Lieber junger Kollege, liebe junge Kollegin,
du willst also Lehrer/in werden. Ich freue mich sehr darüber, und das ist keine wohlwollend gemeinte Übertreibung. Ich freue mich, dass du den schönsten Beruf dieser Welt ergreifen willst, und zugleich erinnerst du mich daran, dass ich den schönsten Beruf dieser Welt zurück legen muss, da ich an die Altersgrenze gekommen bin, ja diese um ein Jahr überschritten habe und nun Abschied zu nehmen habe.
Ich habe 40 Jahre unterrichtet und muss (beinahe beschämt) bekennen, dass ich kein bisschen ausgebrannt bin. Burnout? Was ist das? Habe ich zu wenig geschuftet? Vielleicht habe ich ganz einfach Glück gehabt. Vielleicht besitze ich ein Lehrer-Gen, das mir in meiner Arbeit zu Hilfe kam.
Vielleicht – Aber das ist eine andere Geschichte. Die Geschichte eines Abtretenden. Und ich wollte mich in diesem Aufsatz gedanklich mit deiner gerade beginnenden beschäftigen.
Du willst also Lehrer/in werden, und Montag fängt die Schule an. Beinahe kann ich das Klopfen deines Herzens hören und deine Gedanken erahnen, die um das Eine kreisen: Werde ich die erste Stunde gut überstehen? Werde ich – Machen wir uns nichts vor: Da gibt es diese erhöhte Pulsfrequenz, wenn du an die Schule denkst. Das ist bei dir genau so wie bei den unzähligen anderen in deiner Lage. Unwillkürlich fällt dir deine Schulzeit ein, die Zeit an der Mittelschule vielleicht, und du versuchst dich an die vielen Gesichter zu erinnern, an alle die Menschen, die dir damals Freund – und womöglich auch Feind – gewesen sind. Das war die andere Seite. Jetzt stehst du, wie in einem gigantischen Spiegel, auf der einen. Du bist nun nicht mehr Schüler/in, dennoch, oder eben darum, überfluten unzählige Schulerlebnisse deine Seele. Die Angst vor einer Prüfung, das Bewusstsein, ein Heft vergessen zu haben. Die Heimschrift, die Standpauke eines Lehrers, manche Ungerechtigkeit. Scham mengt sich darein, Ärger, vielleicht auch Wut. Ich weiß, ich weiß, lieber angehender Kollege, liebe angehende Kollegin, das ist Schnee von gestern, und da warst du ja Schüler/in. Warum ich dich dennoch damit konfrontiere? Weil du, bitte lache nicht!, immer noch Schüler, Schülerin bist. Nein, deine Seele hat nichts vergessen! Und wenn du vor deiner Klasse stehst, steht ein menschliches Konglomerat vor der Klasse zusammengesetzt aus alten Schüleranteilen, die die übergroße Mehrzahl bilden, und aus einigen noch in Entstehung begriffenen Lehrer/innenfragmenten. Technisch gesprochen besitzt jeder dieser Anteile einen Einschaltknopf, der auf die von den Schülern kommenden Interaktionen reagiert, wobei jede/r Schüler/in Zugriff auf unterschiedlichste Knöpfe hat. Damit musst du rechnen. Ich gebe dir einmal ein Beispiel, das dir vielleicht präsent ist: Du hast in deiner Seele ein Erlebnis gespeichert, in dem du von einem Lehrer wegen einer vergessenen Hausaufgabe unangemessen scharf angegangen worden bist.
Bis heute hast du das noch nicht vergessen, hast du doch immer penibel darauf geachtet, ja nichts zu vergessen! Verdrängt, mag sein, aber nicht vergessen. Und nun vergisst der eine da seine Hausaufgabe und du wunderst dich über deine emotionale Reaktion ...
Die Schüler in deiner Klasse spiegeln dir alle denkbaren Variationen an Verhalten. Manche dieser Verhaltensäußerungen gehen in Resonanz mit einem alten Schmerz, und wenn du nun auf diesen Schüler, diese Schülerin reagierst, reagierst du vielleicht nicht aus der Gegenwart darauf, sondern auf Infiltrationen aus deiner Schulvergangenheit.
Nein, ich will dir mit solchen komplizierten psychologischen Erklärungen nicht Angst machen. Im Gegenteil. Ich möchte dich dazu einladen, diesen interessanten Spuren nachzugehen und dich auf eine Entdeckungsreise in deine Vergangenheit zu begeben, die dich zu alten Wunden führen mag, die auf Heilung warten. Und du kannst sie heilen, wenn du sie ins Licht deines Bewusstseins holst und mit dem Inneren Kind liebevoll umgehst. Dann kannst du frei und bewusst auf Schüler/innen zugehen und bist gefeit vor unbewusst agierenden Resonanzen.
