1 Einleitung
1.1 Motivation und Zielsetzung
Der Titel Geldwende steht für eine Wende in der Geldordnung hin zu einem nachhaltigen und fairen Finanzwesen mit einem stabilen Geldsystem.
Der Schlüssel für eine Reform liegt in einem Umdenken in der Antwort auf die Frage: „Was ist Geld?“.
Fast alle Menschen sind überzeugt, dass Banknoten und Münzen Geld sind und wundern sich, aufgrund welcher „Magie“ ein Stück aufwendig bedrucktes Papier oder ein Stück geprägtes Metall eine derartige Macht entfalten und Besessenheit auslösen kann, wie sie mit Geld offensichtlich erfahren wird.
In diesem Buch wird im Detail dargelegt, dass Banknoten und Münzen kein Geld sind, sondern Geld lediglich nachweisen. Das eigentliche Geld, das die „Magie“ bewirkt und durch Banknoten und Münzen nachgewiesen wird, ist etwas ganz anderes. Der Unterschied ist so ähnlich wie der zwischen einem Personalausweis und der Person, die in diesem Ausweis nachgewiesen wird, aber mit dem Unterschied, dass Personen materiell und das eigentliche Geld immateriell und daher unsichtbar ist. Was wir mit unseren Sinnen nicht wahrnehmen können, ist generell schwierig zu verstehen und für viele unfassbar. Das „Unfassbare“ am Geld sichtbar und begreiflich darzustellen, ist ein Ziel dieses Buches.
Banken verleihen das Geld ihrer Kunden. – So stellt sich die überwältigende Mehrheit vor, wie Banken funktionieren. Und Banken behaupten, dass sie genau so funktionieren.
Die Fakten zeigen jedoch, dass Banken ihre Bürotürme mit selbstgemachtem Geld bezahlt haben und Kredite werden mit selbstgemachtem Geld bereitgestellt. Auch werden wertmäßig die überwältigende Mehrheit aller Zahlungen9 mit dem selbst gemachten Geld der Geschäftsbanken geleistet.
Wer mit selbstgemachtem Geld Güter und Dienstleistungen kaufen und Kredite vergeben kann, hat gegenüber allen Anderen, die für Geld gleichwertige Gegenleistungen erbringen müssen, einen unschlagbaren Vorteil. 2015 hatten die deutschen Banken Güter im Wert von ca. 2.700 Mrd. € in ihren Bilanzen, die mit selbstgemachtem Geld bezahlt wurden. Das sind Leistungen der Realwirtschaft in der Größenordnung des Bruttoinlandsproduktes für ein Jahr, für die der Finanzsektor keine Gegenleistungen erbracht hat. Zu diesem Betrag kommen noch Geldschöpfungsgewinne aus der Vergabe von Krediten mit selbstgemachtem Geld.
In den Leistungen der Realwirtschaft ohne Gegenleistungen durch den Finanzsektor liegt die Relevanz und Brisanz der Frage, ob, in welchem Umfang und mit welcher Wirkung der Finanzsektor Geld selbst herstellen und in Umlauf bringen kann. Dabei ist die damit verbundene Ausbeutung nur ein Aspekt. Finanzkrisen wie 2007/2008 haben eine wesentliche Ursache in der Geldschöpfung durch den Finanzsektor. Nach einer Studie der Commerzbank10 beträgt der weltweite Schaden der Finanz- und Wirtschaftskrise bis Ende 2009 ca. 10.500 Mrd. $. – Eine Größenordnung, die an den materiellen Schaden des 2. Weltkrieges heranreicht.
Es gibt somit gute Gründe die derzeitige Geldordnung zu reformieren, damit das Finanzwesen wieder seinen Aufgaben gerecht wird: den Menschen und der Realwirtschaft zu dienen.
Es geht in dieser Analyse nicht darum, Erträge des Bankensektors für tatsächlich erbrachte Leistungen in Frage zu stellen oder zu bewerten.
Das Ziel dieser Analyse und ihrer Darstellung besteht darin, den Leser in die Lage zu versetzen, durch eigenes Verstehen den Sachverhalt zu begreifen und selbst die strittigen Fragen entscheiden und begründen zu können.
Bei der Diskussion der hier vorgestellten Theorien wurde wiederholt eingewandt, dass die rechtlichen und mathematischen Darstellungen viel zu kompliziert seien.
