Einstein
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Einstein

Gespräche über sein Weltbild

  1. 320 Seiten
  2. German
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Einstein

Gespräche über sein Weltbild

Über dieses Buch

Für seinen Bestseller »Einstein: Gespräche über sein Weltbild« sprach Alexander Moszkowski über einen Zeitraum von einem guten Jahr mehrmals mit Albert Einstein. Die Begegnungen fanden zwischen Sommer 1919 und Herbst 1920 statt. Das Buch bietet einen allgemein verständlichen Einblick in Albert Einsteins Gedankenwelt. Einstein äußert sich ausführlich zur Relativitätstheorie, dem Zeitgeist, zu Wissenschaft und Erziehung. »Einstein: Gespräche über sein Weltbild« von Alexander Moszkowski ist ein einzigartiges Zeitdokument.

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Information

Der Entdecker

Entdeckung und Weltanschauung in zeitlicher Beziehung. – Absolutes und Relatives. – Der schöpferische Akt. – Wert der Intuition. – Die Tätigkeit des Konstruierens. – Die Erfindung. – Der Künstler als Entdecker. – Lehre und Beweis. – Klassische Experimente. – Physik der Urzeit. – Experimentum crucis. – Spektral-Analyse und Periodisches System. – Die Mitwirkung des Zufalls. – Widerlegte Erwartung. – Das Michelson-Experiment und der neue Zeitbegriff.
Das nächste Mal – so hatte eine Unterredung geschlossen – das nächste Mal, wenn Sie darauf bestehen, soll von Entdeckungen im allgemeinen die Rede sein. Das war mir eine besondere Verheißung. Denn hier galt es, einem Urquell der Belehrung nahezukommen, Aussprüche erfahren, über die hinaus man eine höhere Instanz wohl nicht aufzusuchen braucht.
Es ist uns verschlossen, einen Galilei über die Grundlagen der Mechanik mündlich zu befragen, einen Kolumbus über die inneren Vorgänge eines Seefahrers vor einer großen Landauffindung, einen Sebastian Bach über die Wertung des Kontrapunktes. Aber ein großer Entdecker lebt unter den Zeitgenossen, der uns Aufschluß geben will über das Wesen der Entdeckung selbst. Hätte ich nicht die Bedeutsamkeit verspüren sollen, die in dieser Zusage lag?
Ich wurde schon vorher von Betrachtungen überstürmt, die in mir aufbrachen, sobald sich nur das Stichwort „Entdeckung“ anmeldete. Es gibt, so schien mir, nichts höheres; der Menschheit Einlagerung im Kreise des Erschaffenen, die Summe seiner Erkenntnisse kann abgeleitet werden aus der Summe der Entdeckungen , die in den Begriffen Kultur und Weltanschauung gipfelt, wie sie selbst durch die Weltanschauungen mitbedingt werden. Man könnte fragen: was geht vorher, was folgt nach? Und vielleicht könnte man schon in dem Doppelsinn dieser Frage den Keim der Beantwortung finden. Denn im letzten Grunde darf man die zwei Elemente gar nicht nach Ursache und Wirkung, nach Grund und Folge auseinanderspalten.
Keines ist primär, keines sekundär: sie sind auf das innigste verwoben, bieten nur verschiedene Aussichten ein und desselben Geschehens. An der Wurzel dieses Geschehens liegt der grundsätzliche Glaube an die Begreiflichkeit der Welt, der unerschütterliche, als elementarer Naturtrieb durchgreifende Wille aller denkenden Menschen, die wahrnehmbaren Vorgänge im Universum in Übereinstimmung zu bringen mit den inneren Vorgängen im Denken selbst. Ewig bleibt dieser Trieb, verschieden und dem Zeitwechsel unterworfen gestaltet sich nur die Form der Versuche, die Begreiflichkeit der Welt für uns zu vollenden. Die Versuchsform findet ihren Ausdruck in der jeweiligen Weltanschauung, die jede Entdeckung reifen lässt, wie sie selbst schon Bestandteile der reifen Entdeckung in sich trägt.
