Fluchgeschichten
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Fluchgeschichten

  1. 516 Seiten
  2. German
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Fluchgeschichten

Über dieses Buch

Der Autor verfolgt die Geschichte einer Sippe über die Jahrhunderte - vom antiken Jerusalem bis ins heutige Rheinland. Diese Sippe zeichnet sich dadurch aus, dass sie über magische Macht verfügt, Flüche aussprechen und verhängen zu können. In der Antike galten Flüche als sicheres Mittel, Unglück über Menschen zu bringen. Solche Flüche konnte man kaufen und gezielt einsetzen. Selbst heute kennen Menschen das ungute Gefühl, dass bei manchen unglücklichen Verkettungen mehr als Zufall im Spiel sein könnte.Der Autor zeichnet die Schicksale bestimmter Menschen dieser Sippe in verschiedenen Jahrhunderten. Entstanden sind detailreiche Miniaturen einzelner Lebenswege, deren Verlauf durch die außergewöhnliche Kraft des Fluches bestimmt wird.Die einzelnen Episoden zu Themen wie "Schicksal und Tod", "Schuld und Freiheit", "Fluch und Glück" formt der Autor zu einer Gesamterzählung von Beginn der Zeitrechnung bis heute.Schauplätze des Romans sind Palästina/Israel und Gallien zur Römerzeit, Frankreich des 18. Jahrhunderts, Deutschland und Schweden zur Zeit des Dritten Reiches, Europa und Ägypten der Jetztzeit.

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Information

Jahr
2018
ISBN drucken
9783740746391
eBook-ISBN:
9783740794606
Auflage
2
Thema
History