Mein erklärtes Ziel ist, die Dinge so einfach wie möglich darzustellen, – aber wie schon Albert Einstein sagte: nicht einfacher. Der Sachverhalt einerseits und der erforderliche Detaillierungsgrad andererseits bestimmen die Komplexität in der Darstellung und wir sollten uns hüten, der Einfachheit halber „Geschichten“ zu erzählen.
Für einen Anwender kann z. B. die Darstellung eines Programms sehr viel einfacher sein als für einen Programmierer, der einen Fehler in diesem Programm beseitigen soll. Der entscheidende Punkt ist dabei, dass die Beschreibung für den Anwender nahtlos in eine Beschreibung für den Programmierer überführt werden kann.
Wer unsere Geldordnung und unser Geld reformieren möchte, der muss m. E. Geld bis in die Bits und Bytes verstehen. Ansonsten läuft man Gefahr Opfer der eigenen Illusionen zu werden.
Wer über die Herstellung von Bier redet, der muss über Hopfen, Malz, Hefe und Wasser reden. – Und wer über Geld redet, der muss über Rechtsbeziehungen reden; sie sind das „Wasser“ bei er Herstellung von Geld.
Strafrechtlich und technisch wird ein enormer Aufwand betrieben, um das Nachmachen von Banknoten und Münzen zu verhindern. Zu diesem Zweck wurde z. B. 2017 eine neue 50-Euro-Banknote mit erheblich verbesserten Sicherheitsmerkmalen eingeführt. Für alle Menschen ist offensichtlich, warum diese Maßnahmen notwendig sind. Es gäbe einen Aufstand, wenn die Regierung ein Gesetz erlassen würde, die es einer ausgewählten Gruppe von Menschen oder Unternehmen erlauben würde, Euro-Banknoten nachzumachen, um damit ihre Rechnungen zu bezahlen.
Um so erstaunlicher ist es, dass das Nachmachen von Giralgeld11 durch die Geschäftsbanken in der öffentlichen Diskussion kaum angekommen ist. Für die meisten Menschen ist schlicht und einfach unvorstellbar, dass Banken Geld nachmachen und sie können auch nicht verstellen, wie das funktionieren sollte.
Die mögliche Ursache liegt auch hier in deren Antwort auf die Frage „Was ist Geld?“
Die Auseinandersetzung wurde bisher auf der Ebene von Bankbilanzen geführt. – Aber eine Bankbilanz hat mit Geld und Geldschöpfung genauso viel oder wenig zu tun wie eine Ligatabelle mit den erfassten realen Fußballspielen. Eine Ligatabelle „bilanziert“ spielrelevante Ergebnisse, aber die Spiele selbst sind etwas ganz anderes. Dieser Unterschied ist bei Bankbilanzen und Geld mindestens genauso groß, jedoch kaum bekannt. – Die allgemeine Wahrnehmung von Geld endet auf der Ebene von Banknote und Bankkonten.
Diese Wahrnehmung führt auch zu der Behauptung: „Banken schöpfen Geld aus dem Nichts.“ Diese Behauptung ist vergleichbar mit der These: „Pflanzen wachsen aus dem Nichts.“ Diese Aussage ignoriert die Bedeutung der Biosphäre für das Wachstum von Pflanzen. Die Rechtsordnung ist die „Biosphäre“ für Geld und Geldschöpfung und wird bei der „Geldschöpfung aus dem Nichts“-These nicht beachtet. In dieser Studie wird die Bedeutung der Rechtsordnung für Geld dargelegt. Zur Verdeutlichung wird gezeigt, wie durch einen einzigen zusätzlichen Paragrafen alles Geld und der gesamte Finanzsektor schlagartig vernichtet werden könnte. Der Zusatz lautet: „Ansprüche auf Geld sind nichtig.“12
Wenn eine Ligatabelle alles ist, was man über Fußball weiß, dann wäre ein reales Fußballspiel eine ziemliche Überraschung. Eine ähnliche Überraschung bietet diese Analyse demjenigen, der Münzen, Banknoten und die Daten auf Girokonten für Geld hält. Die Analyse zeigt, dass Münzen, Banknoten und die Daten auf Girokonten Geld lediglich nachweisen, aber nicht das reale Phänomen Geld ist. Das reale Phänomen Geld ist etwas ganz anderes.