Schon auf diesem Punkte der Betrachtung glaubte ich einer Deutung der Einsteinschen Geistestat nahe zu sein. Sein Relativitätsprinzip entspricht ja tatsächlich einem regulativen Weltprinzip, das sich uns im Weltgeschehen mächtig genug eingebohrt hat. Wir haben das Ende des Absolutismus erlebt, die Maße der Machtfaktoren haben uns die Relativität, ihre Veränderlichkeit nach Standpunkt und Bewegung erwiesen, mit einer Entschiedenheit, an die kein Erlebnis früherer Geschichtsperioden heranreicht. Die Welt war in ihrer Anschauung reif geworden für eine abschließende Gedankenleistung, die das Absolute auch physikalisch-mathematisch, also restlos vernichtete. So zeigte sich Einsteins Entdeckung im Lichte der Notwendigkeit.
Ein leiser Zweifel befiel mich trotzdem. Einsteins Entdeckungen traten im Jahre 1905 hervor, als von den Stürmen, die seither in der Welt den Absolutismus entwurzeln sollten, kaum noch ein Vorwind zu spüren war. Wie nun, wenn in die Weltgeschichte und damit in die Weltanschauung eine andere Notwendigkeit hineingespielt hätte? Wir wissen heut aus urkundlichen und unbezweifelten Darstellungen, dass alles von uns in Krieg und Revolution Erlebte an dem haarfeinen Faden einer vereinzelten, äußerlich ganz unscheinbaren Menschenexistenz gehangen hat; – an einer Bürokratenfigur in der Wilhelmstraße, an einem galligen Sonderling, der das englisch-deutsche Bündnis, um die Jahrhundertwende sechs Jahre lang immer wieder von drüben dringlich angeboten, zu vereiteln gewußt hat.
In dem dröhnenden Gang der Historie kann die geheime, kleinliche Nagearbeit eines Maulwurfs nicht als weltgeschichtliche Notwendigkeit gewertet werden. Denkt man sie aus dem Gesamtbild fort, so bleibt als Ergebnis das genaue Gegenteil unserer Erlebnisse. Der Absolutismus wäre nicht über Bord gegangen, sondern er hätte voraussichtlich erstarkt auf Jahrhunderte das Steuer geführt, als Exponent einer deutsch-englischen Welthegemonie. Und eine grundsätzlich anders gerichtete Weltanschauung würde heut auf dem Erdball regieren.
Aber die Einsteinsche Relativitätstheorie hätte danach nicht im geringsten gefragt. Sie wäre entstanden unabhängig von Formen der geschichtlichen Weltanschauung, nur aus dem Grunde einer geistigen Fälligkeit. Eben deswegen, weil Einstein lebte und dachte. Und die Frage, ob sie auch für den Nichtphysiker den Absolutismus erschüttert hätte, ist nicht zu beantworten.
Ja, man könnte sogar bezweifeln, ob sie überhaupt schon fällig war. Bei manchen bedeutsamen Geisteserscheinungen läßt sich dies fast auf das Jahrzehnt nachweisen. So etwa bei der Deszendenztheorie, die tatsächlich in mehreren Köpfen gleichzeitig keimte, und unbedingt aus einem herausspringen mußte, selbst wenn die anderen versagten. Ich möchte die Ansage wagen: Ohne Einstein hätte die Relativitätstheorie im weitesten Sinne, also mit Einschluß der neuen Gravitationslehre, möglicherweise noch zweihundert Jahre auf ihre Geburtsstunde zu warten gehabt.
Der Widerspruch beginnt sich zu lösen, wenn man die Zeiträume weit genug absteckt. Die Weltgeschichte richtet sich nicht nach den Zeitmaßen der Politik und des Journalismus, und die Weltanschauungen rechnen nicht nach den Einheiten der Tagesuhr. Die Weltanschauung des Aristoteles hat das Mittelalter beherrscht, und die des Epikur wird sich vielleicht erst in der kommenden Generation voll durchsetzen. Gibt man aber den säkularen Maßstab zu, so bleibt der Zusammenhang zwischen ihr und der großen Entdeckung bestehen.
