Logbucheintrag 1 - Prolog
Willkommen. Willkommen bei dieser Reise, ein Ausflug, der einer der fundamentalsten der Menschheit ist. Es passiert öfter als vier Mal in der Sekunde, ca. 132.675.000-mal pro Jahr, dass ein Kind das Licht der Welt erblickt. Und doch ist jedes dieser Ereignisse einzigartig, jedes dieser Abenteuer hat seine eigene Geschichte, voller Emotionen, die uns wachsen lassen und auch an den Rand der Verzweiflung bringen. Es ist eine neue Begegnung mit dem Leben, die uns die unendliche Liebe deutlich offenbart, uns aber auch manchmal an unsere Grenzen stoßen lässt. Wenn wir es annehmen, beschenkt uns das Universum hier gleich doppelt – mit dem Wunder, das wir Leben nennen, einerseits. Und die Möglichkeit, die sich für uns an den Grenzen bietet – innerlicher Wachstum. So wie durch unser Zutun ein Kind das Licht der Welt erblicken wird, wird uns durch Selbsthingabe die Gelegenheit gegeben, unser wahres Selbst zu erkennen und wie der Phönix aus der Asche emporzusteigen.
All das ist das Wunderwerk des Lebens.
40 Wochen gibt uns die Natur durchschnittlich Zeit, um uns auf den neuen Erdenbürger vorzubereiten, um ihm oder ihr die Ankunft auf der Erde so harmonisch wie möglich zu gestalten. Auf die behagliche Zeit im Mutterleib folgt eine Phase der kalten Gegenwart mit eigenartigen Gesichtern, seltsamen Schauplätzen und merkwürdigen Traditionen. Wir Menschen haben oft schon die größten Schwierigkeiten damit, etwas Neues zu lernen, egal ob es sich dabei um das Erlernen einer Fremdsprache handelt oder das Bedienen des neuen Smartphones. Und jetzt stelle man sich vor, man hat nicht die geringste Ahnung von gar nichts – Sprechen, Gehen, menschliche Gepflogenheiten und noch so viel mehr. Das alles muss erst in einem jahrelangen Prozess erarbeitet werden, bei dem wir als Eltern die Chance haben, unsere Einfühlungsgabe unter Beweis zu stellen. Kein Kind ist wie das Andere, jedes hat seine eigene Gabe, die es in die Welt bringen möchte. Dazu gehört eine Individualität des Wesens, und wir sind dazu eingeladen, diese zu erforschen.
So können wir den anfangs winzigen Geschöpfen Weggefährten auf ihrem Weg zur Berufung, ihrer wahren Natur und ihrem Schöpfergeist sein. Auf ihre Bedürfnisse eingehen und ein wirklich persönlicher Elternteil werden. Und damit meine ich keine antiautoritäre Erziehung oder sonstige Konzepte, die es geben mag, das alles kann niemals eine Begleitung mit Präsenz für den Augenblick ersetzen.
Doch alles über den Haufen zu werfen, was man gelernt hat und auf das man selbst sein ganzes Leben, bewusst oder unbewusst, programmiert wurde, ist einfacher gesagt als getan. Tief in uns selbst ist das alles schon vorhanden. Eine Idee davon, welche Schritte die Menschheit setzen könnte, um den Garten Eden auf der Erde zu bewohnen. Und die größte Hoffnung für einen Paradigmenwechsel dieser Dimension sind die jetzt noch Kleinsten unter uns Menschen – unsere Kinder. Wir haben es mit ihnen in der Hand.
LB 2 – Vorwort
Wenn ich mich vor wenigen Jahren in einer Rolle so gar nicht gesehen habe, dann war das die des Papas. Nun, das Leben hatte, wie so oft, andere Zukunftspläne als meine vertrauten Ideologien. Denn genau dort findet Leben statt, beim Ende der eigenen Grundsätze, des Egos. Als ich vor fast 3 Jahren meine Freundin Astrid kenngelernt habe, lag schon eine kleine Revolution in mir in der Luft, aber dass diese Renovierung des Selbst so kraftvoll ausfällt, hätte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen können. Meine Freundin hat bei diesem Transformationsprozess eine entscheidende Rolle gespielt, dafür bin ich unermesslich dankbar. Es war ein Weg, der anfangs undurchschaubar war und erst mit der Zeit seine Bestimmung offenbart hat.
Es war und ist eine Reise, die mich mehr und mehr dort hinführt, wo ich ursprünglich schon war: bei mir selbst. Der Blick durch den Schleier, der sich im Laufe des Lebens entwickelt, lässt uns das aus den Augen verlieren. Die 40 Wochen, in denen ich Astrid durch die Schwangerschaft begleiten durfte, waren ein Weg für das Erblühen des Lebens. Eine neue Seele für die Welt, die in ihr herangereift ist, und die Entstehung einer Mama und eines Papas. Wie schon William Barclay gesagt hat: Im Leben des Menschen gibt es zwei bedeutende Tage – der Tag, an dem wir geboren wurden, und der Tag, an dem wir erkannt haben warum.