VII. 1938 Schüleraustausch

VII.1 Erfurt
„Amtlicher Teil
dieser Erlass wird nur im RMinAmtsbl.DtschWiss. veröffentlicht.
Berlin, den 24. Februar 1938.
Der Reichs- und preußische Minister
für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung.
Im Auftrage: Holfelder
an den usw.
131. Deutsch-nordischer Schüler-Austausch 1938.
Die Deutsche pädagogische Auslandsstelle (pädagogische Abteilung des Deutschen Akademischen Austauschdienstes) führt wie alljährlich auch in diesem Sommer für deutsche Schüler und Schülerinnen einen Ferienaustausch nach Schweden, Finnland, Norwegen und Dänemark durch. Der Austausch verfolgt das Ziel, der deutschen Jugend das Erlebnis der nordischen Länder aus eigener Anschauung heraus zu vermitteln und zugleich der Jugend dieser Länder den Zugang zu Deutschland zu ermöglichen. Aufgrund einer mehrjährigen Tradition hat sich der Austausch von Familie zu Familie als diejenige Form erwiesen, die der Eigenart der genannten Völker am ehesten entspricht. Die Austausche von Haus zu Haus zwischen den deutschen und ausländischen Teilnehmern lösen sich zeitlich ab.
Mit der Durchführung hat die Deutsche pädagogische Außenstelle des Deutschen akademischen Austauschdienstes folgende Leiter beauftragt:
Schweden: Studienrat Dr. Wohlrab, Rähnitz-Hellerau bei Dresden, Markt 12.
usw.
Aus Gründen der einvernehmlichen Planung und im Hinblick auf schon lange bestehende Verbindung ist eine Aufteilung der in Frage kommenden Reichsgebiete auf die einzelnen nordischen Länder erforderlich.
Schweden: Berlin, Braunschweig, Hannover, Ostpreußen, Sachsen, Thüringen, Württemberg.
Soweit erforderlich, ist den am Deutsch-Nordischen Austausch teilnehmenden Schülern und Schülerinnen der erforderliche Sonderurlaub zu gewähren.
Berlin, den 26. Februar 1938.
Im Auftrage: Wacker“
Marie freute sich auf ihre Freundin Birgitta. Ein Jahr zuvor hatten sie auf Öland in Schweden an einem kleinen Ort namens Djupvik einen wunderbaren Sommer mit deren Schwester Karin und den Freundinnen, den Segelscouts, verlebt. Es war eine herrliche Zeit der Unabhängigkeit von den Eltern und der Entdeckungen mit Ausflügen und Bootsfahrten und besonders dem schwedischen Mittsommerfest gewesen. Sie schrieben sich seitdem regelmäßig. Es war für Marie ein Glück, dass ein staatliches Austauschprogramm den Besuch von Birgitta aus Schweden möglich machte. Marie hoffte, ihr alles, was ihr in Erfurt und Umgebung, ja im ganzen deutschen Reich wichtig erschien, zeigen zu können. Es wurde zwar viel mehr reglementiert als in Schweden, aber sie waren jung und fühlten sich unabhängig und unberührt von engherzigen Regeln.
Der Zug aus Berlin war schon auf der großen Kreidetafel angezeigt.
Marie Haubitzer und Magdalena Muthesius standen mit ihrer Deutschlehrerin Frau Gebhardt und dem Direktor Gottlieb Faber in der Empfangshalle des Erfurter Hauptbahnhofs. Jeder von ihnen hatte schon die Bahnsteigkarte in der Tasche. Sie waren eine dreiviertel Stunde zu früh im Bahnhof eingetroffen, nachdem Direktor Faber sie in ihr Mädchengymnasium, die Königin Luise Schule, gerufen hatte, um die letzten Vorbereitungen zu treffen.
Sie trafen sich in seinem Arbeitszimmer im ersten Stock. Zunächst ging es darum, dass das wieder erstarkte Deutschland mit seinem entschlossenen, energischen und strengen Streben würdig und nachdrücklich, quasi in einer heiter-strengen Stimmung, den nordischen Mitgliedern der germanischen Völkerfamilie im Rahmen des Schüler-Austausches präsentiert werden sollte.