Wer es unternimmt, dieser Bedingtheit nachzuforschen, der kann an der Tatsache nicht vorbei, dass das Resultat allerdings fast durchweg schon nachweisbar vorgebildet war, in reiner Anschauung, bevor noch die große Entdeckung – oder Erfindung – es in voller Begreiflichkeit hinzustellen vermochte. Selbst die Tat eines Kopernikus würde sich dieser allgemeinen Entwickelungsregel fügen: Sie war die letzte Ausfolgerung des sonnenmythologischen Bewußtseins, das die Menschheit niemals verlassen hatte, mochte auch Kirche und Eigenwille noch so stark auf die geozentrische Anschauung hindrängen. Kopernikus faßte zusammen, was aus uralter Priesterweisheit – und die reicht bis in energetische und elektrische Vorstellungen von heute – was aus Anaxagoras und Eleaten unter der Schwelle des Bewußtseins sich lebendig erhalten hatte, seine Entdeckung war die Verwandlung eines Mythos in Wissenschaft. Die Menschheit, die mit schweifender Phantasie ahnt, dann denkt und wissen will, bedeutet die Großausgabe des einzelnen Denkers. Der sieht nur weiter, da er sozusagen auf den Schultern einer weltanschauenden Gesamtheit steht.
Nehmen wir ein Beispiel aus der neuesten Anschauungs- und Entdeckungsgeschichte. Der Ablauf der Geschehnisse in völliger Stetigkeit und Lückenlosigkeit gehörte zu den allgemeinen Denkformen, wird auch noch heute von ernstzunehmenden Philosophen als ein sicherer Bestandteil der Weltanschauung vorgetragen. Der alte, durch Linné popularisierte Satz „die Natur macht keine Sprünge“ gehört zu den Wortformeln dieser anscheinend unantastbaren Erkenntnis. Aber im Unterbewußtsein der Menschen hat stets ein Widerspruch dagegen bestanden, und wenn der französische Philosoph Henri Bergson es unternahm, mit metaphysischen Mitteln jene Stetigkeitskette zu zerreißen, der menschlichen Erkenntnis einen sprunghaften , geradezu kinematographischen Charakter zuzuweisen; so verkündete er nur als beredtsamer Lautsprecher, was eine noch unfertige neue Weltanschauung im Stillen mit sich herumgetragen hatte. Bergson hat da nichts „entdeckt“, er wie die Anschauung haben nur hindurchgefühlt in ein neues Feld der Erkenntnis, dass die wirkliche Entdeckung reif und fällig war. Und tatsächlich wurde diese in unseren Tagen geliefert von dem hervorragenden Physiker Max Planck , dem Träger des Nobelpreises von 1919, in seiner “Quantentheorie“ . Nicht so zu verstehen, dass nunmehr eine gärende Weltanschauung und eine Errungenschaft der strengen Forschung restlos ineinander aufgingen; aber doch insoweit, als hier mit dem Rüstzeug der exakten Wissenschaft ein unstetiger, sprunghafter Ablauf, eine atomistische Struktur nachgewiesen wurde in Energien, für welche die landläufige Anschauung vordem eine ganz ebenmäßige, unabgeteilte Ausstrahlung verlangte. Hier lag wohl kein zufälliges Zusammentreffen neuphilosophischer Anschauung und physikalischer Begründung vor, sondern ein Erfordernis der Zeit, in der sich ein neues Denkprinzip zur Geltung durchringen will.
Schwieriger ist es, wie schon angedeutet, von Einsteins Entdeckungen zu vorausgehenden relativistischen Ahnungen die Brücke zu schlagen. Denn mit der bloßen Berufung auf den Niedergang des Absolutismus in der Welt menschlicher Geschehnisse kommen wir da nicht aus. Bei Einstein erlebten wir ein so ungeheures Vorstürmen der Gedanken eines Einzelnen, dass man beinahe im Sinne der Quantentheorie an eine Unstetigkeit im Ablauf der geistigen Weltgeschichte glauben muss. Und doch sind die inneren Fäden, die Einsteins Tat mit vorausahnender Anschauung verknüpften, sicher vorhanden. Nur dass man hier auf Jahrhunderte verteilen