Nach dieser Einleitung möchte ich dir als lebens- und dienstalter Lehrer einige Dinge erzählen, die du nach Überwindung eines gewissen inneren Widerstands womöglich sogar als hilfreich oder nützlich ansehen magst. Bist du bereit?
Du stehst nun vor deiner Klasse, und das ist sozusagen ein Erstkontakt. Ist es eine erste, eine zweite, eine dritte Klasse? Ich beziehe mich hier deshalb, weil ich die meiste Zeit in einer Mittelschule unterrichtet habe, auf diese Schulstufe. Im Wesentlichen ist das aber auch in der Grundschule oder in der Oberschule nicht anders. Für dich ist es jedenfalls ein Erstkontakt. Und ein Erstkontakt stellt die Schüler vor ein gewisses Rätsel: Was ist das denn für eine/r? Du kannst dir (gar nicht oder gut) vorstellen, wie stark die Synapsen unter Strom stehen. Fieberhaft wird der/die Neue abgecheckt. Ist er/sie „fein“? Gibt er/sie viel Hausaufgabe? Ist er/sie lustig und fröhlich? Können wir ihn/sie ablenken und auf andere Geleise führen? Wird er/sie oft Filme schauen und Ausflüge machen? Wird – Da gibt es eine Menge von Erwartungen, Befürchtungen und Projek–tionen. Gedanken, die du nur (oder gar nicht) erraten kannst. Aber sie vibrieren im Raum. Du hast nun die Wahl: Entweder du ignorierst diesen Umstand schlichtweg, weil du um ihn nicht weißt, und fängst mit dem Unterrichten an. Du hast eine picobello Vorbereitung zur Hand ganz nach Rezept aus irgendeinem dieser tausend didaktischen Vorbereitungsbüchern mit Eingangsphase, Vortrag, Verteilung der Arbeitsaufträge, Präsentation der Ergebnisse und Hausaufgabe. Du zögerst etwas, weil du die fragend auf dich gerichteten Augenpaare nicht ignorieren magst. Irgendwie hast du das Gefühl, du solltest eine Ansprache halten, nach den Namen fragen und so.
Genau!
Die Eingangsphase deiner Unterrichtstätigkeit in dieser neuen Klasse besteht darin, „den Boden zu bereiten“. Diese aus der Landwirtschaft entlehnte (etwas euphorische, beinahe neu-testamentarische) Metapher kann das recht gut veranschaulichen: Du bereitest den Boden vor, um dann deine Saat auszustreuen, den Boden für eine fruchtbare Zusammenarbeit des Sämanns mit seinem Acker.
Das Vorbereiten des Bodens besteht darin, den Kindern die Ungewissheit zu nehmen vor dem, was auf sie zukommt. Du erzählst ihnen von dir, von deinem „Vorleben“, davon, dass auch du Schüler gewesen bist (nicht lachen, Schüler rechnen sehr oft nicht damit!). Erzähle von deiner Ausbildung, von deinen Hobbys, wo du wohnst. Von deinem Auto, von deiner Familie. Du wirst sehen, dass die Schüler/innen dieses Outing dankbar annehmen und vielleicht innerlich aufatmen. Denn die Schüler haben auch Angst (gehabt) wie du vor ihnen! Lass sie nun erzählen in der Reihenfolge, wie sie sich melden. Es werden sich immer mehr werden. Dann mag es vorkommen – Schüler reagieren recht unterschiedlich auf ausbleibende Strenge – dass der eine oder andere zu stören anfängt, unangebracht witzig sein will und die Aufmerksamkeit von dir abzuziehen versucht.
Das ist keine Störung! Es ist die willkommene Gelegenheit, das zu bieten, was die Klasse am dringlichsten braucht: Sicherheit! Du wirst nun deine Erzählung unterbrechen und ganz gelassen auf Ruhe warten. Die Schüler werden nun erstaunt sein und innehalten. Dann sagst du ihnen, dass du eine Regel eingehalten haben willst, und du wirst auf die auch nicht verzichten: Die Regel Nummer Eins. Diese Regel besagt, dass immer nur einer spricht, das kann der Lehrer sein oder ein Schüler. Aber immer nur einer. Und der, der zu reden wünscht, macht dies durch ein Handzeichen deutlich. Du wirst ihnen sagen, dass diese Praxis auch unter Erwachsenen gilt, in Konferenzen und so weiter. Dann forderst du einen Schüler, vielleicht einen von denen, die dich unterbrochen haben, auf, diese Regel zu wiederholen. Und sobald es zu einer „Wiederholungstat“ kommt, unterbrichst du sofort, wartest auf Ruhe und wiederholst die Regel. In dieser Hinsicht würde ich sagen gilt der Spruch: Wehret den Anfängen! Denn sobald du hier nachlässig wirst oder diese Regel gar nicht beachtest, hast du von vorneweg ein Problem!
