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"Wo Leben ist, da ist Fortgang und wechselnde Phisiognomie"
Caroline de la Motte Fouqué. Beiträge zur Forschung und Bibliographie
- 272 Seiten
- German
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"Wo Leben ist, da ist Fortgang und wechselnde Phisiognomie"
Caroline de la Motte Fouqué. Beiträge zur Forschung und Bibliographie
Über dieses Buch
Der vierte Band der »Kleinen Reihe Caroline de la Motte Fouqué« beinhaltet verschiedene, verstreut publizierte Beiträge aus der Caroline de la Motte Fouqué-Forschung. Die teilweise an unzugänglichen Orten veröffentlichten Aufsätze sollen hier den interessierten Lesern zugänglich gemacht werden und gleichzeitig einen Überblick zum Stand der Forschung zu der Schriftstellerin Caroline de la Motte Fouqué geben. Außerdem enthält der Band einen bisher unveröffentlichten Beitrag, gehalten auf dem Caroline de la Motte Fouqué-Symposion im Herbst 2014 im Kleist-Museum. Die Caroline de la Motte Fouqué-Bibliographie gibt einen Überblick über die von und über Caroline de la Motte Fouqué erschienenen Werke und Schriften.
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Information
BEITRÄGE ZUR FOSCHUNG
PETRA KABUS
CAROLINE FOUQUÉ – GESCHLECHTSSPEZIfiSCH MOTIVIERTE AUSGRENZUNGSMECHANISMEN DER LITERARISCHEN KRITIK AM BEISPIEL VON ARNO SCHMIDTS FOUQUÉ-BIOGRAPHIE
1818 spricht Caroline de la Motte Fouqué in einem Brief an Prinzessin Marianne von ihren Phantasien, der König könne ihr ein Haus in Berlin schenken: »Wären wir in Frankreich, Berlin Paris und ich eine französische Schriftstellerin so etwas wäre denkbar! Doch die Feder in einer deutschen Frauenhand bleibt den Meisten, und ist auch vielleicht wirklich nur eine andre Art von Spielwerk, wie die Nadel, vergängliche Bilder zu schaffen, die das Auge wohl einmal sieht aber auch übersieht.«1
Ihr Anspruch mag damals frappiert haben, und er tut es auch heute, wenn auch die Gründe unterschiedliche zu sein scheinen. Caroline Fouqué hat in drei Jahrzehnten über einhundert Prosatexte unterschiedlicher Länge und Qualität sowie Gedichte veröffentlicht und vor allem der Frauenbildung mehrere theoretische Schriften gewidmet. 1818 war sie bereits eine gestandene Schriftstellerin, doch sie selbst empfand das in ihrer Geschlechtszugehörigkeit begründete Absurde ihres Wunsches: Eine Frau konnte nie in dem Maße wie ein Mann öffentliche Anerkennung erfahren; auch wenn sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts immer mehr Frauen öffentlich zu Wort meldeten, waren sie mehr geduldete Außenseiterinnen als ernstzunehmende Berufsgenossinnen.
Auch uns heute überrascht ihr Ansinnen. Zwar sind wir eher bereit, Frauen künstlerische und intellektuelle Fähigkeiten und Erfolge zuzubilligen. Doch Caroline Fouqué ist in unserem Bewußtsein trotz einiger größerer Arbeiten über sie aus der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts und trotz mehrerer Jahrzehnte Frauenforschung noch immer kaum mehr als die Frau Friedrich Fouqués.
In ihrer Testamentsergänzung, die sie im selben Jahr vornahm, aus dem der Brief an Marianne stammt, hatte sie mit einer Gesamtausgabe ihrer Werke bei Cotta gerechnet und den daraus zu erzielenden Erlös ihren Hinterlassenschaften bereits zugerechnet. Als sie 1831 starb, widmete ihr der Neue Nekrolog der Deutschen einen Nachruf – von insgesamt 38 bedeutenden Persönlichkeiten, deren Ableben für den Juli 1831 angezeigt wurde, war sie die einzige Frau. Ein Roman erschien posthum. Die Bemühungen der Tochter Marie um eine Gesamtausgabe hatten jedoch keinen Erfolg mehr: Wie über Nacht war Caroline Fouqué dem Vergessen anheimgefallen.