muss, was sich bei anderen Entdeckungen schon im Vergleich nach Jahrzehnten als Parallelerscheinung ergeben kann. Jener Faustische, in der Brust der Denkenden wühlende Zweifel, „ob es auch in jenen Sphären ein Oben oder Unten gibt“ – er reicht bis zu Pyrrhon und Protagoras –, ist bereits relativistisch, ist der Zweifel an der Gültigkeit des durch den eigenen Lebensmittelpunkt gelegten Koordinatensystems. Hier handelt es sich im letzten Grunde um Standpunktsäußerungen, und die mathematisch-physikalischen Ausfolgerungen der unendlichen Fragen, der Beziehung, die sich aus dem „Oben-Unten“ entspinnen, führt ja wohl zur neuen Erfassung der Weltkonstitution. für welche Einsteins Schaffen den erlösenden Ausdruck in abstrakter Sprache gefunden hat. Und von hier wird sich in weiterer Wechselwirkung ein neuer Strom der Erkenntnis in vernebelte Gelände der Philosophie ergießen. Reform an Haupt und Gliedern unserer Weltanschauung scheint unabwendlich, Reform zumal an den Vorstellungen von Raum und Zeit, vielleicht sogar Reform der Begriffe von der Unendlichkeit und von der Kausalität. Viel Schutt wird abzuräumen sein aus alten Denkkategorien und Weltweisheiten, die einst zum Baustoff schöner Gebäude gehörten. Wie die schöneren aussehen werden, die auf physikalischen Befehl an deren Stelle treten müssen? Wer wollte sich heute getrauen, das zu ermessen?
Vieles wird wanken, und es könnte sich ereignen, dass selbst das trotzige „Ignorabimus“, der Gegenpol der Wahrheitsforschung von Pyrrhon bis Dubois, aus seiner Verzichtstellung heraustreten wird. Denn der verzweifelnden Unsicherheit gegenüber besteht die eine Gewißheit: Das Unbegreifliche wird mehr und mehr eingekreist durch die großen Entdecker! Und wenn auch der absolute Konvergenzpunkt nie zu erreichen ist, so ergibt sich ein anderer Punkt als greifbar ruhender Pol in flutender Weltanschauung: ein moralischer Pol, umkreist von Strömungen des Glücksgefühls. Im Mittelpunkt dieser Weltanschauung steht der erhebende Glaube an einen Erkenntnisfortschritt trotz alledem, an das Verschwinden uralter Rätsel und Schwierigkeiten unter dem Sturm der Entdeckungen. Und wenn sich danach und daneben immer neue Rätsel und Schwierigkeiten auftun, so vermögen diese das Siegesgefühl nicht abzudämpfen. Jede Tat auf diesem Felde wirkt wie eine Befreiung von Vorurteilen, nicht zum wenigsten auch von Engherzigkeiten der Gesinnung zwischen den Völkern. Die Entdecker konstruieren nicht nur Gedankenbrücken, die in Siriusfernen reichen, sondern, was schwerer, sie bauen Gefühlsbrücken, die politische Hemmungen überspannen. Jeder Denkende, der teilnimmt an großer Entdeckung, der sich erschauernd beugt vor neuer Geistestat, nähert sich der politischen Universalreligion, dem Glauben an den Völkerbund des Geistes. Dass sich eine Einheit anbahnen muß in den Anschauungen hüben und drüben, und dass jede große Entdeckung an diesem Werk mithilft, – das ist der Kern einer Weltanschauung, der die Zukunft gehört.
Wenn nach Pascals wundervollem Wort das menschliche Wissen eine Kugel darstellt, die in dauerndem Wachsen begriffen ihre Berührungspunkte mit dem Unbekannten vermehrt, so knüpft sich an diese Ansage kein Verzagen. Nicht die Vergrößerung des Unbekannten, einzig die des Wissens rührt mit ethischer Gewalt an unsere Empfindung. Das Positive äußert sich uns als eine lebendige Kraft, aus dem Bewußtsein heraus, dass die Wissenskugel zum Wachsen bestimmt ist, und dass es für alle geistigen Energien keinen höheren Befehl gibt, als den Ruf zur vereinigten, zur welteinigenden Mitarbeit an diesem Wachstum.
