Rechtliche, gesellschaftliche und politische Implikationen von Höchstaltersgrenzen für Bürgermeister am Beispiel Baden-Württemberg
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Rechtliche, gesellschaftliche und politische Implikationen von Höchstaltersgrenzen für Bürgermeister am Beispiel Baden-Württemberg

  1. 196 Seiten
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Rechtliche, gesellschaftliche und politische Implikationen von Höchstaltersgrenzen für Bürgermeister am Beispiel Baden-Württemberg

Über dieses Buch

Die vorliegende Arbeit bietet einen umfassenden Überblick zum Thema Höchstaltersgrenzen für Bürgermeister. Kommunalrechtliche Wählbarkeitshöchstgrenzen und beamtenrechtliche Ruhestandsaltersgrenzen werden im Kontext der Sonderrolle des Bürgermeisters im kommunalen Gefüge beleuchtet. Bedeutung und Beziehungsgeflecht von Recht, gesellschaftlichen Entwicklungen und politischen Entscheidungsprozessen für die Ausgestaltung von Höchstaltersgrenzen werden analysiert. Die Arbeit bietet eine vollständige Übersicht über die Regelungen aller (Flächen-)Bundesländer. Für Baden-Württemberg wird die Entwicklung der Höchstaltersgrenzen von der Gemeindeordnung 1955 bis zur Reform 2015 detailliert nachgezeichnet. Letztere wird einer ersten Bewertung unterzogen, wobei auch politische Entscheidungsträger und von der Reform betroffene Bürgermeister zu Wort kommen.

Häufig gestellte Fragen

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Information

1. Einleitung

1.1 Hintergrund

Im September 2014 überraschte der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann die Öffentlichkeit mit der Ankündigung, in Baden-Württemberg die Altersgrenze für Bürgermeister aufheben zu wollen. Ein Bürgermeister solle nicht mehr mit Erreichen des 68. Lebensjahres in den Ruhestand treten müssen und mit 65 Jahren nicht mehr zu alt für eine Kandidatur sein. Die Bevölkerung könne bei der Wahl ja entscheiden, ob jemand zu alt für ein solches Amt sei.1
Das kam dem Eppelheimer Bürgermeister Dieter Mörlein gerade recht. Er war 2012 zum zweiten Mal wiedergewählt worden und hätte nach der damals geltenden Rechtslage Ende 2016 mit 68 Jahren in den Ruhestand treten müssen, obwohl er noch seine volle Amtsperiode von acht Jahren absolvieren und bis 2020 im Amt bleiben wollte. Auch er fühlte sich mit 68 Jahren zu fit für den Ruhestand. Als die notwendigen Maßnahmen zur Umsetzung der Reform ausblieben, bat er das Staatsministerium um eine kurze Information über den Stand der Angelegenheit. Da diese im Vagen blieb, wandte er sich mit seinem Anliegen auch an einzelne Abgeordnete.2 Zugleich forderte er Ministerpräsident Kretschmann in öffentlichkeitswirksamer Weise auf, mit seinem Anstoß zur Abschaffung der Altersgrenze ernst zu machen und sich für den Fall der Altersgrenze auch gegen koalitionsinterne Widerstände durchzusetzen. 3 Das brachte Bewegung in den Reformprozess, der auch in der Presse aufmerksam begleitet wurde. 4 Schließlich erhöhte der Landtag die Wählbarkeitsgrenze für Bürgermeister auf das 68.
Lebensjahr und das Ruhestandseintrittsalter auf das 73. Lebensjahr. 5 Da dem aber keine rückwirkende Wirkung zukam, sondern die bei Inkrafttreten der Neuregelung im Amt befindlichen Bürgermeister weiterhin wie bisher in den Ruhestand treten mussten, 6 blieb es für den Eppelheimer Bürgermeister beim Ruhestandseintritt mit Vollendung seines 68. Lebensjahrs im Dezember 2016. Da die Neuwahl vor diesem Zeitpunkt stattfand, hätte er aber nach neuem Recht mit 67 Jahren nochmals kandieren können. Von dieser Möglichkeit machte er allerdings keinen Gebrauch.
Das Thema Höchstaltersgrenzen für Bürgermeister ist keine spezifisch baden-württembergische Problematik. Es stand auf der politischen Tagesordnung aller Bundesländer. In den letzten zehn Jahren haben diese ihre gesetzlichen Regelungen dazu in unterschiedlicher Weise geändert, indem sie jegliche Höchstaltersgrenzen aufgehoben oder ihre Wählbarkeitshöchstgrenze und/oder die Ruhestandsaltersgrenze angehoben beziehungsweise modifiziert haben. Dabei hat der bayerische Landtagsabgeordnete Peter Paul Gantzer gegen die 2012 in Bayern vom Landtag beschlossene Höchstaltersgrenze für die Wählbarkeit von Bürgermeistern erfolglos bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte geklagt.7
Das Thema steht auch weiterhin in der politischen Diskussion. So soll beispielsweise in Mecklenburg-Vorpommern8 das Höchstalter für die Wählbarkeit abgeschafft und in Thüringen9 auf 65 Jahre angehoben werden. In Bayern10 hat die SPD-Landtagsfraktion erneut einen Antrag auf Aufhebung der 2012 beschlossenen Höchstaltersgrenze in den Landtag eingebracht.