Du fragst, was du tun kannst, wenn diese Situation schon eingetreten ist? Dafür gibt es ein probates Mittel: Mache Stillarbeiten. Diktiere langsam und deutlich einen Text und kontrolliere dabei jedes Geräusch. Dulde keinerlei Unterbrechung. Nach ein paar Sätzen werden die Schüler ruhig, ja sie scheinen die Ruhe „nach dem Sturm“ nachgerade zu genießen.
Es ist natürlich so, dass du eine Klasse „übernimmst“. Eine Folgeklasse (zweite, dritte) hat eine Tradition, und es liegt nicht in deiner Kompetenz, die Vergangenheit zu manipulieren. Vielleicht ist es die Klasse gewohnt, ständig und jederzeit zu „ratschen“. DU willst das aber nicht! Wenn du die Klasse auf diese Weise „beruhigt“ hast ist die Grundlage dafür geschaffen, dass du aus der Klasse eine Klassengemeinschaft formst. Ich weiß schon, dass diese Aufgabe gern an Klassenvorstände (Klassenlehrer) delegiert wird. Sprich dich mit ihm/ihr ab, falls du nicht selbst diesen „Job“ zu verrichten hast. Manche Kollegen sind dir dankbar dafür oder freuen sich über dein Interesse und möchten in dieser Angelegenheit mit dir zusammenarbeiten. Vielleicht ist die Klasse aber auch schon zu einer Klassengemeinschaft „geronnen“, wenn es eine Folgeklasse ist. Womöglich ist es aber nötig, „nachzutunen“: Klassen verändern sich, Freundschaften wechseln oft sehr rasch, Beziehungen verschieben sich. Du wirst ein Auge, oft auch beide, auf diesen Prozess werfen, da du weißt:
Wenn soziale Unruhe, wenn Spannungen, ungelöste Konflikte in der Klasse herrschen, sind Lehren – und Lernen – nicht möglich! In diesem Zusammenhang fällt mir die „Eisenbahn-Metapher“ ein, die mir einmal als sehr passend in den Sinn gekommen ist:
Stell dir einen Güterzug vor voll beladen mit (schulischen, fachlichen) Containern. Die Lokomotive (oft ist das der Lehrer, manchmal auch der Gegenstand selbst) zieht die Waggons bei Wind und Wetter über Stock und Stein über das Gelände. Wenn die Trasse nicht befestigt ist, wenn die Schwellen nicht halten, kann die Lokomotive noch so ziehen und die Ladung noch so attraktiv sein: Die Inhalte werden nicht an ihr Ziel kommen.
Also: Investieren wir vorerst in emotionale, soziale, interaktionale Infrastruktur, bevor wir unsere Inhalte ins Spiel bringen. Alles andere ist vergebliche Liebesmüh. Wir, Schüler wie Lehrer, kämpfen uns unter Stöhnen und Ächzen durch die Unterrichtsstunden, während die Störungen das Feld beherrschen. Was Wunder, wenn wir „verbrennen“ und die Schüler, also auch du, im Nachhinein schlimme Erinnerungen an die Schule haben.
Es ist von Nutzen, wenn du dich mit Frau Müller (setze hier deinen Namen ein) oder mit Herr Maier (du weißt schon) anreden lässt. Nomen est omen. Namen haben viel Macht! Nicht ohne Grund fragen Erwachsene ein fremdes Kind nach dem Namen und nennen ihren eigenen, um so Vertrauen herzustellen. Die Herstellung einer persönlichen, wenn auch professionellen Beziehung zu jedem einzelnen Schüler ist das Um und Auf. Ebenso wichtig ist es, eine gute Distanz einzuhalten. Das gilt auch, und vor allem auch, in räumlicher Hinsicht. Tritt deinen Schülern, deinen Schülerinnen nie zu nahe. Halte einen gewissen Abstand beim Erklären „vor Ort“ an der Bank. Denke daran, dass jeder Mensch, und auch Schüler/innen sind Menschen (...), einen Bannkreis um sich haben, manche sagen auch Aura dazu, in die nicht eingedrungen werden sollte. Die Nicht-Beachtung löst, bei dir wie bei anderen, Unbehagen aus. Wie groß dieser Kreis ist? Im Idealfall die gute Hälfte der Armlänge.