Der Unterschied ist wie gesagt so ähnlich wie der zwischen einem Personalausweis und der ausgewiesenen Person. Ein Personalausweis weist eine Person aus, aber die ausgewiesene reale Person ist etwas ganz anderes.
Egal wie lange man einen Personalausweis studiert, die reale Person kann und wird man auf diese Art weder kennen lernen, noch verstehen; analoges gilt für Bankbilanzen und Geld. Deshalb wird Geld in dieser Studie auf der realen Ebene und unabhängig von Bilanzen detailliert beschrieben und anschaulich dargestellt.
1.2 Gliederung
In Kapitel 2 wird die reale Ebene von Banken analysiert und festgestellt, dass nicht nur materielle Dinge real sind. Für Banken spielen Rechtsbeziehungen und Rechte eine überragende Rolle und sind der Ansatz für die Wende in der Betrachtung von Geld. Es werden die hierfür notwendigen juristischen Begriffe anschaulich dargelegt und erklärt.
Danach werden die Leistungen einer Bank, das sind Finanzdienstleistungen und Finanzprodukte, analysiert.
In Kapitel 3 werden Schlüsselideen in der Geldentwicklung aufgezeigt. Vom Gold bis hin zum sog. Finanzinstrument. Geld im weiten Sinne ist das, was heute als Finanzinstrumente bezeichnet wird.
Im 4. Kapitel wird die Frage beantwortet: „Was ist Geld auf der realen Ebene?“ Begonnen wird dieses Kapitel mit einer Kritik an der herrschenden Sichtweise und leitet über zur Feststellung, dass Geld ein Produkt der Rechtsordnung ist.
In einer funktionalen Theorie werden alle notwendigen und hinreichenden Anforderungen für alle Arten von Geld zu allen Zeiten und in allen Kulturen spezifiziert.
Verschiedene sog. materielle Theorien implementieren diese Anforderungen und führen so zu den bekannten Geldarten wie z. B. Kurantgeld, Kreditgeld aber auch Bitcoins.
In Kapitel 4.4 werden die abgeleiteten Eigenschaften und Funktionen von Geld entwickelt. Die Gliederung erfolgt nach direkten, wirtschaftlichen und sozialen Eigenschaften und Funktionen.
In Kapitel 5 wird die Herstellung, Übertragung und Vernichtung von Kreditgeld am Beispiel des Euros gezeigt.
Im 6. Kapitel wird auf das „eigentliche“ Bankgeheimnis eingegangen: Die Geldschöpfung und der Geldschöpfungsgewinn im Bankensektor. Im Detail und bis auf die Buchungsebene wird gezeigt, wie dieser Gewinn entsteht.
In Kapitel 7 wird der Frage nach gegangen: „Woher kommt und was ist die Macht des Geldes?“
In Kapitel 8 wird die Rechnungslegung von Banken neu durchdacht und festgestellt, dass die aufgezählten Aktiva und Passiva unvollständig und im Wertansatz überwiegend falsch sind. Durch eine Korrektur der aufgezeigten Fehler könnte die Transparenz und Aussagefähigkeit von Bankbilanzen erheblich verbessert werden.
Im Literaturverzeichnis steht nur die direkt zitierte Literatur. Inhaltlich steht dieses Buch in der Schuld von sehr vielen ungenannten Autoren, deren Ideen und Arbeit ich durch dieses Buch weitertragen möchte.
1.3 Zusammenfassung und Ergebnisse
Eine Bilanz ist Dokumentation und Interpretation der realen Ebene, aber nicht die reale Ebene selbst, in der Geld existiert. Buchungssätze dokumentieren, filtern und bewerten vermögensrelevante Geschäftsvorfälle und bilden damit die reale Ebene eines Unternehmens in einer ganz bestimmten Art und Weise ab.
Auf der Basis der realen Ebene von Banken wird eine funktionale Theorie entwickelt, die alle notwendigen und hinreichenden Anforderungen für alle Arten von Geld zu allen Zeiten und allen Kulturen spezifiziert. Materielle Definitionen implementieren diese Anforderungen und führen so zu den bekannten Geldarten, wie z. B. Warengeld, Kurantgeld, Kreditgeld, Finanzinstrumente, Vollgel...