In seinem kurzen wohlwollenden Vortrag zur Verständigung der nordischen Völker untereinander, hatte der Direktor noch einmal auf die wunderbare großartige Zukunft Deutschlands unter seinem Führer hingewiesen. Bei diesen Worten richtete sich der ohnehin schon groß gewachsene, schlanke Mann auf. Mit seiner sonst etwas nach vorne geneigten Haltung, dabei aber durchaus eleganten und lebhaften Art hatte er das Wesen eines Gelehrten und begeisterten Pädagogen. An dieser Stelle versuchte er nun, die eigentlich erforderliche heroische Haltung einzunehmen, die die neue Zeit im Jahre 1938 von ihm erwartete, was ihm allerdings immer noch nicht vollständig gelang. Seine Eigenständigkeit, seine freie Art zu denken, schien ihm jetzt allmählich hinderlich zu werden.
Er fuhr fort. Die Gäste aus Schweden sollten die Verbundenheit des deutschen Volkes mit seiner deutschen Scholle und seinem völkischen Blut kennenlernen. Das unverbrüchliche Bekenntnis zu Aufstieg, Ruhm und Heldentum, den freudigen Willen, dem Führer zu folgen, hatte das deutsche Volk mit der Ausrichtung der Olympischen Spiele zwei Jahre zuvor vor allen Völkern der Erde eindrücklich bewiesen, führte er aus.
Er erinnerte an die großartige Rede des Führers vor fünf Jahren in der mitteldeutschen Kampfbahn mit seinen Ausführungen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und die neue Bedeutung des deutschen Volkes auf der Welt; ein historisches Ereignis, zu dem aus allen Teilen Thüringens und des Thüringer Waldes die Menschen freudig gekommen waren.
Im familiären Rahmen in Erfurt sollte der Schüleraustausch den großen Geistern des Deutschen Volkes gewidmet werden, verbunden mit sportlichen Betätigungen, lehrreichen und ertüchtigenden Touren im Deutschen Heimatland, die die Freundschaft zwischen den germanischen Volksgruppen der nordischen Länder durch gemeinsames Erleben festigen sollten.
An dieser Stelle wollte er nur anmerken und betonen, dass seine eigenen, sehr aktuellen Forschungen über die altgermanische Religion und das Christentum auch die religiöse Vorherrschaft der nordischen Völker bewiesen habe.
Leider könnten die neuesten technischen Entwicklungen, die erstaunlichen Leistungen des Deutschen Volkes wegen der erforderlichen Geheimhaltung den jungen Gästen nicht vorgestellt werden, weil vieles verständlicherweise auch von militärischem Interesse sei.
Am Ende wies er darauf hin, dass der Erlass zum Austausch im Februar des Jahres 1938 ergangen war, der Antrag zum Austausch durch die Königin-Luise-Schule im April zum erstmöglichen Zeitpunkt gestellt wurde.
So könne nun in vorderster Front wiederum auch ein Mädchen-Gymnasium, „unser angesehenes Gymnasium Königin Luise“, welches sich in Erfurt einen hohen Stellenwert erkämpft hatte, schon im Mai wieder die ersten Austauschschülerinnen aus Göteborg begrüßen. „Heil Hitler!“ sagte er am Ende. Dabei hob er etwas den rechten Arm. Den Kopf hielt er dabei gesenkt auf sein Manuskript gerichtet. Er machte eine Pause.
Der Direktor hob den Blick, lächelte und sagte: „So, das war nun die Pflicht dieser Veranstaltung, ohne diese vorbereitete Präambel wäre schon die Korrespondenz mit unserer Partnerschule in Göteborg, Göteborgs Lyceum för Flickor, nicht gelungen. Außerdem müssen wir die Gefühle unserer Jungenschule, dem Ratsgymnasium, ach nein, sie heißen ja jetzt Staatliches Langemarck-Gymnasium, berücksichtigen. Apropos, als euer Lehrer erwarte ich natürlich, dass ihr den heldenhaften Opfergang unserer jungen Soldaten in Flandern in der Schlacht von 1914 kennt.
Aber jetzt einmal unter uns, ihr seid alle junge Menschen, jeder für sich ist einzigartig, lasst euch nicht über einen Kamm scheren, auch wenn die Zeit heute danach ist. Lasst jede Meinung unter euch gelten und im Zweifel diskutiert, aber nur unter euch und bleibt verschwiegen, auch zu Hause mit euren eigenen Meinungen zu politischen Dingen.“
Er forderte sie auf, jetzt gemeinsam zum Bahnhof zu gehen. Es war viel zu früh.
