Freie Universität Berlin: Stabsstelle Nachhaltigkeit & Energie und „Sustain It!“
Marlene Blaul, Tessa Meyer, Jana Tabea Stern
Einleitung
Seit 2015 findet an der Freien Universität Berlin ein aktiver Transformationsprozess statt. Mit der Überholung der Stabsstelle für Nachhaltigkeit & Energie und deren direkter Zuordnung zum Präsidium gelang eine Schwerpunktverlagerung von Energie- und Umweltmanagement auf ein integriertes Nachhaltigkeitsmanagement. Seitdem ist Nachhaltigkeit als signifikanter Leitbegriff in den Universitätsalltag eingegangen und hat den Weg für die Freie Universität als zukunftsfähige Hochschule geebnet. Ökologisch, ökonomisch und sozial nachhaltige Maßnahmen sind interdisziplinär in Forschung, Lehre und Campus Management übergegangen und auf dem gesamten Campus zu finden. So gibt es zum Beispiel zahlreiche energieeffiziente Solaranlagen auf den Dächern der Fakultäten oder wiederverwertbare Kaffeebecher statt der Wegwerfalternative.
Die Freie Universität hat hier offenbar eine Verantwortung rechtzeitig erkannt und einen Schritt in die Richtung einer nachhaltigeren Universitätsidentität getan. Nicht nur die Stabsstelle, sondern auch die daraus entsprungene Initiative für Nachhaltigkeit und Klimaschutz Sustain It! wirken an der Sensibilisierung für Nachhaltigkeit beim Lernen, Forschen und auf dem Campus mit. Im Folgenden soll die Nachhaltigkeitskommunikation online und offline beider Akteure dargestellt und abschließend beurteilt werden. Wie wird Nachhaltigkeit von der Freien Universität kommuniziert? Welche Kommunikationskanäle kommen dabei zum Einsatz? Wie effizient kann die Thematik an die Studierenden, die zentrale Zielgruppe, herangetragen werden? Welche Prozesse können in Zukunft optimiert werden?
Im Zuge dessen werden zunächst die Akteure vorgestellt, ebenso wie ihre Handlungsfelder und Zielgruppen. Außerdem wird die Relevanz der Studierenden als Zielgruppe und der Universität als Nachhaltigkeitsakteur beleuchtet und im Kontext dargestellt. Anschließend folgt die detaillierte Betrachtung beider Akteure, der Stabsstelle und Sustain It!, und eine Evaluation der jeweiligen Kommunikationsmaßnahmen. Schließlich sollen Handlungsempfehlungen vorgeschlagen werden, die eine zukünftige Kommunikation von Nachhaltigkeit der Freien Universität an ihre Studierenden verbessern könnten.
Vorstellung des Akteurs
Nachhaltigkeit ist an der Freien Universität Berlin (FU) mit über 36.000 Studierenden und Doktorand_innen, sowie 4.300 Beschäftigten bereits seit 2001 in Form eines Arbeitsbereichs Energie und Umwelt im Rahmen des Facility-Managements verankert.35 In den Folgejahren wurde ein systematisches Energie- und Umweltmanagement etabliert, in dessen Rahmen Programme und Maßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz einen hohen Stellenwert einnahmen. Dieses Energie- und Umweltmanagement wird seit der direkten Zuordnung der Stabsstelle Nachhaltigkeit & Energie 2015 zum Präsidium in ein integriertes Nachhaltigkeitsmanagement umgewandelt, das nun auch Forschung und Lehre in den Fokus nimmt.
Bereits 2010 wurde die Initiative Sustain It! von Studierenden und Mitarbeiter_innen des Forschungszentrums für Umweltpolitik und der Stabsstelle als eine offene Dialog- und Aktionsplattform für alle, die die FU mit eigenen Ideen zukunftsfähig gestalten wollen, gegründet. Hervorzuheben ist hier die disziplinübergreifende Zusammenarbeit zwischen Studierenden, Wissenschaftler_innen, Lehrenden und Verwaltungsmitarbeiter_innen, die in dieser Form an deutschen Universitäten einzigartig ist (ebd.). Im Juni 2015 verfasste die Initiative einen Entwurf für ein Nachhaltigkeitsleitbild der FU und forderte anschließend alle Universitätsangehörigen zur Beteiligung auf. Es gingen mehr als 80 Vorschläge aus allen Bereichen des Universitätslebens ein.36 Im März 2016 wurde das Leitbild von Präsident Alt unterzeichnet.37 In Anknüpfung an den 1987 verabschiedeten Bericht der Brundtland-Kommission “Our Common Future” beginnt auch das Leitbild der Freien Universität Berlin.