Dieses Schicksal teilt sie mit vielen anderen Autoren. Gegen die Behauptung, ihre Texte seien von minderer Qualität und keiner weiteren Beachtung wert, ist schwer anzugehen: »Denn es ist nicht schwierig, den ästhetischen Wert von Texten zu behaupten, die durch ihre Aufnahme in den Kanon als ›Werk‹ gesetzt worden sind, aber es erscheint fast aussichtslos, die Werkhaftigkeit von etwas nachzuweisen, dem die Institution die Anerkennung verweigert hat.«2 Trotzdem ist dieser Versuch in den letzten Jahrzehnten bei den verschiedensten Autoren unternommen worden. Daß das Interesse an Caroline Fouqué so bemerkenswert gering blieb, ist mehreren Umständen geschuldet. Caroline Fouqué war eine weder formal noch inhaltlich innovative Autorin. Sie schrieb solide Unterhaltungsliteratur, manchmal weniger, manchmal aber auch mehr, und besonders ihre frauenerzieherischen Schriften müßten für die Forschung von Interesse sein. In einer Zeit aber, in der ein solches Interesse an vergessenen Autoren langsam aufkeimte, entstand ein Text, der den Blick auf Caroline Fouqué von vorneherein verstellte: Arno Schmidts Friedrich-Fouqué-Biographie.3 Jeder, der etwas über Caroline erfahren will, schlägt zuerst bei Schmidt nach und ist anschließend der Meinung, daß es da nichts Besonderes zu erfahren gebe. Das ist nicht nur ein Trugschluß, sondern ein Urteil, das auf einer Reihe von Fehlinterpretationen und der definitiv falschen Wiedergabe von Fakten beruht.
Nachdem mir Diskrepanzen zwischen Schmidts Bemerkungen zur Fouqué und den Aussagen, die die authentischen Materialien selbst beinhalten, aufgefallen waren, bin ich anhand seiner Unterlagen zur Fouqué-Biographie im Bargfelder Arno-Schmidt-Archiv der Frage nachgegangen, inwieweit Schmidt etwa weiterführendes und mir unbekanntes Material, das seine Darstellungen absicherte, in Händen gehabt haben könnte bzw. ob von einer Funktionalisierung oder gar bewußten Verdrehung der ihm bekannten Fakten gesprochen werden muß.
Wenn ich im folgenden einen Vergleich der wichtigsten Caroline Fouqué tangierenden Bemerkungen Schmidts mit den originalen Materialien geben will, möchte ich vorher ausdrücklich betonen, daß es mir dabei nicht um anmaßende und kleingeistige Fehlersuche geht, sondern um eine Objektivierung des Bildes der Fouqué und gleichzeitig um die Darstellung von Mechanismen der Ausgrenzung aus der Kanonbildung und Literaturgeschichtsschreibung aufgrund der Geschlechtszugehörigkeit einer Autorin.
Doch zunächst einige biobibliographischen Bemerkungen zu Caroline Fouqué.
Sie wurde am 7. Oktober 1775 als Caroline Philippine von Briest in Berlin geboren. Nach dem Tod seines Bruders übernahm ihr Vater 1780 den Familienbesitz in Nennhausen, pflegte aber weiter die alten gesellschaftlichen Kontakte und zog Berliner Bekannte nach Nennhausen. Als einzige Tochter des Hauses erfuhr Caroline eine umfassende Bildung. 1791 heiratete sie den Sohn einer benachbarten Adelsfamilie, Friedrich Ehrenreich Adolf Ludwig Rochus von Rochow, der als Offizier in Potsdam stationiert war. Rochow war Lehnsvetter des Pädagogen Friedrich Eberhard von Rochow, so daß bei dessen Ableben Carolines Söhne die Besitzungen erbten. Persönliche Beziehungen Carolines zu Friedrich Eberhard von Rochow, die sie zu ihren eigenen pädagogischen Schriften angeregt haben könnten, sind denkbar, aber nicht nachzuweisen.