Solcher Betrachtungen voll, betrat ich das Heim des großen Entdeckers, dessen Wirken mir unausgesetzt als Paradigma vorschwebte. Ich fand ihn, wie fast stets, vor losen Papierblättern, die sich unter seiner Hand mit mathematischen Zeichen bedeckt hatten, mit Runen jener Weltsprache, in denen, nach Galilei, das große Buch der Natur abgefaßt ist.
Wie anders stellt sich mancher Fernstehende die Arbeitsweise eines Himmelsforschers vor! Man denkt sich ihn wie einen Tycho Brahe von seltsamen Apparaten umgeben in einem Kuppelbau, mit dem Forscherauge am Okular eines durchdringenden Refraktors in das Weltall spähend, dem er die letzten Geheimnisse ablauscht. Das wirkliche Bild entspricht dieser Vorstellung nicht im mindesten. Nichts gemahnt in der Aufmachung des Raumes an transterrestrische Erhabenheit, keine instrumentale noch bibliothekarische Fülle tritt uns entgegen, und man wird bald inne, dass hier ein Denker waltet, der zu seiner weltumspannenden Arbeit nichts anderes braucht, als seinen eigenen Kopf, allenfalls noch ein Blättchen Papier und einen Schreibstift. Was da draußen die Institute der Sternwarten bewegt, was zu großen wissenschaftlichen Expeditionen Anlass gibt, ja, was in letztem Betracht die Beziehung der Menschheit zur Verfassung des Universums reguliert, die Revolution in der Erkenntnis der Dinge zwischen Himmel und Erde, all das vereinigt sich hier in der schlichten Erscheinung eines jugendlichen Gelehrten, der aus seines Gehirnes Rocken unendliche Fäden herausspinnt. Und ein Dichterwort steigt vor uns auf, das an alle gerichtet, unter den Lebenden von Einem, im tiefsten Grunde erfüllt wurde:
Wo du auch wandelst im Raum, es knüpft dein Zenith und Nadir
An den Himmel dich an, dich an die Achse der Welt.
Wie du auch handelst in dir, es berühre den Himmel der Wille,
Durch die Achse der Welt gehe die Richtung der Tat!
Dieser eine hier hat es mitverwirklicht, dessen Gedankengang ich unterbreche, um mit der Frage anzuklopfen: Was ist und was bedeutet „Entdeckung“?
Eine durchaus begriffliche Frage, die manchem vielleicht als inhaltlich leer vorkommen mag. Der Herr Jedermann sagt sich, so gut er es vermag, die Liste der Entdeckungen her und meint: Entdeckung ist, wenn einer etwas Wichtiges findet, die Fallgesetze, oder die Entstehung des Regenbogens, oder die Abstammung der Arten; und etwas Allgemeines ließe sich höchstens darin finden, dass man der Entdeckung etwas Hochgeistiges, Schöpferisches zuschriebe.
Ich war nun zuerst geradezu verblüfft, als ich von Einstein die Worte hörte: „Der Ausdruck ›Entdeckung‹ an sich muss bemängelt werden. Denn Entdeckung ist gleich dem Gewahrwerden einer Sache, die schon an sich fertig vorgebildet vorliegt: damit verknüpft ist der Beweis, der schon nicht mehr den Charakter der ›Entdeckung‹ trägt, sondern eventuell des Mittels, das zur Entdeckung führt.“ Und hieraus erfloss bei Einstein die zuerst blank hingestellte, später am Beispiel genau erörterte Ansage: „Entdeckung ist eigentlich kein schöpferischer Akt!“
Für- und Gegenargumente schossen mir durch den Kopf, und ich mußte an einen Großmeister der Tonkunst denken, der einstmals auf die Frage „Was ist Genie?“ antwortete: Genie ist, wenn einem etwas einfällt....

Inhaltsverzeichnis

  1. Einstein - Gespräche über sein Weltbild
  2. Vorwort
  3. Erscheinungen am Firmament
  4. Über unsere Kraft
  5. Walhalla
  6. Menschen-Erziehung
  7. Der Entdecker
  8. Probleme
  9. Hauptlinien und Nebenwege
  10. Ein Hilfsversuch
  11. Vereinzelte Signale
  12. Er selbst
  13. Impressum