
- 197 Seiten
- German
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eBook - ePub
Louba der Spieler
Über dieses Buch
Das Werk "Louba der Spieler" ist ein 1932 veröffentlichter Kriminalroman von Edgar Wallace. Der Originaltitel lautet "Flat 2".Richard Horatio Edgar Wallace (* 1. April 1875 in Greenwich, London; † 10. Februar 1932 in Hollywood, Kalifornien) war ein englischer Schriftsteller, Drehbuchautor, Regisseur, Journalist und Dramatiker. Wallace gehört zu den erfolgreichsten englischsprachigen Kriminalschriftstellern.
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Information
1
Ein Schuß zerriß die Stille.
Captain Hurley Brown fuhr herum – er wußte sofort, was geschehen
war.
Reggie Weldrake! Der junge Mann war mit verstörtem Gesicht an
ihm vorbei in sein Zimmer gerannt und hatte die Tür hinter sich
zugeschlagen. Hätte er ihn nur aufgehalten ...
Hurley Brown hatte einen solchen Gesichtsausdruck schon einmal
bei einem Menschen gesehen. Auch jener Mann – genau wie Reggie
Weldrake ein junger Offizier – war eben von einer letzten
Unterredung mit Emil Louba zurückgekommen ... Auch damals fiel
gleich darauf ein Schuß.
Nachdem der Captain vorher Reggie gesehen hatte, war er voll
Unruhe im Gang stehengeblieben und hatte eine Zigarette nach der
anderen gepafft, unschlüssig, ob er sein eigenes Quartier aufsuchen
sollte. Unentwegt mußte er an das verzerrte Gesicht Weldrakes
denken. Als der Captain sich eben entschloß, doch an der Tür seines
Kameraden zu klopfen, krachte der Schuß. Mit zwei Sätzen war Brown
an der Tür und rüttelte an der Klinke.
Es war abgeschlossen, und obwohl er mit aller Kraft gegen die
Tür hämmerte und laut rief, kam keine Antwort – er erwartete auch
keine. Mit seinen schweren Schuhen trat er gegen das Schloß und
hatte es schon beinahe zertrümmert, als McElvie, Weldrakes Bursche,
und ein paar Offiziere und Diener die Treppe heraufstürzten. Ihren
vereinten Kräften gab das Schloß so plötzlich nach, daß sie alle
miteinander einige Schritte in das Zimmer hineintaumelten.
Reggie Weldrake aufzurichten, ihm zu helfen, war sinnlos. Schon
ein oberflächlicher Blick genügte, um festzustellen, daß er tot
war. Den Raum durchzog ein beißender Geruch; Weldrakes Finger
hielten immer noch krampfhaft den Armeerevolver umspannt.
»Dieser verfluchte Louba, der Teufel soll ihn holen!« Brown
brach als erster das unheimliche Schweigen, und die anderen
stimmten mit kräftigen Verwünschungen ein.
»Wenn sich doch jemand finden würde, der diesen Dreckskerl
umlegt. Malta wäre bedeutend sauberer«, erklärte McElvie grimmig.
Kein Mensch war anderer Meinung. Es war jedem ganz klar, daß Louba
die Ursache dieser Tragödie war. Schließlich war es kein
Einzelfall!
Captain Brown haßte Louba besonders. Schon zu oft
hatte er es miterlebt, wie nette, ein wenig leichtsinnige Burschen
durch ihn und seinesgleichen ruiniert wurden. Er hatte auch längst
den Entschluß gefaßt, diesen Louba aus Malta hinauszubefördern.
Sein erster Schritt war es deswegen gewesen, sich mit seinen
Vorgesetzten auf der Militärbehörde in Verbindung zu setzen – mit
allem Nachdruck hatte er sie auf den schlimmen Einfluß aufmerksam
gemacht, den Loubas Unternehmen auf die Truppen der Insel
ausübte.
Brown hatte das Unheil, dem Reggie Weldrake entgegensteuerte,
kommen sehen. Hätte der Junge nur ein wenig mehr Vertrauen zu ihm
gehabt – aber alle seine Versuche, ihn zu warnen, waren
fehlgeschlagen. Wahrscheinlich hatte Reggie schon zu tief in der
Sache dringesteckt, als daß er sich noch hätte frei machen
können.
Der Captain strich sich mit der Hand über die Stirn und riß sich
zusammen. Die andern harten inzwischen den Toten aufs Bett gelegt –
sie überließen ihn jetzt seiner Einsamkeit. Mit einem kurzen
Entschluß trennte sich Brown von den Kameraden und ging quer über
die Straße; dorthin, wo eine grell aufflammende Reklameschrift den
Eingang zu Loubas Lokal kennzeichnete.
Das Kabarett, das er betrat, war nur eine prunkvolle Attrappe
für den anderen, bedeutend wichtigeren Teil des Unternehmens. Nach
einigen Schritten blieb er stehen – irgend etwas Außergewöhnliches
mußte passiert sein.
