1. Vertrieb 4.0
Der Vertrieb hat sich gerade in der letzten Dekade durch den Einsatz digitaler Werkzeuge weltweit verändert, je nach Branche in unterschiedlicher Intensität und Schnelligkeit. Die Konsumgüterbranche beispielsweise muss sich schon seit Jahrzehnten mit einem harten Konzentrations- und Verdrängungswettbewerb auseinandersetzen. Jetzt herrschen auch in Branchen wie der pharmazeutischen Industrie oder der Energiewirtschaft veränderte Spielregeln. In den meisten Branchen liefen die Veränderungen nach folgendem Muster:
Boom
Umsatz- und Ertragsentwicklung kannten nur eine Richtung: nach oben. Führung und Mitarbeiter schrieben den Erfolg ihrem eigenen Handeln zu. Erinnern Sie sich noch an den Mobilfunk-Markt der neunziger Jahre? Die Mitarbeiter gingen schiefen Schritts – zu intensives Schulterklopfen erzeugt auf Dauer Schräglagen – durch den Markt. In vielen Unternehmen entwickelte sich ein unkontrolliertes Wachstum. Strategische Ansätze waren nicht unbedingt erforderlich, um Vertriebserfolge zu erzielen. Folgen dieser Wachstumsorientierung waren unter anderem: Es wurden hierarchische Strukturen aufgebaut, die Zahl der Vertriebsmitarbeiter ständig erhöht, Ablaufprozesse wurden nicht kundenorientiert ausgerichtet, Wachstum wurde zu dem Maßstab.
Ausrichtung des Innendienstes: reaktives Handeln im Kundenmanagement.
Selektion
Das „Verteilen“ von Produkten und Dienstleistungen reicht nicht mehr aus, um im harten Wettbewerb zu bestehen. Durch Konzentrationsprozesse haben sich die globalen Wettbewerbsbedingungen verändert, Unternehmen befinden sich in einem Selektionsprozess und trennen die Spreu vom Weizen. Kunden trennen sich zunehmend von C-Lieferanten, Produktzyklen werden immer kürzer, Leistungen und Produktangebote von Anbietern immer vergleichbarer. Die Folgen sind unter anderem: quantitatives Wachstum ist oftmals nur noch durch Verdrängungswettbewerb möglich, die Balance zwischen quantitativem und qualitativem Wachstum wird immer wichtiger, um den Erhalt von Unternehmen zu sichern. Unternehmen starten Fitness-Kuren und überprüfen die vorhandene Effektivität und Effizienz der Vertriebsprozesse und konzentrieren sich auf die Aktivitäten und Mitarbeiter, die nachhaltig zur Wertschöpfung beitragen können.
Ausrichtung des Innendienstes: Reduktion der administrativen Ausrichtung und Stärkung des verkaufsaktiven Parts.
Vertrieb 4.0
Vertrieb 4.0 ist ein kontinuierlicher Prozess mit einem wichtigen Ziel: Die Vernetzung von Maschinen, Menschen, Unternehmen et cetera. In rasantem Tempo verändern sich die Formen, wie Kunden sich informieren, recherchieren und kaufen. Durch digitale Prozesse können aus einer Masse unstrukturierter Informationen in Echtzeit Informationen zur Verfügung gestellt und das steigende Transparenz- und Informationsbedürfnis von Kunden befriedigt werden. Die Folge: Geschäftsmodelle und Unternehmensstrukturen müssen angepasst und Veränderungsprozesse gestartet werden.
Das Internet der Dinge (Industrie 4.0) beispielsweise prägt die Innovationen der Zukunft. Nicht mehr die Entwicklung von Produkten oder Dienstleistungen stehen im Vordergrund, sondern die digitalisierte und automatisierte Erfassung und Analyse von Informationen, der gezielte Aufbau eines mobilen Internets, oder der Ausbau von digitalen Werkzeugen, zum Beispiel dem 3 D-Druck.
Das Vertriebsmanagement der Zukunft wird verstärkt über Plattformen abgewickelt werden, egal ob es sich um Dienstleistungen, Services oder der Kundensteuerung handelt. In den USA nutzen zum Beispiel 90 % der Unternehmen im Bereich B2B inzwischen den Internet - Auftritt als direktes Vertriebsinstrument. Es werden zunehmend schnelle und flexible Newcomer Markttrends setzen. Vertrieb 4.0 wird dazu führen, dass die Kundenorientierung in den Unternehmen einen bisher nicht bekannten Stellenwert erhält und Innovationskraft und Flexibilität in den Kundenmanagementprozessen zu den Erfolgsfaktoren werden.
Ausrichtung des Innendienstes: der verkaufsaktive Innendienst wird zu einem wichtigen und gleichwertigen Baustein innerhalb eines Multi-Channel-Vertriebs und übernimmt Aufgaben, die früher durch den Außendienst verantwortet wurden. Der Innendienst-Mitarbeiter wird zunehmend zu einem verkaufsaktiven Markt- und Kundenmanager, ausgestattet mit den notwendigen fachlichen Fähigkeiten und hierarchischen Kompetenzen.