Ein besonders heikler Punkt ist der Gender-Faktor. Kinder im heranwachsenden Alter durchleben Phasen, in denen sie eine besondere Sensibilität dem andern Geschlecht gegenüber haben. Nichts schlimmer, als neben einem Buben (oder Mädchen) zu sitzen. Respektiere das. Es wird sich ändern!
Kinder werden, falls du Klassenlehrer/in bist, an dich herantreten mit dem Wunsch, umgesetzt zu werden = einen anderen Sitzplatz zugewiesen zu bekommen. Verweigere anfangs diesen Wunsch mit der Begründung, dass sich erst einmal die Nachbarn kennen lernen sollen (oder mit andern Begründungen), oder sage ihnen gleich, worum es wirklich geht: Eine zur Unzeit platzierte Umsetzung bringt eine soziale Dynamik zum Laufen, die in einer Eingangsphase unerwünschte Effekte haben kann. Es geht in den ersten Schulwochen vorrangig darum, Ruhe zu schaffen: Äußere Ruhe durch Strukturierung, durch nachvollziehbares Verhalten des Lehrenden, durch klare Organisation und Information und dadurch auch, als Spiegel des Äußeren, innere Ruhe. Habe dabei keine Angst vor deinen Vorstellungen und Vorgaben. Dazu gehört auch ein klares Nein. Die Schüler werden sie, wenn du dahinter stehst, mit Sicherheit akzeptieren.
Nichts schlimmer für Schüler/innen, als wenn der Lehrer zu schwammig, zu nachgiebig ist und jedem Schülerwunsch nachgibt. Klar gezogene Grenzen. Erinnere dich.
Sei respektvoll zu deinen Schülern. Gib ihnen keine Übernamen und achte sie als Personen, auch wenn sie, ihr Verhalten, dir Unbehagen bereiten.
Behandle alle Schüler gleich. Diese Forderung ist keineswegs so leicht umzusetzen als sie klingt. Es gibt mit Sicherheit Schüler/innen, die in dir kein rotes Lämpchen zum Aufleuchten bringen, Schüler/innen, die dir näher sind als andere. Menschen besitzen eine Affinität zueinander oder stoßen sich gegenseitig ab mit allen Nuancen dazwischen. Sei dir dieses Umstandes bewusst, rechne mit ihm. Lerne dich kennen, schau, worauf du positiv wie negativ anspringst und lerne, diese Effekte zu beherrschen.
Wenn du dich selber mögen lernst, wirst du die abgespaltenen Teile geheilt wieder zurückholen und sie in deine Persönlichkeit re-integrieren.
Dann wirst du dem Kind „unvermengt“ begegnen können und dich weniger mit ihm bzw. mit bestimmten Teilen seiner Persönlichkeit positiv wie negativ verzahnen. Ich bin ich und du bist du. Es gibt keine Grauzone und keine kontraproduktive Überlagerung und auch keine diffuse Schnittmenge.
Denke auch daran: Du bist nicht Kumpel, sondern Lehrer! Es wirkt sich in Hinsicht auf die Lehrerautorität destruktiv aus, wenn Lehrer sich den Schülern anbiedern, auch wenn manche Schüler (nicht alle!) und manche Eltern dieses Verhalten als „cool“ erleben. Die Autorität wird auf diese Weise verweigert, Lehrer begeben sich (vermutlich aus sozialer Angst:
„Die Angst des Lehrers vor seinem Schüler“, ein wichtiges Buch!) auf die Ebene der Kinder, also der Schüler und vermischen damit konträre Positionen zu einem unentwirrbaren, undurchsichtigen Etwas, ein Fehler, den viele Eltern mit den bekannten Folgen des Autoritätsverlusts – oder gar der Autoritätsumkehr! - machen. Eltern sind Eltern, Kinder sind Kinder.
Lehrer sind Lehrer, Schüler sind Schüler. Ein schlichte wie gleichermaßen wichtige Tatsache.
