Erledigen und Verzwergen
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Erledigen und Verzwergen

Wer rettet die Bildung vor der 'Neuen Lernkultur'? Hundert Seiten Pamphlet. Sieben Kapitel Wahrheit.

  1. 104 Seiten
  2. German
  3. ePUB (handyfreundlich)
  4. Über iOS und Android verfügbar
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Erledigen und Verzwergen

Wer rettet die Bildung vor der 'Neuen Lernkultur'? Hundert Seiten Pamphlet. Sieben Kapitel Wahrheit.

Über dieses Buch

Die 'Neue Lernkultur' ist der größte Bildungs-Bluff, den sich die Schulpolitik in den letzten Jahrzehnten erlaubt hat. Sie hält nicht, was sie verspricht. Und sie hat Chaos in den Schulen angerichtet. Es wird Zeit für eine schonungslose Analyse!

Häufig gestellte Fragen

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Information

1. Erledigung

Die Erledigung des Lernens

Ursprünglich verstand sich Lernen als Weg zu einer Erkenntnis. Dieser Weg konnte verschlungen, von Sackgassen gepflastert oder steinig sein. Philosophen fragten Was ist der Mensch? oder Was ist der Staat? oder Ist die Tugend lehrbar? Echte Fragen forderten dazu auf, Stellung zu beziehen, eine Theorie zu entwickeln, die aus der Beobachtung der Wirklichkeit hervorgeht und mit anderen Theorien zur selben Frage konkurrieren muss. Gute Pädagogen bringen vor ihren Schülern dieses Mehrdeutige, Verstörende, das der Erklärung Bedürftige zum Vorschein und breiten das Problem vor ihnen aus. Auch heute gibt es unzählige Fragestellungen und Sachverhalte, über die man streiten kann: Was ist die EU – bevormundendes Bürokratiemonster oder Verteidigerin unserer freiheitlichen Werte? Dann: Gröning, der Buchhalter von Auschwitz: Können Gerichtsprozesse geeignete Orte für die Aufarbeitung historischer Verbrechen sein? Ist Entnazifizierung ein Vorhaben, das gelingen konnte, ohne die Werte, die es vertritt, verraten zu müssen? Wird die Technologie in den Städten der Zukunft unser Leben erleichtern oder unsere Freiheit zerstören? Wird der religiöse Fanatismus irgendwann die liberale Gesellschaft besiegen? Muss man die Liberalität gegenüber der Religion aufgeben, um die Freiheit zu schützen? Ist das, was die Deutsche Umwelthilfe momentan macht, Hysterie oder Weitsicht? Wie kann unser Lebensstandard den kommenden Umweltkatastrophen trotzen? Umgang mit problematischer Vergangenheit, Menschenrechte und Werte einer demokratischen Gesellschaft in einer Zeit der technologischen Revolution, das Verhältnis von Staat und Religion, Umweltprobleme, die politisch instrumentalisiert werden, jedoch wirklich unser Leben gefährden: Das sind die Herausforderungen, die reflektiert und angegangen werden sollten. Nun ist natürlich klar, dass man Grundlagenwissen und –können benötigt, um überhaupt mitreden zu können. Aber dieses ist noch keine Bildung, sondern es ist die Voraussetzung dafür, mitreden und teilhaben zu können. Unser Problem heißt: Wir verwechseln Bildung mit der Erledigung von Lernwiederholungen und sprechen das Schema, in dem der Lernvorgang sich wiederholt, sakrosankt, weil wir es mit der Lösung unseres Lernproblems synonym setzen. Dadurch unterwirft sich der Lernende dem Schema, anstatt sich des Problems anzunehmen und ein kritischer Akteur zu werden. Auf dieses Paradoxon will Evgeny Morozov mit seinem neuen Buch To Save Everything, Click Here (Wenn Sie alles retten wollen, klicken Sie hier!) aufmerksam machen. „Er wendet sich gegen die verbreitete Ansicht, dass sich für jedes Problem per Klick eine Lösung finden lasse, und will verdeutlichen, dass man es nicht mehr merkt, wenn das die denkbar schlechteste Lösung ist. Er nennt diese Geisteshaltung Solutionismus.