Sustainable development is development that meets the needs of the present without compromising the ability of future generations to meet their own needs.38
Aus dem Zitat des Brundtland-Berichts lassen sich drei Grundprinzipien ableiten: eine globale Perspektive auf Nachhaltigkeit, die untrennbare Verknüpfung zwischen Umwelt- und Entwicklungsaspekten, sowie die Realisierung von Gerechtigkeit sowohl in der intergenerativen Perspektive (Zukunftsverantwortung) als auch in der intragenerativen Perspektive (Verteilungsgerechtigkeit). Es geht hier also um eine Generationengerechtigkeit ebenso wie eine globale Gerechtigkeit in der Verteilung von Ressourcen, Wohlstand und Lebensqualität, sodass heutige Gesellschaften nicht auf Kosten zukünftiger Generationen leben und eine Region der Welt nicht auf Kosten anderer Weltregionen.
Im Leitbild werden die soziale, die ökologische und die ökonomische Dimension von Nachhaltigkeit als integrative Querschnittsaufgabe betrachtet. Zunächst sieht die FU die besondere gesellschaftliche Verantwortung von Universitäten als Innovatoren mit Vorbildfunktion. Sie haben zum Ziel, Lösungen für drängende globale, ökologische und gesellschaftliche Herausforderungen zu finden und damit zu einer nachhaltigen Entwicklung der Gesellschaft beizutragen. Diese soziale Dimension äußert sich durch Nachhaltigkeit in Wissenschaft und Lehre: In Lehre und Studium sollen Kenntnisse, Kompetenzen und Werte vermittelt und in der Forschung Wissen und Innovationen erzeugt werden, die für die Gestaltung einer nachhaltigeren Welt nötig sind. So sollen Lern- und Erfahrungsräume geschaffen werden, die schließlich für gesellschaftliche Akzeptanz sorgen können. Diese inter- und transdisziplinäre Querschnittsaufgabe will die FU durch einen Dialog verschiedenster Akteure realisieren.
Abb. 1: Nachhaltigkeitsdimensionen an der FU (eigene Darstellung).
Des Weiteren äußert sich die ökologische Dimension in einem nachhaltigen Campus-Management mit dem Ziel den Status einer klimaneutralen Hochschule zu erreichen. Um den Wert der Nachhaltigkeit glaubwürdig nach außen zu vertreten, bemüht sich die FU um eine Vorbildfunktion in Verwaltungsprozessen und Betrieb, im Energie- und Umweltmanagement, durch ein aktives Gesundheitsmanagement und durch Finanz-, Personal-, Beschaffungs-, Mobilitäts- und Weiterbildungsmanagement sowie bauliche und technische Infrastruktur. In Beispielen wie der Reduktion des Energieverbrauchs um 25 Prozent seit 2001 äußert sich selbstverständlich ebenso die ökonomische Dimension von Nachhaltigkeit: Die jährlichen Kosteneinsparungen durch Nachhaltigkeitsmaßnahmen betragen rund 3,5 Millionen Euro.39
Schließlich betont das Leitbild den partizipativen Charakter der nur als Gemeinschaftsaufgabe zu bewältigenden technischen, organisatorischen und verhaltensbezogenen Aspekte von Nachhaltigkeit. Das Ziel ist ein transparenter und kontinuierlicher Nachhaltigkeitsdialog mit Universitätsangehörigen, Zivilgesellschaft und Öffentlichkeit. Was eine Universität als zentralen Akteur so besonders macht, ist die Tatsache, dass Nachhaltigkeit „durch und durch“ praktiziert wird und nicht etwa ein „Nischenthema“ darstellt, das im Zuge der Entwertung des Begriffes lediglich der Imageverbesserung dient (Stichwort: Greenwashing). Beim Thema Nachhaltigkeit muss die FU der Vorbildrolle einer staatlich geförderten Institution gerecht werden, die in der Pflicht steht, Umweltbewusstsein und Zukunftsfähigkeit als „Botschaft“ nach außen zu tragen und in den Alltag der Studierenden zu integrieren.
Auch wenn die FU keinen Gewinn erwirtschaftet, muss sie mit dem vorhandenen Budget dennoch so effizient haushalten, dass am Ende ein möglichst großer Anteil der Mittel der Lehre zugute kommt und nicht etwa ausschließlich für die Infrastruktur auf dem Campus verwendet wird. Demnach muss die FU – ähnlich einem auf Profit ausgerichteten Unternehmen – im eigenen ökonomischen Interesse handeln und effizient wirtschaften. Wenn die FU sich also beispielsweise für den Bau von Solaranlagen einsetzt, profitiert sie davon in vielerlei Hinsicht: 1. Der Bau von Solaranlagen wird durch Fördermittel vom Bund und der EU unterstützt. Die Installation der Anlagen führt 2. zur langfristigen Reduzierung der Energiekosten, was gleichzeitig mehr Mittel für die Lehre ermöglicht. 3. Wird damit das Image der FU, sich für Nachhaltigkeit in Form von erneuerbaren Energien einzusetzen und so zukunftsfähig zu handeln, im wahrsten Sinne des Wortes gut sichtbar platziert. Nicht zuletzt zieht das dadurch entstehende Image, eine besonders nachhaltige Universität zu sein, 4. auch neue Studierende an.