1.2 Forschungsziel und Erkenntnisinteresse

Dieser beschriebene Lebenssachverhalt weist zahlreiche Fragen auf: Warum musste der Eppelheimer Bürgermeister Dieter Mörlein sein Amt mit Erreichen des 68. Lebensjahres aufgeben, obwohl Wolfgang Schäuble mit 75 Jahren erneut für den Deutschen Bundestag kandidieren konnte und in diesem Alter sogar einen „Neuanfang“ als Bundestagspräsident machen darf? Gibt es immer schon Höchstaltersgrenzen für Bürgermeister? Was will man damit erreichen? Warum gibt es so unterschiedliche Regelungen in den Bundesländern 11? Warum hält die Rechtsprechung Höchstaltersgrenzen für rechtmäßig? Warum ist die Thematik in den letzten Jahren so aktuell geworden?
Mit der vorliegenden Arbeit möchte der Verfasser zu der Thematik Höchstaltersgrenzen für Bürgermeister 12 und zur Beantwortung dieser Fragen einen wissenschaftlichen Beitrag leisten. Dazu sind zunächst die Begriffe zu klären, die im Fokus der Arbeit stehen.
Der Begriff „Höchstaltersgrenzen“ wird als Oberbegriff für die Ausprägung von zwei Altersgrenzen verstanden, die das Amt des Bürgermeisters betreffen. Dies ist zum einen die Wählbarkeitshöchstgrenze. Sie bestimmt, bis zu welchem Alter eine Person für das Amt des Bürgermeisters kandidieren darf. Zum anderen handelt es sich um die Ruhestandsaltersgrenze, die festlegt, ab welchem Alter ein Bürgermeister in den Ruhestand treten muss und nicht länger sein Amt ausüben darf.
Bürgermeister im Sinne dieser Arbeit sind nur die Amtsträger, die als Organ einer Gemeinde (vgl. § 23 GemO BW) von der Bevölkerung direkt gewählt werden (vgl. § 43 Abs. 1 GemO BW), hauptberuflich als Beamte auf Zeit (vgl. § 42 Abs. 2 GemO BW) die Gemeindeverwaltung leiten (vgl. §§ 42 Abs. 1 S. 1, 44 Abs. 1 GemO BW) und die Gemeinde nach außen vertreten (§ 42 S. 2 GemO BW). Dies gilt auch, wenn sie als Bürgermeister die Amtsbezeichnung„Oberbürgermeister“ tragen (vgl. § 42 Abs. 4 GemO BW). Für diesen Personenkreis wird synonym auch die Bezeichnung „kommunale Wahlbeamte“ verwendet. Nicht Gegenstand dieser Arbeit sind Bürgermeister, die ihr Amt als Ehrenbeamte auf Zeit ausüben (vgl. § 42 Abs. 2 GemO BW) und solche Personen, die ohne Organstellung als Beamte auf Zeit lediglich die Amtsbezeichnung „Bürgermeister“ tragen. In Baden-Württemberg sind dies die Beigeordneten (vgl. § 49 Abs. 3 GemO BW).
Wissenschaftliches Arbeiten ist mehr als die bloße Wiedergabe des zu einem Thema vorhandenen Wissens. Es zielt vielmehr auf die Schaffung neuen Wissens, d.h. auf einen Erkenntnisgewinn im Verhältnis zum bisherigen Wissensstand. Wer neues Wissen in diesem Sinn schaffen will, muss das bestehende Wissen – den sogenannten Forschungsstand – zur Kenntnis nehmen, um zu klären, ob er überhaupt neues Wissen generieren kann und in welcher Hinsicht er dies tun will. Letzteres geschieht mit Hilfe einer oder mehrerer sogenannter Forschungsfragen, die die wissenschaftliche Beschäftigung mit einem Thema auf dieses Ziel hin fokussiert. Der Forschungsstand und die daraus abgeleiteten Forschungsfragen werden für das Thema Höchstaltersgrenzen für Bürgermeister daher nachfolgend dargestellt.