Unterwegs machten sie wie unbeabsichtigt einen Abstecher zum Platz vor Dom und Severi Kirche. Die Treppe zwischen den beiden großen Kirchengebäuden war leer. Die kleine Gruppe stellte sich zusammen und Frau Gebhardt sprach leise zu den beiden Gymnasiastinnen: „Euch beiden ist ja klar, dass wir uns so gastfreundlich wie irgend möglich verhalten. Göteborg ist das alte Gamla Älvsborg, vergleichbar mit Erfurt. Die Nordländer werden zu unserem germanischen Erbe gezählt, wir haben Hochachtung zu zeigen. Unsere Gäste sollen sich wohl fühlen. Dazu zählt, dass ihr langsam und deutlich deutsch sprecht und euch vergewissert, dass eure schwedischen Gäste alles verstanden haben. Wie eure Ausflüge und Besichtigungen ablaufen, haben wir ja nun schon genau besprochen. Eine deutsche Frau raucht nicht, Wein trinkt sie in nur geringen Mengen, Bier ist etwas ordinär und wird von mir nicht empfohlen, wie schon gesagt, allerdings gehört dieses Getränk unbestritten zum deutschen Wesen. Die schwedischen Jungs werden das zu schätzen wissen. Auch wenn jetzt in Deutschland alles anders und kraftvoll werden und das Deutsche Volk damit allen anderen Völkern überlegen werden soll und sein wird, ist es für eine deutsche Gymnasiastin besser, Bescheidenheit aus dem Bewusstsein der Überlegenheit und Stärke zu üben.
Also, hier ohne Zuhörer, noch einmal, überdenkt eure Aussagen in der Öffentlichkeit, alles kann politisch gedeutet werden. Ich weiß, dass in euren Köpfen die Gedanken frei sind, keiner sie erraten oder einfangen kann. Aber lasst sie nicht heraus. Redet nichts Unbedachtes. Der Zweck eines solchen Austausches ist eine offizielle Sache des Ansehens in der Welt und soll das eigene Land von der besten Seite zeigen.“
Im Weitergehen sagte der Direktor: „Das soll heißen, dass wir beide persönlich verantwortlich sind, eure Deutschlehrerin und ich, wie wir mit euch hier den Austausch gestalten werden. Wir werden darüber berichten müssen. Ich bitte euch wirklich ernsthaft, keine Kritik an den Verhältnissen in Deutschland oder an Schweden zu üben. Und wenn irgendetwas nicht ganz eindeutig ist in den Beziehungen zwischen euch vier Schülerinnen, aber auch mit den Jungen, meldet euch sofort bei mir, ich werde dann an einem geeigneten Ort vermitteln.
Ansonsten gilt die Abmachung, zweimal in der Woche persönlicher oder telefonischer Bericht bei mir oder Frau Gebhardt.
Und verliebt euch nicht zu sehr. Also dann, auf zum Bahnhof!“
Die beiden jungen Mädchen aus der Unterprima schauten sich an und verdrehten etwas die Augen. Marie flüsterte: „Wir werden sicher nur über das Wetter sprechen und Johann Wolfgang von Goethe und Börries von Münchhausen, aber unter keinen Umständen Götz von Berlichingen zitieren.“Magdalena kicherte: „Marie, das ist zu stark! Pass bloß auf! Aber jetzt konkret: Denk mal an die Anmeldefotos. Wer ist dir denn eigentlich sympathisch? Ich, also, ich werde mir den Ulf vornehmen und mit ihm „Mein Kampf“ durchblättern, natürlich nur im Dunkeln. Was hältst du davon? Oder müssen wir als vier Paare immer formiert marschieren?“ Da mussten beide glucksend das Lachen unterdrücken und brauchten lange mit auf den Mund gepressten Händen, bis der Zwang zum lauten Loslachen wieder abgeklungen war.
Am Hauptbahnhof angekommen, holte Frau Gebhardt aus ihrer Einkaufstasche vier schwedische Fahnen mit gelbem Kreuz auf blauem Grund und vier Hakenkreuzfähnchen in den Farben schneeweiß, blutrot und tiefschwarz heraus und so stand die kleine Gruppe in der Vorhalle des Erfurter Hauptbahnhofs unter dem hohen Tonnengewölbe.
Direktor Faber entdeckte seinen Amtskollegen Dr. Alfred Schmidt vom Jungen-Gymnasium, nein, dem neuen Langemarckgymnasium, neuerdings benannt nach einem heroischen verlustreichen Einsatz im verloren gegangenen Kriege. Dr. Schmidt war in Begleitung von zwei seiner Gymnasiasten, die am Austausch teilnahmen. Faber bewegte sich sofort freudig auf ihn zu und wechselte einige Worte in seiner gewinnenden lebendigen Art.
Direktor Dr. Alfred Schmidt trug Reithosen mit Stiefeln, Koppel und Schultergurt aus Leder in modernen Abstufungen der Farbe Braun. Sein eisernes Kreuz aus dem Ersten Weltkrieg hatte er angelegt, daneben prangte das Parteiabzeichen der NSDAP.