Zur Mär der so genannten Problemschüler:
In der Wahrnehmung „schwieriger Schüler“ gibt es einen fatalen Synergieeffekt: Bestimmte Verhaltensweisen werden aus der Gesamtpersönlichkeit extrahiert und zum Eigenleben erweckt. Oft schießen sich Kollegen im Klassenrat auf den extrahierten Persönlichkeits-Torso ein und bekämpfen in diesem den gesamten Schüler. Der kleinste gemeinsame Nenner wird solcherart zum Problemfall hochstilisiert und als solcher bekämpft und abgestraft. Warum ich mir Zeit meines Berufslebens mit diesem Phänomen leicht tat, erkläre ich mir damit, dass ich in meinem „Vorleben“ in Salzburg als Leiter einer sozialtherapeutischen Jugendwohngemeinschaft Erfahrung mit „wirklichen Problemfällen“ gemacht habe (extreme Fälle von Aggressivität und Selbstdestruktivität bis Suizid und Tötungsversuchen). Ich erinnere mich noch an meine ersten Unterrichtsjahre als „Stützlehrer“ (Integrationslehrer sagt man heute) und wie ich einfach nicht verstehen konnte, warum „die Schule“ auf gewisse Schülerprobleme, die in meiner Wahrnehmung Bagatellfälle waren, so gereizt und unversöhnlich reagierte. Daran sieht man, wie relativ die Wahrnehmung, auch die der Schule, ist. Alles ist relativ, alles steht in Bezug zu, ist abhängig von.
Es ist zweckdienlich, wenn du, wie es bereits angeklungen ist, periodisch die Klassensituation zum Thema machst. Ich habe einige Tipps im Anhang, die du dafür verwenden kannst. Nimm aber auch „zwischendurch“ alle auftretenden Probleme zwischen den Schülern, und sie werden auftreten, ernst, nach dem Motto: Störungen haben Vorrang.
In leistungsmäßiger, aber auch in sozialer und persönlichkeitsbezogener Hinsicht ist die Erhebung des Selbstbildes eine wichtige Übung: Dabei werden die Schüler zu einer Einschätzung ihres Leistungsstandes (strukturiert oder in freier Form) und ihres Verhaltens und einiger Variablen in Bezug auf Mitarbeit und so weiter aufgefordert. Diese persönliche Einschätzung wird dann mit der Einschätzung des Lehrers, der Lehrerin, verglichen. Vielleicht staunt man darüber, wie weit die Einschätzungen manchmal auseinanderklaffen. Was das bringt? Diese Übung kann, wenn der tägliche Unterricht entsprechend ausgerichtet ist, zu einer realistischeren Selbsteinschätzung führen. Es ist oft so, dass sich Schüler sehr unrealistisch einschätzen (wie sollen sie das auch anders können) und auch ihren Leistungsstand kurzerhand „vergessen“ in der Form, dass sie nicht genauer hinschauen wollen und dass sie in Richtung eines magischen Denkens auch bei Vorliegen mehrerer negativer Bewertungen glauben, dass es schon irgendwie gehen wird.
Nimm dir für diese Phase der Konsolidierung, der Beziehungsabklärung viel, viel Zeit. Diese Investition rechnet hundertfach.
Dann mag es nützlich sein, einige Dinge kollektiv zu regeln und zu vereinbaren. Du kannst nicht davon ausgehen, dass es in allen Familien Usus ist, zu bitten, zu danken, freundlich und konstruktiv zu sein und keine Schimpfwörter zu verwenden. Manche Kinder sind es gewohnt, jederzeit zu trinken, manche wollen auch ständig zu Essbarem greifen. Manche Schüler haben zuhause wenig Hilfe in Bezug auf die Schulsachen. Gib ihnen die Möglichkeit, ihre Schultasche und ihr Kästchen (Ablagefach) aus- und wieder einzuräumen. Kontrolliere das Merk- und Mitteilungsheft.
Oft machen Schüler ihre Hausaufgabe deshalb nicht, weil sie unorganisiert sind und die Hausaufgabe nicht aufgeschrieben haben. Nicht alle Kinder sind „faul“ (was ist das denn?). Falls du solche Dinge regelst, denke daran, dass du die Items positiv formulierst. Also nicht: Ich darf die Hausaufgabe nicht vergessen (irgendwie blödes Beispiel), sondern: Ich werde mich an die Hausaufgabe erinnern. Oder: Ich denke daran, dass ich die Hausaufgaben erledige.
Um Schülern beim Problem des Vergessens in der Klasse zu helfen, gibt es einige Möglichkeiten: Einen DIN A3-Wochenhausaufgabenplan an der Wand mit einem Schülerdienst, der jede gegebene Hausaufgabe zusätzlich zur persönlichen Führung des Merkheftes dort einträgt, Tests und Schularbeiten ...