1.3 Forschungsstand und Rahmung der Arbeit

Wer sich auf Literatursuche zum Thema Höchstaltersgrenzen von Bürgermeistern macht, stellt bald fest, dass es hierzu keine monografische Literatur gibt, die sich umfassend diesem Thema widmet. Insoweit besteht eine Lücke, die die vorliegende Arbeit füllen will. Den Forschungsstand zu etwas darzustellen, das es so noch nicht gibt, erweist sich als Herausforderung. Denn möglich ist nur die Darstellung des Forschungsstandes einzelner Wissensbereiche und Erkenntnisse, die in die Arbeit einfließen sollen. Dies kann aber nicht isoliert geschehen. Vielmehr muss ihre Bedeutung für die Thematik der Arbeit sichtbar werden. Daher weicht die Aufbereitung bzw. Darstellung des Forschungsstandes in der vorliegenden Arbeit von der
„klassischen“ Darstellung ab. Sie wird damit auch selber zum rahmenden und vorgezogenen Teil der sich anschließenden inhaltlichen Beschäftigung mit der Thematik der Arbeit.
Die wissenschaftliche Beschäftigung mit dieser Problematik fokussiert sich zunächst hauptsächlich auf einen bestimmten Problembereich, der wiederum in einem weiteren Beziehungszusammenhang steht. Diesen Kontext machen Veröffentlichungen wie „Alter und Recht“ 13, „Recht der Älteren“ 14 , „Funktion, Arten und Bedeutung von Altersgrenzen im Recht“ 15 , „Altersdiskriminierung im öffentlichen Dienst“ 16 und „Höchstaltersgrenzen im Beamtenrecht“ 17 deutlich. Dabei werden auch Höchstaltersgrenzen für Bürgermeister als eine altersspezifische Benachteiligung angesehen und mehr oder weniger intensiv in der rechtswissenschaftlichen Diskussion mitbehandelt, die sich der Vereinbarkeit solcher Benachteiligungen mit dem Grundgesetz und dem europäischen Recht beschäftigt. Daneben findet sich das Thema Höchstaltersgrenzen auch in Veröffentlichungen, die sich speziell mit dem Amt des Bürgermeisters bzw. des kommunalen Wahlbeamten und länderübergreifenden Vergleichen befassen. 18 Dies geschieht überwiegend in desk...

Inhaltsverzeichnis

  1. Abstract
  2. Inhaltsverzeichnis
  3. Abkürzungsverzeichnis
  4. 1. Einleitung
  5. 2. Implikationen: Das Beziehungsgeflecht zwischen Recht, Gesellschaft und Politik für die Gestaltung von Altersgrenzen für Bürgermeister
  6. 3. Entwicklung der Altersgrenze für Bürgermeister in Baden-Württemberg
  7. 4. Bisherige Auswirkungen und Bewertung der Reform
  8. 5. Fazit und Ausblick
  9. Literaturverzeichnis
  10. Anlagenverzeichnis
  11. Impressum