Revolution 100 Years After
  1. 300 Seiten
  2. German
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eBook - ePub

Über dieses Buch

Die historische Spannbreite der hier editerten Vorträge reicht von der Theorie der politischen Revolution bei Aristoteles bis hin zur Frage, unter welcher Perspektive man die G20-Krawalle 2017 in Hamburg als revolutionär betrachten kann. Die Autorinnen gehen keineswegs von einer gemeinsamen theoretischen Linie oder einem gemeinsamen politischen Standpunkt aus. Gemeinsam ist den Vorträgen aber die Neugier danach zu suchen, welche Rolle die Idee der Revolution heute noch spielt, die bis in die 1960er Jahre hinein viele faszinierte und beseelte, sei es bei revolutionär Engagierten oder anderweitig Aktiven. Dabei werden auch unterschiedliche Blickwinkel auf einige historische Ereignisse geworfen, die bis heute das Denken über Revolution prägen. Sowenig dürfen Überlegungen zu den neuesten technologischen Entwicklungen fehlen, die z.B. die Revolutionen in Arabien beflügelten. Und natürlich stellt sich immer wieder die Frage, wohin die revolutionäre Reise geht oder ob die Epoche der Revolution beendet ist.

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Information

ÜBERLEGUNGEN
Andrea Umhauer

(UN)MÖGLICHKEITEN VON GEWALTFREIEM
WIDERSTAND.

Historischer Überblick über Widerstandstheorien

Der Begriff des Widerstands erfährt von der Vormoderne bis ins 20. Jahrhundert einen historischen Wandel und verändert sich von einer wiederherstellenden zu einer zerstörerischen bis hin zu einer auf Veränderung abzielenden Praxis.
In der vormodernen Herangehensweise waren zwei Verwendungen des Begriffs dominant. Er wurde entweder pejorativ oder affirmativ verwendet. Im pejorativen Gebrauch war er ein Synonym für Auflösungsbestrebungen gegenüber der politischen Ordnung. In diesem Kontext wird Widerstand jegliche Legitimation abgesprochen und er erscheint als eine destruktive Kraft, denn die vorherrschende Ordnung gilt als unhinterfragbar, der Widerstand somit als Zerstörer der politischen Ordnung. [1] In seinem affirmativen Gebrauch ist Widerstand ein ,,restaurativer Reaktionsbegriff, der auf die Wiederherstellung einer dem Gemeinwohl dienenden, mit vorpolitischem Recht und Gesetz im Einklang befindlichen Ordnung zielte.“ [1] Der Widerstand hat damit die Funktion den politischen Organismus, sollte dieser einmal straucheln, zu retten oder zu heilen. [1] Damit wird ihm eine stabilisierende, die herrschende Ordnung unterstützende Funktion, zugewiesen. Er soll die politische Ordnung nicht von Grund auf verändern, sondern vielmehr zu ihrer Wiederherstellung beitragen oder durch kleine Adaptionen ihre Stabilität garantieren. Im Kontext der Vormoderne ist Widerstand auf kleine soziale Gruppen beschränkt. [1]
Auch in der Moderne haftet dem Widerstand eine Bedeutung des illegitimen Aufruhrs an. Die Souveränität gilt als höchste ungebundene Gewalt und damit ist Widerstand völlig inkompatibel. [1] Ein Wandel vollzieht sich erst mit Locke und Rousseau. Sie gestehen Widerstand eine gewisse Legitimität unter der Voraussetzung, dass die Regierungsinstitutionen ihre Funktion nicht mehr ausüben, vertragsbrüchig oder usurpiert werden, zu. [1] Dadurch, dass der Akt der Regierungseinsetzung ein Gesetz ist, dass die Träger*innen der vollziehenden Gewalt die Diener*innen des Volkes sind, welches diese ein- und absetzen kann (18. Kapitel, Mittel, den Usurpationen der Regierungen vorzubeugen [2]), wird Widerstand gegen Regierende Teil einer mündigen Gesellschaft. Wird eine bestehende Regierungsform mit dem Gemeinwohl unvereinbar, kann diese durch die Allgemeinheit verändert werden (18. Kapitel, Mittel, den Usurpationen der Regierungen vorzubeugen [2]) Halten sich die Regierenden nicht mehr an die Regeln, ist dies in Folge auch für die Regierten legitim und Widerstand wird zu einer möglichen Handlungsoption.
Hier wird Widerstand erstmals zu einer Massenbewegung. Es ist die Rede von einer Allgemeinheit, welche in bestimmten Fällen Widerstand leistet oder die Regierenden durch andere Regierende ersetzt. Dadurch bekommt der Widerstandsbegriff fortschrittliche und produktive Nuancen. [1] Die Allgemeinheit kontrolliert die Herrschenden und die Macht der Souveränität ist nicht mehr uneingeschränkt, sondern abhängig von der Bewertung der Regierten.
Geschichtsphilosoph*innen, allen voran Hegel, merken an, dass Rechte und Pflichten als veränderlich gedacht werden müssen. Widerstand ist folglich eingebaut in den Fortschritt des Geschichtsverlaufs und treibt diesen entweder voran oder widersteht gewissen drängenden Kräften des Veränderns. [1]
So sieht Marx beispielsweise Widerstand als Vorstufe zur Revolution und als internationale, geschichtliche Aufgabe des Proletariats.
Zudem kann Widerstand gegenpolig verwendet werden, als Widerstand der kapitalistischen Klasse, den es zu überwinden gilt auf dem Weg zur klassenlosen Gesellschaft. Oder Widerstand als progressive, historisch gebotene Aufgabe. [1] Widerstand geht in beide Richtungen, kann damit auch gegen Versuche der Änderung der Verhältnisse gerichtet sein. „Der Widerstand des Bürgertums gegen das Ancien Régime erscheint dann etwa als progressiv, bürgerlicher Widerstand gegen die Diktatur des Proletariats hingegen als reaktionär.“ [S. 15, 1]