“2 Morozov hält zum Beispiel „…das Silicon Valley für provinziell, weil es in seiner Technik- und Internet-Euphorie keinen Begriff habe von der Komplexität der Welt“.3 Die angeblich moderne Lernkultur in den Schulen tappt in genau diese Falle. Sie meint, mit dem Algorithmisieren von Lernprozessen, dem Sezieren eines Sachverhaltes in unterschiedliche Niveaus und dem Erledigen von banalen Abarbeitungsvorgängen so etwas Komplexem wie dem Weltzugang der Lernenden gerecht werden zu können. ‚Klicken Sie hier‘, auf diesem Niveau sind wir also angekommen in den Schulen und machen unsere Schüler zu Sklaven des Kleingeistigen. Wer hat diese Lösung erfunden? Hatte er ein bestimmtes Interesse dabei verfolgt? Ist diese Lösung nachhaltig? Solche Fragen sind nicht erwünscht. Selbstständiges Denken ist ein Hindernis der automatisierten Arbeitsabläufe. Man kann nicht verstehen, warum uns ein solches Lernen, das wie Fabrikarbeit abläuft, als menschlicher und individualisierter verkauft wird. Fast hätte ich autonomes Denken geschrieben. Es ist kaum mehr auseinanderzuhalten. Ein autonom fahrendes Auto rechnet wenigsten Parameter der Welt, in der es sich bewegt, in seine Entscheidungen ein. Beim Lernpaket ist das hingegen pures Downsizing von Bildung; Ideologie akzeptiert keine anderen Meinungen oder unvorhergesehene Aspekte.
„Der Organisationspsychologe Elliott Jacques hatte 1955 das Konzept der ‚sozialen Abwehr gegen die Angst‘ formuliert. Ihm zufolge ist ‚die Verteidigung gegen die Angst eines der wesentlichen Elemente, das Individuen zu sozialen Institutionen zusammenführt‘…. Das war lange Zeit nur eine psychoanalytische Hypothese…. Die klassische Studie über soziale Abwehrmechanismen gegen die Angst wurde erst 1970 von Isabel Menzies veröffentlicht. Die Autorin untersuchte ein Londoner Lehrkrankenhaus und kam zu dem Ergebnis, dass das dortige Pflegesystem zugleich als ein ganzes Ensemble von Mechanismen diente, um der Angst vor dem Leid und dem Tod der Patienten zu entkommen.“ 4
Ist die ‚Neue Lernkultur‘ nur das Resultat einer Angst vor dem Scheitern der Schule bzw. vor der Komplexität des Lernens? Sind Kleinschrittigkeit und Nivellierung die Antworten auf eine um sich greifende Disziplinlosigkeit im Denken? Die Flucht vor einer zunehmend holistischen Struktur des Lebens? Wenn ein Schüler eine Stunde lang Subjekte, Prädikate und Objekte aus Sätzen herausschreibt, hat er dann ein Gefühl für die Schönheit der Sprache entwickelt? Man versteht Dinge nicht besser, wenn man sie reduziert und vereinfacht bzw. portioniert. Bildung findet nämlich nicht auf der technokratischen Ebene gleichbleibender Abläufe, sondern ausschließlich auf der Ebene der Bedeutungen und Verweise statt. Darin, dass Lernende reflektieren, wie ein Autor einen Begriff verwendet hat, und was das mit dem Leser macht. Das Erstaunliche ist, dass stattdessen das bloße Wiederholen eines Schemas (nicht einmal das Erkennen) als Bildung gilt. Das ist absurd, denn das machen vor allem Computerprogramme. Wissen generieren können sie hingegen nicht; sie verwalten, kategorisieren und klassifizieren Wissen, aber wie Wissen zu bewerten ist bei einer echten Fragestellung, dazu braucht man Erfahrungen darüber, auf welche Weise etwas individuell bedeutsam werden kann.