Bei der Weiterentwicklung einer Vertriebsorganisation muss der „Reifegrad“ eines Unternehmens berücksichtigt werden.
1.1. Kundenmanagement in der digitalen Welt
Der Vertrieb ist aus meiner Sicht immer noch eine Blackbox. Einem rechnerischen Vertriebsaufwand, der oftmals durch zweifelhafte Gemeinkosten be- oder entlastet wird, steht ein rechnerischer Vertriebserfolg gegenüber, der ebenfalls durch interne Gemeinkosten beeinflusst wird. Durch die meist fehlende Prozesskostenrechnung ist die Leistung des Vertriebs in vielen Unternehmen nur bedingt messbar. Durch Gemeinkostenschlüssel werden Erfolgs- und Kostentreiber nicht ausreichend identifiziert mit der Folge, dass der Erfolg eines Vertriebsmitarbeiters oder der Ertrag mit einem einzelnen Kunden nur unzureichend herausgefiltert werden kann.
In der Vergangenheit hatte der Außendienst die Deutungshoheit im Umgang mit den Kunden, one face to the customer war die Ausrichtung des Vertriebsmanagements. Diese Zeiten sind vorbei! In der digitalen Welt mit stetig steigender Komplexität ist one team to the customer die einzige Alternative. Meine These:
Vertrieb ist das gesamte Unternehmen, vom Azubi bis zum
Management!
Jeder Mitarbeiter eines Unternehmens trägt zum Geschäftserfolg bei. Wenn die Entwicklung keine kundenorientierten Ideen marktfähig macht, ist dies Vertrieb, ebenso wenn die Logistik die Einkaufsabläufe der Kunden bei den eigenen Logistikangeboten nicht berücksichtigt. Leider negativer Vertrieb.
Sinkende Markteintrittsbarrieren und Konzentrationsprozesse werden die Wettbewerbslandschaft in den kommenden Jahren erheblich verändern. Neue Vertriebsformen, vor allem digitaler Art, werden den Kunden erweiterte Möglichkeiten bezüglich Lieferantenauswahl bieten. Diese Entwicklungen werden sich auf den Deckungsbeitrag auswirken. Der Ist-Umsatz eines Kunden bestimmt heute immer noch häufig den Wert eines Kunden. Die Kundenbeziehungskosten je Kunde werden kaum erfasst. Doch was nützt ein Kunde, mit dem zwar ein guter Umsatz getätigt wird, aber Erlösschmälerungen, Herstellkosten und Kundenbeziehungskosten den Ertrag bis zur Null-Linie schmälern.
Der Außendienst steuerte in der Vergangenheit die Art der Marktbearbeitung, die Verteilung von Aufgaben innerhalb der Vertriebsprozesse oder die Entscheidung über das Herangehen an potenzielle Neukunden. Der Verkaufsinnendienst war überwiegend ein Vertrieb zweiter Klasse, mehr „Stapelbearbeiter“ als aktive Verkaufseinheit. Vier Faktoren werden in Zukunft das Management in vielen Branchen dazu zwingen, sich mit der Neuausrichtung der Vertriebsorganisation zu beschäftigen.
Prozesskosten
Die Bestimmung des Kundenwerts wird für die Unternehmen immer wichtiger. Angebotskosten, Betreuungskosten, Werbung und Verkaufsunterstützung, Kosten für Produktmodifikationen oder Sonderentwicklungen beeinflussen die Entwicklung des Deckungsbeitrags. Total cost of ownership gewinnt an Bedeutung. Alle Kosten einer Kundenbeziehung gehören auf den Prüfstand bezüglich Produktivität und Kundenorientierung.
Zeit
Die Kunden wünschen sich einfache Einkaufsprozesse. In einer Zeit von Omni-Channel wollen die Kunden selbst bestimmen, in welcher Form sie mit Anbietern in Kontakt treten wollen. Die Kunden verlangen bei Fragen, Reklamationen oder Erstinformationen zügige Beratungsleistungen durch fachkompetente Mitarbeiter oder informative Online-Angebote. Damit wird es immer wichtiger, Kundenwünsche zu erfragen und die internen Prozesse auf Kompatibilität hin zu überprüfen. Basisvertriebsprozesse müssen – wo immer möglich und von den definierten Kunden gewünscht – standardisiert und automatisiert werden.
Geld
Der Verdrängungswettbewerb führt zu veränderten Deckungsbeiträgen. Bei Besuchskosten des Außendienstes von 150 – 250 Euro je Besuch ist eine Pflege von C-Kunden unter Kundenertragsgesichtspunkten durch den Außendienst in vielen Fällen unrentabel. Die Gewinnung von Neukunden ohne vorherige Kundenpotenzialanalysen ist nicht mehr zeitgemäß. Denn der Außendienst ist in vielen Unternehmen die teuerste Ressource und sollte deshalb überwiegend für Zukunftsprojekte und Investitionskunden eingesetzt werden. Ein Vertriebseinsatz nach dem »Gießkannenprinzip« ist weder sinnvoll noch unter Produktivitätsgesichtspunkten bezahlbar.