Er begrüßte den Direktor des Mädchengymnasiums etwas von oben herab mit knappen Worten. Direktor Faber war wie immer in Zivil, ihm fehlte bekanntermaßen völlig die neue militärische Art.
Viele der im Bahnhof vorbeieilenden Menschen kannten den Direktor Faber, nickten freundlich im Vorbeigehen oder grüßten ihn mit schnellem Handschlag. Der Direktor war beliebt. Seine Vorträge über die Geschichte von Erfurt und seine Überlegungen zu den Altertümern, den kulturellen Schätzen, dem unvergesslichen Erbe der Ahnen, weitergegeben an das Deutschen Volk, waren eine feste Institution in dieser alten Stadt.
Inzwischen hatten sich die Mütter der Gastfamilien eingefunden und unterhielten sich aufgeregt über das Austauschprogramm. Frau Haubitzer hatte einen Korb voller frisch gebackener Rosinenbrötchen und eine Thermoskanne mit heißem Gerstenkaffee als erste Atzung dabei, wie sie das zu nennen pflegte. Nach deren langer Reise von Göteborg fühlte sie sich verantwortlich für das leibliche Wohl der schwedischen Gäste. Als die Idee ihres kleinen Imbisses begeistert von den anderen Müttern begrüßt wurde, lächelte die kleine korpulente Frau fröhlich auf ihre bäuerische Art. Nachdem die Umstände des Austauschprogramms und die einzelnen Erfahrungen mit den schwedischen Korrespondenten ausgetauscht waren, entstand eine kleine Pause.
Sie schauten sich nach der Bahnhofsuhr um, die Ankunft des Zuges war noch nicht zu erwarten. Die Frauen sprachen jetzt über den letzten Film, der gerade im Lichtspieltheater gezeigt wurde. Es war das Lichtspiel „Zu neuen Ufern“ mit Zarah Leander. Alle schienen ihn gesehen zu haben. Er war offensichtlich recht freizügig, daher wurde nur mit gedämpfter Stimme diskutiert, unterbrochen von Kichern und plötzlich von einem lauten Lachen, das im Hauptbahnhofsgewölbe widerhallte, offensichtlich nach einer treffenden Bemerkung einer von ihnen. Sie waren recht vergnügt. Tatsächlich war der Film ab 16 Jahren freigegeben. Die Gefahr, dass ihre Kinder und die Austauschschüler auf ihn aufmerksam würden, wurde diskutiert, weil die Hauptdarstellerin Schwedin war und einen unglaublich erotisierenden Vortrag mit dem Lied „Yes, Sir“ auf die Bühne brachte.
Die Mütter fanden, jetzt ernst geworden, dass dieses Couplet eigentlich undeutsch sei und möglicherweise die Sitten verderben könnte. Als eine echte Gefahr wurde es jedoch nicht eingeschätzt. Dann sprachen sie über die geplanten Sommerausflüge mit den Austauschgästen. Schließlich wurde das Rezept eines Sommersalates diskutiert.
Um 16:30 Uhr gingen die beiden Direktoren mit ihren vier Schülern durch die Sperre auf den Bahnsteig. Endlich kam der Zug um 16:48 Uhr. Dies war die genaue Zeit, die auf dem Ankunftsplakat gedruckt war. Im Deutschland des Führers gab es keine Verspätungen.
Die Dampflokomotive stampfte an ihnen vorbei und kam unter klingendem Getöse zum Stehen, das Ruheatmen der Lokomotive war kaum eingetreten, der Dampf war noch nicht verweht, da sprangen die vier schwedischen Gäste schon aus dem Wagen heraus, gaben sich gegenseitig Rucksäcke, Koffer und einen Geigenkasten und eine Gitarre in die Hand, schulterten ihr Gepäck und machten sich Richtung Kontrollhäuschen auf. Da waren sie schon entdeckt worden.
Das Erfurter Empfangskomitee schwenkte seine Fähnchen, Direktor Dr. Alfred Schmidt empfing sie mit einem makellosen deutschen Gruß. Es dauerte eine Weile bis die Hä...

Inhaltsverzeichnis

  1. Inhaltsverzeichnis
  2. I. 2010: Arabisches Vollblut
  3. II. 28 n.Chr.: Der Stern
  4. III. 33 n.Chr.: Der Händler Jethro
  5. IV. 213 n.Chr.: Der Fluch der Göttin
  6. V. 982 n.Chr.: Das Hnefataflspiel
  7. VI. 1704: Der Docteur und der Keiler
  8. VII. 1938: Schüleraustausch
  9. VIII. 1982: Walküre
  10. IX. 2009: Behandlungsfehler
  11. X. 2013: Der Alte
  12. Zitate
  13. Impressum