Vom Widerstand zum Subjekt

Mit der Moderne werden immer mehr Personen als potenziell widerständige Subjekte angesprochen. „Damit wird der Widerstand zu einer Frage der Massenmobilisierung und der Massenorganisation.“ [S. 15, 1] Er kann strategisch und taktisch eingesetzt werden. Widerstand richtet sich nicht mehr nur gegen eine Person, eine herrschende Schicht, eine Regierungsform (Vormoderne), sondern kann sich gegen die Herrschaftsverhältnisse einer gesamten Gesellschaftsformation richten. [1]
Im 20 Jahrhundert ergeben sich neue Bedeutungskomponenten in der Begriffsgeschichte des Widerstands. Fanon betont den Aspekt der Subjektwerdung durch die gewaltsame Befreiung. Widerständige Praktiken sind damit produktiv und kollektive Gewalt gilt als eine aus der kolonialen Unterdrückungsstruktur entspringende Notwendigkeit zur aktiven Befreiung. [3]
Auch bei Camus ist die Veränderung des Subjekts, wenn es sich in den Widerstand bzw. die Revolte begibt, Teil der Analyse. Erst durch das Revoltieren wird die*der Mensch menschlich bzw. zur*m Menschen. Sie*Er setzt sich zur Wehr, erträgt Ungerechtigkeiten nicht mehr lautlos, sondern fordert ein gehört zu werden, Mensch zu sein und Anspruch und Anerkennung zu erhalten. Diese neue Form ihrer*seiner selbst ist das eigentliche revolutionäre am Widerstand bzw. der Revolte. Die*Der Mensch wird erst über das erfahren der*s eigenen Selbst als revoltierendes Selbst zum Subjekt. „In unserer täglichen Erfahrung spielt die Revolte die gleiche Rolle wie das >Cogito< auf dem Gebiet des Denkens: Sie ist die erste Selbstverständlichkeit. Aber diese Selbstverständlichkeit entreißt den Einzelnen seiner Einsamkeit. Sie ist ein Gemeinplatz, die den ersten Wert auf allen Menschen gründet. Ich empöre mich, also sind wir.“ [4] Zusätzlich erfährt sich das nun entstandene Subjekt über die Revolte als Teil einer Gemeinschaft. Die*Der Einzelne kämpft nicht für sich alleine, sondern gegen Ungerechtigkeiten, die ihr*ihm selber oder anderen Menschen wiederfahren. Sie*Er kämpft mit allen Menschen und für alle Menschen, die Ungerechtigkeit oder Gewalt erlebten.
Zudem wird in existenzphilosophischen Ansätzen der subjektive Entscheidungscharakter und der damit einhergehende Zwang zur individuellen Verantwortung hervorgehoben. Menschen sind allein ohne Entschuldigung und ohne Rechtfertigung in ihrer Existenz. Sie sind zur Freiheit verurteilt. Einmal in dieser Welt ist jede*r Einzelne für das eigene Tun und im weitesten Sinne für das Tun aller verantwortlich. [5]
Ein weiterer wichtiger Aspekt des Widerstandsbegriffs im 20. Jahrhundert ist die Erkenntnis, dass Widerstand auch ohne Kollektivsubjekt möglich ist. So sind beispielsweise kulturelle Deutungskämpfe Teil politischer Praxis. Der Staat ist Hegemonie gepanzert mit Zwang. Diese Hegemonie wird in vielen gesellschaftlichen Bereichen ausgefochten. „Das heißt, in der Herrschaftsordnung des integralen Staates verflechten sich Elemente der Zwangsgewalt („politische Gesellschaft“) mit Elementen der diskursiv-ideologischen Bedeutungsproduktion durch klassengebundene Intellektuelle und Parteien, die sich in den lebenspraktischen Alltag(-sverstand) einschreiben („zivile Gesellschaft“).“ [1]
Kulturwissenschaftliche Subjektanalysen gehen von impliziten gesellschaftlichen Wissensordnungen, zentralen Codes und Unterscheidungen, die diese strukturieren und den Raum möglicher Praktiken und Diskurse und Subjektformen abstecken, aus. [6] Damit bekommt Widerstand die Dimension sich neben dem Aufruhr gegen einen Staat als möglichen Zwangsapparat auch auf die Veränderung dominanter herrschaftsproduzierender Diskurse zu richten. Ein Widerstand der auch von einem Individuum ohne Kollektivsubjekt ausgeführt werden kann. Damit kann Widerstand als allgegenwärtige soziale Praxis gesehen werden. „Wo es Macht gibt, gibt es Widerstand. Und doch oder vielmehr gerade deswegen liegt der Widerstand niemals außerhalb der Macht.“ (Foucault nach Selk [1]). Foucault beschreibt hier Widerstand als viele Punkte innerhalb eines Netzes der Macht. Es gibt verschiedene Arenen des Widerständigen und verschiedene Handlungsfelder. Widerstand muss sich nicht gegen einen Staat als Zentrum richten, sondern die Widerstandspunkte sind quer durch die Gesellschaft gestreut und diese erscheint als von Widerständen durchsetzt. [1] Im ökonomischen Feld ist eine Entpolitisierung und Kommerzialisierung des Widerstandsbegriffs zu beobachten. Widerstandssymbole werden über Kleider und Accessoires zum Teil eines „radical chic“ und haben Einzug gefunden in die Kaufhäuser und den modischen Mainstream. Widerstand kann mittlerweile als Teil des täglichen, sozialen Daseins beschrieben werden und gilt als etwas Produktives. So ist zum Beispiel eine Aufgabe des Führungspersonals in Unternehmen das produktive Potenzial von Widerstand freizulegen und eine Atmosphäre zu schaffen, in der Widerstand in Innovation und Kreativität verwandelt wird. Widerstand muss also nicht gebrochen, sondern regiert und gemanagt werden. [1] Passend dazu die*der Arbeitskraftunternehmer*in mit ihrer*seiner wichtigen Eigenschaft der Widerstandsfähigkeit, wie sie*er von Voß und Pongratz beschrieben wird. Es zeigt sich eine Erhöhung von Handlungs- und Gestaltungsräumen, die sich für eine individualisierte Berufstätigkeit und Lebensführung nutzen lassen [7], während sich zugleich neue Anforderungen an das Profil einer*eines Angestellten ergeben. Pongratz definiert diese Veränderungen als eine Entwicklung vom Typ der*des verberuflichten Arbeitsnehmerin*s hin zu dem Typ der*des Arbeitskraftunternehmerin*s, welche*r sich durch eine erweiterte Selbstkontrolle, einem Zwang zur verstärkten Ökonomisierung der eigenen Arbeitsfähigkeiten und -leistungen sowie einer Vertrieblichung der alltäglichen Lebensführung auszeichnet. [7] Ein gelungenes Beispiel wie Widerstand in wirtschaftliche Produktivität übersetzt und betriebswirtschaftlich genutzt werden kann.

