Die Jahre bis zum 1. Weltkrieg
Das erste Abkommen, das vom Deutschen Reich geschlossen wurde, war das Dreikaiserabkommen. Im Juni 1873 hatten Kaiser Franz Joseph I. und Zar Alexander II. eine Militärkonvention unterzeichnet. Nachdem Kaiser Wilhelm I. der Konvention beigetreten war, wurde daraus das Dreikaiserabkommen. Das Abkommen war nicht wirklich ein Bündnis eher eine Absprache durch direkte und persönliche Gespräche sich anbahnende Krisen zu vermeiden.
Nach dem Krieg 1871 stand das Deutsche Reich als Neugründung und neue Macht im Zentrum von Europa vor der Isolation. Mit diesem Abkommen wurde dies verhindert und gleichzeitig auch die Annäherung Russlands an Frankreich unterbunden. Es war nicht nur das Ziel von Bismarck die eigene Isolation aufzuheben, sondern gleichzeitig auch Frankreich zu isolieren. Dieses Abkommen wurde aber schon während der Balkankrise aufgelöst, da Russland beim Angriff auf das osmanische Reich keine Rücksicht auf die Interessen von Österreich-Ungarn genommen hatte.
Aber nicht nur das Deutsche Reich, sondern auch Frankreich und Großbritannien waren isoliert. Frankreich hatte koloniale Gegensätze mit Italien, das sich 1882 einem Bündnis mit dem Deutschen Reich und Österreich-Ungarn anschloss, und mit Großbritannien. Großbritannien wählte selbst die Isolation, um Bündnislos handlungsfreier zu sein.
Bismarck selbst sorgte allerdings auch für eine Isolation vom Deutschen Reich, als sein Mitarbeiter Konstantin Rössler im April 1875 in der Berliner „Post“ einen Artikel „Ist Krieg in Sicht?“ veröffentlichte. Frankreich hatte nach dem Französisch-Deutschem Krieg mit der Wiederaufrüstung begonnen und der deutsche Generalstab wertete dies als Androhung eines Revanchekrieges. Es wurde daraufhin ein Präventivkrieg gegen Frankreich gefordert. Bismarck versuchte den Artikel dann mit einem weiteren Artikel zu entschärfen, allerdings war da das Malheur schon passiert. Russland nutzte die Gelegenheit, um sich als europäischer Friedenstifter zu präsentieren, während Bismarck das Deutsche Reich isoliert hatte. Die anderen Großmächte in Europa waren an einem starken Frankreich interessiert, da sie einen Gegenpol zum mächtigen Deutsche Reich benötigten. Nach diesem Fehltritt änderte Bismarck seine Außenpolitik, um das Deutsche Reich selbst als Friedensstifter zu präsentieren.
In der Balkankrise 1876-1878 konnte Russland weite Teile des osmanischen Reiches erobern und wollte mit Bulgarien einen abhängigen Satellitenstaat gründen. Im Vorfrieden von San Stefano konnte Russland die Bedingungen diktieren. Bulgarien sollte dabei einige Gebiete bekommen und sogar einen Mittelmeerzugang. Die anderen europäischen Großmächte waren damit natürlich nicht einverstanden und so rief Bismarck im Juni 1878 zum Berliner Kongress, um Streitigkeiten zu besprechen. Am meisten Druck kam von Großbritannien, das Russland offen mit Krieg drohten, falls Russland weiter vorrücken sollte. Beim Kongress wurde die Unabhängigkeit von Rumänien, Serbien und Montenegro beschlossen. Bulgarien selbst erhielt nur einen Sonderstatus, musste aber dem osmanischen Reich tributpflichtig bleiben. Rumänien erhielt mit der Dobrudscha weiteres Gebiet, musste aber dafür Bessarabien an Russland abgeben. Großbritannien pachtete Zypern und Österreich-Ungarn durfte Bosnien und die Herzegowina besetzen. Das Deutsche Reich bekam nichts, Bismarck wollte nur die Rolle des „ehrlichen Maklers“ einnehmen.
Russland war mit diesen Beschlüssen natürlich nicht einverstanden und der Zar Alexander II. schrieb 1879 sogar einen „Ohrfeigenbrief“ an Kaiser Wilhelm I. Er fühlte sich von ihm beim Kongress hintergangen, da Russland im französisch-deutschen Krieg diplomatisch auf preußischer Seite gestanden hatte und es den Anschein hatte, als würde sich das Deutsche Reich eher Österreich-Ungarn zuwenden, welches aber Russland feindlich gesinnt war.