Das Lärmen der Jazz-Musik war verstummt, die allgemeine
Unterhaltung wie abgestorben. Auf den Tischen standen die Gläser
unberührt, und alle Augen starrten neugierig nach einer Richtung.
Auf der niedrigen Bühne im Hintergrund des Saales schien zwischen
einem der Gäste und der Sängerin der Jazz-Band eine
Auseinandersetzung im Gang zu sein. Der Mann, mit dem sich das
Mädchen zankte, war sehr dick. Er hatte ein volles, hochrotes
Gesicht, und neben der aufdringlichen Eleganz seiner Kleidung
schien ihn vor allem seine Zungenfertigkeit auszuzeichnen.
Brown näherte sich langsam der Tür zu den Spielsälen. Im
gleichen Moment wurden die verdeckenden Vorhänge davor beiseite
geschoben, und Emil Louba trat ein.
»Gut, daß du kommst«, unterbrach der beleibte Herr seinen
Redefluß.
»Ah, da Costa – mein Freund da Costa! Schau mal
einer an ...«, ließ sich Louba mit einer geradezu
katzenschnurrenden Sanftmut vernehmen.
»Hat sich was von wegen Freund – dein Ruin werde ich sein!«
brüllte da Costa aufgeregt. Gegen den großen, breitschultrigen
Louba erschien er recht klein, und als der andere ihn grinsend von
oben herab betrachtete und nur ein wenig mit seinem schwarzen
Schnurrbart zuckte, schrie da Costa in einem neuen Wutanfall:
»Schon wieder hast du dich in meine Angelegenheiten eingemischt!
Wann wirst du das endlich unterlassen?«
»In der Liebe und im Geschäft ist alles fair, mein Bester
verstanden? Deswegen können wir trotzdem gute Freunde bleiben ...
Aber komm, wir stören den Betrieb.«
Er packte da Costas Arm und versuchte, ihn außer Sicht und
Hörweite der gaffenden Menge zu zerren. Da Costa fiel jedoch nicht
auf sein freundliches Lächeln herein und schrie energisch:
»Ich will den Betrieb stören! Das Mädchen da hat einen Vertrag
mit mir ... Ich zahle ihr dreimal soviel Gage, wie sie wert ist
..., ich habe sie ausgebildet, und mir verdankt sie alles ...!«
»Sie lügen!« kreischte das Mädchen in kräftigem Diskant
dazwischen. »Sie haben mir überhaupt nichts zu sagen – ich kann
hingehen, wohin ich will, und ...«
»Und die Dame zieht eben Malta diesem erbärmlichen Tripolis
vor«, schaltete sich Louba wieder ein. »Das ist es.«
»Wenn das alles wäre – aber es ist noch lange nicht alles, du
hast bei mir noch viel mehr auf dem Kerbholz!« explodierte da
Costa. »Habe ich irgendwo eine gute Sache eingefädelt, dann kommst
sofort du und machst mir Konkurrenz. Oder du machst mir meine
besten Künstler abspenstig, oder ...«
»Oder ich beweise auf andere Art, daß ich der Tüchtigere von uns
beiden bin«, sekundierte ihm Louba grinsend. »Geschäft ist ein
feines Spiel, da Costa – wenn man zu spielen versteht. Und jetzt
komm! Du hast den Betrieb lange genug gestört.«
Seine Finger gruben sich noch ein wenig tiefer in da Costas
fetten Arm, und er zerrte ihn wieder ein oder zwei Schritte nach
der vorhangverhängten Tür.
»Undankbares Frauenzimmer! Du kommst sofort mit
nach Tripolis zurück oder bezahlst mir den Kontraktbruch«, drohte
da Costa, indem er sich losriß und auf die Frau zusprang.
Er fuchtelte ihr mit der Faust vor dem Gesicht herum, aber sie
war seinen Beschimpfungen durchaus gewachsen – in einem halben
Dutzend Sprachen schrie sie ihn an, bis Louba dazwischentrat.
»Ruhig jetzt und weitergearbeitet!« kommandierte er und schob
sie zur Bühne.
Er gab den Musikern ein Zeichen, winkte zwei Kellnern, und als
ob es überhaupt keine Unterbrechung gegeben hätte, spielte die
Kapelle weiter. Das Mädchen zauberte sofort ein verführerisches
Lächeln auf ihr Gesicht und begann mit mehr heiserer als dunkler
Stimme den neuesten Schlager der Saison. Gleichzeitig packten die
zwei Kellner da Costa und zerrten ihn quer durch den Saal auf die
Straße, wo sie sich noch einige Zeit mit ihm herumbalgten.
Louba verbeugte sich vor den Gästen; sein glattes, schwarzes
Haar schimmerte in der Saalbeleuchtung.
»Bitte tausendmal um Entschuldigung« meinte er geschmeidig.
»Wenn man ein so erstklassiges Etablissement hat wie ich, muß man
eben mit dem Neid der Konkurrenz rechnen.«
Er wollte gerade wieder hinter der Portiere verschwinden, als
Hurley Brown auf ihn zutrat.
