parasympathika stark erhöhen lassen.
Mögliche Nebenwirkungen
Bei mehreren Patienten treten nach der Einnahme Neostigmins Bronchospasmus, Krämpfe des Magen-Darm-Traktes, Durchfall, niedrigen Blutdruck sowie Kreislaufstörungen auf.
Pyridistigmin
Eine molekulare Wirkung dieser Arznei ähnelt solcher des Neostigmins, indem sie auch das Enzym Acetylcholinesterase hemmt. Diese Beschaffenheit der Medizin lässt sie erfolgreich gegen Muskelschwäche und -Lähmungen anwenden.
Mögliche Nebenwirkungen
Bei etlichen Patienten entstehen nach der Gabe Pyridistigmins Muskelzückungen, Schwitzen, Speichelfluß, Übelkeit, Erbrechen und Durchfall.
Phosphorsäureester
Man verwendet diese Heilmittel gegen bestimmte Formen vegetativer Distonie. Als chemische Stoffe beteiligen sie an der Synthese der DNA sowie Phospholipiden. Deswegen werden sie wie bioorganische Phosphate bezeichnet. Besonders wichtig ist ihre heilende Wirkung bei dem beschädigten Stoffwechsel, was auch bei der Distonie des VNS nicht zu unterschätzen wäre.
Mögliche Nebenwirkungen
Bei einer dauernden Therapie mit dem Phosphorsäureester beschweren sich einige Betroffenen über Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Verdauungstörungen sowie Überempfindlichkeit.
Man darf aber nicht außer Acht lassen, dass bei besonders schweren Vergiftungen mit bestimten Acetylcholinesterasehemmer solche extrm effizienten Reaktivatoren wie Obidoximchlorid sehr wirksam sind. Dieses starke Medikament wurde vom Pharmaunternehmen Merck KGaA unter dem Handelsnamen Toxogonin produziert und vermarkt. Man bringt es als ein Antidot (Gegengift) gegen giftige Phosphorsäureester zum Einsatz. So wirkt Toxogonin wie ein Acetykcholinesterase-Reaktivator, wenn dieses Enzym durch solche Acetylcholinesterasehemmer blockiert wird. Manchmal verwendet man Obidoximchlorid gemeinsam mit dem Atropin, um die Effektivität der beiden zu erhöhen. Die therapeutisch verwendeten Alkoloide wie Atropin, L-Hyoszyamin und Skopolamin sind auch als Inhaltstoffe Solanazeen (Tollkirsche, Samen von Stechapfel und Bilsenkraut) toxikologisch ganz wichtig). Bei der schweren Fliegenpilzvergiftung kann die atropinartige Wirkung des Muskarins, also des Fliegenpilzgifs, überdecken. Teilweise synthetische parasympathische Arzneien, die als Spasmolytika (krampflösende Arzneien), Mydriatika (Pupillen erweiterten Mittel) oder Antiparkinsonmittel verwendet werden, stehen auch toxikologisch den Solanazeen-Alkoloiden nahe.
Auf Sympathikus wirkende Präparate
Noradrenalin
Es ist ein natürliches Hormon und Neurotransmitter (also nervenimpulsübertragene Substanz), das im Nebennierenmark und im Hinterhirn produziert wird. Es wirkt im Körper vorwiegend auf Arteriolen (kleine Arterien, die eine dazwischenliegende Größe zwischen Arterien und Kapillaren haben), indem es sie verengt.
Diese Wirkung führt zur bemerkenswerten Blutdrucksteigerung. Als ein Neurotransmitter zeigt Noradrenalin seinen Einluss auf ZNS sowie auf das sympathische Nervensystem. Man verwendet das Noradrenalin gewohnt als ein Notarzneimittel in Intensivmedizin.
Mögliche Nebenwirkungen
Bei mehreren Patienten führt die dauerhafte Gabe Noradrenalins zu starken Kopfschmerzen, Herzrhythmusstörungen, Benommenheit, Schwindel, Schwäche, Unruhe und Schlaflosigkeit.
Adrenalin
Im Unterschied zum Noradrenalin (von dem es chemisch gesehen abgeleitet wird) wird das Adrenalin nur im Nebennierenmark produziert. Dieses Stresshormon und Neurotransmitter sorgt im Körper für die Steigerung der Herzfrequenz, des Blutdrucks sowie für die Erweiterung der Bronchiolen (kleinen Bronchen). Es fördert einen raschen Fettabbau, um eine momentane Energiegewinnung zu erreichen, und Biosynthese und Freisetzung der Glucose. Auch eine intensive Schweißproduktion und die Gänsehaut kann es erzeugen.
In der Medizin kommt es bei der Wiederbelebung beim Herzstilstand, Überempfindlichkeitsschock sowie Sepsis zum Einsatz. Es beeinflusst sowohl ZNS, als auch das sympathische Nervensystem.
Mögliche Nebenwirkungen
Bei vielen Betroffenen entstehen nach der Adrenalininjektion starke Erhöhung des Zuckerblutspiegels, Kopfschmerzen, Schwindel, Herzklopfen und -rhythmusstörungen, Übelkeit, Erbrechen, Schwäche, Atembeschwerden und Zittern.
Andere auf das Sympathikus wirkende Medikamente wie z.B. Naphasolin in Nasen- oder Augentropfen, Ephedrin, Isoprenalin oder Orziprenalin in Asthmamitteln sollen hauptsächlich lokale Probleme lösen lassen. Bedauerlicherweise ist es nicht immer möglich, die Überlegenheit der sympathischen oder parasympathischen eindeutig zu erkennen. Das ist besonders dann der Fall, wenn Phasen der Erregung und Lähmung des adrenergen und cholinergen Systems sich überschneiden und dadurch eine schwer aufklärbare Symptomenfülle zu beobachten ist. Selbstverständlich ist auch zu berücksichtigen, dass das VNS bei allen schweren Vergiftungen sekundär in Mitleidenschaft gezogen werden kann und dass entsprechende Symptome diagnostisch und therapeutisch nicht überbewertet werden dürfen.
Homöopathie verwendet bei den schwerenVNS - Krankheiten den Symptomen und persönlichen Beschaffenheiten entsprechend ein Mittel aus der folgenden Reihe: Fliegenpilz (Agarikus muskariu), Zink (Zinkum metallikum), Kaliumphosphat (Kalium phosphoricum) sowie Gelber Phosphor (Phosphorus) in kleinen Potenzen.
Außerdem empfehlen viele Homöopathen Calmedoron (alter Name Avena sativa – echter Hafer), Neurodoron, das Gold (Aurum metallicum), Ferrum-Quarz sowie Kaliumphosphat beinhaltet, sowie das Lavendelöl.
Schlafstörungen
In mehreren Industrieländern gehören schon Schlafprobleme zu Bevölkerungskrankheiten. Dabei kommen häufig sowohl die Schwierigkeiten des Einschlafens als auch der Schlafdauer vor. Das heißt, man kann zuerst über eine Halbestunde nicht einschlafen und darauf wacht man nach sechs Stunden wieder auf. Als Ursache nennen Fachleute äußere Reizerreger, wie Lärm oder helle Nächte, Aufreizen oder psychische Angelegenheiten. Nicht selten helfen bei Schlafstörungen die Aufdeckung und die Beseitigung der Ursache der Störung. Medikamentöse Behandlung dieser Erkrankung begann v...