Anhand der dargestellten Folgerungen wird ersichtlich, dass beim Thema Nachhaltigkeit gemäß der Corporate Social Responsibility der FU sowohl ökologische als auch ökonomische Faktoren eine Rolle spielen. Durch die Tatsache, dass in dieser Arbeit die Kommunikationsstrategien von Stabsstelle (nachhaltiges Campus-Management) und Sustain It! (Partizipation an Nachhaltigkeit) gesondert analysiert werden, werden auch die zwei unterschiedlichen Handlungsmotive ersichtlich.
Stabsstelle Nachhaltigkeit & Energie
Die Kernaufgaben der Stabsstelle sind die Berücksichtigung und Integration von Nachhaltigkeitsaspekten in allen Bereichen der Universität und im universitären Alltag. Die Stabsstelle ist dem Präsidium direkt zugeordnet und kann so die Hochschulleitung unmittelbar beraten und mit ihr in Nachhaltigkeitsfragen zusammenarbeiten. Ihre Aufgabe ist es dabei, nachhaltigkeitsbezogene Aktivitäten in Forschung, Lehre und Campus-Management zu initiieren und zu koordinieren, die zentralen und dezentralen Nachhaltigkeitsteams zu koordinieren sowie das universitätsweite Energiemonitoring und das Prämiensystem zur Energieeinsparung zu steuern.
Im Sinne der Corporate Social Responsibility kann die FU also auch als Unternehmen verstanden werden, das einerseits Nachhaltigkeit als ökonomisches Handeln und Chance zum effizienten Wirtschaften versteht, andererseits aber seiner Sozialverantwortung und Vorbildrolle gerecht werden muss, indem Nachhaltigkeit über das „Soll“ hinaus auf verschiedenen Ebenen praktiziert und in das ökologische Bewusstsein der Studierenden integriert wird. Dass beides Hand in Hand in geht, verdeutlicht Andreas Wanke, Leiter der Stabsstelle Nachhaltigkeit, indem er sogenannten „nonmonetary motives“ eine komplementäre Rolle gegenüber „cost arguments“ zuschreibt (Wanke 2016: 27-45). Als gutes Beispiel dieser unterschiedlichen Handlungsmotive können hier die Gründächer der FU-Gebäude genannt werden, welche auf der Webseite der Stabsstelle einerseits als „Lebensraum für Insekten und Vögel“ und „wichtiger Beitrag zur Stadtökologie“ beschrieben werden, andererseits aber auch zur „Wärmedämmung und Hitzeabschirmung“ und so der Kosteneinsparung dienen.40
Die Stabstelle vertritt darüber hinaus die FU in nationalen und internationalen Nachhaltigkeitsnetzwerken und wirkt im Bau-, Facility-, IT-, und Beschaffungsmanagement mit. In der Stabsstelle arbeiten neun Beschäftigte und vier studentische Hilfskräfte, die auf eine systematische Integration von Forschung, Lehre und Campusmanagement hinarbeiten, auch als „Whole Institution Approach“ bezeichnet (ebd.).
Sustain It! Initiative für Nachhaltigkeit und Klimaschutz
Die 2010 begründete Initiative für Nachhaltigkeit und Klimaschutz Sustain It! kann als das interaktive Gegenstück der Stabsstelle betrachtet werden. Während die Stabsstelle als eine tendenziell administrative Einheit dient, soll die Initiative partizipatorische, dialogorientierte Aspekte abdecken und den Studierenden auf Augenhöhe begegnen. Dieser Ansatz zielt darauf, den Nachhaltigkeitsdiskurs der Universität zu stärken und darüber hinaus die breite Öffentlichkeit zu sensibilisieren.
Im Rahmen von Kunst- und Theaterlaboren, Podiumsdiskussionen, UniGardening-Projekten und weiteren Aktionen, wird sich überwiegend spielerisch-interaktiver Methoden bedient, um Nachhaltigkeit an Studierende auf dem Campus heranzutragen. Stichworte wie „interdisziplinär“, „partizipatorisch“, „dialog- und handlungsorientiert“ fallen immer wieder in Zusammenhang mit den Programminhalten der Initiative. Im Mittelpunkt steht die kritische Auseinandersetzung mit dem eigenen Konsumverhalten und das Aufzeigen von Handlungsmöglichkeiten im Alltag durch die Vorstellung v...