Gewalt oder Gewaltfreiheit

Die letzte beschriebene Form von Widerstand ist gewaltfreier Widerstand. Widerstand der sich gegen eine gesamte Lebensweise richtet und deswegen keine Gewalt anwendet oder verwendet. Mittel und Ziele sind nicht unabhängig voneinander, sondern verhalten sich zueinander. Demnach könne Gewalt nicht mit Gewalt abgeschafft werden, wenn die Ziele Gewaltfreiheit und Freiheit von Unterdrückung und Herrschaft lauten.
In einem demokratischen Rechtsstaat darf die einzelne Person nur Gewalt ausüben, wenn der Staat ihr diesen Auftrag erteilt. Alle haben sich im Zivilleben gewaltlos zu verhalten. Die gewaltfreie Aktion ist somit ein legitimes Mittel zivilen Widerstands bzw. werden die Begrifflichkeiten gewaltfreie Aktion und ziviler Widerstand oftmals synonym verwendet, da die gewaltfreie Aktion DAS Mittel des zivilen Widerstands ist. Je nach Fokusgruppe wird der eine oder der andere Begriff präferiert. Zusätzlich gibt es Bestrebungen Gewaltfreiheit durch einen Begriff zu ersetzen, der über eine Negierung, dessen was nicht sein soll hinausgeht. Gewaltfreiheit respektiert die*den Gegner*in als Menschen und zielt darauf ihr*sein Verhalten zu ändern, nicht jedoch sie*ihn zu vernichten. [8] Der Weg für eine gemeinsame Zukunft steht den Konfliktparteien damit offen.
Ziviler Widerstand, meint eine „zivile Form der Auseinandersetzung, die soziale, wirtschaftliche und politische Formen de...

Inhaltsverzeichnis

  1. Über das Buch
  2. Motto
  3. Inhaltsverzeichnis
  4. Vorwort des Herausgebers
  5. Grundlagen
  6. Ereignisse
  7. Überlegungen
  8. Autorinnennotizen
  9. Impressum