In seiner Erledigung belangloser Abarbeitungsvorgänge reproduziert ein Lernender permament eine Sachstruktur. Er arbeitet sozusagen wie in einem tayloristischen Arbeitsablauf (wie wenn er die Türen in der Produktion eines Autos einbaut). Denn er reflektiert überhaupt nicht das Verhältnis der Mikro- zur Makrostruktur (der Textbestandteile zur Sprache z.B.). Taylor hatte in den 1920er Jahren die Wissenschaftliche Betriebsführung eigeführt, in der für jeden Arbeitsschritt eine Zeitvorgabe existierte und sich dadurch einzelne Arbeitswerte berechnen ließen. Der Pädagoge Karl-Heinz Dammer, Professor an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg, hat diese Technologie von Lernen in einem Interview mit der „Wirtschaftswoche“ so beschrieben: „Selbststeuerung ist ein Begriff aus der Kybernetik, bezieht sich also ursprünglich auf technische Systeme, die mit einer entsprechenden Programmierung und bestimmten Zielvorgaben technische Prozesse ohne weiteres menschliches Zutun abwickeln können. …Mit diesem Begriff (Kybernetik) wird Lernen zu einem technischen Vorgang erklärt, der sich auf der Basis von Vorgaben präzise selbst steuert. …Darin zeigt sich auch ein problematisches Menschenbild. ‚Selbstgesteuert‘ als technische Metapher bedeutet, dass die Schüler sich aus eigenem Antrieb Fremdsteuerung unterwerfen….“5 Lernen ist dann nichts Eigenes mehr. Lernen ist im Übrigen auch keine Betriebswirtschaft, in der einzelne Schritte berechnet werden. Denn erstens ist eine Mauer etwas anderes als die Summe ihrer Steine. Aristoteles sagte diesen Satz, weil die Mauer erst eine Bedeutung im Kopf der Betrachtenden erhält; diese konstruieren sozusagen die Idee der Mauer. Im Taylorismus sind die ‚Arbeitsbienen‘ gedanklich inaktiv. Die Arbeiter entfremden sich von ihrer Arbeit, weil sie dem Endprodukt nicht begegnen, sondern auf einen Handgriff reduziert sind. Heute könnte man auf Knopfdruck sagen, ob die schematische Arbeitsstruktur objektiv sachgerecht war. Zweitens ist das, was beim Lernen, also bei der Auseinandersetzung mit dem, was ein Sachverhalt einem sagt, passiert, kein objektivierbarer, sondern ein intimer Vorgang. Es geht dabei nicht allein um Regelanwendungen, sondern um ein dialektisches Verhältnis zwischen Lernenden und Sachverhalt: Die Lernenden verändern ihn, während sie seine Bedeutung konstruieren, und er verändert sie, weil er etwas Neues in ihrem geistigen Horizont ist. Lernende entwickeln eine Beziehung zu dem Sachverhalt. Das heißt, dass sie ihre Erfahrungen, die sich auf ihren Erlebnissen niedergeschlagen haben, immanent hinterfragen und umgestalten. Dies geschieht, während sie zum Kern einer Sache bzw. eines Problems durchdringen möchten, um eine individuelle Erkenntnis zu erlangen oder ein Experte zu werden, z.B. in der Frage, wie eine gerechte Gesellschaft aussieht; ob so etwas wie das bedingungslose Grundeinkommen gerecht sein kann? Erst dann kann man von Bildung sprechen, weil Lernende zu etwas werden, das sie vorher nicht waren. Die Abarbeitung von Schemata bewirkt hingegen nichts in der Persönlichkeit der Lernenden. Sie ist reinster Aktionismus, im wahrsten Sinne des Wortes belanglos. Erledigen und Sachbearbeiten perpetuieren das humboldtsche Bildungsideal, sich aus reinem Interesse, also zwecklos, mit einer Sache zu beschäftigen, einzig deswegen, weil man spürt, dass es die eigene Weltsicht, die Art zu denken, zu beobachten und Fragen zu stellen, verändert. Sachbearbeitung ist der Modus Vivendi, wenn Organisationen reibungslos ablaufen bzw. funktio...

Inhaltsverzeichnis

  1. Inhaltsverzeichnis
  2. Vorwort
  3. 1. Erledigung: Die Erledigung des Lernens
  4. 2. Verzwergung: Die Verzwergung des Denkens
  5. 3. Banalisierung: Die Banalität der Zwergenbildung
  6. 4. Seelenlosigkeit: Die Seelenlosigkeit der Bildungszwerge
  7. 5. Kampfesunlust: Wer rettet die Bildung?
  8. 6. De-Demokratie: Wer rettet die Demokratie?
  9. 7. Bildungs-Alles: Alles ist Bildung statt Bildung ist alles
  10. Impressum