Komplexität
Kunden werden durch Konzentrationsprozesse, Internationalisierung, Kundenstrukturen oder unterschiedliche Kundenerwartungen immer komplexer. Eine höhere Kundenkomplexität erfordert aber eine stärkere Verzahnung zwischen Kunden und eigenem Unternehmen. Deshalb muss das Informationsmanagement zwischen den einzelnen Vertriebsaktivitäten verstärkt werden. Die Individualisierung des Kundenmanagements erfordert eine Optimierung eines strategisch ausgerichteten Vertriebseinsatzes.
Was sind Gründe für unbefriedigende Vertriebsergebnisse? Ein wesentlicher Grund ist sicherlich, dass die Vertriebsstrategie und / oder Vertriebsorganisation nicht auf die veränderten Rahmenbedingungen ausgerichtet sind. Die Ausrichtung der Vertriebsstrategie auf die Kundenbedürfnisse ist nicht immer optimal, der Fokus liegt zu stark auf die Erzielung kurzfristiger Erfolge. Die Kundenzentrierung im Vertrieb ist oftmals immer noch Wunschdenken!
Time to market erfordert eine hohe Professionalität in verschiedenen
Bausteinen.
Die Leistungsangebote sind aus Kundensicht „unbefriedigend“, weil Kundenbedürfnisse nicht ausreichend berücksichtigt werden. Das liegt unter anderem an den fehlenden Kundeninformationen im Kundenmanagement, über das Geschäft und die Kundenbedürfnisse und den Nutzenbeitrag der eigenen Leistungen aus Kundensicht. Die Kunden wünschen sich Beratungskompetenz (Lösungen statt Produkte) von den Anbietern. Notwendig in den Unternehmen sind eine höhere Professionalität, um Kundenbedürfnisse zu erkennen und zu verstehen und eine höhere Geschwindigkeit und Flexibilität bei der Umsetzung von Entscheidungen. Erforderlich ist eine
Kundenmehrwertorientierte
Dienstleistungsbereitschaft!
1.2. Das veränderte Einkaufsverhalten der Kunden
Die Kundenerwartungen an die Lieferanten verändern sich gravierend, unabhängig von B2C oder B2B. Nicht die Anbieter bestimmen die Spielregeln der Beschaffung, die Nachfrager entscheiden! Wer sich als Anbieter nicht auf diese veränderten Spielregeln einlässt, wird zu Verlierern der Zukunft gehören. Was wünschen sich die Kunden zum Beispiel?
Erwartung der Kunden im B2C
Die Kunden möchten für sie wichtige Informationen unkompliziert und zeitnah erhalten, zum Beispiel Produktinformationen, Produktverfügbarkeit, Ladenöffnungszeiten et cetera. Persönlich oder digital im Netz. Sie wünschen sich eine qualifizierte Beratung, ebenso Offline oder Online. Und ein weiterer Trend setzt sich immer stärker durch: Sie möchten die Leistungen nutzen statt sie zu kaufen. Dies verlangt seitens der Unternehmen eine gezielte Vernetzung von Online und Offline und eine Individualisierung der Produkte und Dienstleistungen.
Erwartung der Kunden im B2B
In der Vergangenheit lag der Fokus des Einkaufs auf operativen Tätigkeiten und er wurde nur bedingt durch die IT unterstützt. Heute ist der Einkaufserfolg ein wichtiger Strategiebaustein in der Steuerung von Unternehmen. Einkauf ist inzwischen das gesamte Unternehmen geworden, jeder Unternehmensbereich ist aufgefordert, strategische Wertschöpfungspotenziale zu identifizieren und zu generieren. Der Einkauf ist bei der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle beteiligt und deshalb daran interessiert, den Aufbau von Partnerschaften mit ausgesuchten Lieferanten zu verstärken (Preis ist nicht alles!) und sie in die eigene Wertschöpfungskette einzubinden (Total Cost of Ownership).
Der Einkauf wird unterstützt durch Cross-funktionale Experten. Damit steigt die Komplexität in den Einkaufsprozessen. Der Vertrieb muss sich mit einem Mix aus Zentraleinkauf und dezentralem Einkauf auseinandersetzen. Die Anzahl der Beteiligten im Entscheidungsprozess steigt, bei 50 % der Entscheidungen sind inzwischen Ø drei Mitarbeiter beteiligt, bei 38 % der Entscheidungen Ø vier bis sieben Mitarbeiter, und immer häufiger klinkt sich das Management in Einkaufsprozesse ein.
Professionelle Einkäufer intensivieren die Suche nach Lieferanten und investieren Zeit in die Lieferantenauswahl. Dabei nutzen sie verschiedenste Informationsquellen und Analysetechniken, zum Beispiel Lieferantensegmentierung, um detaillierte Wirtschaftlichkeitsanalysen durchzuführen und Entscheidungszyklen festzulegen. Die Anforderungen an den Einkauf im Bereich B2B sind unter anderem:
- Sicherung von Bezugsquellen.
- Bestandsreduzierung und reduzi...