Nach einem knappen Jahrzehnt sollte die Ehe wieder geschieden werden. Das Gerücht sagt, die 1796 geborene Tochter sei das Ergebnis einer Wette zwischen Rochow und einem Kameraden gewesen: ›Du verführst meine Frau nicht.‹ Ob dies den Tatsachen entspricht und Jahre später der Scheidungsgrund war, steht dahin. Bevor die Scheidung vollzogen werden konnte, hat sich Rochow, der Spielschulden nicht mehr begleichen konnte, erschossen.4
Spätestens ab dem Herbst 1802 wurde eine engere Beziehung Carolines zu Friedrich de la Motte Fouqué, den sie längst kannte, wie sich der Adel in der Mark eben kannte, offenbar. Gemeinsam besuchten sie z. B. August Wilhelm Schlegel, Friedrich Fouqués späteren Förderer. Schon Ende 1802 zog Friedrich nach Nennhausen. Im Januar 1803 fand dort die Hochzeit statt, im September kam die gemeinsame Tochter Marie zur Welt. Das eheliche Klima muß wenigstens dem Schreiben günstig gewesen sein: Zwei Monate nach der Geburt der Tochter war sein erstes ernstzunehmendes Werk fertig, ein Jahr später wurden ihre ersten Gedichte veröffentlicht.
In jenen Jahren, etwa bis zu den Befreiungskriegen oder genauer der anschließenden Zeit der Restauration waren die Fouqués Teil der romantischen Strömung, Friedrich Mitglied des »Nordsternbundes«, der gemeinsam den Roman Versuche und Hindernisse Karls verfaßte. Die ursprünglich geplante Teilnahme Carolines an diesem Roman kam nicht zustande, doch hat sie die Arbeiten begleitet. Damals schrieb Rahel, spätere Varnhagen: »Warum kann ich nicht sprechen, wie Frau v. F. z. Exempel!«5 Ganz offenbar aber kam es gegen Ende der zehner Jahre zu einer Verschiebung der gesellschaftlichen Interessen. Das dürfte vor allem politische Ursachen gehabt haben. Schon 1813 schrieb Caroline im Zuge der Befreiungskriege einen Ruf an die deutschen Frauen, über den Rahel urteilte: »Gott im Himmel! wie durchaus erbärmlich!«6
Mit dem Eintritt ihrer Söhne in den Dienst beim preußischen Hofe ging auch eine engere Bindung beider Fouqués an die höfischen Kreise vonstatten. Freundschaftliche Beziehungen zu den Geschwistern der Königin Luise, der Prinzessin Marianne und dem Kronprinzen, dem späteren Friedrich Wilhelm IV., kristallisierten sich heraus, bei deren genauerer Untersuchung jedoch ein widersprüchliches Bild entsteht. Die Hofberichterstattung dokumentiert eher seltene offizielle Einladungen anläßlich größerer Festivitäten an die Fouqués.7 Hingegen scheinen beide auf einer familiäreren Ebene regelmäßig mit den verschiedenen Angehörigen des Hofes verkehrt zu haben. Sie sandten Exemplare ihrer neuesten Werke und lasen im privaten – mit Hofdamen und -herren aufgefüllten – Kreis. Es liegen umfangreiche Briefwechsel Caroline Fouqués mit Großherzog Georg von Mecklenburg-Strelitz, Herzog Karl von Mecklenburg-Strelitz, Prinzessin Marianne von Hessen-Homburg und dem Kronprinzen Friedrich Wilhelm vor. In den Briefen sprach man recht intim über familiäre Sorgen, die Frauen tauschten Modetips aus, und selbstbewußt gab Caroline dem Kronprinzen Hinweise zu seiner geistigen Fortbildung.8 Nach Texten der Fouqués wurden Hoffeste ausgeführt, und gemeinsam mit Karl verfaßte Caroline 1822 einen Briefroman.9 Eigenartigerweise erwähnt das Tagebuch von Georg von Mecklenburg-Strelitz, der in seinen Briefen an Caroline sehr vertraut scheint und sie nach dem Tod ihres Vaters bei Bemühungen um ein Darlehen vom König unterstützt,10 beide Fouqués, auch ihre Besuche in Strelitz, mit keinem Wort.11 Dagegen schreibt Marianne in ihrem Tagebuch von Friedrichs schwärmerischer Aufdringlichkeit und Carolines frappierend offenen Worten, ihm doch entgegenzukommen.12 Es geht sicherlich entschieden zu weit, die Fouqués etwa als Hofdichter bezeichnen zu wollen. Allerdings gab es dauerhafte und teilweise auch recht enge Beziehungen, die für beide Fouqués von großem Wert waren, und auch ihre Texte dürften nicht ganz ohne Einfluß gewesen sein.13
Spätestens seit dem Tod ihres Vaters im Jahre 1822 führte Caroline die Wirtschaft auf den Gütern. Zwar hatte sie schon 1818 darum gebeten, daß ihr Sohn Theodor diese vom Großvater erben sollte.14 Ganz offenbar aber liefen die Geschäfte weiter über sie. Friedrich Fouqué blieb davon weitgehend unbehelligt. Aber auch Caroline war schriftstellerisch weiterhin außerordentlich produktiv: Die Hälfte ihrer über zwanzig Romane entstand in ihrem letzten Lebensjahrzehnt.