Wenige Tage nachdem der Berliner Kongress beendet war, besetzte Österreich ab dem 29. Juli Bosnien und die Herzegowina. Allerdings musste es erst den Widerstand der Bevölkerung unter verlustreichen Kämpfen brechen.
Nach dem Berliner Kongress, als das Deutsche Reich wieder ohne Bündnispartner da stand, wurde 1879 mit dem Zweibund ein Defensivvertrag zwischen dem Deutschen Reich und Österreich-Ungarn abgeschlossen, der allerdings erst 1888 veröffentlicht wurde. Ursprünglich war von Bismarck eine noch stärkere Zusammenarbeit gewünscht, die von österreichischer Seite aber abgelehnt wurde. Der Zweibund war das einzige Bündnis des Deutschen Reiches, welches wirklich langfristig hielt.
1881 begann der Wettlauf um Afrika, bei der Afrika in Kolonien der europäischen Mächte aufgeteilt wurde. Dieser Wettlauf dauerte bis 1898 und begann damit, dass nach dem Einmarsch von Frankreich in Tunesien dieses ein Protektorat Frankreichs wurde. Bis dato hatte es zum Osmanischen Reich gehört.
Im selben Jahr, am 18. Juni, wurde erneut ein Bündnis zwischen dem Deutschen Reich, Österreich-Ungarn und Russland geschlossen. Nachdem das Dreikaiserabkommen während der Balkankrise aufgekündigt wurden ist, wurde jetzt mit dem Dreikaiserbund ein erweitertes Bündnis geschlossen. Dieses Abkommen wurde unter anderem vom neuen russischen Zaren Alexander III. unterzeichnet, der seinem Vater auf den Thron folgte. Alexander II. starb am 13.3.1881 bei einem Attentat.
Das geheime Bündnis wurde fürs erste auf eine Laufzeit von 3 Jahren festgelegt und verpflichtete die 3 Kaiserreiche zur Neutralität beim Krieg mit einem anderen Staat. Bei Aktivitäten auf dem Balkan sollten die anderen beiden Vertragspartner vorher informiert werden. Die Intention von Bismarck war die gleiche wie 1873. Er wollte Russland wieder ans Deutsche Reich binden und sich so den Rücken freihalten, falls es zu einem erneuten französisch-deutschem Krieg kommen würde. Russland selbst wollte Neutralität für einen eventuellen Krieg gegen Großbritannien wegen der Meerengenfrage vom Bosporus. 1884 wurde das Abkommen verlängert, brach dann aber 1885 wieder auseinander, da die Rivalität zwischen Russland und Österreich-Ungarn unüberbrückbar war.
Ein Jahr später, 1882, trat Italien dem Zweibund zwischen dem Deutschen Reich und Österreich-Ungarn bei und erweiterte es somit zum Dreibund. Auch hier verpflichteten sich die Unterzeichner sich im Falle eines Angriffes zweier Länder oder eines französischen Angriffs auf das Deutsche Reich oder Italien zu unterstützen. Für das Deutsche Reich sorgte der Dreibund weiter für Sicherheit, da nun auch die Südgrenze gesichert war. Österreich-Ungarn und das Deutsche Reich werteten den Dreibund eher als Defensivbündnis, während Italien es offensiv für seine Kolonialbestrebungen nutzen wollte. Allerdings gab es auch hier wieder Konflikte zwischen Italien und Österreich-Ungarn wegen des Balkans. Italien erhoffte sich Unterstützung bei ihrem Wettlauf um Afrika, bei dem sie Frankreich in die Quere kamen. Der Dreibund wurde wiederum ein Jahr später erweitert und diesmal trat Rumänien diesem bei. Bis 1912 wurde der Dreibund alle 5 Jahre erweitert und zerbrach erst im Mai 1915 während des Ersten Weltkrieges.