LB 3 - Woche 6
Es war ein harter Tag. Schlecht geschlafen, Stress in der Arbeit, Stau – irgendwie funktioniert heute nichts so richtig. Ich bin einfach nur froh, wenn ich daheim ankommen und auf der Couch liegen kann um wieder zu mir zu finden. Noch ein Blick aufs Smartphone, Astrid hat mir geschrieben. Ob ich nicht doch für eine halbe Stunde zu ihr kommen kann, sie möchte mir unbedingt etwas sagen, heute noch, unbedingt persönlich. Ich mache mich also auf den Weg, die Gedanken kreisen im Kopf, es muss wirklich etwas wichtiges sein, sonst ist das in den zwei Jahren, in den wir uns kennen, noch nie vorgekommen. Sie wird doch wohl nicht…
Während der 20-minütigen Autofahrt ahne ich es schon, aber vielleicht geht es doch um etwas anderes? Innerlich versuche ich mich auf alle Eventualitäten vorzubereiten, wohlwissend, dass es mich kurz nach Ankunft aus den Socken hauen wird.
Aus Sicherheitsgründen nehme ich also auf der weichen Couch Platz. Astrid ist sichtlich nervös und es hat den Anschein, dass dieser Tag nicht spurlos an ihr vorübergegangen ist. Ohne lange um den heißen Brei zu reden, frage ich gerade aus: „was ist los, bist du schwanger?“, noch mit einem Unterton, der vermuten lässt, dass ich diese Frage nicht ganz ernst meine. Stille. Ich schaue ihr in die Augen. Gewissheit. Bumm.
Was in diesen Sekunden in mir vorging, ist kaum in Worte zu fassen. Die menschliche Sprache ist für Gefühle dieser Art untauglich. Ein Feuerwerk der Sinne, es ist als ob man alle verfügbaren Emotionen in diesem Moment abruft, bis kurz danach aus Kapazitätsgründen alles aufhört und man einfach nur glücklich ist, einzigartig glücklich. Man möchte die ganze Welt umarmen, und beginnt bei diesem wunderbaren Menschen, der im Begriff ist, neues Leben in die Welt zu bringen.
Eine Umarmung, die an Warmherzigkeit kaum zu überbieten ist. Ein Gefühl von tiefer Verbundenheit, Liebe und Einheit. Gleichzeitig rasen Gedanken durch den Kopf, alle und keine. Alleine dieser Moment verändert alles. Eine Flut neuer Aufgaben bahnt sich an, mit denen man noch nicht mal ansatzweise in Berührung kam. Und dann ist da wieder die Liebe. Sie gibt die tiefe Überzeugung, was auch kommen mag, man wird jede Situation meistern, egal wie herausfordernd sie auch sein mag. Das muss doch der Schlüssel zu einem glücklichen Leben sein, denn genau dieses Gefühl nimmt einem die Angst, welche uns von einem erfüllten Dasein abhält.
Zwei verbrauchte Schwangerschaftstests haben sich also aussichtsreich gezeigt, doch kann man diesen Hochspannung erzeugenden Teilen zu 100% vertrauen? Um alle Unklarheiten zu beseitigen, soll sich das doch der Arzt mit Ultraschall einmal ansehen.
LB 4 - Woche 6
Die Anspannung und Vorfreude beherrschen den Tag. Auch wenn beide Schwangerschaftstests positiv waren, möchte man keine voreiligen Schlüsse ziehen. So sitze ich in der Arbeit, wenig produktiv, da meine Gedanken heute ganz wo anders sind. Zum Glück stehen heute keine Termine oder für das Unternehmen essenzielle Tätigkeiten an, da diese sonst mit großer Wahrscheinlichkeit in den Sand gesetzt würden. Um halb 4 besteht dann endlich Gewissheit. Nur die Zeit bis dorthin scheint sich in die Länge zu ziehen, dem Zeiger auf der Uhr scheint langsam der Sprit auszugehen, so langsam, wie er sich bewegt. Dann endlich ist es soweit, das alle 10 Minuten aufs Smartphone schauen hat ein Ende. Unser kleines Glück ist wohlauf. Wow. Ein neuerlicher Moment der Freude, der nicht zu beschreiben ist. Es ist als ob in diesem Augenblick alle Synapsen aktiv sind, die Neurotransmitter auf Hochtouren laufen und man die ganze Welt umarmen möchte.