Ihre Texte sind in verschiedener Hinsicht recht unterschiedlich. Der Großteil ihrer Erzählungen scheint mit schneller Feder zum Zwecke des Gelderwerbs geschrieben zu sein. Die Romane, die z. T. beträchtlichen Umfang haben, verraten im allgemeinen mehr Sorgfalt und haben z. T. – wie die Erzählungen nur ganz ausnahmsweise – auch heute noch einen über das historische Interesse hinausgehenden Reiz.
Die bedeutendste Gruppe ihrer theoretischen Schriften bilden die Abhandlungen zur Mädchenerziehung. Ihren allgemeineren Betrachtungen zu Geschlechtsspezifika von Notwendigkeit und Inhalt der Erziehung und Bildung von Mädchen hat sie zwei Geschichtswerke hinzugefügt, deren Schwerpunkt die griechische und die christliche Mythologie bilden. Anliegen dieser Arbeiten war es, diese Wissensgebiete speziell für Frauen aufzubereiten. Sie sind jedoch keineswegs simplifizierend, sondern verraten ein umfängliches Wissen.
Aus einer Handvoll von Rezensionen ragt die Schrift Ueber deutsche Geselligkeit in Antwort auf das Urtheil der Frau von Stael (Berlin 1814) heraus.
Eine ganz eigene Stellung in der Fülle ihrer Texte nimmt der Titel Blick auf Gesinnung und Streben in den Jahren 1774–7815 ein: Es sind dies keine eigenen fiktiven, beschreibenden oder kommentierenden Texte, sondern Briefe Potsdamer Offiziere aus der Korrespondenz ihres Onkels, veröffentlicht mit dem Bestreben, Geschichte zu dokumentieren.
Ein ähnliches Anliegen ist auch ihrer Geschichte der Moden zuzuschreiben. Zwar scheint der hier gewählte Gegenstand auf den ersten Blick eher unbedeutend, aber die Fouqué war in Bezug auf das Vorhaben, ›Zeitgeist‹ einzufangen, der Überzeugung: »Es gibt in diesem Sinne nichts absolut Unwichtiges.«16
Fouqués Briefe über Berlin (Berlin 1822) haben Heinrich Heine zu seinen Briefen aus Berlin17 angeregt.
Einige Werke sind in Wien neuaufgelegt, andere sogar sind ins Französische und Englische übertragen worden.18
Schmidts Äußerungen zu Caroline Fouqué schriftstellerischer Tätigkeit sind spärlich. Abschätzig bemerkt er: »Als sie die Technik erlernt hat, verfaßt sie auch selbst Romane und Erzählungen, zierliche Mythologien ›Für die Töchter gebildeter Stände‹ und Ratgeber ›zum Eintritt in die große Welt‹.« Er habe zehn ihrer Bücher gelesen und nur den Roman Rodrich (Berlin 1806/7) und die Erzählung Der Delphin (In: Frauentaschenbuch. Nürnberg 1817) für halbwegs gut befunden.19
Schmidt führt weiter aus, daß manches in Caroline Fouqués Werken, zum Beispiel die Gedichte in ihrem Roman Die Frau des Falkensteins (Berlin 1810), von Fouqué sei.20 Hier wird zum ersten Mal deutlich, wie Schmidt mit den Caroline Fouqué betreffenden Materialien verfährt. Der Fakt an sich ist folgender: Friedrich Fouqué hat die Gedichte dieses einen Romans verfaßt. Sein Wissen hat Schmidt aus einem Brief Friedrichs an die Prinzessin Marianne,21 in welchem dieser davon spricht, daß neben den jetzt übersandten Reise-Errinnerungen (Dresden 1823) eine literar...
Inhaltsverzeichnis
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- Caroline de la Motte Fouqué und einige ihrer modernen Bewunderer. Beiträge zur Forschung. Eine Einleitung von Tobias Witt
- Beiträge zur Forschung
- Anhang
- Thomas Neumann: Bibliographie Caroline de la Motte Fouqué
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