Ab 1884 begann das Deutsche Reich sich auch Kolonien in Afrika und Südostasien zu sichern. Bismarck war eigentlich kein Befürworter einer Kolonialpolitik. Trotzdem wurden immer mehr Kolonien gegründet, zum einen aus wirtschaftlichen Gründen, aber auch um das Deutsche Reich zur Weltmacht zu führen. Das Deutsche Reich verlangte nach einem „Platz an der Sonne“ und Männer wie Nachtigal oder Lüderitz sorgten dafür, dass ihre Kolonien als deutsche Schutzgebiete anerkannt wurden. 1884 wurden die Lüderitzbucht, Togo und Kamerun kolonisiert und zu Deutsch-Südwestafrika beziehungsweise Deutsch-Westafrika.
Bei der Afrikakonferenz 1885 wurde der Kontinent unter den europäischen Mächten aufgeteilt. Dies sollte für Spielregeln bei der Aufteilung sorgen, da nach Inbesitznahme von Land die anderen Kolonialmächte verständigt werden sollten. Ein freier Handel in diesen Kolonien musste gewährleistet werden. 1876 waren nur 10% von Afrika in europäischer Hand, 26 Jahre später, 1902, waren es 90%.
1885 kamen dann Tansania als Deutsch-Ostafrika, Mahinland, ein Teil von Neuguinea, die Marshallinseln und das Bismarck-Archipel als Kolonialgebiete für das Deutsche Reich dazu. Dies waren nicht wirklich die größten Kolonien und der Vorsprung von Frankreich und besonders von Großbritannien war zu groß, so dass nur kleinere Reste übrig blieben. Ob diese Kolonisierungen wirklich nötig und wichtig waren, wurde damals nicht angezweifelt. Heute denkt man differenzierter darüber, doch im Zeitalter der Kolonisierungen wollte das Deutsche Reich nicht auf Überseegebiete verzichten.
1887 wurden gleich zwei neue Abkommen geschlossen, wobei das Deutsche Reich beim Ersten nur vermittelte. Zwischen Großbritannien und Italien wurde die Mittelmeerentente abgeschlossen, der später noch Österreich-Ungarn und Spanien beitraten. Die 4 Vertragspartner beschlossen, den Status Quo vom Mittelmeer anzuerkennen, um so Russlands Griff nach dem Bosporus und den Dardanellen zu verhindern. Bismarck hoffte, dass Großbritannien sich so dem Dreibund annähern würde.
Etwas im Widerspruch zur Mittelmeerentente stehend schlossen das Deutsche Reich und Russland auch 1887 den Rückversicherungsvertrag. Während der Bulgarienkrise war der Dreikaiserbund zerbrochen und diesmal schloss Bismarck ein geheimes Neutralitätsabkommen nur mit Russland, um ein Bündnis zwischen Russland und Frankreich zu verhindern. Laut diesem Vertrag sicherten sich die beiden Staaten Neutralität zu, wenn sie unprovoziert angegriffen werden. Zusätzlich sicherte das Deutsche Reich in einem geheimen Zusatzprotokoll Russland zu, dass sie es moralisch und diplomatisch unterstützen würden, wenn es seinen Zugang zum Mittelmeer durch die Meerengen verteidigen werde. Damit Russland aber nicht zu übermütig wird, hat Bismarck vorher die Mittelmeerentente ins Leben gerufen, um Russland zu bremsen. Dieser Vertrag hielt bis 1890, bis Wilhelm II. diesen Vertrag nicht mehr verlängern wollte und sich lieber durch Aufrüstung als der Bündnisse schützen wollte.
Während der Bulgarienkrise war Russland kurz davor Bulgarien anzugreifen, da Fürst Alexander I. sich von Russland lösen wollte, diese dann aber einen Putsch gegen ihn unterstützt hatten.
Kaiser Wilhelm II. kam am 15. Juni 1888 nach dem Tode seines Vaters Kaiser Friedrich III. an die Macht. Kaiser Wilhelm I. war am 9. März 1888 im Alter von 90 Jahren gestorben. Da Friedrich III. schwer krank war, regierte er nur 100 Tage im dem Dreikaiserjahr. Friedrich III. war eher liberal eingestellt, während Wilhelm II. von Anfang an eher militaristisch war und die Österreicher sich daher auch ungerne noch enger an das Deutsche Reich binden wollten.