Noch vor einem Jahr konnte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, ein Kind zu haben. Mehr noch, ich habe mich richtig dagegen gewehrt. Wenn nebenan an Kindergeburtstag stattfand, dachte ich nur, dass mir das hoffentlich erspart bleibt, es war ein fremdartiges Gefühl. Ich war mir auch ziemlich sicher, dass mich dieses Vater-Ding überfordern würde. Als hochsensibler Mensch sind die Aufnahmefilter anders ausgeprägt, man ist schnell überfordert mit dem Alltag, wenn man nicht gut auf sich Acht gibt. Und vor allem kleine Kinder weinen und schreien, das kann doch nicht zusammenpassen. Ohne es damals zu wissen, war meine größte Angst, dass ich dem Kind kein guter Vater sein könnte, der ständig überfordert ist, nicht bei sich selbst ist und so nicht ausgeglichen für eine gute Erziehung bzw. Beziehung sorgen kann. Ich komme ja kaum mit meinem eigenen Leben zurecht, wie soll das denn mit Nachwuchs funktionieren? No way.. In diesem Jahr ist viel passiert, was wohl der entscheidende Faktor war: ich bin geblieben. Wie auch sonst hätte ich wieder die Flucht antreten können, und ich kann gut rennen. Doch diesmal blieb ich und stellte mich meinen Problemen Aug in Aug gegenüber, ein epochales Duell wie David gegen Goliath. Ich habe so lange gekämpft, bis ich mit der weißen Fahne kapituliert habe. Mein Gegner war nicht Goliath, sondern ich selbst. Klar hätte ich auch das Ego gewinnen lassen können, aber ein Teil in mir wollte sich dem Leben voll und ganz hingeben. Dieser Teil war das Selbst, oder wie man immer es auch nennen mag. Ich danke dir, Selbst. Wo wäre ich heute, wenn es dich nicht gäbe? Diese unbeschreibliche Freude, diese Liebe wäre sonst auf der Strecke geblieben. Dass ich irgendwann Vater werden könnte, konnte ich mir zu diesem Zeitpunkt schon vorstellen. Aber auf diese Nachricht war ich nicht vorbereitet und würde es auch niemals sein. Man könnte genauso gut versuchen nicht zu erschrecken, obwohl man genau weiß, dass in den nächsten Sekunden eine Bombe neben einem einschlägt. Nun ist es also Gewissheit. Zu den Glücksgefühlen drängen sich in diesem Augenblick gefühlte 1000 Fragen. Was ist zu beachten, wo nehmen wir das Geld her, wie wechselt man Windeln, wie, ja, wie sollen wir das machen, wir haben doch keine Ahnung! Doch intuitiv weiß man, wenn man gefühlsmäßig handelt und dem Kind seine ganze Liebe schenkt, kann gar nichts schieflaufen. Vertraue der Liebe, sie liegt niemals falsch.
LB 5 - Woche 7
Von Glücksgefühlen beflügelt, will man die frohe Botschaft seinen Liebsten mitteilen, ja, man möchte in die Welt hinausrufen: „Wir sind schwanger!“ Die Resonanz auf diese Mitteilung war erstaunlich. Die Wärme, mit der das eigene Herz gefüllt wurde, war deutlich bei den Empfängern der Nachricht spürbar. Der Raum wurde jedes Mal mit wunderbaren Gefühlen durchtränkt, wie ein Schluck vom Zaubertrank sozusagen. So fühlt man sich wie Miraculix, der seine edlen Tropfen an die Leute verteilt.
Auch wenn es sonst scheint, als würde alles aus dem Ruder laufen, ist allein diese Nachricht ein Lichtblick, die einem die Welt wieder mit anderen Augen sehen lässt. Die rosarote Brille, nur ohne billige Suggestionen wie alles ist gut, nein, ein lebensbejahender Reality check. Selbst wenn es in der Familie Konflikte und Differenzen gibt, für diesen Augenblick werden das Kriegsbeil und alle anderen schweren Geschütze vergraben. Vielmehr entsteht wieder eine Einheit, von der man eigentlich gar nicht mehr wusste, dass diese eigentlich die ganze Zeit da war. Dass die Familie, so sehr man sich untereinander auch manchmal nicht riechen kann, von Anfang an ein Rückhalt ist, vergisst man leicht. Denke nicht an das, was dir fehlt, sondern an das, was du hast (Marc Aurel).
Langsam beginnt auch das Denken nach diesem Rausch wieder. Wie bereitet man sich am besten vor? Väter gibt es ja viele, aber man selbst will es am besten machen. Am Ende des Tages will man sich doch schließlich den Pokal für seine epochalen Leistungen abholen. Bester, und vor Allem coolster Papa, mindestens des Universums.
Frauen, so wurde mir berichtet, neigen eher dazu, sich so viele Ratgeber wie möglich zu beschaffen um ja keine Eventualität auszulassen. Das hat etwas von Gebrauchsanweisungen oder Zusammenbau-Anleitungen, also brauche ich das? Ich will hier viel mehr auf meine Intuition hören. Das Leben wird seinen Weg finden. Und wie mein Arbeitskollege es so schön formuliert hat: „Ich gebe dir einen Rat: lass dir keinen Rat geben!“
Es gibt da draußen bestimmt genug Bücher, die dir für die Beziehu...