»Ah, Captain Brown!« Louba verneigte sich mit spöttischer
Übertreibung. »Reizend von Ihnen! Welch seltenes Vergnügen ... Ihr
junger Freund, Leutnant Weldrake, ist ein häufigerer Gast.«
»Das ist vorbei«, lautete die grimmige Antwort.
»Wirklich?« Louba grinste. »Nun, wir werden ja sehen. Wenn er,
bevor er geht, seinen Verpflichtungen nachkommt, kann mir das ja
gleich sein ... Verläßt er uns tatsächlich?«
»Er hat uns schon verlassen. Genau wie Sie uns verlassen werden,
Louba, und wenn ich Ihnen dazu einen Stein an den Hals hängen und
Sie ins Meer werfen müßte.«
»Was soll das heißen ›Er hat uns schon verlassen?‹ Es ist kaum
eine Stunde her, seit ich ihn an seine Verpflichtungen mir
gegenüber erinnert habe – mit Vorhaltungen wie britischer Offiziers
›Ehrenmann‹ und so weiter.«
»Louba«, sagte Hurley Brown heiser. »Ich weiß wirklich nicht,
warum ich Ihnen keine Ohrfeige gebe.«
»Vielleicht weil Sie wissen, daß Sie
hinausfliegen, bevor Sie mich nur angerührt haben, werter
Freund.«
»Sie ...!«
Captain Browns Arm wurde geschickt abgefangen, als er zuschlagen
wollte.
»Durch Gewalt erreichen Sie wirklich nichts«, sagte Louba.
»Außerdem schickt sich so was nicht, wie? – Was soll das ganze
Gerede, daß der junge Mann fort ist, bedeuten?«
»Er wurde soeben ermordet.«
»Ermordet? Von wem?«
»Von Ihnen, Louba.«
»Oho ...! Ach so«, sagte Louba nach kurzem Besinnen. »So steht
die Sache. Und was wollen Sie dann hier, wenn ich fragen darf?«
»Ihnen nur sagen, daß ich selbst Sie mit einem Fußtritt aus
Malta hinausbefördere, falls die Behörden Sie nicht hinauswerfen.
Wir haben uns ja schon früher getroffen, Louba, und ich muß sagen –
je länger Sie leben, desto gemeingefährlicher werden Sie.«
»Blödsinn! Ich begegne nur immer häufiger solchen Narren wie Sie
einer sind. Und was Ihre Behörde betrifft – das habe ich für sie
übrig!« Er schnippte mit den Fingern. »Man kann mich doch nicht für
jeden dummen Jungen verantwortlich machen!«
Grinsend verzog er das Gesicht.
»Eines Tages«, sagte Hurley Brown, »ist das Maß Ihrer
Frechheiten voll.«
»Wenn das eine Drohung sein soll«, entgegnete Louba höhnisch,
»kann ich nur lachen. Ich gehe meinen Weg und zertrete das, was mir
im Wege ist. Oder ich gehe darüber hinweg. Die anderen können
entscheiden, ob ich sie zertreten soll oder nicht.«
Captain Brown murmelte einen Fluch und ließ den Mann stehen.
Er drängte sich durch die Menge der Gäste, die gerade laut
Beifall für die Sängerin klatschten.
Natürlich hatte er gleich gewußt, daß es sinnlos war, in dieses
Lokal zu gehen – aber trotzdem war es schmählich, jetzt an Reggie
Weldrake denken zu müssen, der steif und still auf seinem schmalen
Bett lag, während Emil Louba in aller Gemütsruhe seinen schmutzigen
Geschäften nachging.
Er fuhr zusammen, als eine wütende Stimme von der
andern Straßenseite herüber an sein Ohr drang.
»Das wirst du mir noch büßen! Und wenn ich zwanzig Jahre warten
muß!«
Es war da Costa, der mit der Faust nach dem
Lokal Loubas drohte.
2
Die Aufgabe, Reggie Weldrakes Vater in Empfang zu nehmen, als er in Malta eintraf, war nicht gerade angenehm.
Der tote Offizier war unter den Mannschaften und Kameraden sehr beliebt gewesen; deshalb hörten alle mit Genugtuung, daß sein Vater erwartet wurde. McElvie drückte einen allgemeinen Wunsch aus, als er sagte, daß der alte Herr Weldrake hoffentlich ein kräftiger Mensch sei und die feste Absicht habe, mit Louba abzurechnen.
»Er kann ja aus keinem andern Grund die weite Reise gemacht haben«, bemerkte McElvie hoffnungsvoll. »Vergeßt nicht – er trägt keine Uniform und kann diesem Louba eins auswischen, daß ihm Hören und Sehen vergeht.«
Hurley Brown übernahm die Aufgabe, Mr. Weldrake senior zu begrüßen, mit einer gewissen Skepsis. Immerhin hielt auch er unwillkürlich nach einem großen und resoluten Mann, nach einer älteren und stärkeren Auflage Reggies, Ausschau. Er war sehr erstaunt, als sich ihm ein schmächtiger, verschüchterter Herr als der Vater seines toten Freundes vorstellte.
Hatte schon vorher allgemei...
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