Bismarck war für Kaiser Wilhelm II. am Anfang noch ein Vorbild, aber nachdem der Kaiser sein eigenes Profil, gerade in der Außenpolitik, schärfen wollte, kam es zu Konfrontationen. Die Gegner von Bismarck im Deutschen Reich wurden auch durch den Kulturkampf immer zahlreicher und schliesslich gab Bismarck 1890 nach und reichte ein Entlassungsgesuch ein. Am 20. März wurde Bismarck, nach 19 Jahren als Kanzler im Deutschen Reich und vorher 9 Jahre Ministerpräsident von Preußen, entlassen. Sein Nachfolger wurde Leo von Caprivi. Bismarck selbst zog sich auf sein Landhaus zurück, kommentierte von dort aber weiterhin die Politik und sorgte so für Unruhe.
Die berühmteste Karikatur zur Entlassung Bismarcks
Im Juli und August 1890 kam es mit Großbritannien zum Austausch von Sansibar und Helgoland, so dass das Deutsche Reich seine heutige einzige Hochseeinsel erhielt. Leo von Caprivi war ebenso wie Bismarck bewusst, dass die Kolonien schwer zu verteidigen waren und Großbritanniens Weltmacht damit nicht angegriffen werden könne.
Nachdem der Rückversicherungsvertrag zwischen dem Deutschen Reich und Russland 1890 nicht verlängert wurde, stand Russland ohne Bündnispartner in Europa da. 1891 begannen Frankreich und Russland sich anzunähern und im August 1892 wurde eine Militärkonvention zum Schutz gegen mögliche Angriffe von Seiten der Dreibundstaaten (Deutsches Reich, Österreich-Ungarn, Italien) unterzeichnet. Nach über 20 Jahren Isolation stand Frankreich nun nicht mehr alleine da. Bismarcks Bündnispolitik war an seinen Nachfolger gescheitert. Das Deutsche Reich trat am 23.11.1891 dem österreichisch-rumänischen Beistandsabkommen bei, das sich gegen einen eventuellen Angriff Russlands richtete.
Am 26.10.1894 wurden Reichskanzler Leo Graf von Caprivi und der preußische Ministerpräsident Botho Graf zu Eulenburg von Kaiser Wilhelm II. entlassen. Entscheidender Grund war die Ablehnung der Umsturzvorlage durch das preußische Abgeordnetenhaus und dem Widersprich Caprivis gegen dieses Gesetz. Nachfolger für beide wurde Chlodwig Fürst zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Leo Graf von Caprivi zeigte doch mehr Profil als der Kaiser erwartet hatte, den 75jährigen Fürsten hatte er mehr unter Kontrolle. Der Kaiser regierte nun deutlich sichtbarer als sein Großvater. Allerdings waren seine Reden häufig selbstgefällig und ihm selbst fehlten Sachkenntnisse, der Überblick und etwas Bescheidenheit. Bei Hof umgab er sich mehr und mehr mit Militärs, so dass deren Einfluss immer mehr wuchs. In den folgenden Jahren wurden einige bedeutende Bauten in Erinnerung an den ersten Kaiser fertiggestellt, wie zum Beispiel der Kaiser-Wilhelm-Kanal 1895 oder das Kyffhäuserdenkmal 1896.
1896 wurde dann auch noch das Verhältnis mit Großbritannien gestört, als Kaiser Wilhelm II. unüberlegt ein Glückwunschtelegramm an Paulus Krüger, den Präsidenten von Transvaal, sendet, in dem er ihm zur Niederschlagung eines britischen Putschversuches beglückwünscht. In der britischen Presse kam dieses Telegramm nicht gut an und es machte sich deutschfeindliche Stimmung breit. Zwar legte sich das wieder etwas, trotzdem war das Verhältnis zwischen den beiden Mächten danach leicht gestört.
1897 wurde dann ein weiteres Gebiet für das Deutsche Reich annektiert, als deutsche Marinesoldaten die Kiautschou-Bucht in China besetzten. Der Anlass war die Ermordung von zwei deutschen Missionaren. Im März 1898 wurde das Gebiet dann für 99 Jahre gepachtet. Auch andere Großmächte wie Russland, Frankreich und Großbritannien pachten daraufhin einige Gebiete in China.
Ebenfalls im März 1898 wurde das erste Flottengesetz vom deutschen Reichstag beschlossen. Innerhalb von 6 Jahren sollten 2 Geschwader mit jeweils 8 Linienschiffen, das Flottenflaggschiff, 8 Küstenpanzerschiffen, 12 Große und 30 Kleine Kreuzer gebau...